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7. Was kann die Kreativität behindern und was kann man da tun?

Was kann unsere Kreativität behindern?

Angst vor Fehlern, Scheitern oder Blamage

Ich habe schon erwähnt, dass Angst das größte Lern- und Denkhindernis ist. Der Mensch wurde für den Urwald konstruiert. Wenn im Urwald ein Tiger auf uns zukommt, schaltet das Gehirn ab und wir bekommen Kraft zum Kämpfen oder Weglaufen. Die Angst, Fehler zu machen oder sich zu blamieren, ist eines der größten Kreativitäts-Hindernisse. Anstatt Angst vor Fehlern zu haben, kann man Fehler als Lernschritte betrachten. Man kann lernen, auf perfekte Art Fehler zu machen; das bedeutet, aus Fehlern zu lernen und so immer besser zu werden. Wer seine Fehler als Lernerfahrungen, als Ansporn zur Verbesserung betrachtet, zieht aus ihnen Kraft und Erfahrung. Ein Betriebsklima, das keine Fehler erlaubt, führt zu Angst vor Entscheidungen und selbständigem Handeln.

Der Forscher Felix Reinshagen empfiehlt, möglichst früh bei der Entwicklung eines Produkts die Fehler zu machen, die im alltäglichen Geschäft keinesfalls passieren dürfen.

Bei Angst kann die Frage helfen: Was ist das Schlimmste, was passieren könnte, wenn ich etwas mache? Wenn ich mich um eine Arbeit bewerbe, was ist das Schlimmste, was passieren kann? Dass ich die Arbeit nicht bekomme. Wenn ich mich nicht bewerbe, wird dies auf alle Fälle passieren.

Der Erfinder der Schwimmflügel, mit denen Kinder das Schwimmen lernen können, machte sich in Schwimmbädern zum Gespött der Leute, als er die Schwimmhilfe ausprobierte. Die Angst davor, sich zu blamieren, hinderte ihn nicht an seiner Arbeit. Letztlich hat seine Erfindung vielen Kindern das Leben gerettet.

Im Kapitel 8 stelle ich eine NLP Technik vor, das Ankern, mit der man Angst überwinden kann.

Angst als Wegweiser

Ich denke, es gibt noch eine andere Art von Angst, die auf Herausforderungen hinweist und den Weg weist zu neuen Erfahrungen. So habe ich mich lange nicht an das Schreiben dieses Buchs herangewagt.

Zögern

Viele Menschen werden nicht aktiv, weil sie zu oft zögern. Zögern ist eng verwandt mit dem Thema Angst vor Fehlern, Scheitern oder Blamage. Wenn man zu oft zögert, aktiv zu werden, kann man sich wie bei der Angst, etwas zu tun, fragen: Was ist das Schlimmste, was passieren kann, wenn ich etwas mache?

Perfektionismus

Das zweite Kreativitäts-Hindernis ist Perfektionismus. Die Sucht, perfekt sein zu wollen, führt oft zu Enttäuschungen. Zu hohe Ansprüche hemmen die Aktivität. Perfektionisten machen oft gar nichts, weil sie ihre hohen Ansprüche nicht erfüllen können. Es ist meist sinnvoller, sich erfüllbare Ziele und Qualitätsmaßstäbe zu setzen und sein Bestes zu geben. Nur in wenigen Bereichen ist Perfektion möglich und nötig. In der Kommunikation und der Kreativität gibt es keine Perfektion. Menschen sind keine Maschinen, Gott sei Dank.

Perfektionisten erzielen oft im Endergebnis schlechtere Resultate, weil sie sich zwanghaft in nebensächliche Details verbeißen und dabei den Überblick über das Wesentliche verlieren. Wenn ich ein perfekter Trainer sein will, bin ich gespalten zwischen dem Idealbild eines perfekten Trainers und dem realen Martin R. Mayer mit seinen kleinen (oder auch größeren) Fehlern und Schwächen. Diese Spaltung kostet Kraft.

Im NLP gibt es den seltsam klingenden Satz: »Alles, was wert ist, getan zu werden, ist auch wert, schlecht getan zu werden«. Wer diesen Satz beherzigt, wird nicht absichtlich Fehler machen, sondern mit mehr Selbstvertrauen Neues ausprobieren und sich dabei auch Fehler zugestehen. Denn am Anfang kann man nicht erwarten, ein Meister zu sein.

Perfektionisten machen oft sich und ihrem Umfeld das Leben unnötig schwer. Sie können bessere Arbeit leisten, wenn sie ihr Bestes geben.

