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ARTHUR CONAN DOYLE ALS
AUTOR DES MEISTERDETEKTIVS

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ARTHUR IGNATIUS CONAN DOYLE wurde am 22. Mai 1859 im schottischen Edinburgh geboren. Er wuchs in einer künstlerisch orientierten Familie auf. Arthurs Großvater John Doyle war Künstler, arbeitete als Maler und Lithograph und zeichnete politische Cartoons und Karikaturen. Charles Altamont Doyle, Arthurs Vater, war technischer Zeichner und Maler, während Arthurs Onkel Richard Doyle als Illustrator für The Punch Magazine und verschiedene Kinderbücher tätig war.

Arthurs Beziehung zu seinem Vater war kompliziert. Charles Altamont Doyle war depressiv und Alkoholiker, sodass Arthurs Mutter Mary die Kinder fast allein großziehen musste. 1876 wurde Charles Altamont Doyle wegen seiner Sucht in der Entzugsklinik Fordoun House in Kincardineshire in Schottland untergebracht. Während seines Aufenthalts erkrankte er an Epilepsie, was seinen Zustand noch verschlimmerte. 1885 wurde er in das Montrose Royal Lunatic Asylum, eine Nervenheilanstalt in Hillside in Schottland, überwiesen, da Epilepsie zu dieser Zeit fälschlicherweise als psychische Krankheit diagnostiziert und behandelt wurde. Nachdem er verschiedene Institutionen durchlaufen hatte, starb Charles Altamont Doyle 1893 im schottischen Dumfries.

In der chronologisch letzten Sherlock-Holmes-Geschichte Seine Abschiedsvorstellung (1917) gedenkt er seines Vaters. Sherlock Holmes tritt als Geheimagent unter dem Decknamen Altamont auf, um falsche Informationen an einen deutschen Spion zu liefern. Die Figur wird also unter dem Namen von Arthur Conan Doyles Vater zu einem wichtigen Beschützer Großbritanniens am Beginn des Ersten Weltkriegs.

Die Krankheit und die ständige Abwesenheit des Vaters führten zu einer sehr engen Beziehung zwischen Arthur Conan Doyle und seiner Mutter Mary Foley Doyle, die bis an ihr Lebensende bestehen blieb. Mary Foley Doyle, von Arthur Conan Doyle stets „Ma’am“ genannt, ermutigte ihn immer wieder zum Schreiben. Ohne ihren Einsatz wäre Sherlock Holmes bereits nach der ersten Kurzgeschichtensammlung für immer verschwunden. Es existiert ein umfangreicher Briefwechsel zwischen den beiden, anhand dessen ein Großteil von Arthur Conan Doyles Biographie rekonstruiert werden kann. Ein Teil der Briefe wurde in A Life in Letters (zu Deutsch: Ein Leben in Briefen) abgedruckt. Mary Foley Doyle starb 1920 und war bis zu ihrem Tod Doyles engste Vertraute.

Der junge Arthur Conan Doyle besuchte die private Jesuitenschule in Stonyhurst in Lancashire. Erlebnisse aus seiner Schul- und Studienzeit scheinen in die Holmes-Geschichten eingeflossen zu sein. Die Namen einiger Schulkameraden wie Patrick Sherlock und die der irischen Geschwister Michael und John Moriarty deuten auf die literarischen Werke Arthur Conan Doyles hin. Sherlockianer verweisen als mögliche Inspiration für den Namen des Detektivs gern auf die Kricketspieler Frank Shacklock und Mordecai Sherwin. Diese beiden waren dem Kricketliebhaber Arthur Conan Doyle zweifelsohne bekannt. Auch der Name von Sherlocks älterem Bruder, Mycroft Holmes, könnte aus diesem Milieu entnommen worden sein. In der mittelenglischen Grafschaft Derbyshire spielte ein Mann namens William Mycroft neben Frank Shacklock Kricket. Beide Spieler sah Doyle vermutlich im Juni 1885 in einem wichtigen Spiel gegen seinen Kricketverein, den Marylebone Cricket Club. Er erwähnt in einem Interview, ihm sei der Name als besonders positiv im Gedächtnis geblieben, da er einmal gegen einen Kricketspieler namens Sherlock dreißig Runs (oder Punkte) erzielt habe. Eine weitere Inspiration für den Namen des Detektivs könnte ein US-amerikanischer Arzt und Philosoph namens Oliver Wendell Holmes gewesen sein.

