Читать книгу Wächter des Paradieses - Matthias Hahn - Страница 3

1. Ein ungewöhnliches Arbeitsessen

Оглавление

Der kalte Luftzug brachte den General zum Frösteln. Oder war es die Ungeheuerlichkeit seines Vorhabens, die ihm den Schauder über den Rücken jagte? Er blickte auf das Schwert in seiner Hand. Dann nickte er den anderen zu und betrat das Schlafgemach. Sein Opfer lag auf dem Boden. In frommer Askese hatte der Kaiser von Byzanz die Weichheit des Bettes verschmäht und sich auf einem Fell zum Schlaf ausgestreckt. Der General zögerte. Stumm bedeutete er den Verschwörern zu warten. Nicht zum ersten Mal tötete er einen Menschen. Er wusste nicht, wie viele Söhne der Hadith er in die Dschehennah geschickt hatte, wie viele Frauen und Kinder bei seinen Beutezügen ums Leben gekommen waren. Aber stets hatte es sich um Feinde gehandelt, um Ungläubige. Er hatte das Blutwerk im Auftrag des Allmächtigen ausgeführt. Der gute Zweck hatte das Töten geheiligt. Doch erfüllte er auch heute den Willen des Herrn?

Sein Opfer lag wehrlos vor ihm, noch schwerer aber wog: Er hob sein Schwert gegen den Kaiser der Christenheit, den Vertreter Gottes auf Erden. Es war eine Todsünde, ihn abzuschlachten.

Der General erinnerte sich. Einst war ihm der Herrscher ein väterlicher Freund gewesen. Der Kaiser hatte ihn das Handwerk des Befehlshabers gelehrt, hatte ihm gezeigt, wie man Soldaten für ihre grausame Arbeit begeisterte, wie man Tod und Verderben über die Hadithsöhne brachte. Seine Soldaten und sein Volk hatten ihn als Helden gefeiert, hatten ihn „den bleichen Tod der Sarazenen“ genannt. Doch jetzt hießen sie ihn nur noch „Mörder“. Fromm bis zur Askese, war der Kaiser hart geworden. Seine ständigen Kriegszüge im Namen des Glaubens hatten Armut und Hungersnot über seine Untertanen gebracht. Unruhen erschütterten die Hauptstadt, Steine flogen, wenn der Vertreter Gottes sich in der Öffentlichkeit zeigte, Schmährufe wurden ausgestoßen, wo immer man seine eindrucksvolle Gestalt erblickte. Der Kaiser aber beantwortete all diese Bekundungen des Unmuts mit den einzigen Mitteln, die er kannte: mit Härte und Grausamkeit. Kaum ein Tag verging, an dem er nicht eine neue Hinrichtung befahl. Doch damit fachte er die Wut der einfachen Leute nur noch heftiger an. Die Stadt stand kurz vor einem Aufstand, der das Reich in seinen Grundfesten erschüttern würde. War es nicht ihrer aller heiligste Pflicht, den Despoten zu beseitigen?

Der General blickte sich zu seinen Mitverschworenen um. Einige murmelten lautlose Gebete, um Jesus und die Apostel für ihre Tat um Verzeihung zu bitten, aber keines der Gesichter zeigte auch nur die geringste Spur von Mitleid. Nur Hass und Zorn konnte er in ihnen lesen, und grimmige Freude, dass der Tag der Abrechnung nun endlich gekommen war. Auch am Hof hielten nur noch wenige zum Tyrannen.

Die Kaiserin betrat das Zimmer. Wie jedes Mal, wenn der General sie erblickte, raubte ihre Erscheinung ihm den Atem. Theophanu war die schönste Frau des oströmischen Reiches. Einst war sie Schankdirne gewesen, in einer Taverne von recht zweifelhaftem Ruf. Dann hatte Romanos II., der Vorgänger des Kaisers, sie zu seiner Frau erhoben. Bald darauf war Romanos gestorben; um einen Bürgerkrieg zu vermeiden, hatte Theophanu dem mächtigsten Befehlshaber des byzantinischen Heeres das Jawort gegeben und ihn somit zu Romanos’ Nachfolger erkoren. Doch nun …

Der General blickte in ihr Gesicht – auch dort konnte er nur Hass erkennen. Auch Theophanu hatte unter der brutalen Strenge ihres Gatten gelitten. Sie war es, die diese Verschwörung in die Wege geleitet hatte. Sie hatte den General zum Nachfolger des Kaisers erkoren. Sie liebte ihn, begehrte ihn mit der gleichen Leidenschaft, mit der sie ihren Gemahl verabscheute.

Und der General liebte sie. Er würde alles geben, um seine Angebetete aus der Knechtschaft ihrer Ehe zu befreien, alles, um sich ihrer Liebe wert zu erweisen. Und genau das war es, was seine Tat zur Sünde degradierte. Sein innerster Antrieb war nicht, das Reich Gottes von der Gewaltherrschaft des Kaisers zu befreien, seine Motive waren von niedriger, eigennütziger Natur. Dafür würde er ewige Schuld auf sich laden, würde Höllenfeuer und Verdammnis auf sich ziehen. Er würde sich verachten, sein Leben lang; und auch Theophanu würde er verfluchen, nie wieder würde er ihr in die Augen blicken können, ohne an die heutige Bluttat zu denken.

Nun denn, es war zu spät, von dem Vorhaben abzusehen. Er nickte den anderen zu und hob seine Klinge. Die Verschwörer traten vor. Der Kaiser erwachte, von den Geräuschen geweckt, die die Stiefel der Attentäter verursachten. Er fuhr auf, sah die grimmigen Gesichter seiner Feinde, fasste nach dem Schwert, das sich stets in Griffweite befand. Da erblickte er das Antlitz seiner Gattin, die er über alles liebte, und die ihn nun verriet …


„Entschuldigung.“ Die Stimme einer Kommilitonin weckte Richard Kronau aus seinen Träumen.

„Kann ich mal den Ostrogorsky haben?“, fragte die recht korpulente junge Frau und deutete auf eines der Bücher, die auf Richards Arbeitstisch lagen.

„Aber natürlich“, murmelte Richard ein wenig unwillig und versuchte mühsam, sich in der Realität zurechtzufinden.

„Danke.“

Die Studentin griff sich den Wälzer und setzte sich an den Tisch vor Richards Arbeitsplatz.

Seufzend warf Richard einen letzten Blick auf die Beschreibung des Mordes an Kaiser Nikephoros in den Historien des Leon Diakonos, dann klappte er entschlossen den Band zu und verscheuchte die Bilder, die die Lektüre in ihm ausgelöst hatte. Es war nicht seine Aufgabe, sich längst vergangene Ereignisse auszumalen, er befand sich nicht im fackelbeschienenen Palast von Konstantinopel, und er hielt sich nicht im Jahr 969 auf, wo man für alle seine Taten und Untaten den Willen Gottes verantwortlich machen konnte. Man schrieb den 31. März 1990, und Richard saß im neonbeleuchteten Lesesaal der Universitätsbibliothek in Würzburg. Er war selbst für sein Handeln verantwortlich und musste sich dringend um seine Magisterarbeit kümmern, musste endlich herausfinden, wie er sich an sein Thema herantasten sollte.