Versuchen, etwas zu tun

Viele sagen, dass sie versuchen wollen, etwas zu tun. Mit dieser Formulierung sabotiert man sich selbst. Wer etwas versucht, rechnet mit der Möglichkeit des Scheiterns, sieht innerlich ein Bild des Scheiterns; dies führt zu einer Verkrampfung, einer inneren Blockade, zu einem hemmenden inneren Dialog. Der Tennistrainer Timothy Gallwey sagt seinen Schülern, wenn sie etwas versuchen wollen: »Hören Sie auf, es zu versuchen, spielen Sie einfach Tennis!« So gelingt seinen Schülern mehr. Anstatt etwas zu versuchen, kann man ausprobieren, es zu tun. Wenn ich etwas ausprobiere, mache ich es einfach und lasse mich vom Ergebnis überraschen.

Dabei mit dem ganzen Herzen

Es ist günstig, was man tut, mit dem ganzen Herzen zu tun, seine ganze Energie hinein zu geben. Wer schlechte Arbeit abliefert, weil er denkt, nicht angemessen bezahlt zu werden, gewöhnt sich an einen schlechten Arbeitsstil.

Wenn ich etwas mache, mache ich es richtig. Zu meinem ersten Vortrag vor vielen Jahren kam nur eine ältere Dame. Ich habe den Vortrag trotzdem gehalten und mein Bestes gegeben. Am nächsten Tag rief jemand an und bat mich, vor 50 Managern einer großen Firma einen Vortrag über das gleiche Thema zu halten. Ich war heilfroh, dass ich dazu auf meine Erfahrung mit dem Vortrag vor einer einzigen Zuhörerin zurückgreifen konnte.

Erwartungen

Erwartungen können die Kreativität stören. Wenn ich etwas erwarte, bin ich nicht offen für das, was im Moment passiert. Alfred Hitchcock meinte: »der Wunsch, etwas Großes zu machen und, wenn das Erfolg hat, etwas noch Größeres, das ist, wie wenn ein kleiner Junge einen Ballon aufbläst und plötzlich, Peng, fliegt er ihm um die Ohren. Ich gehe nie so vor. Ich sagte mir: mit Psycho werde ich einen kleinen hübschen Film machen.«

Andy Warhol sagte: »Denke nicht viel über das Schaffen von Kunst nach, sondern mache es einfach. Lass andere darüber entscheiden, ob sie gut oder schlecht ist.«

Die Regisseurin Tatjana Gürbaca meint: »Kategorien wie richtig und falsch passen nicht zur Kunst. Auch in missglückten Inszenierungen kann es Momente geben, die beim Zusehen etwas in mir auslösen. Ich gehe als Zuschauer ins Theater, weil ich emotional berührt werden will. Im Grunde ist Kunst machen ja immer ein Scheitern.«

Keith Richards meint: »Wir suchen immer noch nach den ultimativen Rolling Stones. Wir werden sie niemals finden, aber es ist wie die Suche nach dem Heiligen Gral. Es ist die Suche, auf die es ankommt, nicht, dass man sie findet.«

Blockaden auflösen

Viele Kreative bleiben stecken, weil sie eine Blockade haben, zum Beispiel eine Schreibblockade. In dem Satz »ich habe eine Blockade« steckt ein Denkfehler. Ich gebe ein Beispiel für diesen Denkfehler. Ein Rockmusiker sagte nach einem Herzinfarkt: »Bei den Plattenaufnahmen gibt es halt immer so eine Sauferei.« Welcher Denkfehler steckt in diesem Satz? Der Rockmusiker behandelt etwas, das er tut, nämlich Alkohol trinken, als wäre es ein Gegenstand. Was er tut, ist quasi zu Eis erstarrt. Es wird zum Ding, das unabhängig von ihm existiert, unveränderlich ist und für das er keine Verantwortung trägt. Kriminelle benutzen oft Verdinglichungen, um ihre Taten zu verharmlosen. Ein Politiker, der mit einem Koffer mit 1 Million Euro Bestechungsgeld erwischt wurde, einen Meineid schwor und dabei wieder erwischt wurde, meinte: »Es kam zu einem Fehler, und der Fehler hat andere Fehler nach sich gezogen.« Woran erkennt man Verdinglichungen? Alles, was man in eine Schubkarre packen kann, wenn auch manchmal in eine große, sind keine Verdinglichungen, sondern wirklich Dinge, zum Beispiel Tische und Sterne. Alles andere sind Verdinglichungen. Wir denken und sprechen lebendiger, wenn wir weniger Verdinglichungen benutzen. Man kann Verdinglichungen auflösen, indem man sie in einer Frage in ein Verb, ein Tätigkeitswort, verwandelt, zum Beispiel: »Was hindert Sie daran, weniger zu trinken; wie wäre es, weniger zu trinken?«

Wie würde der Satz »Ich habe eine Blockade« mit einem Verb lauten? Ich bin »blockiert« ist kein Verb. Bei dem Satz: »Ich blockiere mich« ist die Verdinglichung aufgelöst.

