Читать книгу Zodiac - Gejagter zwischen den Welten IV: Das Xenomorph - Mark Savage - Страница 5

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2.

Über den Dächern Atlantas huschte ein Wesen, das nicht weniger monströs erschien als jene mordende Kreatur, die seine Artgenossen einst schufen. Im Gegensatz zum Xenomorph verfügte dieses Geschöpf über keine Form angezüchteter Pseudo-Intelligenz, sondern über einen naturellen, wenn auch – aus irdischer Sicht – auf monströse Weise entarteten Verstand. Seinem scharfen Intellekt verdankte es Moart, dass es ihm gelungen war, den Mentalorter wieder instand zu setzen. Als Glück bezeichnete er den Umstand, der die gespeicherten Individualmuster des Zargoniers nicht verloren gehen ließ. Der Mortlat wartete jedoch bisher vergeblich auf das kleine blinkende Signal. Moart, der sein Versteck in einen stillgelegten U-Bahn Schacht verlegt hatte, wurde immer unruhiger. Seiner wilden Natur lag nicht daran, stillzusitzen und auf Ereignisse zu warten. Lediglich die Erinnerung an den Tod seines Gefährten hielt ihn davor ab, den Schutz der neuen Behausung zu verlassen. Dann jedoch erwachte in ihm der Verdacht, das Gerät könne einen irreparablen Schaden erlitten haben. Möglicherweise hatte er einen fehlerhaften Sektor übersehen oder der Fehler ließ sich überhaupt nicht lokalisieren. Der Mortlat öffnete erneut das Gehäuse und testete das Gerät. Eindeutig empfing er die mentalen Ströme der vielen Menschen, die an der Oberfläche vorüberhasteten. Der Bildschirm war regelrecht gespickt mit weißen kleinen Pünktchen. Die Reichweite des Gerätes war auf irdische zwanzig Meilen begrenzt, und die Tatsache, dass jener ersehnte rote Punkt fehlte, schien die Möglichkeit nicht auszuschließen, dass sich der Zargonier abgesetzt hatte. Schwer verletzt mit Sicherheit, aber er verstand es, Spuren zu verwischen. Doch wie konnte er dann solche Entfernungen zurücklegen? Es musste ihm gelungen sein, die menschlichen Wesen als Helfer einzuspannen. Wie, das war dem Mortlat ein Rätsel. Er tippte auf eine weitere geistige Fähigkeit des Zargoniers, die er zur Manipulation oder Hypnose nutzte. Hilfsbereitschaft und Mitleid zog der Mortlat nicht in seine Überlegungen mit ein. Derartiges erschien ihm zu absurd, fehlte ihm doch auch der innere Bezug zu diesen Worten, deren Definition er nur aus dem Lexispeicher der Lernautomatiken kannte. Hilflos und verärgert bastelte der Mortlat an den Justierungen herum. Möglicherweise hatte er doch etwas übersehen ... eine Kleinigkeit.

Da war plötzlich dieser Impuls. Ein giftgrüner Nadelstich, der sich auf rätselhafte Weise ständig veränderte, aufsplitterte, zusammenfloss, wieder veränderte. Das Gerät musste defekt sein, denn was er sah, stellte eine Unmöglichkeit dar, es sei denn, menschliche Gehirne könnten sich in Segmente teilen. Eine Anomalie. Der Mortlat geriet in rasende Wut. Nur die plötzliche Erkenntnis hielt ihn davon ab, das wertvolle Gerät zu zerstören.

Das Xenomorph. Es gab keine andere Möglichkeit.

Die Kampfeslust packte den Mortlat. Diesmal schwor er sich, die Gelegenheit zum Kampf zu nutzen. Dieses Geschöpf hatte ein Verbrechen begangen, indem es sich gegen seine Schöpfer aufzulehnen wagte. Es hatte seinen Gefährten getötet, und es würde ihn ebenfalls zu töten versuchen. Der Mortlat hatte den Druckbehälter des Wesens aufbewahrt, in der Hoffnung, dem Entflohenen wieder habhaft zu werden. Er würde es vor die Wahl stellen entweder zu dienen oder zu sterben. Dabei besaß er keinerlei Vorstellung darüber, wie er sich mit dem Wesen verständlich machen könnte. Die Vorrichtung an dem Behälter, die es ihm erlaubt hätte, existierte nicht mehr.

Ungeduldig rief der Mortlat einige Daten ab, um den Aufenthaltsort des Xenomorphs zu lokalisieren. Es trieb sich irgendwo dort unten in der Kanalisation herum. Die weißen Pünktchen verrieten, dass es sich einem Ort näherte, an dem viele Menschen verweilten. Nicht auszudenken, was geschähe, wenn es den Erdbewohnern in die Hände fiele. Womöglich sollte man diese Wesen doch nicht zu sehr unterschätzen. Wenn sie das Xenomorph kontrollieren lernten oder seine Beschaffenheit studierten und nachzüchteten, verfügten sie über einen Machtfaktor, der ihnen als Andersartige nicht vergönnt war. Die Mortlats schufen dieses Wesen. Sie allein besaßen das Besitzrecht. Notfalls blieb ihm keine andere Wahl als die Tötung des Genexperiments. Womöglich würde er nicht umhinkönnen, sobald er ihm gegenüberstand. Sein Zorn und Hass auf dieses Geschöpf erwiesen sich dann womöglich als unüberwindbar.

