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Verfluchte Unsterblichkeit

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Als er aus seinem ersten Tod erwachte, hatte er seine Vergangenheit vergessen. Aber eine neue Erinnerung rückte an ihre Stelle. Eine Erinnerung von einer Welt, wie er sie sich hatte immer gewünscht - für sich und gegen die Menschheit.


Ohne jeden Zweifel war Kurgan grausam und brutal. Schändlich war sein Weg, den er ging und auch blutig. Nichts und niemand stellte sich ihm in den Weg, das wusste er und das kostete er nun zu genüge aus.

Und seine Aufgabe? - denn jeder der lebte, diente auch einem Zweck.

Für was war eine Bestie gut? Doch nur, um einem Helden zu seinem verdienten Ruhm zu verhelfen!

So war denn Kurgan die Bestie in Menschengestalt, wie man sie sich kaum grausamer vorzustellen vermochte. Doch wer mag sich ihm entgegenstellen und den Helden spielen?

Sicher haben es viele schon versucht. Aber ich weiß von jemand der es tatsächlich versucht und der mit dem Leben davongekommen war. Dieser Jemand war ganz besonders, da es sich hierbei um eine wagemutige Heldin handelte. Diese Heldin hieß Elaine und sie barg ein schauriges Geheimnis. Doch über sie erzähle ich etwas später. Wenden wir uns unserer Hauptperson Kurgan zu.


Von seiner Kindheit zu erzählen, ist wie der Akt eines Alptraums - unwirklich und unmenschlich. Und doch wuchs er heran. Kurgan war Kirgise. Und die Kirgisen waren seit jeher ein finsteres Volk gewesen. Sie gehörten zu den nomadischen Turkvölker. In den innerasiatischen Gebirgen lag ihr Reich Kirgistan.

In grauer Vorzeit, das hieß in den ersten Jahrhunderten, die sich nach eines bestimmten Mannes Geburt daherschlichen, wurde Kurgan, wie jedes andere Kind auf der Welt, zunächst geboren. Sein Vater musste ein grausamer Krieger gewesen sein, sonst wäre der junge Kurgan nicht so verdorben worden. Wer weiß es auch genau, vielleicht war auch er eines der bedauernswerten Kinder, die man - der Freude wegen - in Gruben mit hungrigen Wölfen warf, damit sie um Fleisch kämpften. Eines war aber gewiss, er musste immer gewonnen haben, sonst wäre er nie so groß und stark geworden.

Nun denn, so oder auch anders, Kurgan wuchs heran, wurde zum jungen kräftigen Mann und lernte die Kunst des Reitens und die Blutkunst des Schwertes. Und er wurde ein Meister darin.

Aber eines Tages musste sich etwas ereignet haben, das sein ganzes, langes Leben verändern würde.

Ich nehme an, es trug sich in seiner rauen Heimat Kirgistans zu. In einem seiner ersten Kämpfe, als er dort schwer verwundet wurde, starb und doch nicht starb. Ob ihm zu diesem Zeitpunkt wirklich bewusst war, dass er gestorben und wiederauferstanden war, das kann nur Kurgan selbst uns beantworten. Irgendwann musste er seine Unsterblichkeit bemerken. Sicherlich war der Grund, warum er in die Welt hinauszog, um sie kennenzulernen und seine Grausamkeit auf ihr weiter auszudehnen.

Nachdem er also feststellte, dass er ein Auserwählter war, der nicht sterben konnte, machte er sich daran, die Welt zu erobern.

Er verdiente sich als schwarz gerüsteter Söldner sein Blutgeld und seine Fertigkeit im Kampf wurde legendär. Trotz seiner fast zwei Meter Körpergröße gewann er eine ansehnliche Gewandtheit, die ihm für jeden Gegner unberechenbar machte.

Es mag vielleicht ab und an Zeitspannen von wenigen Jahren gegeben haben, wo er sich einfach in ein unbewohnteres Gebiet zurückgezogen hatte, um für sich zu üben und die Träume anderer Unsterblicher zu analysieren. Doch die meiste Zeit wanderte Kurgan kämpfend durch die Jahrhunderte.


Er musste um die Zwanzig, vielleicht etwas jünger, gewesen sein, als ihn das Schicksal der Unsterblichkeit offenbart wurde. Und es vergingen an die sechs Jahrhunderte bis er auf Elaine treffen würde.

Elaine, die ich sehr gut kenne, da sie mit mir seelenverwandt war, war auch eine Auserwählte der Unsterblichkeit, aber auf eine ganz andere Art. Während Kurgan bereits über sechshundert Jahre alt war, waren an ihr erst knappe zweihundert Jahre vorübergegangen. Sie war untot auf der Basis des übernatürlichen Bösen. Sie war ein Blutsauger, ein weiblicher Vampir.

Mein Schicksalsgedanke wollte es nun, dass diese beiden aufeinander trafen.


