Читать книгу Aktienpsychologie und Börsenpsychologie - Max Mittelstaedt - Страница 7

Einleitung in die Thematik

Оглавление

Die Verbindung aus Wirtschaftspsychologie und Finanzwissenschaften, auch Behavioral Finance genannt, ist für alle von Interesse, welche an den Finanzmärkten aktiv sind. Prädestiniert hierfür ist die Börse. An der Börse können eine Vielzahl von Finanzprodukten gehandelt werden. Aktien sind hierbei die älteste Form der Anlage. Man kann sich über Aktien an Unternehmen beteiligen. Da es für den Handel mit Aktien einen Verkäufer und Käufer benötigt, entstehen Börsenmärkte. Märkte sind per Definition Orte, bei denen Angebot und Nachfrage aufeinandertreffen. Somit legt der Markt einen Preis für das Objekt fest.

In der ursprünglichen Finanzwissenschaft geht man von effizienten Märkten aus. (Chandra, Decision Making in the Stock Market: Incorporating Psychology with Finance, 2008) Märkte sind effizient, wenn alle Informationen zur Verfügung stehen und in den Preis der Aktie bzw. der Finanzprodukte eingepreist sind. Dabei geht es nicht nur um Informationen, die aktuell zur Verfügung stehen. Der Aktienpreis ergibt sich auch aus dem Potential und den Chancen des Unternehmens in der Zukunft. Der Preis der Aktie wird durch den Markt bestimmt, indem Angebot und Nachfrage aufeinandertreffen. Gibt es mehr Verkäufer als Käufer sinkt der Preis und umgekehrt. Steigende Aktienpreise entstehen durch eine erhöhte Nachfrage nach den Anteilen am Unternehmen. Der aktuelle Aktienpreis ist also der Preis, bei dem die meisten Käufer und Verkäufer bereit sind, zu handeln. Der Aktienkurs ist dabei keinesfalls so stabil, wie bei einer Anleihe oder der Zins beim Sparbuch. Er ändert sich tagtäglich und kann dabei mehrere Prozentpunkte schwanken. Dieses Prinzip der Preisfestsetzung kennen die Wirtschaftswissenschaftler auch aus der freien Marktwirtschaft.

An der Theorie der effizienten Märkte kommt aber immer mehr Kritik auf:

„Die Finanzwirtschaft hat sich von der Realwirtschaft weitgehend abgekoppelt. Die Finanzwirtschaft hat ihre eigene Logik und ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten, sie ist eine eigene Welt. Die Wirtschaftswelt des Geldes und die Wirtschaftswelt der realen Güter und Dienstleistungen haben im Gegensatz zu früher nur noch wenig miteinander zu tun. Bis vor einem Jahrzehnt konnte man aus dem realwirtschaftlichen Geschehen noch zutreffende Schlüsse auf die Finanzströme ziehen und umgekehrt. Das ist inzwischen so gut wie unmöglich geworden“ (S. XXIII, Pelzmann, 2010)

Gerade in einer solchen Phase ist das Wissen, über das Verhalten des Menschen in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten, von großer Bedeutung.

Der Einfluss von realen Faktoren auf die Entwicklung des Aktienpreises schwindet. Irrationale Denkweisen des Menschen nehmen zu.

Hat man den Wert einer Aktie und multipliziert ihn mit der Anzahl an Aktien, so erhält man den aktuellen Unternehmenswert. Es gibt beispielsweise von Microsoft 7794 Millionen Anteile (Geschäftsbericht Microsoft 2018). Wenn man diese Aktienzahl nun mit dem Kurs von 134$ am 03.09.2019 multipliziert, kommt man auf ein Unternehmenswert von 1.044.396.000.000$. Microsoft ist am 03.09.2019 also mehr als eine Billion Dollar wert. Der Wert der einzelnen Aktie besitzt keine Aussagekraft über den Unternehmenswert. Erst wenn man diese Zahl mit der gesamten Zahl der Unternehmensaktien multipliziert, erhält man ein Unternehmenswert. Eine häufige Fehleinschätzung von Laien ist, dass eine Aktie mit einem aktuellen Wert von 100$ mehr Wert sei, als eine andere Aktie mit dem Wert von 50$. Dieses Phänomen könnte man vielleicht mit dem Ankereffekt oder der Preis-Qualitätsregel erklären. Das ist nur ein kleines von vielen Beispielen, wie Menschen einen eigentlichen rationalen und effizienten Markt so beeinflussen, dass sich Chancen für Anleger auf eine mögliche Rendite geben. Dadurch kann es zu möglichen Fehlbewertungen der Unternehmen kommen, da die Anleger nicht mehr auf die fundamentalen Daten der Unternehmen, sondern vermehrt auf die aktuelle Nachrichtenlage oder offensichtlichen Informationen, wie z.B. den Aktienpreis, reagieren.