So kam es, dass der Mortlat, um menschlichen Blicken verborgen zu bleiben, über die Dächer zog, immer den kleinen Monitor des Mentaltasters vor Augen, der ihm Aufschluss über den momentanen Aufenthaltsort des Gegners gab. Mit Beruhigung dachte er an die beiden Waffen, die er um seine breiten Schultern trug. Der Zertrümmerer würde sich im Nahkampf gegen das Wesen als unnütz erweisen. Lediglich die Hitze des Thermostrahlers könnte ihm bei ausreichender Intensität gefährlich werden. An den Einsatz seiner letzten verbleibenden Thermobombe wagte er nicht zu denken, denn damit gefährdete er sich selbst. Und er wollte am Leben bleiben. Er musste es. Zumindest solange, bis er den Feind seines Volkes aufgespürt hatte.

Trotz Jahrtausende technischen Vorsprungs, welchen die Mortlats der menschlichen Rasse gegenüber vorlegte, unterschied sich das Gerät, das Samuel Keen in den Händen hielt, nicht sonderlich von dem Mentaltaster Moarts. Man musste jedoch bei diesem Aspekt bedenken, dass Crimleys Elitetruppen zwar mit Errungenschaften neuester Techniken arbeiteten, diese sich aber teils auf dem geraubten Wissensschatz intelligenter Wesen beruhte, die in den geheimen Kammern des amerikanischen Geheimdienstes ihre Leben aushauchten. Wenngleich der Mensch als einziges Individuum durchaus zu Emotionen und über ein ausgeprägtes Sozialverhalten verfügte, so standen die irdischen Führungsmächte an Skrupellosigkeit den Mortlats in nichts nach. Möglicherweise stellten sie ein noch weitaus grausameres Kollektiv dar, denn das mortlatsche Gesellschaftssystem kannte keinen kalten Krieg der Völker untereinander. Der Mensch im Gegenzug scheute sich nicht, Millionen unschuldiger Artgenossen in sinnlosen Kriegen zu verbraten. Dabei schob er vor den Mantel seiner Blutdürstigkeit und Intoleranz stets die Politik oder eine Religion. Konnte man Menschen vom Schlage eines Allister Crimley, Rafferty Blooms und vielen anderen gegenüber Urteile fällen? Die Konfrontation mit den Besuchern überforderte sie, und sie würde Millionen von Menschen überfordern, wären sie mit der Wahrheit konfrontiert. Sollte man den Menschen ihre Denkweise übelnehmen? Waren sie doch außerstande, kurz vor einer neuen Zeitepoche, dem Aufbruch in ein neues Jahrtausend, globales Denken zu vollziehen, obwohl die Zeit KOSMISCHES Denken von ihnen verlangte. War es vorherbestimmtes Schicksal, dass der Zargonier mit seinem Schiff über Tretmond abstürzte? Lag Bestimmung in der Bedrohung, die von den Mortlats und dem Xenomorph ausging? Oblag es den ominösen Männern in Schwarz, Menschen wie Crimley auf den großen Tag vorzubereiten? Kamen sie auf die Erde, weil sie eine Aufgabe zu erfüllen hatten? Begingen sie deshalb kollektiven Selbstmord? Weil das Schicksal es sich anders überlegte, und die furchtbare Bedrohung in Gestalt der Mortlats sandte? Beruhte das ganze Geschehen auf einen kosmischen Test, in dem die Rolle des Grünschnabels die Menschheit einnahm?

Ähnlichen Gedanken hing Samuel Keen nach, der mit fünf anderen Männern in einem großen Lieferwagen saß und die Instrumententafeln beobachtete. Keens Überlegungen konnte man durchaus als philosophisch bezeichnen, doch fehlte ihnen die Friedfertigkeit.

»Verdammt, Boss, ich hätte schwören können, da war was, ehrlich«, vernahm er die nervöse Stimme seines Nebenmannes, ein kleiner drahtiger Arabermischling, dessen flinke Äuglein zwischen Keen und den Monitoren hin- und herwanderten.

»Da war auch etwas, Salim, ich hab‘ es vorhin auch gesehen«, erwiderte Keen gelassen. Der Engländer war ein Bulle von Kerl, trug sein langes schwarzes Haar zu einem Zopf gebunden und wirkte durch den kalten Blick seiner schon fast schwarzen Augen emotionslos. Der Eindruck täuschte keineswegs. Samuel Keen war einer der wenigen Menschen auf diesem Erdball, die mit Allister Crimley ein freundschaftliches Verhältnis verband.

»Möglicherweise war es auch nur ein elektrischer Impuls«, versuchte sich der Araber einzureden.

»Das Ding reagiert ausschließlich auf abnormale Hirnschwankungen, die stark von der herkömmlichen Struktur abweichen. Aber wem ich sage ich das. Sie sind der Spezialist.«

»Im Prinzip ist der menschliche Gedanke auch nichts anderes als hin- und herfließende Elektrizität. Verflixter Kasten! Die Fehlschläge häufen sich. Das Ding registriert auch das Muster eines Schwachsinnigen, und davon gibt es hierzulande mehr als genug.«

»Ich glaube kaum, dass ein Geisteskranker um diese Zeit auf den Dächern von Wolkenkratzern herumspaziert. Denn von dort kam der Impuls doch her, oder nicht?«

»Eindeutig«, beeilte sich Salim mitzuteilen, der nichts so sehr verabscheute wie den Zweifel an seine Fähigkeiten. Salim galt als Perfektionist, und die ihm eigene stetige Hast und Unruhe wurde von seinen Kollegen schon lange durchschaut. Ging es dann jedoch ans Eingemachte, und es galt gefährliche Situationen zu meistern, erwies sich der Araber als kaltblütig und gelassen. Salim war Spezialist, was den Hightech-Bereich betraf, doch diese Befähigung hätte ihm noch lange keinen Platz in Crimleys Killertruppe garantiert. Salim galt auch im Töten als Perfektionist. Für Keen galt er als der Unersetzlichste von all seinen Leuten, die allesamt keine Schwächlinge abgaben.