Richard Kronau war Student der Byzantinistik, er befand sich inzwischen im dreizehnten Semester, und es wurde höchste Zeit, dass er sein Studium zu Ende brachte.

Er griff sich eines der Bücher, die er sich zu diesem Zweck an den Arbeitstisch geholt hatte: „Geschichtsschreibung im frühmittelalterlichen Byzanz“ von Paul Kaminski. Der Einband wirkte nichtssagend, das Buch strahlte dieselbe farblose Langeweile aus wie die meisten Werke im Lesesaal. Richard schielte zu dem Diakonos. Er spürte die Versuchung, den Kaminski zur Seite zu legen, bevor er ihn überhaupt aufgeschlagen hatte, um sich wieder mit der spannenden Beschreibung der unzähligen Bluttaten am byzantinischen Hof zu beschäftigen. Wieder sah er das bärtige Gesicht Kaiser Nikephoros’ vor sich, wie er seinen Tod in den Augen der Verschwörer las. Hatte Richard nicht vor allem deswegen Byzantinistik studiert, weil er mehr über die aufregenden Ereignisse dieser untergegangenen Epoche in Erfahrung bringen wollte?

Es nutzte nichts, er musste an seine Zukunft denken. Sein Thema lautete nicht: „Fantasien über den Putsch des Generals Johannes Tzimiskes“, es hieß „Ein neues Fundstück byzantinischer Mystik des frühen Mittelalters. Bezüge zu Texten von Autoren aus der Epoche der amorischen und der makedonischen Dynastie.“

Richard durfte sich nicht beschweren. Hinter diesem langatmigen Titel verbarg sich eine für einen Byzantinisten nicht uninteressante Aufgabe.

Vor einigen Monaten hatte man in einer Grabungsstätte bei Edirne unweit Istanbuls das Bruchstück eines Textes gefunden, in dem ein bislang unbekannter Verfasser von einer Reise ins Paradies erzählte. Zumindest war dies die vorläufige Arbeitshypothese, denn die erhaltenen Reste umfassten gerade einmal 145 Wörter in der Originalsprache und mindestens ebenso viele Lücken.

Richard nahm seine Kopie des wertvollen Dokuments aus einer Mappe und warf einen kurzen, ein wenig mutlosen Blick auf die gedrängten griechischen Buchstaben. Seine Aufgabe bestand darin, in bereits bekannten Quellen nach Bezügen zu diesem Text zu suchen. Das hieß, er musste alle bekannten byzantinischen Autoren vom achten bis zum elften Jahrhundert auf Hinweise durchforsten, die zur Identifizierung oder wenigstens Einordnung des gefundenen Bruchstücks beitragen konnten. Theoretisch wurden einem Studenten sechs Monate Zeit für eine Magisterarbeit gewährt, aber Richard ahnte, dass er bei diesem Thema nicht ohne eine Verlängerung auskommen würde.

Zumindest dann, wenn er sich weiterhin vor der Arbeit drückte. Resigniert legte Richard die Kopie zur Seite und schlug den Kaminski auf.

Es ist allgemein bekannt, dass sich geisteswissenschaftliche Sekundärliteratur und insbesondere die über historische Werke nur selten durch eine ausgefeilte Dramaturgie auszeichnet. Dieses Buch aber übertraf alle Erwartungen. Es war nicht einfach nur langweilig, es war praktisch unlesbar. Jeder einigermaßen normale Mensch hätte es spätestens nach 30 Sekunden zur Seite gelegt, falls er es versehentlich in die Hände genommen hätte. Auch Richard fühlte sich nach kurzer Zeit wie unter dem Einfluss eines überdosierten Schlafmittels, und das um so mehr, da er nichts entdeckte, das sein Thema berührte. Theophanes Confessor, mit dem sich Kaminskis Werk im Wesentlichen beschäftigte, war zwar ein Mystiker gewesen, aber keiner, der in seinen Träumen das Paradies erblickte. Für ihn hatten nur Sünde, Verfehlung und Höllenfeuer existiert. Sein unbekannter Nachfolger, Theophanes Continuatus genannt, hatte sich überhaupt nicht mit der Mystik befasst, ihn zeichnete vielmehr ein Hang zum WeltlichDramatischen aus. Sein Interesse hatte Morden, Intrigen und anderen Schurkereien gegolten. Richard musste unwillkürlich schmunzeln, als er die Abbildung eines Originalpergaments betrachtete. Sogar die Schrift des Theophanes Continuatus wirkte dramatisch mit ihren hohen Strichen, die ihm auf sonderbare Weise vertraut erschienen. Gelangweilt blätterte er weiter und versuchte, sich auf die faden Gedankengänge eines Paul Kaminski zu konzentrieren, doch in seinem Inneren hörte er die Musik von Zimbeln und quäkenden Flöten, und er stellte sich vor, wie die schöne Theophanu in der Schenke tanzte, in der Kaiser Romanos sie zum ersten Mal erblickt hatte. Wie mochte diese Dame wohl ausgesehen haben, dass ihr gleich drei Kaiser verfallen waren? Schlank oder eher ein wenig mollig? Mittelgroß oder eher zierlich? Von welcher Art war das Schönheitsideal der Byzantiner gewesen?

Auf jeden Fall musste sie mit großen Augen und langen schwarzen Haaren gesegnet sein, wie Darstellungen byzantinischer Künstler aus der fraglichen Epoche vermuten ließen …


„Mit Dank zurück“, unterbrach die korpulente Kommilitonin Richards Träumereien und legte den Ostrogorsky auf den Tisch. Dann machte sie sich auf den Weg zu den Regalen, um die Bücher, mit denen sie gearbeitet hatte, wieder auf ihren Platz zu stellen.

Eigentlich hätte sie den Ostrogorsky gleich mit aufräumen können, dachte Richard und schaute seiner Kommilitonin hinterher. So hat Theophanu bestimmt nicht ausgesehen, überlegte er und ließ seinen Blick über die Anwesenden streifen, bis er endlich eine junge Frau ausgemacht hatte, die seinen Fantasien wenigstens einigermaßen entsprach. Sie saß einige Tische weiter vorn, wirkte allerdings eher groß, nicht zierlich, wie es von der legendären byzantinischen Kaiserin eigentlich anzunehmen war. Aber Richard fühlte sich sowieso nicht in der Lage, die Gestalt der Dame genauer zu beurteilen, konnte er doch lediglich den oberen Teil ihres Rückens betrachten, und auch die Farbe ihrer Haare blieb ihm ein Rätsel. Die Unbekannte hatte sie unter einem exotisch anmutenden Tuch versteckt, das mit merkwürdigen pflanzlichen Ornamenten bestickt war. Hatten nicht auch die alten Byzantiner in gewissen Phasen ihrer Geschichte ähnliche Ornamente benutzt?

Die junge Dame warf einen Blick in ein Buch zu ihrer Seite, so dass Richard nun das Profil ihres Gesichts beobachten konnte. Es erschien ihm recht ebenmäßig, und sie besaß tatsächlich große Augen, wirklich schöne große Augen. Neugierig wartete Richard darauf, dass sich das Objekt seiner Betrachtung vollständig zu ihm umwenden würde, doch da setzte sich ein Student mit besonders breiten Schultern vor ihn und versperrte ihm die Sicht. Richard murmelte einen lautlosen Fluch, aber seine Vernunft ließ ihn einsehen, dass es so wohl am besten für ihn war. Schließlich hatte er noch einen ganzen Stapel Arbeit vor sich liegen.