Aus Doyles Schulzeit stammen jedoch nicht nur die Namen der Charaktere in den Sherlock-Holmes-Geschichten. Auch die berühmte Adresse in der Baker Street könnte mit einem Schulausflug nach London verbunden sein: Im Jahr 1874 besuchte Arthur Conan Doyle das Wachsfigurenkabinett Madame Tussauds, das zu diesem Zeitpunkt noch in der Baker Street einquartiert war. Erst 1884 zog die Ausstellung von der Baker Street an ihren heutigen Standort in der Marylebone Street um. Als der Autor begann, die Sherlock-Holmes-Geschichten zu verfassen, lebte er noch in Edinburgh und kannte sich in London nicht sonderlich gut aus. Obwohl Arthur Conan Doyle die Baker Street angeblich willkürlich als Adresse auswählte, würde der Besuch der Straße während seiner Schulzeit zumindest erklären, warum ihm ausgerechnet diese Straße unterbewusst noch in Erinnerung war.

Nach einem einjährigen Auslandsaufenthalt in Österreich im Anschluss an seine Schulausbildung nahm Doyle an der Edinburgh University das Medizinstudium auf. An der Universität lernte er Professor Dr. Joseph Bell kennen. Joseph Bell war Kinder- und Militärarzt und gilt als bedeutender Pionier der Forensik. 1878 begann Arthur Conan Doyle als Joseph Bells Assistent zu arbeiten, und war fasziniert von dessen besonderer Art, Diagnosen zu erstellen. Joseph Bell hatte die Angewohnheit, Patienten zuerst eingehend zu betrachten und einen Befund zu geben, bevor er sie ärztlich untersuchte. Somit konnte er in den meisten Fällen feststellen, woran die Patienten litten. Arthur Conan Doyle war häufig anwesend, wenn Joseph Bell sein Talent in Vorlesungen präsentierte. Die Art und Weise, in der Sherlock Holmes an die von ihm zu lösenden Fälle herangeht, ist zweifelsohne von Joseph Bells Methode beeinflusst. Arthur Conan Doyle selbst gab ein Indiz dafür, als er seinem Professor die erste Kurzgeschichtensammlung Die Abenteuer des Sherlock Holmes widmete: „Es ist ganz sicher, daß Sherlock Holmes Ihnen geschuldet ist“ (Die Abenteuer des Sherlock Holmes, Widmung). Er betont, Sherlock Holmes’ Methoden und seine fast übermenschliche Aufnahme- und Wahrnehmungsfähigkeit seien keineswegs übertrieben dargestellt, sondern entsprächen der Leistung, die er selbst unzählige Male bei Joseph Bells Diagnosen miterlebt habe. Im Vorwort einer späteren Auflage von Eine Studie in Scharlachrot erwähnt er einen Artikel mit dem Titel Mr. Sherlock Holmes, den Dr. Joseph Bell 1893 für The Bookman schrieb. Darin bestätigt Bell die Ähnlichkeit seiner Arbeitsweise mit der Methodik des fiktiven Detektivs. Joseph Bell bezeichnete Arthur Conan Doyle als sehr guten und aufmerksamen Studenten, der schnell lernte und über eine besondere Auffassungsgabe verfügte. Auch Doyles Freund Robert Louis Stevenson, Autor der spätviktorianischen Romane Die Schatzinsel und Dr. Jekyll und Mr. Hyde, erkannte Dr. Joseph Bell in den Sherlock-Holmes-Geschichten wieder. 1893 schrieb er aus Samoa an Arthur Conan Doyle: „Mein Kompliment für deine genialen und sehr interessanten Abenteuer des Sherlock Holmes … könnte es sich um meinen alten Freund Joe Bell handeln?“ (Stevenson 540). Arthur Conan Doyle antwortete ihm, dass es sich in der Tat um eine Figur handle, die an Joseph Bell angelehnt sei.