Keen besaß das Oberkommando über das gesamte Korps, das sich in allen Ecken und Enden der Straßen versteckt hielt und im Verborgenen die Außerirdischen suchte, die sich hier irgendwo aufhielten. Keen ahnte nicht, dass nur noch einer am Leben war. Er sollte es auch nie erfahren.

»Da!«, schrie Salim plötzlich und warf polternd seinen Hocker um. Scheinbar in Hast und Ziellosigkeit fummelte er an den Einrichtungen des hochsensiblen Gerätes, während einer der anderen Männer den getarnten Bus startete.

»Diesmal verlier ich den Kerl nicht wieder«, schwor sich Salim, während Keen bereits die anderen Einheiten per Funk alarmierte.

»An alle Wiesel! Der Fuchs ist im Busch! Haltet die Wunderkerzen und Zaubertüten bereit. Beam me up, Scotty!«

Felix, der hagere Deutsche, der in seine dunkle Kampfuniform schlüpfte, sich die Gesichtsmaske – eine Tarnkappe aus schwarzem Gummi – über den Kopf zog, lachte brüllend. Er lachte jedes Mal, wenn sie in Geheimcodes sprachen, und Keen fand, dass der Junge nicht alle Schrauben locker hatte. In atemberaubender Schnelligkeit waren die fünf einsatzbereit. Der Fahrer brachte das Kunststück fertig, sich im Sitzen schneller anzuziehen als seine Kollegen es im Stehen vermochten.

Die Wunderkerzen und Zaubertüten krachten aus ihren Arretierungen des verborgenen Waffenschranks. Die Wunderkerzen waren nichts anderes als Flammenwerfer, die Zaubertüten erwiesen sich als hochmoderne Lasergeschosse mit Infrasuchautomatik. Diese Waffen schossen nie daneben. Sie fanden ihr Ziel mit mörderischer Sicherheit. Die gebündelten Laserstrahlen verdampften einen Menschen im Bruchteil eines Augenblicks, und Keen musste mit Ironie an die Star Wars Filme denken. IHRE Ausstattung würde es sogar mit den imperialistischen Sturmtruppen aufnehmen. Wobei dafür sicher keine Notwendigkeit bestanden hätte. Menschen von ihrem Schlage tendierten eindeutig zur dunklen Seite der Macht. Man hatte schließlich seine Prinzipien. Keen wusste nichts von deren Entwicklung und Herstellung. Er ahnte nicht, dass er in seinen Händen eine Waffe des überaus seltenen Fabrikats extraterrestrisch-amerikanisch hielt. Zudem ahnte er ebenso nicht, dass eines jener Wesen, die man in Roswell gefangen nahm, eine Miniaturausführung einer solchen Waffe bei sich trug, und dass es Jahrzehnte dauerte, die Konstruktionsweise zu kopieren, wenn auch im größeren Format.

Insgesamt befanden sich dreiundvierzig Mann im Einsatz, von denen jeder zu seiner ursprünglichen Bewaffnung einen »Giant-Laser«, wie er bezeichnet wurde, bei sich trug. Crimley behauptete, der Feind wäre geschwächt und verletzt, was seine Abwehrfähigkeit deutlich reduzieren würde. Keen war sich sicher, wenn sich dieses Peilsignal nicht wieder einmal als ein Schuss in den Ofen erwies und sie wirklich auf die Außerirdischen trafen, diese nicht die geringste Chance haben würden. Ihm wurde nur mulmig bei dem Gedanken an den Versuch, diese »Dinger« lebend in die Hände zu bekommen. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er die Scheusale braten lassen, doch die Militärs und der CIA wollten diese lebenden Kampfmaschinen auf jeden Fall unversehrt. Nur im äußersten Notfall durfte Keen den Tötungsbefehl geben. Keen schwor sich, diesen Befehl nicht länger als nötig aufzuschieben. Er war beileibe kein Angsthase, doch er wusste nur zu gut, was den Einheiten in Tretmond zugestoßen war. Er dachte nicht daran, eine ähnliche Schlappe zu erleiden.

Keen sah Salim mit verbissenem Gesichtsausdruck auf den Monitor starren, auf dem ein roter Punkt signalisierend blinkte.

»Er ist es«, rief Salim zu ihm gewandt. »Diesmal ist er es. Ich fühle es.«

Keen nickte nur. Ihm erging es nicht anders.

Das Xenomorph füllte mit seiner Masse den großen Saal immer mehr aus. Es drängte hinauf ins zweite Geschoss, wo einst lachende und liebende Paare an der Brüstung standen, die tanzende Meute unter sich. Das Plasma floss den vier noch lebenden Menschen hinterher, die schreiend in die Männertoilette stürmten. Die zwei Mädchen und Jungen standen am Rande des Irrsinns. Sie wussten zu genau, was mit ihnen geschah, sobald die weiße Masse sie eingeholt haben würde. Der blonde Junge riss das Fenster auf, sah hinaus und stöhnte.

»Gott, das ist zu tief. Zwei Stockwerke, oh Gott, wir werden sterben.«

In diesem Augenblick drückte das Xenomorph die verschlossene Tür von außen ein. Die vier schrien. Das schwarzhaarige Mädchen, das sich bisher verzweifelt an ihrem Bruder geklammert hielt, drehte durch und sprang kopflos aus dem Fenster. Ein leicht angeheiterter Passant erschrak zu Tode, als direkt vor seinen Füßen ein Körper mit schwerem Schlag auf den Asphalt klatsche. Fassungslos starrte er in die gebrochenen Augen des Mädchens, einen Herzschlag nach dem ihr Genick in zwei Teile brach.