Grundsätzlich sollten die Aktienmärkte aber effizient sein. Privatanleger und institutionelle Investoren schauen sich tagtäglich die Unternehmen und Ihre Kennzahlen an. Dies bezieht sich vor allem auf die großen Aktienindizes, wie z.B. den S&P500, Dow Jones oder den Dax. Gerade in unruhigen Zeiten, z.B. bei politischen Nachrichten, Konjunktursorgen, Quartalsberichte oder Unternehmensmeldungen kommt es zur Ineffizienz der Börse mit den Über- oder Untertreibungen.

Das KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis), zum Beispiel, ist eine von vielen Möglichkeiten ein Unternehmen in Relation zu seiner Historie zu betrachten. Es gibt eine Vielzahl von Bewertungsmöglichkeiten, auf die in diesem Buch aber nicht weiter eingegangen werden soll. Bücher, die allein auf die Aktienbewertung eingehen, gibt es sehr viele. Das Ziel dieses Buches ist es, psychologisches Fehlverhalten aufzuzeigen und das Anlegerverhalten zu beschreiben.

Das KGV bietet eine gute Möglichkeit eine solche Unter- oder Übertreibung aufzuzeigen. Microsoft eignet sich auch weiterhin als Beispiel: Die Aktie kostete zu den Höchstständen Anfang des Jahres 2000 ca. 60$, während Sie am Ende des Jahres 2000 noch knapp 23$ kostete. Wie kann es sein, dass ein Unternehmen innerhalb eines Jahres im Wert um fast 75% fällt, der Gewinn hingegen nicht stark eingebrochen und der Umsatz sogar gestiegen ist?

Ist der Aktienmarkt rational und effizient, wenn ein Unternehmen mit einem KGV von 42 auf eines mit 13,5 innerhalb mehrerer Monate fällt?

Wie sich manch ein Leser erinnert, gab es zu dieser Zeit die Dotcom-Blase, die andere Unternehmen, neben Microsoft, noch schlimmer getroffen hat. Die Mehrzahl der Anleger sahen große Potentiale in Internetfirmen und erhoffte sich überdurchschnittliche Renditen. Der vermutlich bekannteste Crash der Neuzeit ist die Finanzkrise 2008. Auch hier sank der Kurs der Microsoftaktie von ca. 35$ Anfang 2008 auf ca. 17$ im März 2009. Der Unternehmenswert ist um 50% gesunken. Hat Microsoft aber auch 50% seiner Kunden, Mitarbeiter, Umsätze oder Gewinne verloren? Nein. Widerspricht es meiner These, dass Aktien alltäglich von Analysten und privaten Investoren kontrolliert und deren Wert neu berechnet wird und somit immer fair bewertet sein sollte? Da Fondsmanager, Analysten und Privatanleger auch nur Menschen sind, unterliegen diese denselben Denkfehlern, wie jeder andere Mensch auch. Die Heuristiken aus der Wirtschaftspsychologie lassen sich auch auf den Aktienmarkt übertragen. Genau diese Fallstricke sind es, die zu einer meist kurzfristigen Ineffizienz der Märkte führen und für Investoren Chancen bieten.

Starten wir also in eine Welt voller Fallstricke!

Aktienpsychologie und Börsenpsychologie

Подняться наверх