Doch die Unbekannte ging ihm nicht mehr aus dem Sinn. Warum trug sie dieses Tuch? Stammte sie aus einem anderen Land? Aber aus welchem? Richard richtete sich auf, um über den Breitschultrigen hinwegzulinsen, doch der Tisch, an dem die geheimnisvolle Frau gesessen hatte, war leer. Aus den Augenwinkeln heraus glaubte Richard wahrzunehmen, wie eine hochgewachsene Gestalt gerade auf einer der Treppen verschwand, die auf die obere Ebene des Lesesaals führten.

War sie es? Richard kämpfte einen Moment mit der Versuchung, ihr hinterher zu eilen, doch dann rief er sich zur Ordnung und griff wieder nach seiner Lektüre. Er hatte sich schon lange genug ablenken lassen. Es wurde Zeit, dass er endlich ans Werk ging.

Aber heute war wohl nicht sein Tag. Lange blätterte er in dem Kaminski, ohne einen klaren Gedanken fassen zu können. Schließlich legte er das Buch zur Seite. So funktionierte es nicht. So würde er noch heute Abend hier sitzen, ohne einen Deut vorangekommen zu sein. Richard kramte missmutig nach der Kopie des Textbruchstücks aus Edirne und betrachtete die ihm merkwürdig geläufigen Schriftzeichen. Wie sollte er nur einen roten Faden für sein Thema finden? Sollte er jemanden um Hilfe bitten? Vielleicht seinen Kollegen Günther Mehl? Oder seinen Professor, der das Thema betreute? Oder hätte er sich nie auf diese Magisterarbeit einlassen sollen? Resigniert wollte Richard das Papier zur Seite legen, doch dann hielt er unvermittelt inne. Diese Schrift, diese hohen Striche, warum hatte er ständig das Gefühl, er habe sie schon einmal gesehen?

Und plötzlich wusste er, warum. Von einem Moment auf den anderen war er hellwach. Die Kaiserin, der General, der Mord an Kaiser Nikephoros, die korpulente Kommilitonin, die schöne Unbekannte, Richard hatte sie alle innerhalb eines Augenblicks vergessen. Er schnappte sich den Kaminski und blätterte aufgeregt zu der Abbildung des Dokuments von Theophanes Continuatus.

„Das gibt es doch nicht“, murmelte er und hielt den Atem an. Die Schriftzüge stimmten beinahe völlig überein. Der Text über das Paradies wies einige verzerrte Buchstaben auf, die Zeichen drängten sich dichter aneinander, als wäre der Autor bei seiner Beschreibung in großer Eile gewesen. Aber ansonsten waren die Schriften identisch. Die gleiche Hand hatte sie zu Papier gebracht, ohne jeden Zweifel.

Note Eins! Das war der erste Gedanke, der Richard durch den Kopf schoss. Und wirklich, das, was er gerade entdeckt hatte, war eine kleine Sensation. Er hatte den unbekannten Text einem bekannten Autor zugeordnet! Die Aufgabe, die ihm seine Magisterarbeit stellte, war praktisch gelöst! Nun musste er nur noch die Werke des Continuatus durcharbeiten, seine These absichern und er konnte seinen Hoffnungen auf eine großartige Universitätskarriere freien Lauf lassen.


*


„Ich wäre mir da gar nicht so sicher.“ Günther Mehls Anmerkungen waren bestens geeignet, Richards jugendlichen Optimismus nicht über die Ufer treten zu lassen. „Einmal weiß man nichts Genaues über Theophanes Continuatus und seine Chroniken. Es kann gut sein, dass sie von vier oder fünf verschiedenen Autoren stammen, die sie irgendeinem völlig unbedeutenden Schreiberling diktiert haben. Der letzte Band der Chronik wird inzwischen allgemein Kaiser Konstantin Porphyrogennetos zugeschrieben. Und dann passt dein Text nicht zu dem, was Theophanes Continuatus in seinen Historien verfasst hat“, fuhr er fort. „Falls es nur ein Autor war. Er hat zwar immer versucht, recht dramatisch zu wirken, und vielleicht auch manchmal der Dramatik zuliebe die Wahrheit ein bisschen zu recht gebogen, aber das da, ich bitte dich, das klingt ja völlig abgedreht.“

„Aber kann es nicht sein, dass er sich verändert hat, im Laufe seines Lebens, meine ich?“ Richards Entgegnung klang ein wenig verunsichert. „Oder, falls es nur ein Schreibsklave war, der den Text zu Papier brachte … Dann kann der ja durchaus andere Interessen gehabt haben als seine Auftraggeber für die Chroniken. Vielleicht war er ja ein Mönch? Die meisten der damaligen Schreiber waren doch Mönche, oder? Vielleicht hat er sich deshalb mit der Mystik beschäftigt.“

„Annahme“, warf Günther Mehl ein. „Nichts als Annahme. Wir brauchen Fakten. Sonst könnte ich genauso gut behaupten, dass dein Schreibsklave sich einen Joint gedreht oder LSD genommen hat, als er den Text da schrieb.“ Günther Mehls dünne Lippen verzogen sich unter seinem schütteren Schnurrbart zu einem amüsierten Lächeln.

Richard konnte über diesen Witz nicht lachen. Sein Kollege erlaubte sich gerne einen Scherz, wenn er auf Kosten anderer ging. Günther Mehl arbeitete schon seit über vier Jahren im Institut für Byzantinistik. Er hatte vor einigen Monaten seine Doktorarbeit abgeschlossen und ein Stipendium als wissenschaftlicher Mitarbeiter erhalten. Richard konnte ihn eigentlich nicht leiden, aber in einem so kleinen Institut wie dem der Byzantinistik war die Auswahl an Kollegen, an die man sich mit seinen neuesten Ergebnissen wenden konnte, nicht allzu groß. Außerdem kannte sich Günther Mehl mit Theophanes Continuatus aus, hatte er sich doch in seiner Doktorarbeit mit der wahren Identität dieses Autors beschäftigt, ohne allerdings Näheres darüber herausgefunden zu haben.

„Dann kommt hinzu, dass die Schriften sich zwar ähnlich sehen, aber meiner Meinung nach nicht identisch sind“, merkte Günther Mehl gnadenlos an.

„Sie sehen verschieden aus, weil der Verfasser anscheinend sehr aufgeregt war, als er den Text geschrieben hat“, verteidigte sich Richard. „Vielleicht stand er unter Zeitdruck oder unter einem starken Eindruck – oder er hatte gerade einen Joint geraucht.“

Günther lachte. Er lachte immer über Scherze, die von ihm stammten und die andere wiederholten, selbst wenn sie so abgeschmackt waren wie dieser.