Benommen blickte der Mann, ein Puerto Ricaner gesetzteren Alters, zu dem Gebäude hinauf. Er schrie und fuhr entsetzt zurück. Mit wildem Schrei stürzte ein weiterer Körper nach unten. Der kleingewachsene Mann – sein Name war Carlos Moreno – würgte, als das Blut des Jungen in sein Gesicht spritzte. Dann geschah etwas Merkwürdiges. Er vernahm entsetzliche Schreie, und obwohl es ihm innerlich widerstrebte, musste er abermals zu dem Fenster des zweiten Stockes hinaufsehen. Er sah ein Mädchen, das ängstlich auf das Fensterbrett stieg, und einen Jungen, der sie daran zu hindern versuchte.

Moreno wollte schreien: »Nein, tu das nicht«, als etwas weißes, das aussah wie Kautschuk, den man in die Länge zog, den Jungen einhüllte, ihn zurückzog und das Mädchen, das soeben zum Sprung ansetzte, mit einer Art Tentakel am Fußgelenk umfasste. Das Mädchen klatschte von ihrem eigenen Schwung getragen mit dem Kopf gegen die Hausmauer und wurde von dem lebenden Kaugummi zurück ins Innere des Gebäudes gezerrt. Zurück blieb ein blutiger Fleck an der Hauswand, der dem Schwarzen den Beweis lieferte, nicht geträumt zu haben.

Plötzlich hatte es Moreno eilig. Er rannte die paar Schritte, die ihn von der nächsten Telefonzelle trennten, so schnell wie nie in seinem Leben. Hastig wählte er den Notrufdienst und erzählte von den beiden Leuten, die aus dem zweiten Stock eines Hauses sprangen, und das sich möglicherweise noch weitere Personen in Gefahr befänden. Von dem Kautschukwesen, wie er das Phänomen insgeheim betitelte, erzählte er nichts. Oh nein, Carlos, den Gefallen tust du ihnen nicht. Seine beiden Kinder würden die Gelegenheit sofort nutzen, um ihn in eines dieser Altenheime zu stecken, wo er ihrer Meinung nach sowieso schon lange hingehörte. Doch er verspürte keinen Drang danach, mit sabbernden, bettnässenden alten Weibern seinen Lebensabend zu verbringen. Er legte den Hörer auf die Gabel, nachdem er seinen etwas wirren Bericht beendet hatte, und sah mit mulmigem Gefühl in Richtung der beiden Leichen. So jung, verdammt, dachte er. Sie waren noch so verdammt jung.

Und dann kam der Moment, indem er sich wünschte, lieber den ganzen Tag mit einem Dutzend seniler alter Knacker Rommé zu spielen, und den Uringeruch der ungepflegten Räumlichkeiten, die man für den menschlichen Abfall genannt Rentner reserviert hatte, zu ertragen, als den Irrsinn dieses Abends noch einen Augenblick länger ertragen zu müssen.

Carlos Moreno bemerkte nicht das leise Wimmern, das sich seiner Kehle entrann. Seine Augen saugten sich an einer Szene fest, die ihm förmlich den Passierschein in die nächste Klapsmühle zu präsentieren drohte. Er bedachte nicht, dass bereits einige Fahrzeuge anhielten, um das Phänomen gleichermaßen zu begaffen. Die beiden Leichen am Straßenrand mutierten zu Objekten der Nebensächlichkeit. Wen interessierten schon zwei zermatschte Jugendliche, die sich in ihrem Heroinrausch aus dem Fenster stürzten? Dies war Atlanta, die Metropole Georgias, eine Großstadt, da passierte so etwas in jeder Stunde mehrmals. Seltener, oder man könnte fast sagen nie, geschah es, dass ein knapp drei Meter großes Ungetüm in futuristischer Kleidung auf dem Vorsprung eines Daches stand und mit wahnsinnigem Getöse aus einer noch futuristischeren Waffe das Obergeschoss des Dance-House pulverisierte. Fast enttäuschend wirkte es dann auf den Beobachter, wenn dieses Wesen mit einem wagemutigen Sprung in der selbstgeschaffenen Öffnung verschwand. Kurz darauf heulten die Sirenen, und der Spaßverderber Nr. 1 in diesem Land, der Gesetzeshüter, mein Freund, dir helf' ich, hat nichts Besseres zu tun, als den ehrlichen Bürger von der Straße zu verdrängen, die dieser mit seinen Steuergeldern teuer bezahlen musste.

Die Cops riegelten das Gebiet komplett ab und wurden die an Zahl ständig zunehmenden Gaffer nur mit großer Mühe los. Dexters Augen drohten aus den Höhlen zu kippen, als urplötzlich ein gutes Dutzend schwarzlackierter Personentransporter aus den Seitengassen brausten, die Türen aufsprangen und vermummte, bis an die Zähne bewaffnete Gestalten herausstürzten. Einer von ihnen hielt einem Cop ein Stück Papier vor die Nase, während er in sein Funkgerät sprach. Hier endete die Vorstellung für Moreno, denn im nächsten Augenblick schossen die Kerle ohne Vorwarnung auf die Schaulustigen, zumindest nahm es den Anschein. Sie hielten knapp über die Köpfe der Personen, die schreiend zu Boden sanken oder sich entsetzt duckten. Erst jetzt erfolgte durch lautstarkes Geschrei eines der Vermummten die Aufforderung, das Gebiet zu verlassen. Moreno sah, wie die Cops äußerst ungehalten über das Auftreten der Fremden reagierten. Er beschloss allerdings, die Vorstellung nicht bis zum Ende abzuwarten, denn dann konnte es leicht möglich sein, dass seine Zukunftsperspektiven in einem Krematorium endeten. Moreno tauchte in der eilig davon strömenden Masse unter. Für ihn war die Show gelaufen. Für Crimleys Killertruppe begann der Tanz erst.