Was passiert, wenn ich mich blockiere? Wer ist denn der Ich und der Mich? Es handelt sich hier um einen inneren Konflikt. Zwei Anteile von mir behindern oder bekämpfen sich gegenseitig.

Typische innere Konflikte

Typische innere Konflikte sind ein Kampf zwischen

Verstand und Gefühl

friedlich und gewalttätig

Ruhe und Aktivität

prüde und sexuell ausschweifend

konservativ und progressiv

Sicherheit und Abenteuer und Risiko

bescheiden und angeberisch

ernsthaft und albern

geizig und finanziell draufgängerisch

Schlaflosigkeit kann Folge eines inneren Konfliktes sein zwischen einem Anteil, der schlafen will und einem, der arbeiten will.

Wie kann man einen inneren Konflikt lösen, etwa einen Konflikt zwischen einem friedlichen und einem gewalttätigen Anteil?

Einen Teil unterdrücken?

In meinen Gruppen höre ich oft den Vorschlag, dass man den unerwünschten Anteil unterdrücken, seinen Willen zusammennehmen und sich dazu zwingen soll, das Richtige zu tun, seinem inneren Schweinehund in den Hintern treten soll. Ich werde später auf diesen Lösungsvorschlag eingehen. Ich will jetzt nur sagen, dass viele Menschen bei dem Versuch, diesen Vorschlag umzusetzen, scheitern.

Man kann einen inneren Konflikt ähnlich lösen, wie einen Konflikt mit anderen Personen, indem man die Interessen von beiden Anteilen berücksichtigt.

Die Versöhnungs-Technik

Im NLP gibt es eine Methode, innere Konflikte ähnlich wie äußere Konflikte zu lösen. Ich nenne diese Methode die Versöhnungs-Technik.

Am besten in einer Einzelberatung

Ich stelle hier nur die Grundprinzipien dieser Methode dar. Bitte wenden Sie diese Methode nicht nur aufgrund dieser Informationen bei sich oder anderen an. Dazu sind weitere Informationen und mehr Erfahrung nötig. Wenn Sie hiermit arbeiten wollen, gehen Sie am besten in eine Einzelberatung zu einem erfahrenen NLP-Master, -Trainer oder -Coach. Manchmal kann allerdings allein der Gedanke, innere Anteile zu versöhnen, heilend wirken.

So tun, als wären die beiden Anteile zwei Personen

Bei der Versöhnungstechnik tut man so, als wäre ein innerer Konflikt ein Kampf zwischen mehreren Anteilen einer Person. Dass man verschiedene innere Anteile hat, ist übrigens nichts Bedenkliches. Ich habe zum Beispiel einen Anteil, der Russisch spricht. Wenn ich Russisch spreche, rede ich mit einer anderen Stimme, als wenn ich Deutsch spreche. Ich fühle mich wie ein Russe. Es ist nur problematisch, wenn sich die Anteile einer Person gegenseitig bekämpfen.

Anteile den Händen zuordnen

Wenn ich mit einem Klienten einen inneren Konflikt lösen will, trenne ich zuerst die bei dem Konflikt beteiligten Anteile voneinander. Nehmen wir an, ein friedlicher und ein gewalttätiger Anteil bekämpfen sich. Ich behandle diese Anteile, als wären sie Personen. Ich bitte den Klienten, jedem Teil einen Namen zu geben, damit ich die Anteile mit diesem Namen anreden kann. Es ist sinnvoll, den Anteilen keine verurteilenden Bezeichnungen wie »Schwächling« oder »Verbrecher« zu geben, sondern zumindest neutrale Namen. Ich will ja mit den Anteilen ins Gespräch kommen. Wer redet schon gerne mit jemandem, der einen als »Schwächling« oder »Verbrecher« anspricht. Ich habe Fälle erlebt, in denen die Versöhnung schon begann, als der ungeliebte Anteil zum ersten Mal mit einem neutralen Namen angeredet wurde.

Nehmen wir an, der Klient nennt seine Anteile Friede und Kraft. Ich bitte den Klienten, jeden Anteil einer seiner Hände zuzuordnen. Etwa den Anteil Kraft der rechten Hand und den Anteil Friede der linken Hand.

Ich spreche mit den Händen, als wären sie Personen. Nach einiger Zeit gewöhnen sich die Klienten daran und antworten direkt im Namen der Anteile. Der Klient sagt nicht: »Meine rechte Hand, der Anteil Kampf, will …«, sondern spricht direkt im Namen des Anteils: »Ich will, dass er sich durchsetzt«. Ich spreche abwechselnd mit den beiden Anteilen.