Da Elaine in einem heruntergekommenen alten Haus inmitten eines Waldes wohnte, lag es nur nahe, dass Kurgan auf seiner langen Wanderschaft eines späten, regnerischen Tages an das Portal ihrer Wohnstätte pochte. Eigentlich bat er nicht erst um Einlass, sondern fiel mit der Tür ins Haus.

Bei Regenwetter stand Elaine immer etwas später auf, so kam es, dass sie noch in ihrer Gruft lag, als ihre Eingangstür mit lautem Getöse auseinander brach. Sofort hob sich ihr Sargdeckel und sie sprang heraus. Verwundert lauschte sie den schweren Schritten über ihr.

Ein ungebetener Besucher!

Seit fast zwei Jahrzehnte hatte sich keiner mehr in ihr Haus verirrt. Die meisten Wanderer waren von den umliegenden Dörfern ausreichend gewarnt worden.

Hastig richtete sich die schwarzhaarige, leichenblasse Frau und verschwand, um sich dem unerwarteten Besucher vorzustellen.


Kurgan stampfte in die Halle, blickte sich kurz um und betrat die Empore, die nach oben führte. Auf halben Weg erschien dann Elaine am oberen Treppenabsatz. Ihre weiße Haut leuchtete unter dem schwarzen Kleid hervor, bizarr und phosphoreszierend. Ihr dunkler Blick ruhte auf ihm.

Kurgan war stehen geblieben. Auf dem schwarzen Rüstleder klirrten die Metallplättchen gegeneinander und das Licht der Fackel in ihrer Hand brachten sie zum Funkeln. Die beinernen Tierschädel auf seinen Schultern grinsten ihr höhnisch zu. Er war ohne Zweifel ein feindlicher Krieger, statt eines erwünschten Gastes.

Elaine erkannte dies auf einen Blick und grüßte ihn dementsprechend forsch: „Warum dringen sie unerlaubt in mein Haus ein?”

„Ihr Haus ist abrissreif. Ich dachte nicht, dass hier noch jemand wohnt”, antwortete er und ging auf Elaine zu.

Wie ein abwehrendes Schild hielt die untote Frau die Fackel gegen ihn, ließ ihn aber herankommen. Trotz seines feindlichen Auftretens war er eine schmackhafte Mahlzeit für sie - so glaubte sie zunächst.

Kurgan hatte sie erreicht und grinste auf sie herab. „Willst du mich in deinem Haus nicht willkommen heißen?” fragte er mit dunkler, stumpfer Stimme.

„Wenn du Schwert und Rüstung ablegst, dann bist du mein Gast. Ansonsten muss ich annehmen, du fürchtest eine Frau! Ich bin allein.”

Elaine war für eine Frau sehr groß gewachsen und doch ging sie ihm gerade bis zur Schulter. Ihr schlanker, fast zerbrechlich wirkender Körper schien im krassen Gegensatz zu Kurgans muskeltrotzender Statur zu stehen.

Kurgan lachte kurz und löste seinen Waffengurt.

„Folge mir Krieger, du bist vom Regen völlig durchnässt.”

Sie führte ihn in einen wohnlich gemachten Raum, im Kamin brannte ein wärmendes Feuer. Dort legte er sein Schwert, den nassen Umhang und den Harnisch auf einem langen, staubigen Tisch im hinteren bereich des Zimmers ab. Sie holte ihm währenddessen einen Krug Wein aus ihrem uralten Keller und ein Stück Brot, das sie am Vorabend im nahen Dorf gestohlen hatte.

Achtlos schlang Kurgan das Brot herunter und kostete reichlich vom Wein. Elaine hatte sich ihm gegenüber an das runde Tischchen vor dem Kamin gesetzt.

Sie ließen einander nicht aus den Augen.

Elaine erkannte sehr schnell Kurgans Gesinnung und mörderischen Charakter - seine dunklen Augen sprachen Bände. Doch ließ sie sich keinesfalls aus der Ruhe bringen, Angst kannte sie nicht.

In Kurgan mussten ähnliche Gedanken vor sich gegangen sein, er roch ihre Andersartigkeit, konnte diese aber nicht definieren. Nur vermutete er in ihr in keinster Weise eine Gefahr. Für ihn war Elaine eine attraktive Frau, die durch den unerwartet schnellen Tod ihrer Familienangehörigen vom Schicksal gezeichnet worden war. Für ihn hatte sie sicher nicht mehr alle Tassen im Schrank, wenn es stimmte, dass sie alleine in diesem heruntergekommenen staubigen Haus lebte. Alle Anzeichen sprachen zumindest dafür.

Der Wein bekam ihm gut. Nur wunderte er sich, warum sie nicht mit ihm trank und fragte danach.

„So früh am Abend trinke ich noch keinen Wein”, meinte Elaine. „Woher kommt ihr und was treibt euch in dieses Land?”

„Ich komme von weither. Ich bin auf der Wanderschaft, will die Welt kennen lernen und suche Abenteuer.”

„Bei mir wirst du kein Abenteuer finden”. sagte sie und dachte im Anschluss daran: und wenn, kann es dein letztes sein.

„Das sehe ich anders Mädchen.” Er grinste und sein Blick glitt offensichtlich an Elaines Körper entlang.