Das Gefühl unbändiger Freiheit, der Macht und der Lebenslust, dem das Xenomorph in seiner ihm eigenen morbiden Weise frönte, in dem es genussvoll die Leichen der beiden Jugendlichen auflöste und ihre Gehirne mit all ihrem geistigen Inhalt aufsog, verpuffte wie eine Kerzenflamme in einem Tornado.

Das Entsetzen über seiner selbst, die Scham vor der eigenen panischen Angst, überschwemmte die denkenden Plasmazellen und lähmte es regelrecht. Fast wäre es unwissend in den selbstzerstörerischen Zustand der kristallinen Form verfallen, in jenem Augenblick, als der Mortlat durch eine Öffnung in der Deckenwand schwebte. Dem Wesen, das der Rasse seiner Peiniger angehörte, galt all sein Hass, und es wäre ihm ein leichtes, die Kreatur in Sekundenschnelle zu töten. Doch die innere Sperre, die Furcht, die Erinnerung an das, was ihm einst auf dem Schiff widerfuhr, nach den Minuten der Freiheit, nach dem es ihm gelungen war, dem Druckbehälter zu entkommen, all diese Empfindungen riefen ein Gefühl hervor, die alle logischen Überlegungen zunichte machten: Panik.

Zu der Emotion Todesangst gesellte sich paradoxerweise Ehrfurcht. Der Anblick des HERREN, der einem fürchterlichen Rachegott gleich vom Himmel fiel und mit gnadenloser Härte zuschlug, ließ das Xenomorph erschauern.

Der Mortlat feuerte wie ein Wahnsinniger den glühend heißen Odem seines Thermostrahlers auf das Plasma, dem die Hitze aber keinen großen Schaden zufügen konnte. Der Mortlat fluchte lautstark, da er eine Feuerpause benötigte, um nicht in seinem eigenen Saft zu schmoren. Die Widerstandsfähigkeit des seltsamen Organismus faszinierte und entzürnte ihn gleichermaßen. Umso erstaunter nahm er den plötzlichen Rückzug zur Kenntnis, wobei das Wesen einen Großteil seiner Masse abstieß, die auf ihre Weise ein mystisches Eigenleben entwickelte. Das Prinzip funktionierte ähnlich dem eines irdischen Regenwurms, den man in kleine Stücke zerhackte und dessen abgetrennte Teile sich ins Erdreich flüchteten anstatt zu sterben. Wäre allerdings ein Regenwurm auf derart grässliche Weise mutiert, so stünden dem Menschen weitaus bessere Möglichkeiten der Verteidigung zur Verfügung als jene des Mortlats. Der Mensch kannte den wunden Punkt des Regenwurms. Er konnte ihn töten, sobald er den Lebensknoten in der Mitte des Leibes durchtrennte, er wusste um die Achillesferse seines Gegners. Der Mortlat hingegen ahnte nicht einmal im Entferntesten, wie er dem Plasmawesen gefährlich werden konnte. Moart war sich sicher, dass selbst seine Schöpfer keine Alternativwaffen besaßen. Die überragende Gentechnik der Mortlats vollbrachte eine erstaunliche, wenn auch nach ethischen Gesichtspunkten kaum bewundernswerte Leistung.

Die Fragmente des Xenomorphs folgten den panischen Impulsen und strebten nach allen Seiten davon, ziellos und verwirrt. In diesen wenigen Augenblicken, in denen der Mortlat in der dampfenden Luft nach Atem rang, erhielt er einen möglichen Ansatzpunkt über die Verletzbarkeit seines Feindes.

Die abgesprengten Plasmasegmente veränderten ihre Farbe von Weiß in ein ungesundes verwaschenes Grau. Das milchige Plasma wurde zusehends transparenter. Der Mortlat tauschte blitzschnell seinen Thermostrahler mit dem Molekularblaster. Moart feuerte genau zweiundzwanzig Folgeschüsse ab, bis er die Anzahl der »Kinder« des Xenomorphs auf null dezimiert hatte. Fauchend erkannte er, dass der Gegner damit sein Ziel erreicht hatte. Obwohl der Mortlat sich nicht vorzustellen vermochte, dass das Wesen aus eigenem Intellekt heraus eine Schwäche preisgab, um seine Flucht vollziehen zu können, räumte er durchaus die üppige Nahrungsaufnahme als mögliche Ursache einer gewissen Intelligenzbildung ein. Er sah sich ratlos, was sein weiteres Vorgehen betraf. Das Wesen hatte sich blitzschnell in einen der nächsten Toilettenräume geflüchtet und war von dort aus erneut in die Tiefen der Kanalisation versunken. Mit dem Individualorter würde eine Verfolgung durch die unterirdischen Gänge nicht schwer sein. Doch zum einen ließ sich das Xenomorph, einmal in die Enge getrieben, nur schwer oder noch wahrscheinlicher gar nicht vernichten. Zum zweiten gab es da nach wie vor den Mortlatmörder, diesen verfluchten zargonischen Weichhäutler, der sich an einem unbekannten Ort verborgen hielt, in der Hoffnung, einem Angehörigen der Herrenrasse entkommen zu können. Das Xenomorph würde noch existieren, wenn der Tod seiner Gefährten gerächt war. Der Mortlat verwarf die Befürchtungen, das Xenomorph könne von den Menschen gefangen und observiert werden. Nein, dieses Wesen hatte immer Hunger, und mit jedem Erdling, den es sich einverleibte, wurde es stärker ... und mächtiger. Und das Plasmawesen verstand sich darauf, wahre Fressgelage abzuhalten. Die zahlreichen Überreste seiner Opfer bestätigten diese unersättliche Gier nach Leben und Intelligenz. Es war mit den Mitteln der Planetenbewohner nicht zu besiegen.