Ich frage die Anteile, ob sie sich bewusst sind, welche positiven Absichten sie für den Klienten verwirklichen wollen. Es ergibt sich zum Beispiel, dass der Anteil Friede für Ruhe und Gesundheit sorgen will und der Anteil Kampf dafür, dass der Klient geschützt wird und seine Ziele erreicht.

Ich frage die Anteile, was sie von dem anderen Anteil halten. Meist beginnen die Anteile über den anderen zu schimpfen. Ich führe die beiden Anteile zu einer Versöhnung, indem ich jeden Anteil frage, ob der andere Anteil Fähigkeiten besitzt, die ihm selbst bei der Erfüllung seiner positiven Absicht nützlich sein könnten. Ich frage die Anteile, ob sie sich eine Zusammenarbeit für zunächst 10 Tage vorstellen können, bei der sie den anderen Anteil mit ihren Fähigkeiten unterstützen und umgekehrt die Fähigkeiten des anderen Anteils nutzen, wenn sie wollen. Wenn beide Anteile sich eine Zusammenarbeit vorstellen können und sich dazu entscheiden, vertiefe ich die Versöhnung und Integration der beiden Anteile in einer Trance. In Kapitel 15 gehe ich ausführlich auf das Thema Trance ein. Hier will ich nur erwähnen, dass die Integration in der Trance tiefer und wirksamer ist, als wenn sie nur vom bewussten Verstand beschlossen wird.

Ich führe den Klienten in eine Trance und bitte ihn, die beiden Hände mit ihren verschiedenen Persönlichkeitsanteilen aufeinander zu zu bewegen und schließlich berühren zu lassen. Damit verschmelzen die beiden Anteile, die sich vorher bekämpft haben, miteinander. Ich bin immer wieder berührt von der versöhnenden Kraft dieser Methode. Die Klienten strahlen nach dieser Arbeit eine tiefe Ruhe aus.

Streitende innere Stimmen

Wenn jemand innere Stimmen hört, die miteinander streiten, kann man diese Stimmen wie Anteile behandeln und den Konflikt mit der Versöhnungs-Technik lösen.

Anteile werden versöhnt

Manchmal verschmelzen die beiden Anteile zu einem Teil, in anderen Fällen bleiben es zwei Anteile, die nun kreativ zusammenarbeiten. Wie in einem Orchester spielen Sie harmonisch zusammen. Unsere verschiedenen Persönlichkeitsanteile machen unser Leben interessant und bunt. Wie in einer lebendigen Beziehung können die Spannungen zwischen den Anteilen das Leben bereichern. Problematisch ist es, wenn sich die Anteile bekämpfen und blockieren. In diesen Fällen kann die Versöhnung der Anteile Wunder wirken.

Manchmal ist es nötig, einen Anteil zeitweilig zu übergehen

Natürlich gibt es Momente, in denen es erforderlich ist, einen Anteil von sich zu übergehen, zum Beispiel seine Müdigkeit zu überwinden. Auf Dauer ist es nicht günstig, einen Anteil seiner Persönlichkeit zu unterdrücken.

Annehmen bedeutet nicht unbedingt ausleben

Einen ungeliebten Anteil anzunehmen, bedeutet nicht unbedingt, ihn auch auszuleben. Annehmen eines gewalttätigen Anteils bedeutet nicht, dass man seiner Schwiegermutter den Garaus macht. Wer den gewalttätigen Anteil seiner Persönlichkeit annimmt, nutzt die Kraft dieses Anteils für kreative Zwecke, etwa, indem er Judo betreibt.

Innere Konflikte rauben Energie

Innere Konflikte kosten immense Energie. Kennen Sie die Geschichte von dem alternden Boxchampion, der unbedingt ein Comeback versuchen wollte? Sein Manager riet ihm davon ab. Der Boxer bettelte: »Ich will nur einmal gegen Jack den Schrecklichen kämpfen, alle meinen, er sei der Größte!« Der Manager schüttelte den Kopf: »Gegen den kannst du nicht kämpfen!« Der Boxer bettelte weiter: »Aber warum kann ich denn nicht gegen Jack den Schrecklichen kämpfen, ich verspreche, es wird mein letzter Kampf sein!« Der Manager seufzte und sagte: »Wie oft muss ich es dir noch sagen, du kannst nicht gegen Jack den Schrecklichen kämpfen, weil du selbst Jack der Schreckliche bist!«

Oft langer Weg zu sich selbst

Der Weg der Versöhnung mit sich selbst ist oft ein langer Prozess der persönlichen Entwicklung.

Wie kann man den Kampf gegen sich selbst gewinnen?