„Schön, dass du deinen Humor behältst“, frotzelte er, „aber leider macht das die Schriften auch nicht identischer. Lies den Text doch noch einmal vor.“

„Auf Griechisch?“

„Die Übersetzung genügt.“

„Gut.“ Richard entfaltete seine Kopie. „Zuerst stehen da zwei Wörter, die sich nicht vollständig entziffern lassen. Das erste könnte Angelos, also Engel oder Bote bedeuten, das zweite vielleicht zeigen. Dann fehlen ein paar Wörter, dann lese ich da Eingang und Paradies oder auch paradiesisch. Der Satz könnte also bedeuten: Der Engel zeigte mir den Eingang ins Paradies. Danach folgt eine Lücke und dann kommt: Ich wurde in das Allerheiligste geführt, dort saßen wir im Kreis und lauschten der herrlichsten Musik, die je ein menschliches Ohr vernommen hat. Wir ließen von jedem Gedanken an die Welt, wir richteten all unser Denken auf ihn, den Herrn …“

„Aha, eine Meditationstechnik“, unterbrach Günther Mehl. „Besser als jeder Joint“, spöttelte er. „Es war nicht nur unter den christlichen Mystikern eine sehr verbreitete Methode, sein Denken auf einen Gegenstand zu fokussieren, in diesem Fall auf Gott, solange, bis sich Halluzinationen einstellten. Dazu etwas Weihrauch … Weißt du, was für Unmengen von Weihrauch in einem orthodoxen Gottesdienst verbrannt werden? Da bleibt keiner nüchtern. Wahrscheinlich war der Verfasser deines Textes irgendein kleiner Mönch aus einem Kloster, das sich dem Mystizismus verschrieben hatte. Aber lies nur weiter.“

„… richteten all unser Denken auf ihn, den Herrn … ab da wird es erst einmal unleserlich, dann steht da wandern, dann anbeten, dann preiset die Großartigkeit seiner Schöpfung, es folgen wieder ein paar unleserliche Wörter, danach kommt wieder ein längeres entzifferbares Stück: … erblickten gewaltige Tiere, Vögel, groß wie Kamele und gefräßig wie Tiger … und wieder zwei unleserliche Wörter, dann … Strafe allen Ungerechten. Wälder voller Leben, wie der Herr es nicht auf unserer Erde erschaffen hatte, riesige Schafe mit langen Schweinerüsseln, Affen mit langen Schwänzen, die ihnen der Herr als fünften Arm bestimmte, gigantische Riesen mit Fell überdeckt… die nächsten drei Begriffe kann man nicht entziffern, dann langen Sichel… das Wort bricht ab, nur ny kann ich noch lesen, dann den Händen, vielleicht also: lange Sicheln in den Händen. Das darauf folgende Teilstück ist wieder gut lesbar: … aber friedlich wie die Taube am Himmel, das alles sah ich und noch viel mehr an Wunderbarem. Es wohnten dort Menschen, nackt wie ein Neugeborenes, doch schämten sie sich nicht ihrer Blöße.

„Das Paradies“, bemerkte Günther.

„Anscheinend“, antwortete Richard. „Anschließend folgt wieder eine Lücke, dann: … stand er vor mir, schön wie die Vollkommenheit Gottes und schüttelte sein goldenes Haar.“

„Er?“

„Das Geschlecht geht nicht eindeutig aus dem Text hervor, aber es kann eigentlich nur der Engel gemeint sein.“

„Annahme.“ Günther bezweifelte grundsätzlich alles, eine Eigenschaft, mit der nicht nur Richard so seine Schwierigkeiten hatte.

„Dann fehlt wieder eine ganze Menge“, fuhr Richard fort, der sich seine Probleme mit Günthers Widerspruchsmanie nicht anmerken lassen wollte, denn das hätte diesen lediglich in seiner Einstellung bestärkt. „Schließlich folgen noch die Worte Gefahr und überleben und ganz am Ende obsiegt das Böse. Das war’s.“

„Zeig mal“, bat Günther und überflog den Text. „Der Schluss sieht aber nicht nach Paradies aus.“

„Vielleicht bezieht sich der Autor hier auf ein anderes Thema.“

„Wie vielleicht während des gesamten Textes.“ Günther begann, sich in Fahrt zu reden. „Zu viele Annahmen, zu wenige Hinweise. Ich will dich ja in deinem Elan nicht bremsen, aber ich fürchte, du verrennst dich da ein wenig. Es ist schön und gut, Hypothesen aufzubauen, aber man sollte dabei doch immer wissenschaftlich arbeiten. Wenn ich ehrlich bin, dann kann ich dir nur raten, die ganze Sache zu vergessen. Wechsle doch dein Thema, unser Prof hat bestimmt nichts dagegen, du kannst ihn ja gleich morgen bei diesem Arbeitsessen darauf ansprechen. Vergiss’ die Mystik, nimm lieber ein soziales Thema, das liegt dir mehr, da gibt auch die Geschichtsschreibung viel mehr her. Auch Theophanes Continuatus hat einiges über die Sozialpolitik seiner Kaiser geschrieben, du kannst also sogar beim gleichen Historiker bleiben, wenn dir soviel an ihm liegt.“

„Ich glaub’, ich muss jetzt los.“ Richard stopfte hastig sein Material in die Tasche. „Meine Straßenbahn fährt sonst ohne mich ab.“

„Dann aber hurtig.“ Günther öffnete die Tür. Richard trat hinaus, drehte sich jedoch an der Treppe noch einmal um.

„Weißt du, Günther“, bemerkte er, „du verstehst es immer wieder, einen so richtig aufzubauen.“

Günther lachte nicht, denn dieser Scherz stammte nicht von ihm. „Aber klar doch“, erwiderte er, „dafür sind Kollegen doch da. Bis morgen dann, beim Arbeitsessen.“


*


Die Arbeitsessen bei Doktor Benjamin Koch, Professor für Byzantinistik an der Universität Würzburg, zeichneten sich stets durch eine sehr gezwungene Atmosphäre aus. Außer ihm, seiner Frau, seinem Assistenten Günther Mehl und natürlich Richard war manchmal noch der Dekan der altphilologischen Fakultät anwesend, und dann wurde es besonders scheußlich. In diesem Fall wünschte sich Richard lediglich, dass die Veranstaltung so schnell wie möglich zu Ende ginge und hörte meist nur mit einem Ohr zu, um reagieren zu können, falls er angesprochen wurde. Doch das geschah zum Glück nur sehr selten, da die Herren Professoren hauptsächlich mit der Darstellung ihrer eigenen Eitelkeit beschäftigt waren. Als er an diesem Abend an Professor Kochs Tür läutete, hatte er von vorneherein kein gutes Gefühl, hatte er doch die Straßenbahn verpasst und war mit zehn Minuten Verspätung vor Kochs Villa aufgekreuzt.

Die Frau seines Chefs öffnete ihm, setzte eine missbilligende Miene auf und warf einen deutlichen Blick auf die Uhr. Richard entschuldigte sich und betrat das Wohnzimmer. Gott sei Dank war der Dekan nicht oder zumindest noch nicht erschienen, und sein Professor war so sehr in ein Gespräch mit einem rotgesichtigen älteren Herrn vertieft, dass er das Zu-spät-Kommen seines Magisteranwärters gar nicht bemerkte – im Gegensatz zu Günther, der wie zufällig auf seine Uhr schaute und ein selbstgefälliges Lächeln aufsetzte. Den rotgesichtigen Herrn hatte Richard noch nie gesehen, aber aus der Tatsache, dass man ihm den bequemsten Sessel angeboten hatte, war zu vermuten, dass er in byzantinistischen Kreisen einiges zu sagen hatte. Der Besucher bemerkte das Eintreten des Neuankömmlings. Sofort folgte Professor Koch beflissen dem Blick des Rotgesichtigen.

