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42

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»42?«, unterbrach Jantina Maltes Ausfüh­rungen. »Sie sagten: ›… hatte ich meine 42 …‹ Was hat es mit diesen 42 auf sich?«

»Meine Güte. Haben Sie außer Ihren Jura­büchern auch mal etwas anderes gelesen? Sie wissen echt nicht, was es mit 42 auf sich hat? Schon mal was vom internationalen Handtuch-Tag gehört? Arthur Dent oder Ford Prefect? Beteigeuze? Die intergalaktische Autobahn?« Malte war über – seiner Meinung nach – so viel Unwissenheit fassungslos.

»Wovon reden Sie da?«, empörte sich Jantina.

»Na, von Douglas Adams’ Kultbuch ›Per Anhalter durch die Galaxis‹ oder ›The Hitch­hiker’s Guide to the Galaxy‹ … das haben Sie tatsächlich nie gelesen?«

»Nein, habe ich nicht! Und wie Sie sehen, lebe ich trotzdem noch. Aber was hat das alles mit dieser Zahl 42 zu tun?«

»Sie ist die Antwort auf alles.«

»42?«

»Auf alles. Um genau zu sein: auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest

»Nun gut, lassen wir das nun bitte«, und nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: »Sie wollten mir gerade irgendetwas über Ihre 42 Prepaid-SIM-Karten erklären.«

»Ich habe mit diesen 42 SIM-Karten bei zwei Smartphones täglich die SIM-Karten ge­wechselt, sodass höchstens alle 22 Tage die gleiche SIM-Karte wieder zum Einsatz kom­men konnte. Die Smartphones dienten als Modem für meinen kleinen Nanocomputer, einen Raspberry. Für den habe ich ein eigenes Betriebssystem entwickelt, also … eigentlich habe ich ein vorhandenes genom­men und habe es entsprechend angepasst. Ich habe ein Programm entwickelt, das vier Stunden online blieb, damit die IP-Adresse in diesen vier Stunden konstant blieb. Das Programm hat zu Beginn dieser vier Stunden seine IP-Adresse bei dem DynDNS-Anbieter eingetragen und konnte danach Daten emp­fangen. Nach vier Stunden wechselte das Programm automatisch zum anderen Smart­phone, ging mit diesem neuen Modem online, erhielt eine neue IP, trug diese als DynDNS-Zieladresse ein, und alles nahm wieder seinen Lauf. Es gab also einen Vier-Stunden-Zyklus. Alles ist klein und handlich und passt in eine kleine Schultertasche, sogar mit einem großen Akku. Ich achtete darauf, dass ich das System nur in Gegenden einsetzte, in denen es nur eine Funkzelle gab, also keine Über­schneidungen mit anderen Funkzellen – inner­halb einer Funkzelle kann man nicht orten.«

»Paranoia ist bei Hackern wie Ihnen wohl weitverbreitet.«

»Klar, aber was hat vorsichtiges und cleveres Handeln mit Paranoia zu tun?«

»Damit nichts, aber wenn man ständig auf der Hut sein muss und immer mit einer gewissen Angst lebt, dass man auffliegt und gefasst wird … wie kann man dann noch ein normales Leben leben?«

»Mein Leben ist normal. Ich bin mir der Gefahren bewusst und habe entsprechende Vorsichtsmaßnahmen getroffen.«

»Wie sehen diese Vorsichtsmaßnahmen aus?«

»Ich mache mir zunächst immer ein klares Bild über meinen Gegner, ich versuche so viel wie möglich über ihn herauszufinden und studiere seine Gewohnheiten.«

»Was meinen Sie mit ›Gegner‹?«

»›Gegner‹ ist vielleicht das falsche Wort, denn die wissen ja nichts davon, dass ich mich gerade auf sie fokussiere.«

»Wer sind oder wer waren denn bisher Ihre Gegner?«

»Menschen, die mich interessierten, die ich attraktiv oder interessant fand … oder einfach nur wunderschön.«

»Und solche Menschen bezeichnen Sie als Gegner?«

»Ich sagte doch bereits, dass es das falsche Wort war. Gefällt Ihnen ›Zielperson‹ besser?«

»Es geht nicht darum, was mir gefällt.«

Malte holte tief Luft und verdrehte ein wenig die Augen.

»Also gut, es sind keine Gegner und auch keine Zielpersonen. Es sind die Menschen, die ich ausspionieren will. Es sind die Men­schen, über die ich persönlich mehr erfahren möchte. Zu Beginn waren es Männer, Frauen und manchmal auch Firmen, aber im Laufe der Zeit langweilten mich Männer und Firmen, und ich konzentrierte mich auf Frauen. Attrak­tive Frauen.«

»Warum haben Sie es nicht einmal mit einer echten Beziehung zu einer Frau versucht?«

»Weil ich langweilig bin. Und nennen Sie mir eine Frau, die mit einem Langweiler zusam­mensein möchte?«

»Woher wollen Sie wissen, wie Sie bei Frauen wirken?«

»Weil … ich weiß es einfach! Und … neben langweilig im Allgemeinen bin ich auch kein sonderlich begabter Liebhaber – um es vor­sichtig und eher optimistisch zu formulieren. So eine Kombination ist nicht sonderlich ge­fragt, das dürfen Sie mir tatsächlich glauben.«