Während man bei einem äußeren Konflikt die Beziehung abbrechen kann, ist dies bei einem inneren Konflikt nicht möglich. Man kann sich nicht von einem Anteil seiner Persönlichkeit verabschieden, man kann ihn nicht auf Dauer unterdrücken, ignorieren oder auf sonstige Weise ausspielen. Einen Kampf gegen sich selbst kann man nicht gewinnen. Wie soll die rechte Hand die linke Hand besiegen? Ein Sieg wird immer auf eigene Kosten gehen. Gewalt und Unterdrückung sind keine guten Lösungen, sie sind kaum von Dauer. Bei inneren Konflikten ist es einfach nicht möglich, einen Teil abzutöten.

Man kann jemanden, der von einem inneren Konflikt blockiert wird, mit einem Fahrer vergleichen, der gleichzeitig auf Gaspedal und Bremse tritt. Wenn er nicht weiterkommt, geben ihm viele den wohlmeinenden Ratschlag: »Du musst dich mehr anstrengen, deinen Willen stählen, du musst wollen!«

Statt Bürgerkrieg

Wenn manche Leute von sich selbst sprechen, hört sich das an, wie ein Bericht über einen Bürgerkrieg. Sie sagen Sätze wie: »Man muss den inneren Schweinehund überwinden, sich zwingen, sich selbst in den Hintern treten, man darf sich nicht gehen lassen, nicht die Kontrolle verlieren, sich immer im Griff haben.« Wie sprechen Sie mit sich selbst, über Ihren Körper, Ihre Gefühle und Ihre Schwächen? Wie gehen Sie mit sich selbst um? So liebevoll und respektvoll wie mit anderen Menschen?

Jesus sagte: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!« Viele verstehen diesen Satz so, dass man sich zwingen soll, seine Mitmenschen zu lieben. Ich denke, dieser Satz meint auch, dass es gut ist, zuerst mit sich selbst ins Reine zu kommen. Wer sich selbst verachtet, wird auch seine Mitmenschen verachten, wenn er sie »liebt wie sich selbst«.

Folgen von inneren Konflikten

Wer mit sich selbst kämpft, verschwendet Energie, die kreativ genutzt werden kann. Wenn jemand einen Anteil seiner Person auf Dauer unterdrückt, wird sich dieser Anteil rächen, indem er ihn sabotiert. Oft verhindern innere Konflikte den Erfolg einer Person, verhindern, dass er seine Ziele erreicht. Viele Menschen stellen sich kurz vor dem Durchbruch zu einem Erfolg selbst ein Bein, weil ein Anteil von ihnen einen Einwand gegen den Erfolg hat.

Heilend

Die Lösung von inneren Konflikten kann heilend wirken. Wissen Sie, was die Bedeutung des Wortes Heilen ist? Heilen bedeutet »ganz machen«, eine innere Spaltung versöhnen. Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Heilen kommt in dem Satz vor: »Das Glas ist runtergefallen, aber es ist heil geblieben.« Innere Konflikte können zu Krankheiten führen und die Selbstheilung erschweren. Viele Krankheiten ähneln einem Kampf des Organismus gegen sich selbst. Bei Arthritis greift das Immunsystem die Gelenke an.

Veränderung durch Annehmen

Es wirkt paradox, widersinnig: Wer sich ändern will, bleibt oft stehen. Wer sich so annimmt, wie er ist, kann sich leichter ändern. Wenn jemand krampfhaft versucht, sich zu ändern, wenn er mit Willenskraft versucht, ungeliebte Anteile seiner Person zu unterdrücken, werden die unterdrückten Teile Veränderungen blockieren. Der Versuch, sich zu ändern, führt so zum Stillstand. Wer sich dagegen annimmt, wie er ist, mit seinen Fehlern und Schwächen, kommt in eine innere Balance, ist im Einklang mit sich selbst, seine Anteile arbeiten zusammen, ziehen an einem Strang, seine Energie geht in eine Richtung. Und er ändert sich leicht, er wird zu einem kreativen Menschen, der mit sich und der Welt im Reinen ist. Paradoxerweise ändern wir uns, wenn wir uns so, wie wir sind, annehmen.

Gerade die ungeliebten Anteile annehmen

Oft haben gerade die ungeliebten Anteile einer Persönlichkeit eine wichtige Funktion, oft eine Schutzfunktion. So kann ein Anteil, der Angst vor Erfolg hat, vor Überarbeitung schützen. Der Anteil will sicherstellen, dass man noch Zeit für sich, die Familie und Erholung hat. Wenn man die ungeliebten Anteile integriert, gewinnt man Bündnisgenossen.

Kreativkiller PowerPoint

Ich erlebe oft Redner, die sich hinter teuren Geräten und Programmen wie PowerPoint verstecken, dem Publikum den Rücken zuwenden, den Text auf der Leinwand vorlesen, zum nächsten Bild klicken und sich für große Redner halten, weil sie eine teure Ausrüstung besitzen.

