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Kapitel 9

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Am folgenden Morgen erwachte Isabel schweißgebadet. Im Traum war sie es gewesen, die einen Selbstmörder aus dem Bodensee ziehen wollte, der sie aber mit sich in die Tiefe riss. So hatte sie ein weiteres Mal den eigenen Unfall durchleiden müssen. Mit dröhnendem Kopf und matten Gliedern richtete Isabel sich auf und stellte fest, dass das Bett neben ihr leer war.

Sie fand Thomas in der Küche, wo er bereits am Kaffeeautomaten hantierte. »Guten Morgen. Du bist schon wach?«, fragte sie und rieb sich schlaftrunken die Augen. Auch jetzt, nachdem sie nach dem Unfall wieder zu einem einigermaßen geregelten Tagesablauf zurückgefunden hatte, räumte Thomas schon mal den Tisch ab und befüllte die Spülmaschine. Isabel runzelte die Stirn und verfolgte seine Bewegungen. Sie überlegte, ob seine Liebe zu ihr neu erwacht war oder ob eher Mitleid ihren Lebensgefährten motivierte. Letzteres war etwas, was sie keinesfalls haben wollte. Von niemandem, am allerwenigsten von Thomas. Ein klärendes Gespräch hatte sie bisher nicht gesucht, viel zu sehr war sie mit sich selbst beschäftigt gewesen. Und auch jetzt fühlte sie sich dazu nicht fit genug.

Thomas drehte sich ihr zu und antwortete: »Guten Morgen, Isabel. Ich habe gedacht, heute mach ich einmal das Frühstück.«

»Okay, dann geh ich erst mal ins Bad.« Mit diesen Worten machte Isabel kehrt und verließ die Küche. Normalerweise liebte sie den Duft von frisch gebrühtem Kaffee, doch an diesem Morgen verursachte er bei ihr ein Unwohlsein, das sie nicht definieren konnte. Sie warf einen flüchtigen Blick auf ihr Spiegelbild, nur um festzustellen, dass die dunklen Ringe um die Augen noch dunkler waren als tags zuvor. Um ihren Kreislauf auch ohne Dusche in Schwung zu bringen, tauchte sie einen Waschlappen in kaltes Wasser und rieb ihren Körper ab. Als sie wieder die Küche betrat, fragte Thomas: »Magst du Müsli?«

»Hm, ich weiß nicht. Erst mal ein Glas Wasser und dann ’nen Kaffee«, antwortete Isabel, rümpfte die Nase und ließ sich auf einen Stuhl sinken. Die Hand, mit der sie gerade ihre Locken zurückgeschoben hatte, wanderte zu ihrem Bauch. Etwas krümmte sich gerade da unten zusammen. Nichts Ungewöhnliches in den Tagen, bevor ihre Monatsblutung einsetzte. Sie stöhnte leise.

»Was ist los, Isabel? Alles in Ordnung bei dir?«, fragte Thomas besorgt und stellte ein Glas mit Leitungswasser vor ihr auf den Tisch. Das kalte Nass rieselte Isabels Speiseröhre hinunter, und als es in ihrem Magen ankam, verstärkte es ihre Übelkeit noch. Isabel legte beide Hände auf ihren Bauch und jammerte: »Ich weiß nicht, ich glaube, warmer Kaffee wäre vielleicht doch besser für meinen Magen.«

Thomas holte eine Tasse, drückte auf den Knopf des Automaten und stellte sie mit dem dampfenden Getränk vor Isabel.

»Danke, Thomas«, sagte sie, doch als sie das Aroma in die Nase sog, spürte sie Widerwillen aufkommen. Mühsam würgte sie einen Schluck hinunter und verzog ihr Gesicht: »Äh, wie schmeckt denn der Kaffee heute? Hast du da was reingemacht?«

»Nein! Ich habe die Bohnen dort oben aus dem Schrank genommen. Die nimmst du auch immer, oder nicht?«, fragte Thomas. Er probierte ebenfalls, um dann festzustellen: »Der Kaffee schmeckt ganz normal, so wie immer.«

»Nein, meiner nicht. Der ist ganz bitter, scheußlich! Den kann ich nicht trinken.« Isabel erhob sich, leerte den Inhalt der Tasse ins Spülbecken und ging erneut ins Badezimmer. Ihr war mit einem Mal so übel, dass sie sich ein paar Minuten lang auf den Rand der Badewanne setzen musste.

Kurze Zeit später kam sie zurück. Thomas saß, zwei Schüsseln mit Müsli vor sich, wartend am Tisch. Er lächelte Isabel an und stellte fest: »So wie du jetzt aussiehst, geht’s dir besser.«

Isabel erwiderte: »Ja, das stimmt. Essen mag ich trotzdem nichts. Ich hab heute irgendwie keinen Appetit. Ich hab Bauchweh, wahrscheinlich bekomme ich bald meine Tage.«

Thomas schaute Isabel prüfend ins Gesicht und sagte: »Schade. Ich habe extra Banane und frische Brombeeren ins Müsli reingemacht. Die magst du doch so gerne.«

»Das ist echt lieb von dir, Thomas, aber jetzt krieg ich keinen Bissen runter. Bin auch schon spät dran. Ich werde das Müsli mitnehmen, für später.« Damit nahm Isabel ihre Schüssel, füllte den Inhalt um in ein verschließbares Gefäß und steckte dieses in ihren Rucksack. »Mach’s gut heute!«, rief sie Thomas zu und war schon draußen.

»Magst du wirklich zum Dienst gehen, wenn es dir gar nicht gutgeht?«, rief Thomas ihr nach, doch die Tür war bereits ins Schloss gefallen.

An der frischen Luft fühlte sich Isabel gleich besser, und die Bewegung tat ein Übriges. Kraftvoll trat sie in die Pedale und erreichte bald darauf die Dienststelle.

Seerausch

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