Im Anschluss an seinen Studienabschluss verbrachte Arthur Conan Doyle ein Jahr auf dem Schiff Mayumba, mit dem er als Schiffsarzt nach Afrika reiste. Schon während seines Studiums konnte er praktische Erfahrungen im medizinischen Bereich sammeln, da er auf dem Walfangschiff Hope als Arzt angestellt war. Sein Reisebericht über die Zeit mit den Walfängern wurde 2012 in dem Buch Dangerous Work, Arthur Conan Doyle’s Arctic Diary von der Britischen Nationalbibliothek herausgegeben. Nach der Rückkehr aus Afrika eröffnete er im Jahr 1882 eine Augenarztpraxis in Southsea in der englischen Grafschaft Hampshire. Da Arthur Conan Doyle anfänglich nur sehr wenige Patienten hatte, war es für ihn notwendig, sich etwas Geld dazuzuverdienen. Durch den geringen Zulauf hatte er genug Zeit, um sich seinem Hobby, dem Schreiben, zuzuwenden und damit sein Gehalt aufzubessern. Bereits während des Studiums hatte er einige Kurzgeschichten in verschiedenen Magazinen veröffentlicht, so unter anderem in den Zeitschriften London Society und Temple Bar. Das Geheimnis von Sasassa Valley (1879), The Gully of Blueman’s Dyke (1881, nicht ins Deutsche übersetzt), Der Kapitän des Polarstern’ (1881) und Mein Freund der Mörder (1882) zählen zu den Erstlingswerken des jungen Autors. 1883 schrieb Arthur Conan Doyle seinen ersten Roman mit dem Titel Die Erzählung des John Smith – ein Unterfangen, das ihm indes keinen Mehrverdienst brachte, da das Buch erst 2011 veröffentlicht wurde.


Dr. Joseph Bell

Nach einigen Anlaufschwierigkeiten etablierte sich Doyle in den folgenden Jahren schließlich als Arzt und verdiente genug, um gut davon leben zu können. Am 5. August 1885 heiratete er Louise „Touie“ Hawking, deren todkranken Vater er für kurze Zeit behandelt und gepflegt hatte. Ihre sanfte Art bewegte ihn sehr, und so heirateten sie nur wenige Monate nach ihrem ersten Treffen. Weder die Arbeit noch sein neues Leben als Ehemann hielten Arthur Conan Doyle davon ab, sich weiterhin seiner Leidenschaft, dem Schreiben, zu widmen. Vier Jahre, nachdem er in Southsea seine Arbeit aufgenommen hatte, verfasste er seine erste Sherlock-Holmes-Geschichte, den Roman Eine Studie in Scharlachrot. Er schickte das Manuskript an verschiedene Verlage, die jedoch kein Interesse daran hatten. Das Cornhill Magazine lehnte die Erzählung ab, da sie zu lang für eine Kurzgeschichte und zu kurz für einen Roman sei. Der Verlag Arrowsmith behielt das Manuskript für mehrere Monate und schickte es dann unbearbeitet zurück. Im Oktober 1886 bekam Arthur Conan Doyle Post von Ward Lock & Co., die ihm anboten, Eine Studie in Scharlachrot in Beeton’s Christmas Annual zu veröffentlichen. Das Magazin wollte ihm 25 £ für die gesamten Rechte an seiner Geschichte zahlen. Arthur Conan Doyle war erleichtert, seine Geschichte endlich publizieren zu können, und nahm das Angebot an. Mit dem Vertrag trat er alle Rechte an seinem Roman an den Verlag ab. An Weihnachten 1886 konnten die Abonnenten des Magazins den ersten Fall von Sherlock Holmes und seinem Freund John Watson lesen.

Ursprünglich hatte Arthur Conan Doyle Eine Studie in Scharlachrot als Einzelwerk geplant. Dass Sherlock Holmes im Anschluss an den ersten Roman noch weitere Fälle lösen würde, ist dem US-amerikanischen Verleger J. M. Stoddart von Lippincott’s Monthly Magazine zu verdanken. J. M. Stoddart war vom ersten Sherlock-Holmes-Roman sehr beeindruckt und lud Arthur Conan Doyle zusammen mit dem Politiker Thomas Patrick Gill und dem irischen Schriftsteller Oscar Wilde im August 1889 zum Abendessen in das Langham Hotel in London ein. An diesem Abend erteilte er Arthur Conan Doyle und Oscar Wilde je einen Auftrag für einen Roman. Arthur Conan Doyle schrieb daraufhin seine zweite Holmes-Geschichte Das Zeichen der Vier (1890) und Oscar Wilde verfasste Das Bildnis des Dorian Gray (1891). Zu Ehren dieses bedeutenden Treffens feierte die Londoner Sherlock-Holmes-Gesellschaft am 30. August 2014 den 125. Jahrestag dieses Abendessens mit „The Stoddart Dinner“ im Grand Ballroom des Langham Hotels in London.