Der Apple-Gründer Steve Jobs sagte, er hasse es, »wenn die Leute mit Folienpräsentationen arbeiten. Die Leute gingen ein Problem an, indem sie eine Präsentation erstellten. Ich wollte, dass sie sich engagierten und alles haarklein diskutierten und mir nicht einen Stapel Folien zeigten. Leute, die wissen, wovon sie reden, brauchen PowerPoint nicht.«

Destruktive Fragen

Manche fragen sich, warum sie nicht kreativ sind. Ihnen ist nicht bewusst, dass es auch an der Frage liegt. Die Frage Warum ist oft ungünstig. Warum nur?

Problem- nicht lösungsorientiert

Ich habe von einem jungen Mann gehört, der ohne seine Schuld seit einem Unfall querschnittsgelähmt ist. Der Mann sagte, die erste Zeit nach dem Unfall habe er sich immer wieder gefragt, warum ihm dieser Unfall passiert sei. Dann stellte er sich die Frage: »Was kann ich jetzt mit meinem Leben anfangen?« Mit dieser Frage kam neue Energie in sein Leben, eröffneten sich neue Perspektiven. Der Mann ist heute verheiratet, hat eine eigene Firma und führt ein aktives, erfülltes Leben.

Die Frage »Warum scheitere ich immer?« ist auf die Vergangenheit, auf ein Problem und nicht auf ein Ziel gerichtet. Wenn Sie sich dagegen fragen: »Was will ich und wie kann ich das erreichen?« richtet sich die Aufmerksamkeit auf Ziele und Lösungen, Sie werden vom hilflosen Opfer zum Lenker Ihres Lebens.

Die Frage »Warum scheitere ich immer?« hat noch einen weiteren Nachteil. Um dies zu erklären, möchte ich zuerst eine andere Frage untersuchen. Stellen Sie sich vor, jemand fragt Sie: »Klauen Sie immer noch Geld aus der Firmenkasse?« Egal, ob Sie mit Ja oder Nein antworten, Sie haben mit der Antwort die Vorannahme dieser Frage, dass Sie Geld aus der Firmenkasse geklaut haben, akzeptiert. Vorannahmen sind geschickte Mittel, um Menschen zu beeinflussen. Eine Vorannahme kann man daran erkennen, dass eine Aussage unabhängig davon gilt, ob man den Satz bejaht oder verneint. Bei der Frage »Klauen Sie immer noch Geld aus der Firmenkasse?« ist das leicht zu durchschauen. Bei der Frage »Warum scheitere ich immer?« fällt die Vorannahme den wenigsten Menschen auf. In diesem Satz wird vorausgesetzt, dass ich immer scheitere. Wenn jemand sich immer wieder sagt, dass er scheitert, wirkt dies wie eine hypnotische Suggestion. Gute Hypnotiseure verwenden genau diese Technik. Sie befehlen nicht direkt: »Gehen Sie in eine tiefe Trance«. Das würde oft zu Widerständen führen. Geschickte Hypnotiseure suggerieren vielmehr indirekt: »Wollen Sie jetzt oder erst in ein paar Minuten in eine tiefe entspannende Trance gehen?« Dass der Klient in eine Trance gehen wird, wird vorausgesetzt. Die Frage »warum scheitere ich immer?« wirkt wie eine hypnotische Suggestion, die das Scheitern verfestigt, da es als gegeben vorausgesetzt wird.

Obwohl sich viele Menschen zu lange mit Problemen und zu wenig mit Lösungen beschäftigen, ist es manchmal sinnvoll, sich zu fragen, wie ein Problem entstanden ist. Zum Beispiel bei einem Flugzeugunglück. Man kann aus der Analyse des Absturzes lernen, zukünftige Unfälle zu vermeiden.

Bringt keine hochwertigen Informationen

Die Frage Warum? führt nicht zu besonders brauchbaren Informationen. Stellen Sie sich vor, ein Manager schlägt in einer Konferenz vor: »Wir sollten den Verkauf steigern.« Nun fragt jemand: »Warum?« Glauben Sie, dass daraufhin Antworten kommen, die weiterführen? Sinnvoller ist es zu fragen: »Den Verkauf von welchen Produkten können wir steigern, an wen können wir mehr verkaufen, wie können wir den Verkauf ankurbeln, in welchen Geschäften können wir mehr verkaufen?« Diese Fragen führen zu brauchbaren Antworten. Ist es sinnvoll, wenn ein Mann auf das Geständnis seiner Freundin »ich liebe dich« mit der Frage reagiert: »Warum?«

Mechanisch, nicht systemisch

Wonach fragt die Frage Warum? eigentlich? Die Frage Warum? fragt nach einer Ursache, nach dem Grund für etwas. Die Frage nach der Ursache kann bei einfachen Problemen berechtigt sein. Wenn ein Fahrrad nicht mehr funktioniert, ist die Frage Warum? sinnvoll.

