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Ich trink dann mal mit ihm - oder ein Vorwort

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von Mark Jischinski

Es gibt Zeiten im Leben, da bestellen wir ein kühles Bier und bekommen von einem fies dreinblickenden Barkeeper eine völlig überteuerte, warme Plörre, die bestenfalls als Reinigungsmittel taugt. Nicht immer läuft es, wie wir es uns erträumen. Nur selten bekommen wir das geliefert, was wir bestellen. Bei einem Barkeeper ist es einfach, auf eine falsche Lieferung zu reagieren. Wir lassen das fade Getränk zurückgehen und müssen es nicht einmal bezahlen. Stattdessen gelingt ihm der nächste Versuch und vor uns steht das ersehnte kühle Blonde.

Als ich Mario das erste Mal traf, gingen einige Bestellungen von ihm nicht auf. Sie wurden entweder an den falschen Empfänger geliefert oder gar nicht. Irgendwie schien sich das Universum zu irren. Möglicherweise war auch gerade Annahmeschluss und der zuständige Wunscherfüller für den Bereich M war im Urlaub. Weil so ein universaler Zauberer eben auch einmal eine Auszeit braucht, ein wenig Abstand vom Glück der anderen. Damit er tatendurstig bleibt und noch vielen Menschen helfen kann. Mario schaute nach oben, nach unten und nach innen. Finden konnte er nichts. Zumindest nicht das, was ihm das Gefühl gegeben hätte, ein Leben voller Möglichkeiten und Chancen zu haben. Wir trafen uns also zu einem Zeitpunkt, an dem er vielleicht nicht gleich am Boden war, zumindest aber doch mit dem Gesicht auf dem Tresen lag. Und ich saß dort neben ihm, mit einem Glas Whiskey in der Hand und strahlte Zuversicht aus. Warum? Keine Ahnung. Vielleicht wirke ich mit einem Glas Whiskey in meiner Hand so. Womöglich kann ich dann besonders verständig schauen, als hätte ich eine Ahnung vom Leben, vom Glück und allem, was dazu gehört. Genaugenommen habe ich nichts dergleichen. Aber ich kann gut zuhören. Und das habe ich getan. Sein Unternehmen steckte in der Krise und es gab Berater, die ihm anhand von Zahlen aufzeigten, dass es in der Krise steckte. Und wenn er dann genauer nachfragte, was all die vielen Zahlen bedeuteten, erklärte man ihm, dass sein Unternehmen tatsächlich in der handfesten Krise wäre. So weit, so gut. Ich hätte mich nun an meinem Getränk festhalten und ihm ähnlichen Unsinn erzählen können. Auch in die Trickkiste hätte ich greifen können. Dann hätte ich ihm so etwas gesagt wie »Vielleicht versteckt sich hinter jeder Angst, die wir überwinden, die Chance auf Glück!« Dann hätte ich mein Glas ein paar Mal im Kreis geschwenkt, einen bedeutungsschwangeren Blick aufgesetzt und das Getränk zu mir genommen, als würde es mir genau die Weisheit einflößen, die ich einfach nur weitergeben brauchte. An Menschen, deren Unternehmen nicht so gut läuft zum Beispiel. Doch so war es nicht.

Am Ende ist es völlig egal, was uns die Zahlen sagen. Wir können Berge von Papier anhäufen, Berater konsultieren, uns schwarz und wieder weiß ärgern, was bleibt, ist eine rote Zahl. Es besteht dann noch immer die Möglichkeit, Peter Zwegat einzuladen, ein Flipchart in den Raum zu stellen und die gesamte Scheiße zu visualisieren. Doch es verändert sich nichts an diesem großen, braunen Klumpen Ungemach. Es ist wie mit allem im Leben und diese Weisheit habe ich nicht vom Whiskey. Es kommt auf unsere Einstellung an. Wir können es uns aussuchen, ob wir mit Wut und Enttäuschung in die Vergangenheit schauen und mit Sorge und Angst in die Zukunft. Wir können uns entscheiden, jederzeit. Mario hat sich entschieden. Er hat den Willen in sich gefunden, weiter zu machen. Und dann, nachdem die Karre nicht nur aus dem Dreck, sondern wieder auf dem rechten Weg war, trat er einen noch beschwerlicheren Weg an.

Wir können auf die größten Entdeckungstouren in die entlegensten Länder dieser Welt gehen und dort ganz erstaunliche Dinge erleben. Ferne Kulturen, obskure Traditionen und unglaubliche Lebensformen begegnen uns dort. Vielleicht werden wir auch auf einer dieser Reisen fündig, was uns selbst betrifft. Doch so weit brauchen wir manchmal gar nicht zu reisen. Die größten Schätze liegen noch immer in uns. Wir müssen uns nur trauen, den Mut finden, uns auf die spannendste und gefährlichste Reise zu begeben. Denn am Ende einer solchen Odyssee steht immer die Begegnung mit unserem eigenen Ich. Mario ist den Jakobsweg gegangen und hat dort eine Menge entdeckt. Ein Teil steht auf den folgenden Seiten. Vieles aber auch nicht. Ich sehe ihn jetzt neben mir sitzen. Zufrieden und eins mit sich selbst. Deshalb möchte ich mein Glas erheben. Dieses Glas, das ich immer bei mir und mit einem guten Whiskey gefüllt habe, wenn ich besonderen Menschen begegne. Und ich will auf meinen Freund Mario trinken. Und ihm sagen, dass der Platz neben mir an der Bar immer frei für ihn ist.

Ich bin dann mal bei mir

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