Sie war aufgestanden und hatte sich vor dem Kamin gestellt. Sie blickte ihn ebenfalls an, lächelte ebenso hintergründig und wusste, von welch einem Abenteuer er in Bezug auf sie gesprochen hatte. Doch damit war sie keinesfalls einverstanden. Sie mochte seine grobe Art nicht, die oberflächlich, unpersönlich und voll Gewalt war. Darum funkelten ihre Augen gefährlich.

Kurgan bemerkte dieses warnende Funkeln nicht, als er auf sie zuging. Er war sehr von seiner unsterblichen Kraft überzeugt.

Elaine ließ ihn an sich herankommen. Und als er seinen Arm um ihre Taille legte blieb sie immer noch ruhig und regungslos. Erst als er seine vollen Lippen auf ihre blutleeren presste, begann sie sich zu wehren. Sie bog sich unter ihm, doch er packte sie mit seiner anderen Hand an der Schulter, ihr Körperkontakt wurde noch enger. Da krallte sie sich mit ihren klauenbewachsenen Händen in seinem Gesicht fest. Ihre spitzen, scharfen Nägel drangen im sichelförmigen Halbkreis an seiner Schläfe ein und rissen seltsame, blutende Wunden. Nur an seiner rechten Seite gelang ihr dies, da er ihre linke Klaue abfing.

Endlich ließ er sie los. Wutentbrannt fasste er sich an die blutende Schläfe. Schließlich packte ihn die Berserkerwut. Er schlug Elaine unerwartet. Sie flog durch den Raum und landete mit einem Tisch am Boden. Keuchend kam sie auf die Beine.

Sie rannte auf Kurgan zu und verpasste auch ihm einen Schlag. Verdutzt über die Wucht und Kraft dieses Hiebes taumelte er wenige Schritte zurück.

Und nun sah er im gelben Licht des Kaminfeuers, das den Raum notdürftig erhellte, dass übernatürliche Strahlen ihrer gelb gewordenen Augen, das blutunterlaufene Rot dahinter und ihre blitzende Hauer in ihrem geöffneten Mund. Nun wurde ihm bewusst, mit was er es zu tun hatte. Und dass auch sie von einer überirdischen Kraft gespeist wurde, die sie unsterblich und übermenschlich stark machte.

Im blieb nur eines: sich schnellstens zu bewaffnen. Gelang es ihm dann sie zu enthaupten, war er frei.

Elaine erahnte seine Absicht schnell und flog zwischen ihm und sein Schwert, das wie in einem ewigen Schlaf auf dem großen Tisch ruhte.

„Ha, mir entkommst du nicht Krieger!” fauchte die Vampirin.

„Das entscheide immer noch ich!” erwiderte Kurgan und griff sie erneut an.

Seine Gewandtheit war so schnell, dass er sie damit überraschen konnte. Ungeachtet des Blutes, das ihm ins rechte Auge floss, stürzte er sich auf sie und versetzte ihr einen weiteren wuchtigen Schlag, der sie durchs Zimmer schleuderte. Abermals stieß sie mit einem Möbelstück zusammen, kam aber schnell wieder auf die Beine.

Inzwischen fand sich das mächtige Breitschwert wieder in Kurgans Besitz.

Um nun nicht ihr Untotenleben zu verlieren, entschied sich Elaine zur Flucht. Ihre Gestalt verwandelte sich in eine Fledermaus mit übergroßen Massen und so verunstaltet flog sie ihm davon.

„Flieh nur, Elende! Ich hätte dir sowieso nicht geschmeckt”, rief Kurgan ihr nach.


Von ihrem Versteck aus hörte Elaine, wie Kurgan seine Wut an ihrem Inventar ausließ. Sein mächtiges Schwert, seine ungebändigte Wut und seine übernatürliche Kraft zerbrachen die alten Möbel, die Geschirre und prächtig bestickten Gobelins mit Leichtigkeit - als würde Papier zerrissen.

Elaine wagte sich jedoch nicht hervor, um ihm Einhalt zu gebieten. Denn sie hatte in seinen Augen eine ebensolche Unsterblichkeit gelesen, wie sie sie besaß, nur auf einer anderen Basis gestützt. Vielleicht hätte er ihr tatsächlich nicht geschmeckt?

Nachdem er fast die ganze Nacht damit zugebracht hatte, vergebens nach der Blutsaugerin zu suchen und ihre Behausung zu verwüsten, bestieg Kurgan, als der Morgen graute, sein schwarzes Pferd, das die Nacht vor dem Haus angebunden verbracht hatte, und ritt davon.

Elaine und Kurgan begegneten sich niemals wieder, obgleich beide noch Jahrhunderte leben würden.


Doch Kurgans weitere Bestimmung und vor allem sein dramatischer Tod, ist eine ganz andere Geschichte, die bereits an anderer Stelle erzählt wurde.


Ende

Erstellt 1987/überarbeitet 1998

Kurgan ist ein Charakter aus dem Film „Highlander – Es kann nur einen geben“




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