Richards Professor war etwa 40 Jahre alt, korrekt gekleidet und mit vollem, dunklem Haar gesegnet. Eilig winkte er seinen Studenten zu sich.

„Darf ich Ihnen Herrn Kronau vorstellen?“, sagte er eifrig zu dem älteren Herrn, der Richard höflich seine Rechte entgegenstreckte. „Er arbeitet ebenfalls an unserer neuen Entdeckung.“

„Ah.“ Das gerötete Gesicht des älteren Herrn zeigte ein freundliches Lächeln. Professor Koch wandte sich an Richard.

„Das ist Professor Weihrauch, die Kapazität für angewandte Graphologie an unserer Universität, ach was sage ich, von ganz Bayern.“

„Sie schmeicheln mir“, bemerkte der ältere Herr nur zu treffend.

„Aber nicht doch, Herr Professor Weihrauch, jeder hier hat schon viel von Ihnen gehört, stimmt ’s, Herr Kronau?

Richard nickte eifrig, angestrengt nachdenkend, ob er den Namen vielleicht nicht doch schon einmal vernommen hatte.

„Was haben Sie denn so alles herausgefunden, Herr Kronau?“, erkundigte sich Professor Weihrauch.

„Ich habe gerade erst mit meiner Arbeit begonnen“, fing Richard vorsichtig an. Er wollte vor einem Graphologieexperten nicht mit der Tür ins Haus fallen und über seine Theophanes Continuatus-Theorie reden. Wahrscheinlich wäre es besser, Professor Koch davon zu erzählen, wenn er ihn alleine anträfe.

Doch dieser meldete sich wichtigtuerisch zu Wort. „Aber Professor Weihrauch hat eine ausgesprochen interessante Entdeckung gemacht. Er hat mir gerade erzählt, dass er die Schriften mit bekannten byzantinischen Autoren aus der fraglichen Epoche verglichen hat, und er hat Erstaunliches dabei herausgefunden.“

„In der Tat. Es war eine sehr mühevolle Angelegenheit, aber ich habe den Autor des Dokumentes identifizieren können“, berichtete Professor Weihrauch stolz.

„Das ist ja ganz großartig“, gratulierte Richard, plötzlich von bösen Vorahnungen gequält.

„Es handelt sich um niemand anderen als um Theophanes Continuatus, den Nachfolger des Studitenpriors Theophanes Confessor“, verkündete Professor Koch. Professor Weihrauch nickte beflissen.

Richards schlimmste Befürchtungen waren bestätigt. Er warf einen Seitenblick zu Günther, der nur kurz mit den Schultern zuckte. Richard beschloss zu retten, was zu retten war. „Ja, diese kühnen Striche“, bemerkte er, „so typisch, da kann es sich doch eigentlich nur um Theophanes Continuatus handeln.“

„Interessieren Sie sich für Graphologie?“, fragte Professor Weihrauch mit leisem Zweifel.

„Es ist ein Hobby von mir“, log Richard.

„Ein wirklich begabter junger Mann“, bemerkte Professor Koch mit einem warnenden Unterton in der Stimme. Magisteranwärter hatten nicht mit ihrem Wissen zu protzen, schon gar nicht vor ehrwürdigen Kapazitäten.

„Danke“, antwortete Richard und wandte sich wieder Professor Weihrauch zu. „Es freut mich sehr, einmal einen echten Graphologen kennenzulernen. Dass Sie diese Schrift so schnell zuordnen konnten … ich finde das wirklich erstaunlich.“

„Ja, es ist in der Tat eine überaus bewundernswerte Leistung“, fügte Professor Koch hinzu. Sein Argwohn gegenüber Richard war verflogen.

„Ihr Thema muss nun natürlich ein wenig erweitert werden“, fuhr Professor Koch fort, an Richard gewandt. „Ich denke da an einen Vergleich dieser Schrift mit den orthodoxen mystischen Strömungen in späteren Jahrhunderten, sagen wir, bis zum Untergang von Byzanz.“

Richard schluckte. Dieses Arbeitsessen stand unter keinem guten Stern. Wenn sein Thema nun erweitert würde, müsste er mit der Planung noch einmal ganz von vorn anfangen.

„Warum nicht überhaupt einen Vergleich mit dem mittelalterlichen Mystizismus des Okzidents?“, war da eine hohe Altmännerstimme zu vernehmen. Im Eingang stand Professor Jakob, der immer griesgrämige Dekan der altphilologischen Fakultät, ein kleines, kahlköpfiges, über sechzig Jahre altes Männchen. Anscheinend hatte er schon einige Sekunden unbemerkt an der Wohnzimmertür verbracht. „Meiner Meinung nach werden die Grundlagen heutzutage viel zu nachlässig behandelt“, fuhr er fort, „immer geht es gleich ins Spezielle. Wie sollen denn die jungen Leute unter diesen Umständen eine Richtschnur finden? Wie sehen Sie das, Herr Kronau?“

Richard schluckte noch einmal. „Ähm …“, fing er an, wurde aber sofort von Professor Koch unterbrochen.

„Ganz meine Meinung, Herr Professor Jakob. Das ist eine ganz ausgezeichnete Idee …“

„… die Sie gleich morgen früh unter den Tisch fallen lassen“, beendete Professor Jakob den Satz.

„Aber nein, so etwas würde ich doch niemals wagen.“ Koch lachte entschuldigend. „Aber nehmen Sie doch erst einmal Platz“, lenkte er dann ab. „Ich habe mich gerade mit dem Kollegen Weihrauch über die Entschlüsselung des Dokuments aus Edirne unterhalten.“

„Schön, dass Sie kommen konnten“, begrüßte der Dekan Professor Weihrauch. „Ich habe mir erlaubt, ebenfalls einen Gast mitzubringen. Treten Sie bitte ein, Professor Papadopoulos.“

Ein kleiner Mann mit wirren schlohweißen Haaren und lebendigen Augen hinter einer dicken Brille trat in den Raum. Die Wirkung auf die Anwesenden war erstaunlich. Koch gewann als erster seine Fassung wieder. Wie ein Blitz sprang er auf und schüttelte dem Neuankömmling die Hand. Richard dachte einen Moment sogar, er wolle sie ihm küssen.

„Professor Papadopoulos? Höchstpersönlich?“, stieß Koch hervor. „Das ist ja … mir fehlen die Worte.“

Auch die anderen Anwesenden begrüßten den weißhaarigen Gelehrten überschwänglich. Richard stand der Mund offen: Der Mann, der das Dokument gefunden hatte, der Mann, der die Ausgrabungen in Edirne leitete, Professor Papadopoulos von der Universität Saloniki, er war hier, bei einem Arbeitsessen von Professor Koch in der Provinzuniversitätsstadt Würzburg?

Der Grieche begann sofort, Richards unausgesprochene Frage zu beantworten, als hätte er sie in dessen überraschtem Gesicht gelesen. „Ich bin zufällig gewese auf Reise mit meine Frau in Deutschland, als ich habe gehört, dass Sie mache große Forschung in Würzburg mit meine kleine Fund“, berichtete er in einem in der Melodie griechisch, in der Grammatik seltsamerweise eher türkisch klingenden Akzent. „Wolle nur anrufe meine … wie sage man auf Deutsch … Freund von Studium?“ Er warf einen fragenden Blick zum Dekan.