Dagegen hilft die Frage Warum? bei komplexen Themen meist nicht weiter, führt sogar in die Irre. Die Frage Warum? basiert im mechanischen Denken von Ursache und Wirkung. In Systemen dagegen spielen viele Faktoren zusammen, die sich gegenseitig beeinflussen. Jede Veränderung eines Faktors hat Auswirkungen auf das gesamte System. In Systemen ist es nicht sinnvoll, nach einem Schuldigen oder nach einer Ursache zu fragen. Genau dies macht aber die Frage Warum.

System:


Bei Problemen in Systemen ist es sinnvoller, das Wechselspiel der einzelnen Faktoren zu beleuchten mit Fragen wie »was passiert da genau?« und »wie spielen die einzelnen Faktoren zusammen?«

Ich gebe ein Beispiel für die verheerenden Folgen, die eine kurzsichtige Suche nach einem Schuldigen bei dem komplexen Zusammenspiel vieler Faktoren in einem System haben kann. In der Sahelzone in Afrika wollten Entwicklungshelfer den Menschen helfen. Sie fragten, warum sie so arm seien. Die Leute antworteten, weil sie zu wenig Wasser hätten und ihre Rinder an einer Krankheit eingingen, die von der Tsetsefliege übertragen wird. Die Entwicklungshelfer glaubten die Ursachen der Armut gefunden zu haben und fingen an, tiefe Brunnen zu bohren und die Tsetsefliegen mit Insektiziden zu bekämpfen. Ahnen Sie, welche Folgen dies hatte?

Dieses Vorgehen hatte kurzfristig Erfolg. Weniger Rinder starben, der Bestand an Rindern stieg. Der steigende Wohlstand der Bevölkerung führte zu einem Anstieg der Zahl der Geburten. Die Folgen dieses kurzsichtigen Eingriffes in ein komplexes System wurden erst später ersichtlich: Die Erhöhung der Anzahl der Rinder führte zu einer Überweidung der Viehweiden, die Graslandschaften versteppten, die Wüste breitete sich aus. Die neuen Brunnen führten zu einer Konzentration der Bevölkerung und des Viehs an wenigen Stellen. Langfristig sank der Grundwasserspiegel und viele kleine Brunnen trockneten aus. Bei gestiegener Bevölkerungszahl blieb am Ende bedeutend weniger Vieh übrig als vor dem Eingriff der Entwicklungshelfer. Für die Länder hatte dieser kurzsichtige Eingriff in ein komplexes Ökosystem katastrophale Folgen.

Bei Eingriffen in ein System reicht es nicht, zu fragen, warum man Probleme hat, nach Schuldigen oder Ursachen zu suchen. Es ist sinnvoller, alle Faktoren und die Auswirkungen von Veränderungen zu beachten.

Jeder Mensch ist in sich auch ein System, ein Zusammenspiel von vielen Anteilen, Körper, Geist, Erinnerungen, Einstellungen usw. Gerade wenn Menschen psychische Probleme haben, hat das oft nicht nur eine Ursache. Es spielen meist viele Faktoren zusammen.

Noch eine letzte, nicht ganz ernst gemeinte Frage zum Thema Warum: Warum ist die Banane krumm? – Weil sie so lange einen riesigen Bogen um die DDR machen musste.

Ich habe die Frage Warum? so ausführlich behandelt, weil sie oft gestellt wird, auch von Beratern und Therapeuten.

Sinnvolle Fragestellungen

Wie kann man sinnvoll fragen, wenn man die Frage Warum vermeiden will? Es gibt zwei Arten von Fragen, geschlossene und offene Fragen. Bei geschlossenen Fragen kann man nur mit Ja oder Nein antworten. Ein Beispiel für eine geschlossene Frage: »Lieben Sie Musik?«

Es gibt Fälle, die man mit einem klaren Ja oder Nein beantworten kann, etwa wenn eine Frau ihren Arzt fragt: »Bin ich schwanger?«

Wenn dagegen ein Immobilienmakler einen Kunden fragt: »Wollen Sie ein teures Haus?«, gibt ihm die Antwort Ja wenig brauchbare Informationen. Die Sprache führt uns oft in die Irre mit der Unterscheidung zwischen nur zwei Möglichkeiten, wie schwarz oder weiß, gut oder schlecht, gesund oder krank. In der Realität gibt es unendlich viele Grautöne zwischen Schwarz und Weiß, es gibt noch viele andere Farben.

Wenn man eine geschlossene Frage stellt, die nur die Wahl lässt zwischen Ja oder Nein, verfällt man leicht dem Irrtum, die anderen Möglichkeiten nicht mehr wahrzunehmen. So fragte mich ein Mann bei einer Beratung: »Soll ich in meiner Firma bleiben oder kündigen?« Wer so fragt, übersieht Alternativen, die ihm auch offenstehen: Er kann in derselben Firma eine andere Tätigkeit suchen, er kann eine Nebenbeschäftigung aufnehmen oder nebenher eine neue Stelle suchen und erst kündigen, wenn er etwas Neues gefunden hat.