Die Erstausgabe von Eine Studie in Scharlachrot

Das serielle Erscheinen der Sherlock-Holmes-Geschichten nach dem zweiten Roman hat mehrere Gründe. Arthur Conan Doyle fühlte sich wegen der geringen Bezahlung und des Zwangs, seine Rechte abzutreten, ungerecht behandelt und suchte nach einer neuen Möglichkeit, die Geschichten um Holmes zu veröffentlichen. Damit war das Fundament für Doyles Schriftstellerkarriere gelegt und Sherlock Holmes avancierte in der Folge schnell zu einer der beliebtesten populärliterarischen Figuren seiner Zeit. Gegen Ende des Jahrhunderts wurden mehrere monatlich erscheinende Magazine gegründet, in denen Schriftsteller Kurzgeschichten oder Kapitel ihrer Werke publizieren konnten. Das 1891 unter der Leitung des Chefredakteurs Greenhough Smith gegründete The Strand Magazine gefiel Doyle besonders gut. Er schlug vor, mehrere Kurzgeschichten mit Sherlock Holmes und John Watson als Hauptfiguren zu verfassen. Bis dahin wurden Kurzgeschichten in der Regel in einer Episode abgehandelt und die Charaktere erschienen nicht wieder. Serielle Veröffentlichungen beliefen sich im Vergleich dazu auf das monatliche Erscheinen einzelner Kapitel eines zusammenhängenden Romans. Bei Arthur Conan Doyles Detektivgeschichten handelte es sich somit um die erste Kurzgeschichtenserie, in der immer wieder dieselben Charaktere vorkamen. Außerdem war Sherlock Holmes der erste literarische Charakter, der in einer Kurzgeschichtenserie erschien.

Das Interesse der Öffentlichkeit an Sherlock Holmes und John Watson, hervorgerufen durch die ersten beiden Romane, verhalf dem Strand Magazine von Beginn an zu einer erheblichen Leserzahl. Arthur Conan Doyles Geschichten wurden zu einer festen Instanz des Magazins. Auch viele andere Schriftsteller, wie beispielsweise Charles Dickens, Wilkie Collins und George Eliot in England, Gustave Flaubert in Frankreich oder Leo Tolstoi und Fjodor Dostojewski in Russland, veröffentlichten ihre Romane kapitelweise in Magazinen. Ein Vorteil dieses Vorgehens lag darin, dass die Erzählungen trotz der hohen Papierpreise erschwinglich blieben und so ein breiter Markt aufgebaut werden konnte. Ein Nachteil ergab sich jedoch aus der Wartezeit. Die Leser mussten sich jeweils eine Woche oder einen ganzen Monat gedulden, um den nächsten Teil der Geschichte lesen zu können. Das lange Warten konnte zum Verlust des Interesses führen. Wenn auch nur eine einzige Ausgabe verpasst wurde, konnte sich der Leser im Handlungsstrang der Geschichte verlieren. Arthur Conan Doyle schloss daher, bis auf wenige Ausnahmen, jede seiner Erzählungen innerhalb einer Ausgabe ab. Somit konnten die Leser in jedem Heft eine komplette Geschichte bis zur Lösung des Falles lesen.

Welcher Beliebtheit Sherlock Holmes sich bei den Lesern von The Strand Magazine tatsächlich erfreute und welch wichtige Rolle Arthur Conan Doyles Publikationen darin spielten, wird anhand der Konsequenzen des vermeintlichen Todes von Sherlock Holmes in Das letzte Problem (1893) deutlich. Mehr als 20.000 Leser kündigten nach dem Erhalt der Dezember-Ausgabe ihre Abonnements und hinterließen ein tiefes Loch in der Kasse des Strand Magazine. Mit der Rückkehr von Sherlock Holmes in der seriellen Veröffentlichung des Romans Der Hund der Baskervilles (1901/1902) und der Kurzgeschichte Das leere Haus (1903) kehrten auch die verlorenen Leser wieder zum Magazin zurück. Insgesamt 30.000 neue Abonnements für The Strand Magazine wurden 1903 verkauft. Die Veröffentlichung der restlichen Kurzgeschichten bis ins Jahr 1927 etablierte den Meisterdetektiv Sherlock Holmes schließlich vollends als festen Bestandteil der britischen Literatur- und Kulturgeschichte.