Bevor Moart endgültig eine Entscheidung darüber traf, was als Nächstes zu tun sei – die Zeit brannte ihn unter den Klauen – wurden seine Gedanken jäh unterbrochen.

Keen konnte sich nur schwer beherrschen, um dem kleinen rotznäsigen Sergeant vor ihm nicht das Hirn aus dem Schädel zu pusten. Es bereitete ihm keineswegs Genugtuung, mitanzusehen wie der schwindsüchtige Jüngling sein Funkgerät umklammert hielt und immer zittriger wurde. Er hörte die Schüsse, die im Innern des Dance-House fielen, und es brannte ihm unter den Nägeln. Sie mussten warten, bis der letzte Streifenwagen verschwunden war. Keen verfluchte ein weiteres Mal die strengen Regeln und Befehle, die man ihnen auferlegte und die er großteils für unsinnig hielt.

Dann ging alles rasend schnell. Die Männer teilten sich in vier Gruppen. Lautlos und gespenstisch huschte der eine Trupp in Richtung Haupteingang, während der zweite die Hintertür und die anderen beiden die zwei Fluchttüren stürmten.

Das gefährliche Zischen aus dem Innern erlosch. Lauernd warteten die Männer auf Keens Befehl. Die schweren Laserwaffen, von denen jede einen halben Zentner wog, warteten auf ihren Einsatz. Doch Keen übte sich in Geduld. Plötzlich hämmerte es erneut los, doch diesmal schien der Fremde ein anderes Kaliber zu benutzen. Ein Stück Mauerwerk krachte aus vier Metern Höhe eine Mannesbreite von ihm entfernt herunter.

»Warten wir auf Weihnachten, Boss?«, vernahm Keen Salims zynische Stimme aus dem Ohrfunk. Der Araber klang jetzt ruhig und gelassen. Er führte den zweiten Trupp an.

Das Gehämmer setzte aus. Keen zählte in aller Ruhe bis zehn.

»Los!«, schrie er sein Kommando, und vier Truppen stürmten zur gleichen Zeit das Gebäude. Das diffuse Licht bereitete ihnen keine Schwierigkeiten, denn ihre Brillen verfügten über ein integriertes Infrarotgerät.

»Wo ist der K ... oh, Scheiße!«

Anstatt eines kampfeslustigen Extraterrestriers erblickten sie hunderte glitzernder Skelette, die sich über den ganzen Saal verteilten. Einige standen, andre lagen, einzeln oder zu Haufen übereinandergestapelt. Nicht einer der Männer ahnte bislang etwas von der Existenz des Xenomorphs. Für sie gab es keinen Zweifel daran, wer dieses Massaker verursachte, nämlich ein monströses, knapp zwei Manneslängen messendes Ungetüm, das über einen hohen IQ sowie ein beachtliches Waffenpotential verfügte.

»Er ist hier, ich spür’s«, knurrte ein der Männer in sich hinein.

»Boss, ich kann nur hoffen, dass Ihnen Crimley das Geheimnis über die Verwundbarkeit dieser Bestie anvertraute«, meldete ein anderer Bedenken an. »Wir haben zwar alles durchgekaut, aber wir sollten nicht vergessen, dass zwei dieser Burschen eine ganze Armee abservierte ohne mit der Wimper zu zucken. Wo ist überhaupt der andere?«

»Keine Ahnung«, antwortete Keen ebenso leise. »Lobdankt dem Herren, dass es nur dieser eine ist, und bitte ihn darum, dass sein Kumpel nicht in den nächsten Sekunden hier auftaucht.«

»Ich hab’ was gehört«, zischte Salim, und der Lauf seiner Waffe wies in Richtung der Toilettenräume. Ein dunkler Schemen schob sich durch den Türrahmen. Salim zeigte seinem Vorgesetzten entschlossene Miene.

»Sam, du denkst doch nicht im Traum dran, das Ding einzufangen, oder?«

»Nein«, entgegnete Keen hart, und er vernahm das erleichterte Aufatmen seiner Truppe. Ein Zeichen, dass auch diese Männer, denen ein Mord keine Gewissensbisse bereitete, die selbst ständig ihr Leben ins Spiel warfen, ohne den Einsatz zu kennen, Emotionen in sich trugen, die eine tiefverwurzelte Furcht vor dem Unbekannten verbarg. Und diese Furcht verwandelte sich in tiefe Angst, in dem Augenblick, als der Mortlat in voller Größe in Erscheinung trat, den Raumhelm seiner Montur abnahm, beiseite schleuderte und ihnen das abscheulichste Antlitz präsentierte, das den Männern jemals begegnet war. Der Mortlat bezweckte mit dieser Geste keineswegs, die plötzlich auftauchenden Angreifer mit seinem bloßen Anblick zu schocken. Für ihn bedeutete der fehlende Helm mangelnde Sicherheit. Doch sein Stolz verlangte es ihm ab, sich diese Blöße zu geben, um seine Überlegenheit und Siegesgewissheit zu demonstrieren.

