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Aus den Aufzeichnungen des Jesuitenpaters Santiago,1640

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Wir landeten im November in Cartagena de Indias. Die Hafenstadt war gezeichnet von den Einflüsterungen des Bösen. Krank an Geist und Körper darben die Menschen auf den Straßen und in den Häusern. In den Abendstunden sah man Lichter auf den Friedhöfen schimmern und auf den Höhenzügen der Küstengebirge brannten unheilige Feuer.

Die Kirche war verwaist, niemand konnte uns über den Verbleib des Jesuitenbruders Auskunft geben, dabei war es Pater Javes, der um Hilfe verlangte.

Und nicht zu Unrecht, wie wir aller Orten feststellten. Die Stadtoberen hatten sich in den befestigten Teil zurückgezogen, wo sie schamlose und gotteslästerliche Feste feierten.

Hier hatte der Teufel seine Wurzeln so tief in die flatterhaften Herzen der Menschen geschlagen, dass uns keine andere Wahl blieb als das Böse mit Feuer und Glut auszubrennen.

Unter dem Befehl von Hauptmann Corsa, dem Führer einer Abteilung von Arkebusenschützen, feuerten die Kanonen unserer Schiffe. Einen Tag und eine Nacht lang brannte das heilige Feuer der Inquisition. Danach wurden die wenigen Überlebenden verhört und es wurde schnell klar, dass die Eingeborenen das Übel in die Stadt gebracht hatten.

Mit verzaubertem Gold hatten diese Teufel den Glauben unserer Brüder untergraben und Finsternis in ihre Herzen gesät.

Tief in den Verließen der Kerkerfestung schmachtete der Urheber dieser gotteslästerlichen Versuchung. Ein Eingeborener aus den unerforschlichen Wäldern jenseits des letzten Außenpostens. Es war ein hageres, dürres Individuum von erstaunlich weißer Haut, langem Haupthaar und einem teuflischen Gesicht, das manche sogar als schön bezeichnet hätten.

Der Indio wies deutliche Spuren der Marter auf, man hatte ihm Hände und Füße abgehackt und die Verstümmelungen mit Pech kalfatert. Obwohl gezeichnet von den schrecklichen Verletzungen, leuchtete aus seinen schwarzen Augen eine tückische Intelligenz, verborgen von der vordergründigen Wildheit des Primitiven.

Während oben auf den Plätzen der Stadt die letzten Scheiterhaufen verglühten, erzählte der Eingeborene mit zischender Stimme von dem verfluchten Gold. Die Worte kamen abgehakt und halb entstellt zwischen seinen zugefeilten Zähnen hervor. Er wusste wohl, dass er nicht mehr lange zu leben hatte, dazu waren die Verstümmelungen zu furchtbar, Fieber fraß an seinem Gehirn, eine Infektion, hervorgerufen durch die Wunden, zersetzte ihm Fleisch und Bein.

Er nannte keinen Namen, dafür erzählte er von dem Stamm der Tlalecs tief im Herzen des endlosen Urwalds, irgendwo in einem verdammten Tal des Hochlandes, umgeben von aufragenden Gebirgsketten und Vulkanen. Dort lebte sein Volk, im Schatten des Schwarzen Monuments, dem zu dienen sie verpflichtet waren, von Anbeginn der Zeit. Aus den Minen schürften sie Gold und schmiedeten es zu kunstvollen Schmuckwerken, alles für das Wohlgefallen ihres dunklen Gottes, dem Hora. Der Eingeborene hatte Gold gestohlen, weil er es nicht erwarten konnte, die fremden Eroberer zu vernichten. Das Gold war seinem Herrn geweiht, und wer damit in Berührung kam, oder längere Zeit dem Einfluss ausgesetzt war, würde sich verändern, würde der Stimme des Hora erliegen und von dem verderblichen Streben beseelt sein, Böses zu tun.

Bei Anbruch des Tages wurde die Stimme immer schwächer und der Eingeborene verschied mit einem heißeren, rachsüchtigen Gelächter.

All die Geheimnisse hatte er uns nur anvertraut, nachdem ich ihm das Obscura Mundi gezeigt hatte, dessen schauerlichen Umschlag ein primitives, heidnisches Symbol darstellte. Der Eingeborene hatte es sofort als das Zeichen des Hora erkannt.

Wir verließen die Stadt in Richtung Neu Granada. Unsere Reise würde uns tief in den Regenwald führen und, so Gott wollte, bis zu den Wurzeln des Bösen, die wir mit Stumpf und Stiel ausrotten mussten. Vor einhundert Jahren war es uns nicht bestimmt gewesen, das Zentrum des Bösen zu finden. Diesmal musste es gelingen, wir durften nicht versagen!

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Der Tempel

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