Obgleich Arthur Conan Doyle John Watson insbesondere in seinem Aussehen ähnlicher ist als seinem Detektiv, so teilt Doyle sich doch einige Charakteristika mit Sherlock Holmes. Im Jahr 1906 las Arthur Conan Doyle von einem Gerichtsverfahren, in dem ein junger angloindischer Anwalt namens George Edalji wegen angeblicher Tierverstümmelung zu sieben Jahren Zwangsarbeit verurteilt wurde. Mehrere Pferde waren verstümmelt worden, und anonyme Briefe erwähnten verschiedene Personen, die an den Gräueltaten beteiligt gewesen seien – unter den Namen war auch der George Edaljis. Arthur Conan Doyle entdeckte bei diesem Gerichtsverfahren verschiedene Ungereimtheiten und wurde durch eine große Welle öffentlichen Protestes gegen das Urteil bestärkt, sich näher mit dem Fall zu beschäftigen. Der Autor galt zu dieser Zeit neben Rudyard Kipling als der bekannteste britische Schriftsteller – ein Umstand, den er nicht zuletzt den Sherlock-Holmes-Geschichten zu verdanken hatte. Seine Verwicklung in den Fall George Edaljis wurde von der Öffentlichkeit mit entsprechend großem Interesse verfolgt. So, wie es Sherlock Holmes getan hätte, begann Arthur Conan Doyle, sich intensiv mit dem Fall zu befassen und alle Beweise genau unter die Lupe zu nehmen. Diese Ermittlungen schlossen nicht nur die einseitige Betrachtung der Ereignisse durch die Polizei mit ein, sondern auch George Edalji und seine Familie, die an seiner Unschuld festhielt. Doyle veranlasste ein Treffen mit dem Verurteilten und bemerkte auf den ersten Blick, dass der junge Mann kaum in der Lage gewesen sein konnte, des Nachts Pferde zu verstümmeln. Er war hochgradig kurzsichtig und hielt die Zeitung, die er zum Zeitpunkt des Treffens las, bis fast an die Nase, um überhaupt etwas lesen zu können. Dieser erste Eindruck überzeugte Arthur Conan Doyle von George Edaljis Unschuld. Er besuchte also die Tatorte, sprach mit Zeugen und Familienmitgliedern und begann eine Kampagne mit dem Ziel, Straferlass für George Edalji zu erreichen. Mehrere Zeitungsartikel machten den Fall und Arthur Conan Doyles Einsatz landesweit bekannt, und schließlich wurde der Anwalt freigesprochen. 1907 wurde als Konsequenz des Falls und der anschließenden Kampagne unter der Führung Arthur Conan Doyles das britische Berufungsgericht gegründet. Dieser unermüdliche Einsatz des Autors gegen große Ungerechtigkeit spiegelt sich im Charakter von Sherlock Holmes wider.

Der Detektiv zeichnet sich vor allem durch seinen Intellekt aus. Er glaubt nicht an das Übernatürliche oder an Zufälle und betrachtet jeden noch so obskuren Fall als Herausforderung, den Rätseln, die sich ihm stellen, auf den Grund zu gehen. In den Kurzgeschichten Das gelbe Gesicht (1893), Der Vampir von Sussex (1924) und Die Löwenmähne (1926) scheinen auf den ersten Blick übernatürliche Mächte am Werk zu sein. Sherlock Holmes lässt sich davon aber keineswegs aus der Ruhe bringen. Er fällt kein Urteil, bevor er nicht im Besitz aller Fakten ist und diese analysiert hat. In jeder der Geschichten gibt es eine rationale Erklärung für die Mordfälle oder traumatischen Ereignisse, die Sherlock Holmes untersucht. Der Autor dieser rein rational ausgerichteten Figur hingegen war dem Übernatürlichen keineswegs abgeneigt. Arthur Conan Doyle schrieb neben historischen Romanen und den Detektivgeschichten auch fantastische Literatur und Science-Fiction, die häufig vom Übernatürlichen beeinflusst waren. Zudem hatte er selbst großes Interesse an Mesmerismus, Spiritismus („spiritualism“) und Mystizismus. Mesmerismus oder auch animalischer Magnetismus wurde von Franz Anton Mesmer als alternative Heilmethode propagiert und im 19. Jahrhundert weitreichend praktiziert. Es geht dabei um den gezielten Einsatz von Wechselwirkungen, die lebende Körper aufeinander haben. Hypnose und Gedankenübertragung zählen zu den wichtigsten Praktiken dieser Methode. Obwohl immer wieder von medizinischer sowie theologischer Seite davor gewarnt wurde, hatte der Mesmerismus großen Einfluss auf die Philosophie, Geisteswissenschaft und Literatur des 19. Jahrhunderts. Nicht nur Arthur Conan Doyle, sondern auch Edgar Allan Poe, Wilkie Collins, Edward Bulwer-Lytton, George Eliot und Marie Corelli beschäftigten sich in ihrer Literatur mit Mesmerismus, Hypnose und Hellseherei. Arthur Conan Doyle verfasste mehrere fantastische Kurzgeschichten zu diesem Thema. Beispiele dafür sind Das große Keinplatz-Experiment (1885), in dem ein Professor und ein Student sich plötzlich im Körper des jeweils anderen wiederfinden, John Barrington Cowles (1886), in dem sich ein Medizinstudent in eine Werwölfin verliebt, die ihn durch Hypnose an sich bindet, und Der Parasit (1894), eine Geschichte, in der eine Frau durch Mesmerismus einen Mann mental gefangen hält. Interessanterweise begann Arthur Conan Doyle, sich im Veröffentlichungsjahr von Eine Studie in Scharlachrot intensiv mit Spiritismus zu beschäftigen. Spiritisten versuchten, mit den Seelen von Verstorbenen in Kontakt zu treten und mit ihnen zu kommunizieren. Während er Geschichten über den rein logisch denkenden Sherlock Holmes verfasste, besuchte Arthur Conan Doyle Séancen und probierte aus, über Medien mit Toten zu sprechen. 1893 wurde er Mitglied der „British Society for Psychical Research“ in Cambridge, die sich wissenschaftlich mit übernatürlichen und spiritistischen Phänomenen beschäftigte.