„Studienkollegen“, verbesserte dieser.

„Genau, meine Studiekollege Professor Jakob ich wolle anrufe und frage ‚Wie geht’s?’, und da er erzähle mir alles. Auch von Essen hier, und da ich sage ‚Ich komm’ und so ich bin da.“

„Das freut mich ja überaus, Herr Professor Papadopoulos“, scharwenzelte Koch und bot ihm einen Sessel an. „Nehmen Sie doch Platz. – Schatz, kannst Du noch ein Gedeck holen?“, wandte er sich an seine Frau, die sofort in die Küche eilte.

„Mache Sie sich nix Umstände viel, habe Fund ja gar nix dabei in Tasche.“ Der Grieche setzte sich und sah sich suchend um. „Wo is Platz?“

„Ist der Sessel nicht bequem?“ Koch wirkte besorgt. „Schatz!“

„Lasse Sie! Sitze sehr bequem. Aber wo is Platz? Oder sage man in Deutsch Platzchen?“

Koch wirkte verwirrt. Der Dekan sprang ein: „Plätzchen.“

Koch kapierte und ließ ein belustigtes „Ah“ vernehmen. Alle lachten ausgiebig, am lautesten Professor Papadopoulos.

„Schatz!“, rief dann Professor Koch. „Haben wir zufällig Plätzchen im Haus?“

„Ich glaube nicht“, antwortete seine Frau unsicher. „Aber ich könnte eine Flasche Ouzo von der Tankstelle holen.“

„Dann besorg das doch bitte, Schatz.“

Die Frau verschwand eiligst.

„Mache doch bitte keine Umstände“, rief Professor Papadopoulos hinterher, wenn auch zu spät.

„Aber das macht doch keine Umstände“, beruhigte ihn Koch.

„Ja, Ihne nix“, antwortete Papadopoulos, „aber Ihre Frau.“ Er lachte laut auf, und die anderen lachten pflichtschuldig mit. „Und mir“, fuhr er dann fort. „Schließlich müsse ich trinke Ouzo daheim ganze Tag.“ Wieder prustete er los, gefolgt vom obligatorischen Echo der anderen.

„Genau wie früher“, bemerkte der Dekan, der als einziger nicht mitlachte. „Sie besitzen noch den gleichen Humor wie zu unserer gemeinsamen Studienzeit.“


Papadopoulos war sehr angetan von Weihrauchs Ergebnissen und lobte ihn über alle Maßen. Aber auch für die Arbeit der anderen zeigte er echtes Interesse. Mit seiner warmherzigen Art sorgte er für gute Stimmung bei dieser sonst so trockenen Veranstaltung. Sogar dem Dekan zuckten ein- oder zweimal die Mundwinkel. Nur Richard blieb ernst. Zwar hatte er am Anfang seine Schuldigkeit getan und bei Papadopoulos’ Witzen lauthals mitgelacht (etwas anderes wäre auch bei seinem Professor übel angekommen), aber nach dem dritten Ouzo verfiel er mehr und mehr in eine düstere Stimmung. Schließlich entschuldigte er sich und zog sich auf die Toilette zurück.

Er bemühte sich, seine Lage zu begreifen. Gestern noch hatte alles so rosig ausgesehen. Er hatte ein Thema gehabt, klar definiert, und ihm war, wenn auch eher zufällig, eine wirkliche Entdeckung gelungen: Er hatte ein unbekanntes Dokument einer bekannten Quelle zugeordnet. Und dann, innerhalb eines Tages, ach was, innerhalb einer Stunde hatte sich alles grundlegend geändert. Seine Entdeckung war wertlos, ein anderer war auf die gleiche Idee gekommen, und sein Thema hatte er auch nicht mehr. Stattdessen musste er sich mit einer Unzahl von langweiligen Allgemeinplätzen herumschlagen. „Vergleich mit der mittelalterlichen Mystik.“ Was für ein verdammter Mist! Seine Arbeit würde darin bestehen, die bekanntesten Autoren des christlichen Mittelalters zu zitieren und zu vergleichen, alles Dinge, die schon tausendmal von anderen zitiert und verglichen worden waren, und die keinen, am wenigsten ihn selbst, auch nur die Bohne interessierten.

Missmutig drückte er die Spülung und stand auf. Vor der Tür begegnete ihm Günther, der gerade damit beschäftigt war, eine weitere gekühlte Ouzo-Flasche aus der Küche zu holen.

„Du hattest Recht“, brummte Richard. „Ich sollte das Thema wechseln. Irgendwas Soziales.“

„Um Gottes Willen!“ Günther war entsetzt. „Du kannst doch jetzt nicht mehr das Thema wechseln. Wo doch der Dekan persönlich einen Vorschlag gemacht hat. Er würde es als Beleidigung auffassen.“

Richard überlegte, ob er widersprechen sollte, vielleicht mit der Bemerkung, dass ihm die Meinung des Herrn Dekan schnurzpiepegal sei oder so ähnlich, aber dann schaute er Günther an und ließ es lieber sein. Lautes Lachen drang aus dem Wohnzimmer.

„Das war amüsant, Professor Papadopoulos, wirklich überaus amüsant“, ließ sich Professor Kochs Stimme vernehmen.

„Dieses Geschleime!“ Richard schüttelte angewidert den Kopf. „Muss man so werden, Günther, wenn man an der Uni vorwärtskommen will?“

„Um ein bisschen Politik kommt man eben nicht herum“, antwortete Günther knapp. „Mit Professoren ist es wie mit Schnecken. Wer am meisten schleimt, kommt am schnellsten voran.“

Richard musste unwillkürlich schmunzeln.

„Gut“, sagte Günther, „dann lass uns reingehen und ein bisschen mitschleimen.“ Er setzte ein breites Grinsen auf und betrat schwungvoll das Wohnzimmer.


Doch Richard gelang es nicht, seine düsteren Gedanken zu vertreiben. Wenn die anderen laut lachten, konnte er sich höchstens ein müdes Lächeln abringen.

„Hey“, sprach ihn plötzlich Papadopoulos an. „Warum Sie mache so eine Gesicht, als wäre Sie gewese in drei Tage Regewetter, man so in Deutsch sage?“

„Drei Tage Regenwetter“, korrigierte der Dekan.

„Nichts Wichtiges“, wiegelte Richard ab.

„Ach, nix Wichtiges, nix Wichtiges, dann man mache doch nix so eine Gesicht.“

Richard schaute zu Boden.

„Wollen Sie sich nicht am Gespräch beteiligen, Herr Kronau?“, fragte der Dekan mit einem Unterton von Tadel.

„Doch, natürlich“, erklärte Richard und suchte fieberhaft nach einem Thema, als er merkte, dass ihn alle anschauten. „Herr Professor Papadopoulos, wie haben Sie denn das Dokument gefunden?“

Richard hatte die Frage nur aus Verlegenheit gestellt, aber die Wirkung war erstaunlich. Papadopoulos Stimmung änderte sich schlagartig. Ernst und nachdenklich starrte er vor sich hin.

„Haben Sie das denn nicht in seiner Veröffentlichung gelesen?“, entrüstete sich der Dekan.