»Und deshalb haben Sie beschlossen, die Frauen, die Sie Ihrer Meinung nach nicht als Partnerin bekommen konnten, auszuspionie­ren? Sie zu ›hacken‹?«

»Ja. So ungefähr.«

»Was heißt ›ungefähr‹?«

»›Spionieren‹ und ›Hacken‹ ist – aber mit dieser Interpretation mag ich alleine da­stehen – falsch. Spione und typische Hacker stehlen und berauben dich. Sie ziehen wirt­schaftliche Vorteile aus den Dingen, die sie dir nehmen. Ich war nur an dem Äußeren inter­essiert, ich wollte Fotos oder Videos haben. Das mag sicherlich persönlicher sein als eine Kontonummer. Es ist intimer, aber für mich machte es einen gewaltigen Unterschied, dass ich all diese Frauen niemals bestohlen habe, obwohl ich mich an ihnen bereichert hatte. Dadurch, dass ich sie immer dann betrachten konnte, wann und wo ich wollte, war ich glücklich und zufrieden … und es befriedigte mich. Es war, als hätte ich Sex mit ihnen gehabt. Ich habe niemals Fotos oder Videos weitergegeben oder irgendwohin ge­postet!«

»Ich denke, dass die Frauen, deren Bilder und Videos Sie gestohlen haben, es ein wenig anders sehen.«

»Das ist mir bewusst.«

»Sie sprachen von Männern und Firmen – was haben Sie bei denen gemacht?«

»Das kommt noch aus meiner Anfängerzeit, als ich mit dem Hacken begonnen hatte. Ich war davon besessen, all die Firmen und deren Bosse zu entlarven, die unsere Gesellschaf­ten, unsere Völker, die Umwelt, Tiere usw. ermorden und zugrunde richten. Ich wollte das verheerende Finanzsystem kollabieren las­sen, die weltweite Zinseszins-Versklavung abschaffen, ich wollte allen Menschen die Augen öffnen, die immer noch denken, dass es nicht anders funktionieren kann; die Poli­tiker immer noch für die halten, die etwas zu sagen haben … ich wollte eine Revolution. Friedlich! Keinem Superreichen sollte etwas genommen werden – die sollten alle ihre Besitztümer behalten –, aber dieses vor 300 Jahren geschriebene Drehbuch der ›Neuen Weltordnung‹ sollte zerstört werden. Darum habe ich mich zu Beginn auf Firmen und mächtige Männer konzentriert.«

Jantina Alfering wurde ein weiteres Mal von Malte überrascht. Für einen politischen Akti­visten hatte sie ihn wahrlich nicht gehalten. Sie fragte sich, wie viele Seiten sie an Malte noch finden würde.

»Wieso kamen Sie von Ihrem Weg ab? Und wieso wurden Sie zu dem, wie Sie selbst sagten, ›digitalen Spanner‹?«

»Wer sagt denn, dass ich von meinem ursprünglichen Weg abgekommen bin?«

»Es hörte sich für mich so an – aber wieso die andere Richtung?«

»Ich verbrachte all meine Zeit damit, die Zerstörer der Welt und unsere Gesellschaften zu jagen, digital zu jagen. Ich hatte kein Leben mehr. Ich beendete meine Schule, studierte, machte meinen Bachelor und meinen Master. Nach außen funktionierte ich, wie man es erwartete. Freunde hatte ich nie. Ich hatte keine Zeit für ein soziales Leben. Ich habe mich wohl zu einem Soziopathen entwickelt. Wenn mein ›normales‹ Leben Feierabend hatte, begann meine Jagd. Ich arbeitete nächtelang, um all die Verbrecher zu jagen, die von Politikern hofiert werden, die Strippen­zieher, die Marionettenspieler, die, die Poli­tiker einsetzen, um ihre Arbeit erledigen zu lassen. Ich begann, Ritalin zu nehmen, um die Nächte durcharbeiten zu können.«

Ein leises Geräusch breitete sich aus, zusammen mit dem typischen Klang eines vibrierenden Handys. Malte hörte es nicht sofort, und das leise Geräusch wurde lauter, und man konnte einen Song klar und deutlich hören. Jantina schaute Malte auffordernd an. Malte ging mit einem »Sorry, ich erwarte eine Nachricht« zu seiner Kapuzenjacke am Gar­derobenständer. Er schaute nach und las vertieft auf seinem Smartphone.

Erleichtert kam er zurück: »Entschuldigung für die Unterbrechung, aber das war wichtig. Wo waren wir?«

»Bei Ritalin. Was war das für ein Song? Der klang sehr gut.«

»›The Tide Is Turning‹ von Roger Waters.«

Nachdenklich schaute Jantina Malte an, sie konnte sich immer noch kein vernünftiges Bild von ihm machen. Profiling war nicht ihre Paradedisziplin, aber dieser Malte stellte sie mit seinen vielen Facetten bisher noch vor ein Rätsel. »Die Zeiten ändern sich also? Nun, wir werden sehen, aber zurück: Ritalin ist rezept­pflichtig. Wie kamen Sie an Ritalin heran?«

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