Das Interesse Arthur Conan Doyles am Übernatürlichen wurde durch einige existenzielle Ereignisse in seinem Leben noch verstärkt. 1893 war ein schweres Jahr für den Autor. Seine Frau Touie, mit der er zwei Kinder hatte, erkrankte kurz nach dem Tod von Arthur Conan Doyles Vater Altamont an Tuberkulose. Die Ärzte prognostizierten Touie eine Überlebenszeit von wenigen Monaten. Doyle wollte diesen Schicksalsschlag nicht ohne Kampf hinnehmen und reiste mit seiner Frau in Länder mit milderem Klima als England, unter anderem in die Schweiz und nach Ägypten. Zudem kaufte er ein Stück Land in Hindhead in der südenglischen Grafschaft Surrey, auf dem er sein selbst entworfenes Haus namens „Undershaw“ erbauen ließ. Hindhead war Arthur Conan Doyle von seinem Freund, dem Schriftsteller Grant Allen, wegen der sauberen Luft empfohlen wurden. Die Familie zog 1897 in „Undershaw“ ein. Das Haus war ganz den Bedürfnissen der schwerkranken Touie angepasst. 1893 markiert auch das Jahr, in dem Doyle sich entschloss, sich von Sherlock Holmes zu trennen und den beliebten Meisterdetektiv im Kampf gegen seinen Erzfeind Professor James Moriarty vermeintlich sterben zu lassen. Arthur Conan Doyle fühlte sich von Sherlock Holmes überschattet und wollte sich um seine Familie und um andere literarische Projekte kümmern. Im Dezember 1893 erschien Das letzte Problem, die Geschichte, in der Sherlock Holmes mit James Moriarty den Reichenbachfall in der Schweiz hinabstürzt. Es vergingen fast zehn Jahre, bis Arthur Conan Doyle sich wieder seinem berühmtesten literarischen Charakter widmete. 1899 veröffentlichte er die heute fast vergessene Liebesgeschichte A Duet with an Occasional Chorus. 1900 diente er als freiwilliger Militärarzt im Burenkrieg in Südafrika und sammelte Material für sein Buch The War in South Africa: Its Causes and Conduct (1902), worin er über die Gründe des Burenkrieges und das Verhalten aller beteiligten Seiten berichtete. Zwischen August 1901 und April 1902 wurde der dritte Holmes-Roman, Der Hund der Baskervilles, vom Strand Magazine in Serie veröffentlicht. Die Geschichte wurde von Doyles Freund Bertram Fletcher Robinson inspiriert, den er in Südafrika kennengelernt hatte und der ihm von verschiedenen Legenden aus Dartmoor erzählt hatte. Arthur Conan Doyle datierte die Geschehnisse des Romans vor Das letzte Problem, womit er es vermied, sich mit dem Tod und einer möglichen Rückkehr von Sherlock Holmes auseinandersetzen zu müssen. Am 24. Oktober 1902 wurde er von König Edward VII. für seine Berichterstattung über die Burenkriege in Südafrika zum Ritter geschlagen.