Geschlossene Fragen geben wenig konkrete Informationen und setzen den Befragten oft unter Druck, weil er schon vermuten kann, was der Fragende hören will. Es gibt jedoch mindestens eine Situation im Leben, in der es sinnvoll ist, eine geschlossene Frage zu stellen. Ich frage meine Freundin nicht, wen sie heiraten will, sondern ob sie mich heiraten will.

Meist ist es sinnvoll, offene Fragen zu stellen wie Wer, Was, Wie, Wo, Wann. Hier hat der Gefragte mehr Freiheit bei seiner Antwort, hier können sich brauchbarere Informationen ergeben. Wenn Sie wollen, können Sie in der nächsten Zeit darauf achten, ob auf die Frage Warum brauchbare Antworten kommen. Vielleicht wollen Sie auch ausprobieren, ob Sie mit den Fragewörtern Wie, Was, Wann, Wo usw. wertvollere Antworten bekommen.

»Das ist nicht möglich«

Viele Menschen machen es sich und anderen bei kreativen Tätigkeiten schwer, indem sie sagen: »Das ist nicht möglich.« Um dies zu sagen, braucht es keine Intelligenz. Bei der Entscheidung, ob etwas möglich ist, hilft die Frage, ob ein Mensch schon einmal etwas Ähnliches geschafft hat. Mit 80 Jahren die Tour de France zu gewinnen, scheint eher unmöglich zu sein.

Meist ist mehr möglich, als wir uns und anderen zutrauen. So beschloss eine fast völlig taube Frau, Schlagzeug zu studieren. Auf den ersten Blick scheint die Erfüllung dieses Wunschs unmöglich. Doch die Frau hat es geschafft, sie ist heute eine anerkannte und erfolgreiche Schlagzeugerin.

»Ich kann das nicht«

Andere machen es sich bei kreativer Tätigkeit schwer, indem sie sagen: »Ich kann das nicht!« Eine Kursteilnehmerin sagte immer wieder: »Ich kann das nicht!« Ich entgegnete jedes Mal etwas wie: »Ihnen traue ich das auch nicht zu!« Worauf sie mir total motiviert das Gegenteil bewies. Eine andere Teilnehmerin wiederholte dreimal hintereinander: »Ich kann das nicht!« Ich bat sie, den Satz noch zehnmal ganz schnell zu wiederholen. Dadurch verlor der Satz seine Macht. Ich vermute, dass dabei zwei Dinge eine Rolle spielten. Es regte sich ihr Widerstand gegen den Satz, den ich ihr verordnet hatte. Und indem sie den Satz immer schneller sprach, verwandelte er sich ins Lächerliche.

Konzentrieren oder entspannen?

Meistens wird empfohlen, sich zu konzentrieren. Ich bin da skeptisch. Es gibt zwei verschiedene Arten des Sehens, die eine Art ist ein konzentrierter, auf einen Punkt fokussierter Blick, die andere Art ist ein weiter, peripherer Blick. Beim Autofahren ist ein weiter Blick meist günstiger. Mit dem weiten Blick kann man sehen, ob von der Seite ein Reh kommt, ob ein schlingernder Wagen entgegenkommt, oder ob auf der Ladefläche des LKWs vor einem ein Teil vibriert und droht, herunterzufallen. Bewegungen nehmen wir am Rande des Blickfeldes am besten wahr.

Beim Lernen scheint mir ein Wechsel von konzentriertem und weiten Blick sinnvoll. Ich lese erst konzentriert einen Satz wie Reibung schafft Wärme. Dann lasse ich meine Gedanken fließen, um Beispiele für diesen Satz zu finden, etwa, dass ich meine Hände reibe, wenn mir kalt ist.

Ich verbinde das Wort Konzentration mit Druck und Anspannung. Ich finde es meist sinnvoller, bei der Sache zu sein, als konzentriert zu sein. Ich gehe im nächsten Kapitel ausführlich auf diesen Zustand ein.

Bei kreativen Tätigkeiten ist es sinnvoller, entspannt statt konzentriert zu sein. Im konzentrierten Zustand richtet man seine Aufmerksamkeit auf einen kleinen Bereich in der Außenwelt. Im entspannten Zustand kann man leichter Zugang finden zu dem weiten Feld der inneren Wahrnehmung, der Erinnerung, der Fantasie, der Intuition. Die Kreativitätsforscherin Ayca Szapora fand heraus, dass Konzentration beim kreativen Problemlösen hinderlich ist.

Kreativ

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