Doch Keen und seine Männer nahmen sich nicht die Zeit, über das Verhaltensmuster des Gegners nachzudenken. Das unmenschliche Training, das den Profikillern ständig abverlangt wurde, zahlte sich in diesem Moment aus. Die zwei Truppen, die die beiden Notausgänge flankierten, hechteten sich in die Deckung der umgestürzten Bank- und Tischreihen, die sich kreisförmig um die Tanzfläche zogen. Blitzschnell fächerten die einzelnen Kämpfer auseinander.

Der Mortlat verzog sein Gesicht zu einer Grimasse, die ein Mensch unmöglich als Lächeln zu definieren gewusst hätte. Team Nummer drei unter Salims Kommando stürmte von dem Mortlat unbemerkt die Stufen zur Tribüne hinauf. Die Theke mit dem anschließenden DJ-Center versperrte ihm die Sicht, ein Vorteil, den die kampferprobten Männer sofort auszunutzen wussten. Dies geschah mit einer geradezu erschreckenden Lautlosigkeit, und sofort positionierten sich die Männer an Stellen des Geländers, durch dessen Streben sie den Mortlat von oben her ins Visier bekamen. Keen hingegen schickte seine Männer in die Offensive, während er sich zurückhielt. Er tat dies mit gemischten Gefühlen, da er gewohnt war, in der vordersten Front zu kämpfen. Doch sein letztes Gespräch mit Crimley, und die Eindringlichkeit, mit der er ihm befahl, sich bei Feindkontakt in die hintersten Linien zurückzuziehen, gab ihm zu denken. Allister Crimley kannte bei bevorstehenden Einsätzen selbst dann keine Skrupel, wenn die Männer unter seinem Kommando ihm persönlich nahestanden. Dieser Umstand machte ihn stutzig, und da Keen nicht vor hatte, an diesem frühen Morgen inmitten blankpolierter Skelette zu sterben, gab er dem Drängen seines Unterbewusstseins nach.

Der Mortlat erkannte fast zu spät, dass er Gefahr lief, den Angriff nicht zu überleben. Noch zu gut erinnerte sich an die primitiven Geschosse aus den Handfeuerwaffen der weichhäutigen Krieger, die sie nach ihrer Landung bekämpften. Diese winzigen Geschosse aus wertlosem Material würden seinen Kampfanzug auch ohne Schutzschirm nicht durchbrechen können. Er vernahm das merkwürdige Geräusch, das einer der Fremden ausstieß, wobei er gleichzeitig die Hand hob, was der Mortlat folgerichtig als Signal zum Angriff auslegte. Sein fotografisches Gedächtnis rettete ihm das Leben. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er bei keinem der unzähligen Gegner, die ihn damals auf primitive Art und Weise zum Kampf forderten, derartige Konstruktionen bemerkte, wie sie diese Eindringlinge besaßen. Automatisch hechtete er in den Toilettenraum zurück. Salim, der Mann, der eine Nanosekunde früher schoss als seine Mitstreiter, zog mit dem Strahl der Laserwaffe eine blutige Furche in den Hals des Mortlats. Mit todbringendem Zischen sausten die gebündelten Laserenergie auf ihr Ziel zu. Der Mortlat war schneller.

»Vorrücken«, schrie Keen seinen Männern zu, die sich im Laufschritt an den Aufenthaltsort des Außerirdischen zu pirschten. Dabei achteten sie streng darauf, den anderen Teams nicht in die Schusslinie zu gelangen. Ihre Angst war verflogen. Sie hatten aus dem Hals des Feindes grünes Blut spritzen sehen. Er war verwundet. Ein halber Sieg.

»Wenn es blutet, können wir es auch töten«, stellte Keen mit rauchiger Stimme fest, und in wilder Entschlossenheit setzte er sich an die vorderste Linie. Damit verkürzte er sein Leben unwissentlich um einige Sekunden.

Salim hörte den Außerirdischen brüllen, und er sah Keen als ersten auf die Toiletten zustürmen. Sein Finger blieb am Abzug, doch er vergaß abzudrücken, da die folgenden Bilder seine Gefühlskälte wie Eis in der Sonne dahinschmelzen ließ.

Ein massiger Leib katapultierte sich aus der Deckung und feuerte mit einer wahnwitzigen Schnelligkeit aus einer dröhnenden Waffe, die ihre zerstörerischen Schallwellen den vorrückenden Angreifern entgegenwarf.

Samuel Keen verwandelte sich in einen auseinanderstobenden Funken aus Fleisch, Knochen und Innereien.

WOOOTTSCH! WOOOTSCH!

Der Gegner rückte vor. Einige der Laserwaffen explodierten mitsamt ihrem Besitzer. Salim sah ebenso gebannt auf das faszinierende Feuerwerk aus Energie und Blut wie der Rest seiner Crew. Dennoch war er es, der die Fassung wiedergewann, nachdem die erste Salve die Tanzfläche pulverisierte, Tische und Bänke zu Atomen zerstoben, und sich die Leiber der Männer in unzähligen Fragmenten auf Boden und Wänden verteilten. Es gab keine Deckung, keine Chance auf Entkommen.

Salim schoss wie ein Verrückter. Diese Handlung riss die fünfzehn Überlebenden aus der Lethargie. Sie deckten den Mortlat mit Salven ein. Dieser suchte verzweifelt Deckung. Hatte er diese doch noch kurz zuvor mit seiner unheimlichen Waffe in atomare Staubteilchen verwandelt und sich selbst seines Schutzes beraubt. Salim konnte nicht umhin, diesen fremden Krieger zu bewundern. Mit welcher Behändigkeit er durch das Gitter aus Strahlnetzlinien schlüpfte. Er schlug Purzelbäume, so dass Salid in einem Anflug verzweifelten Humors der Begriff kosmischer Clown zuflog. Der Mortlat wirkte auch wie ein solcher. Er schlug Haken, rannte Zickzack, warf sich Salto schlagend rückwärts, und suchte verzweifelt einen Ausweg. Er schluckte die Treffer, die seine Kampfmontur durchschlugen und schmerzhafte Wunden rissen. Sie taten höllisch weh, doch er würde sie überleben.