Ein Jahr später entschloss Arthur Conan Doyle sich schließlich, Sherlock Holmes von den Toten auferstehen zu lassen. In der Kurzgeschichte Das leere Haus (1903) kehrt Sherlock Holmes nach London zurück. Der Detektiv erläutert seinem schockierten, aber glücklichen Freund John Watson, wie es ihm durch den Einsatz einer japanischen Ringkampfkunst gelungen war, Professor James Moriarty am Reichenbachfall in letzter Sekunde zu entkommen. Er sei durch die Welt gereist und habe James Moriartys Netzwerk Stück für Stück zerstört. Während die Leser ein ganzes Jahrzehnt auf die Rückkehr ihres Helden warten mussten, verkürzte Arthur Conan Doyle diese Zeit der Trauer für John Watson auf drei Jahre. Eine treibende Kraft hinter der Rückkehr des Detektivs war das ausdrückliche und nicht nachlassende Interesse an Sherlock Holmes von Arthur Conan Doyles Freunden, Bekannten und treuen Lesern. Eine weitere Rolle spielte jedoch auch die schlechte Finanzlage des Autors. Das öffentliche Verlangen nach neuen Sherlock-Holmes-Geschichten war groß genug, um Arthur Conan Doyle ein Gehalt von 100 £ pro 1000 geschriebene Worte von The Strand Magazine einzubringen. Er brauchte das Geld, denn der Bau von „Undershaw“ war kostspielig gewesen. Außerdem verreiste er häufig allein oder mit seiner Familie. Seine Frau Touie, die 1903 entgegen der ärztlichen Prognose noch am Leben war, benötigte zudem konstante medizinische Versorgung. 1905 verschlechterte sich ihr Zustand und sie verstarb am 4. Juli 1906. Nach dem Tod seiner Frau zog Arthur Conan Doyle aus „Undershaw“ aus. Er verkaufte es jedoch nicht, da er plante, „Undershaw“ seinem Sohn Kingsley zu vermachen, sobald dieser mündig würde. Bereits während seiner Zeit in Surrey hatte er die junge Sängerin Jean Leckie kennengelernt und verliebte sich nun in sie. Schon ein Jahr nach dem Tod seiner Frau Touie heiratete der Autor Jean Leckie. Mit ihr bekam Arthur Conan Doyle drei weitere Kinder, Denis, Adrian und Lena Jean. Aus Briefen der beiden Kinder aus Arthur Conan Doyles erster Ehe, Mary und Kingsley, geht hervor, dass die neue Frau ihres Vaters sie nicht mochte und ihren Aufenthalt in ausländischen Schulen veranlasste. Ebenso überzeugte Jean ihren Mann von ihrem Talent als spirituelles Medium, was Arthur Conan Doyle ihr uneingeschränkt glaubte. Er begann damit, einen Großteil seiner Energie und Finanzen in die Erforschung des Übernatürlichen zu investieren. Jean praktizierte sogenanntes „automatisches Schreiben“ und Doyle glaubte fest an die Fähigkeiten seiner zweiten Frau, mit Verstorbenen kommunizieren zu können.

Doyles Interesse am Spiritismus verstärkte sich nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Sein Sohn Kingsley, der 1916 in der Schlacht an der Somme verwundet worden war, verstarb 1918 kurz nach Ende des Kriegs an Typhus. Arthur Conan Doyle verkaufte „Undershaw“ zwei Jahre später, da er Kingsley das Haus nun nicht mehr vererben konnte. Im Folgejahr verlor er zudem noch seinen Bruder Innes, der an den Folgen einer Lungenentzündung starb, die er sich im Krieg zugezogen hatte. Auch der Tod seiner Mutter im Jahr 1920 traf Arthur Conan Doyle schwer. Er war zutiefst erschüttert und suchte in Séancen Trost, in der Hoffnung, mit den Verstorbenen in Kontakt bleiben zu können. Besonders zum Ende seines Lebens wendete er einen Großteil seines Vermögens auf, um spiritistische Einrichtungen und deren Forschung zu unterstützen. Nach dem Ersten Weltkrieg veröffentlichte er mehrere Abhandlungen zum Thema, wie beispielsweise Was ist Spiritismus? Die neue Offenbarung (1918), The Vital Message (1919), Die Geschichte des Spiritismus (1926) und Der Rand des Unbekannten (1930). Doyles Glaube an das Übernatürliche wurde von vielen Kritikern skeptisch aufgenommen. Insbesondere die Episode um die Cottingley-Feen kostete Arthur Conan Doyle seinen Ruf als rationaler und bodenständiger Schriftsteller.