Richard beschloss, überhaupt nichts mehr zu sagen, worauf der Dekan tief Luft holte, vermutlich, um zu einem Vortrag über die Tugenden eines zukünftigen Universitätsangestellten anzusetzen, die diesem Magisteranwärter seiner Meinung nach völlig abgingen.

„Nein, lasse Sie nur“, unterbrach Papadopoulos den Dekan, bevor er beginnen konnte. „Ich habe nix gesagt alles in Veröffentlichung. Wie die Geschicht wirklich war.“

„Sie müssen uns nichts darüber berichten, wenn Sie nicht wollen“, bemerkte der Dekan, aber der Rest der Diskussionsrunde blickte gespannt zu dem Griechen.

Papadopoulos leerte sein Glas. „Es is eine Fluch … ja wie eine Fluch, der über diese Fund liege“, begann er. „Habe Sie gelese in Zeitung von Unfall?“

Die Anwesenden schüttelten den Kopf.

„Sie brauchen es wirklich nicht zu erzählen …“, begann der Dekan wieder, aber Papadopoulos brachte ihn mit einer unwirschen Handbewegung zum Schweigen. Er füllte sein Glas mit Anisschnaps und leerte es erneut. Dann atmete er tief durch.

„Und nur, weil ich treffe diese Hirte von Schaf … Warum ich habe nur müsse spreche mit ihm?“

Die anderen schauten sich fragend an.

„Es war Hirt, wo lasse weide seine Schaf in Gebiet von Grenz, mal bei uns in Hellas, mal in Türkei. Hellas sehe nix gern, wenn er lasse weide Schaf bei uns, Türk sehe nix gern, wenn er lasse weide Schaf in Türkei.“

„War er Grieche oder Türke?“, fragte Professor Weihrauch, was ihm einen bösen Blick des Dekans eintrug.

„Bulgare, glaube ich. Wenigstens er spreche Bulgarisch. Ich komme mit ihm in große Diskussion, weil ich will fahre nach Edirne, alte Adrianopolis, und seine Schaf tun versperre mir Straß. Ich sage zu ihm: ‚Warum du treibe Schaf auf die Straß, bist du vielleicht ein bissele blöd oder was?’ Mit Schafhirt, du müsse red auf diese Weis. Da er sage: ‚Ich nix bissele blöd, aber du in deine Auto seie vielleicht ein bissele blöd, sonst du könne seh, dass Schaf sich nix lasse treibe weiter.’ Ich frage: ‚Wieso Schaf sich nix lasse treibe weiter? Is Schaf vielleicht blöd oder was?’ Da er sage drauf: ‚Schaf nix blöd, Schaf habe Angst viel, wolle nix gehe Hügel hinauf auf Seit von Straß.’ Ich schaue mir an Hügel und sage: ‚Aber auf Hügel wachse viel saftig Gras. Is deine Schaf vielleicht doch ein bissele blöd?’ Da er schaue ganz ernst und sage: ‚Is Fluch auf diese Hügel, oder besser unter diese Hügel, Schaf wisse das, seie schlaue Tiere.’ Und er erzähle mir von Geschicht von Hügel, wo war früher Versammelplatz von Bogomile, und zwar nix von normale Bogomile, sondern von ‚Schwarze Bogomile’.“

Ein Raunen ging durch die Runde. „Schwarze Bogomilen?“, fragte Koch ein wenig ungläubig. Bogomilen waren ihm natürlich ein Begriff, genau wie den anderen am Tisch. Es handelte sich um Mitglieder einer christlichen Sekte im vom Oströmischen Reich besetzten Altbulgarien, erinnerte sich Richard, Menschen, die ähnlich wie die Paulikaner und andere orientalische Sektierungen die orthodoxen Sakramente ablehnten und allgemein als Vorläufer der südfranzösischen Katharer galten. Aber von „Schwarzen Bogomilen“ hatte Richard noch nie etwas vernommen.

„Ja, ich habe denke ebenso, wie Sie alle in diese Moment, ich denke, ich nix höre richtig – Sie wisse doch, wer ‚Schwarze Bogomile’ seie?“

„Aber natürlich“, bejahte Koch nach einem kurzen Blick auf den Dekan. „Aber vielleicht können Sie es kurz für unseren wissenschaftlichen Nachwuchs beschreiben.“

„Nicht nötig“, sagte Günther rasch, und auch Richard nickte schnell. Schließlich wollte sich keiner vor dem Dekan eine Blöße geben.

Doch Papadopoulos schien den Wissensstand seiner deutschen Kollegen richtig zu deuten, denn er ließ sich zu einer kurzen Erklärung herab.

„’Schwarze Bogomile’, das seie wie andere Bogomile auch, nur seie gewese böse. Keiner wisse, ob sie habe gegebe wirklich, oder seie gewese Produkt von Propaganda von Orthodoxie. Man erzähle schlimme Sache, solle habe verspottet Jesus Pantokrator und mache Menscheopfer, um zu gefalle Teufel in Hölle.“

„Ist bekannt“, bemerkte Koch.

„Gut“, fuhr Papadopoulos fort, „ich merke sofort, Sache werde interessant und schaue mir an Hügel noch einmal ganz genau. Sah aus ein bissele wie Hügel von Troja, ich habe gehabt sofort Gefühl, da müsse seie Gebäude oder Dorf unter diese Hügel.“

Papadopoulos wirkte wieder sehr nachdenklich. „Hirte von Schaf merke, dass ich starre viel fasziniert auf Hügel und warne mich, ich solle nix gehe auf Hügel, sonst ich noch viel mehr blöd wie Schaf. Aber ich höre nix auf ihn, ich wirklich mehr blöd wie Schaf.“

Er kippte noch einen Ouzo, bevor er weitererzählte.

„Ich fahre sofort zu Behörde nach Istanbul, weil ich brauche Erlaubnis zu grabe in diese Hügel. War aber nix leicht, zu bekomme diese Erlaubnis, obwohl ich schmiere zuständige Mann. Gebe Erlaubnis nur mit Bedingung, dass Kollege von Universität von Istanbul mit dabei bei Grabung. Is nix gut, wenn Grabung habe zwei Chefs, und dann auch noch eine Chef von Hellas und andere Chef von Türkei. Aber ich müsse stimme zu, bleibe nix anderes übrig mir. So ich also organisiere Grabung zusamme mit meine Kollege Kilic von Universität von Istanbul.