Da geschah es.

Drei feurige Bahnen fuhren auf seinen Brustkorb zu. Moart riss reflexartig die Rechte mit der Waffe hoch, während er sich fallen ließ. Der Zertrümmerer explodierte in seiner Pranke, und nur der Tatsache, dass die Finger in einem gepanzerten Stahlhandschuh steckten, verdankte er es, dass ihm die Wucht anstatt des ganzen Arms nur zwei seiner Klauenfinger abriss. Vor Schmerz tobend stürmte er zu dem Stahlgerüst, das die Tribüne trug und kletterte daran empor. Die Verletzung und der Schock verringerten sein Reaktionsvermögen, so dass drei Treffer wie Butter seine Beine durchdrangen. Moart musste an den Medokoffer denken, den er in seinem unterirdischen Versteck aufbewahrte. Die Regenerierungsphiolen würden ihn schnellsten wieder herstellen. In diesem kleinen Koffer verbarg sich mehr Wissenschaft als in allen medizinischen Einrichtungen der Erde. Doch für den Mortlat machte es im Augenblick keinen Unterschied. Sein Leben befand sich in großer Gefahr. Er durfte nicht sterben, sonst kam der Erzfeind seines Volkes ungestraft davon.

Noch im Klettern rutschte der Thermostrahler von seiner Schulter. Die Gegner bereiteten sich auf den Generalangriff vor. Doch er beging einen Fehler: Er zögerte zu lange. Dieses Zögern konnte man als den einzigen, verhängnisvollsten und letzten Fehler im zweiunddreißig Jahre währenden Leben Salims bezeichnen.

»Er ist fast tot, wir haben ihn sicher. Anvisieren, auf mein Kommando schießen.«

Als er dies aussprach, hob der Mortlat seine Waffe. Sie schien ihm unendlich schwer in den Pranken zu liegen.

»Der Bursche ist fertig«, hörte Salim einem der Männer hysterisch lachend rufen.

»Feuer!«, rief Salim, ein Augenzwinkern nachdem die Waffe des Mortlat urplötzlich hochruckte und feuerte. Salim taumelte, als eine mörderische Hitze den Boden unter ihm zum Kochen brachte, und ein Teil der Tribüne mitsamt einer Handvoll seiner Männer nach unten stürzte. Er sah ihre verkohlten Leichen in den Trümmern verschwinden. Stöhnen und Schüsse aus Laserwaffen wurden laut. Noch lebten einige von Salims Leuten. Fünf Mann, einschließlich ihm. Von dem Mortlat keine Spur, er hielt sich in den Rauchschwaden verborgen. Da ertönte wieder ein Schuss. Morgenlicht drang plötzlich verstärkt zu ihnen.

»Er bricht durch die Wand, verdammt. Der Mistkerl haut ab.«

Eine sengend heiße Glutbahn fauchte über ihn hinweg und versengte sein Haupthaar.

»Nein, er blufft«, rief jemand, und Salim dreht sich ständig im Kreise, um einen plötzlich auftauchenden Feind sofort unter Beschuss zu nehmen.

Doch der Mortlat bluffte nicht. Seine Rachegedanken traten in den Hintergrund. Für ihn zählte überleben. Er verschwand von fremden Augen unbemerkt in der Kanalisation. Der Schacht lag nur zwei Meter von der Rückfront des Gebäudes entfernt. Er zweifelte fast daran, sein Versteck lebend zu erreichen.

Die Thermobombe, die er seinen Feinden hinterließ, würde sein begonnenes Werk vollenden.

Der Dunst verzog sich. Helles Sonnenlicht strahlte in das durchlöcherte Gebäude. Salim zog seine Männer um sich zusammen.

»Unser Freund hat nicht geblufft, und ich bin froh darum, auch wenn wir die Verlierer sind. Crimley wird nicht gerade erfreut sein. Ich werde diesem arroganten Kerl gehörig die Meinung sagen. Diese Skelette machen mich stutzig. Findet ihr nicht, dass irgendetwas an der Sache stinkt? Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Bursche die Typen geschleckt hat wie ein Eis, und keine seiner Waffen hat einen derartigen Effekt gezeigt. Etwas stimmt nicht.«

»Ich will nicht feige sein«, meinte einer der Männer, ein großer Puertoricaner. »Aber wir sollten hier verschwinden, bevor jemand auftaucht, der uns dumme Fragen stellt. Crimley kann uns vielleicht die Cops, aber nicht die Nationalgarde vom Hals schaffen.«

»Ich hasse Memmen«, erklärte Salim hart. »Doch in diesem Fall gebe ich dir recht. Verschwinden w..«

In diesem Augenblick detonierte die Bombe. Salim und seine Männer vergingen wie Insekten in einem Hochofen. Das Gebäude platzte wie eine Frucht auseinander, spuckte einen Explosionspilz aus, der sich, anstatt gen Himmel zu schießen, wie eine aufblühende Tulpe entfaltete und den gesamten Straßenbezirk mit seinen Dutzenden von Wohnsiedlungen ins Verderben riss.

Zodiac - Gejagter zwischen den Welten IV: Das Xenomorph

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