Als die zwei Cousinen Elsie Wright und Frances Griffiths 1917 in ihrem Garten in Cottingley angeblich Feen fotografierten, erlangten sie in kürzester Zeit große Berühmtheit. Auch Doyle hörte von den Fotos und war überzeugt, den beiden Mädchen sei etwas Einmaliges widerfahren. Er glaubte fest an die Authentizität der Fotos, auf denen tanzende Feen zu sehen waren. Nachdem er die beiden Mädchen besucht und diese ihm von ihrem Erlebnis berichtet hatten, ließ er sich nicht mehr von seinem Glauben abbringen. Er veranlasste eine Fotoanalyse durch die Firma Kodak und die Bilder wurden als genuin und nicht manipuliert eingeschätzt. Für Arthur Conan Doyle stand die Möglichkeit, die Fälschung könne bei den fotografierten Objekten selbst liegen, nicht zur Debatte. 1922 schrieb er The Coming of the Fairies, ein Buch über die Cottingley-Feen und weltweite Feen-Sichtungen, anhand derer er die Existenz von übernatürlichen Wesen beweisen wollte. Auch wenn er weiterhin Detektivgeschichten mit einem rational vorgehenden Sherlock Holmes schrieb, blieb sein Ruf beschädigt.

Einen weiteren Tiefschlag erlitt er, als er dem bekannten Zauberer und Entfesselungskünstler Harry Houdini (eigentlich Erik Weisz aus Budapest) anbot, seine Frau Jean in einer Séance mit dessen Mutter kommunizieren zu lassen. Die Doyles waren eng mit dem Zauberkünstler befreundet. Arthur Conan Doyle war überzeugt, Harry Houdini besäße magische Fähigkeiten, was der Zauberkünstler jedoch vehement abstritt. 1922 stimmte Harry Houdini einer Séance zu und Jean agierte als Medium. Sie schrieb das auf, was die Geister ihr durch den spirituellen Kontakt diktierten, und überschrieb den Brief mit einem Kreuz. Für Houdini, der aus einer jüdischen Familie stammte, war die Verwendung eines christlichen Symbols durch seine Mutter undenkbar. Des Weiteren beherrschte sie auch die englische Sprache nicht, in welcher der in Trance geschriebene Brief verfasst war. Houdini war sich sicher, keine genuine Unterhaltung mit einem Geist geführt zu haben, und brach daraufhin den Kontakt zur Familie Doyle ab.

Arthur Conan Doyle schrieb bis 1927 Geschichten über Sherlock Holmes. Einige seiner besten Geschichten stammen aus der letzten Kurzgeschichtensammlung Sherlock Holmes’ Buch der Fälle (1927). Hier wird deutlich, wie komplex das Leben und die Ansichten des Autors waren, der auf der einen Seite über Wissenschaft, Politik, Sport und Psychologie bestens Bescheid wusste und auf der anderen Seite bis an sein Lebensende an übersinnliche Phänomene glaubte.

Nach einer Vorlesungsreise durch Skandinavien starb Arthur Conan Doyle am 7. Juli 1930 im Alter von einundsiebzig Jahren in Crowborough, East Sussex, an einem Herzinfarkt. Seine letzten Worte, die er an seine Frau adressierte, waren: „Du bist wundervoll.“ Er wurde zunächst im Rosengarten von Windlesham beerdigt und später auf dem Friedhof des Örtchens Minstead in Hampshire begraben. Auf seinem Grabstein sind die folgenden Worte zu lesen:

Steel true/Blade straight/Arthur Conan Doyle/Knight/Patriot, Physician, and man of letters. (zu Deutsch: Ehrlicher Stahl/Gerade Klinge/Arthur Conan Doyle/Ritter/Patriot, Arzt und Schriftsteller).

Mit Sherlock Holmes schuf Arthur Conan Doyle eine Ikone des Fortschritts. Sherlock Holmes ist seiner Zeit weit voraus und inspirierte nicht nur unzählige Schriftsteller, ähnliche Texte zu verfassen, sondern die Geschichten leisteten auch einen wichtigen Beitrag zur Kriminologie und Forensik. Neben den Sherlock-Holmes-Geschichten schrieb Arthur Conan Doyle erfolgreich historische Romane, Abenteuerromane, Romanzen, Geschichten über das Übernatürliche sowie Abhandlungen über Spiritismus und transzendente Wesen. Trotz des riesigen Korpus sind es vor allem seine Detektivgeschichten, durch die Arthur Conan Doyle auch heute noch so bekannt ist, wie er es bereits zu Lebzeiten war.

Sherlock Holmes

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