Aber Grabung stehe unter schlechte Stern sowieso. Ich sage, wir fange an zu grabe links, in Richtung West, das näher an Hellas. Kollege Kilic sage, wir fange an zu grabe rechts, das näher an Istanbul. Wir mache Kompromiss und fange an zu grabe genau in Mitte. Das war gewese große Fehler. Team habe grabe genau eine Stunde, da mache es große Rumms, und Hügel krache zusamme und reiße mit drei von unsere Arbeiter, eine von Hellas und zwei von Türkei. Passiert is nix viel, war nur eine gewese verletzt viel schwer und das war eine von Türkei, aber Kilic is viel aufgeregt. Will unterbreche Arbeit, bis Maßnahme für Sicherheit durchgeführt is, aber das brauche viel Zeit, und ich nix habe viel Zeit, also ich lasse lege Brücke von Holz über Loch in Hügel von meine griechische Team alleine. Und wie wir gehe auf Brücke von Holz und schaue in Loch in Bode, wir könne sehe unterirdische Halle, sehe aus wie Tempelraum.“

„Wundervoll“, meldete sich Professor Koch zu Wort, „dann waren Sie also der erste Mensch, der das Tempelinnere betreten durfte?“

„Is gegange leider nix. Wie ich wolle steige in Tempel, da stehe Kollege Kilic aus Türkei vor meine Füß und sage doch: ‚Ich habe Recht zu steige als erster in Tempel, weil ich Türk und türkisch Arbeiter is beinah gegange tot bei Ausgrabung.’ Da sage ich: ‚Ich habe Recht zu steige als erster, weil ich bin aus Hellas und meine Team ganz alleine lege Brücke von Holz über Eingang zu unterirdische Halle.’ Da sage Schuft von Kollege aus Istanbul: ‚Das seie totale Quatsch, weil ich habe absolut voll Recht zu steige als erster, weil Hügel mit unterirdische Halle liege auf türkisch Gebiet.’ Da sage ich: ‚Hügel nur türkisch Gebiet, weil Türke habe genomme uns Gebiet 1922 nach Krieg ohne Recht.’ Da sage Kilic: ‚Verbrecher von Grieche habe angefange diese Krieg, also Hügel is Entschädigung für Krieg.’ Da sage ich: ‚Aber Räuber von Türkei habe besetzt arme Hellas für Jahrhunderte und davor sogar Istanbul war Konstantinopolis und hellenisch Stadt. Also ich habe Recht zu betrete Tempel als erster.’ Da sage er: ‚Aber Verräter von Grieche breche schon 575 erste Vertrag mit Türk bei Kampf gege Perser, also ich gehe total zuerst.’ Da sage ich: ‚Aber das war doch Missverständnis mit Vertrag von 575’, und dann sage ich noch: ‚Sie kenne sich aber aus viel gut in Geschichte von unsere Völker.’ Und er sage: ,Sie aber auch, ich total beeindruckt. Lasse uns seie Freunde.’ Und wir tue umarme uns und steige zusamme runter in Tempel, einer nebe andere.“

Papadopoulos schwelgte einige Sekunden in dieser Erinnerung, doch dann verlor sich sein Lächeln. Er schenkte sich einen weiteren Ouzo ein und nippte nachdenklich an seinem Glas.

„Und?“, unterbrach Weihrauch endlich das Schweigen. „Was haben Sie gesehen?“

„Stehe alles in meiner Veröffentlichung. Könne Sie alles nachlese dort.“

Der Dekan bedachte Professor Weihrauch, dessen Gesichtsröte sich vertiefte, mit einem kritischen Blick.

„Freske an Wand, wo wir nix könne erkenne was sicher, eine Bild vielleicht war große Vogel, vielleicht auch nix, andere Bild vielleicht Jesus Pantokrator, vielleicht auch nix, wieder andere Bild vielleicht zwei Mensche.“

„Nackt?“, wollte Günther Mehl wissen.

„Nackt?“, fragte Papadopoulos irritiert zurück, dann begriff er Günthers Gedankengang. „Ah, Sie meine Adam und Eva in Paradies. Kann ich nix sage, war nix zu erkenne, ob Figure habe was an, kann sein, dass Figure seie gar nix Mensche. Kollege Kilic meine, Figure seie zwei Äste von Busch, wo sehe nur aus wie Mensche.“

Papadopoulos betrachtete nachdenklich sein Ouzo-Glas.

„Was aber nix stehe in meine Veröffentlichung“, fuhr er dann fort, „is Atmosphäre, wo herrsche in diese Raum. Wirke alles so … wie sage man in Deutsch, unheimelix?“

„Unheimlich“, half der Dekan.

„Ja, unheimelich. Freske und Altar und düster Licht. Obe ziehe auf Gewitter, konnt ich höre Donner. Und auf Altar ware Flecke, schwarz, wie getrocknet Blut.“

„Blut?“, hakte der Dekan nach.

„War wohl rote Messwein, ich denke. Muss noch gemacht werde Analyse, wenn wir habe Geld, zu bezahle Experte. Aber war unheimelix Bild. Lage Reste in Ecke, Reste von zerfallene Knoche, und danebe Stapel mit Schriftrolle, auch halb zerfalle. Dann komme da Wind ganz plötzlich, dazu Donner von obe, und Wind blase weg Schriftrolle und Schriftrolle zerfalle alle auf der Stell. Kollege Kilic und ich, wir bringe nix heraus irgendeine Wort, nix fähig zu mache irgendeine Sach, war, als seie wir in Gruft von Vampir oder andere Monster … ich kann nix beschreibe Stimmung, am beste, Sie besuche Stelle von Grabung und schaue selbst hinein. Auf jede Fall, Assistent von Kilic löse als erster sich aus Erstarrung und schreie: ‚Die Schriftrolle!’, aber wir könne rette nur Fragment mit Text von Theophanes Nachfolger, wo Sie untersuche.“

Papadopoulos schwieg. Beklommen schaute Richard Richtung Fenster, wo sich eine Gardine in einer leichten Abendbrise bewegte. Der Dekan brach schließlich das Schweigen.

„Hatten Sie denn keinen Windschutz vor den Eingang gestellt?“

„Doch“, betonte der Grieche. „Aber Wind nix gekomme von auße, Wind gekomme von inne.“

„Von innen?“, fragte Koch. „Es gibt also eine zweite Öffnung?“

„Nein, nix zweite Öffnung.“ Papadopoulos schüttelte heftig den Kopf. „Wir habe untersucht alle Wand von Tempel, aber wir entdecke noch nix mal winzige Spalt.“

„Seltsam“, dachte Professor Weihrauch laut, und dann schwieg die Runde, bis wiederum der Dekan das Schweigen brach.

„Vielleicht sollten wir tatsächlich auf Ihren Vorschlag zurückkommen, Professor Papadopoulos“, sagte er, „und die Grabungsstelle höchstpersönlich begutachten.“

„Das is sehr gute Idee.“ Papadopoulos war Feuer und Flamme. „Könne komme ganze Institut, seie Sie alle eingelade herzlich.“

„Das geht nicht“, wehrte der Dekan ab. „Dazu fehlen mir die Gelder.“

„Aber einer von uns könnte doch auf jeden Fall hinfahren“, schaltete sich Professor Koch ein. „Wir könnten Drittmittel beantragen. Für einen Forschungsauftrag.“

„Auf Ihre Verantwortung.“ Der Dekan nippte mürrisch an seinem Glas.

„Könne doch schicke Herr Kronau“, schlug der Grieche vor. „Arbeite an Thema sowieso und dazu koste nix viel.“

Richard verschüttete fast seinen Ouzo. Seine Augen strahlten. Eine Reise ans Mittelmeer, an eine Grabungsstelle, raus aus Institut und Bibliothek, diese Gelegenheit bot sich einem Byzantinisten wahrlich nicht oft.

„Ein Magisteranwärter? Das kommt überhaupt nicht in Frage“, ließ sich da der Dekan vernehmen und bedachte Richard mit einem abschätzigen Blick. „Für einen Forschungsauftrag brauchen wir qualifizierte Fachkräfte.“

Mit diesen Worten lehnte er sich zurück, quittierte das eifrige Kopfnicken Professor Kochs mit einem angedeuteten Lächeln, und Richard wusste wieder, wo sich sein Platz befand.

Wächter des Paradieses

Подняться наверх