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Kreative Entfaltungsmöglichkeiten

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Was jetzt kommt, ist ein kleiner Streifzug durch verschiedene kreative Bereiche und Techniken. Wieder beschränke ich mich auf das, was ich selbst ausprobiert und als wirksam erfahren habe, denn über alles andere kann ich dir nichts sagen, was du nicht auch in anderen Büchern lesen kannst.

Generell gebe ich dir hier keine Schritt-für-Schritt-Anleitung, denn davon halte ich nichts. Solche Tutorials bringen dir bei, ein bestimmtes Motiv zu zeichnen oder eine Leinwand zu gestalten wie irgendein anderer Knilch (in diesem Fall: ich) das tun würde. Wenn es das ist, was du willst, findest du tonnenweise Bücher und Webseiten dafür. Ich aber will dir zeigen, wie du den Mut findest, deinen eigenen Stil zu entwickeln und deine eigenen Themen umzusetzen. Die Techniken und Übungen, die du auf den folgenden Seiten findest, sind deshalb ausdrücklich als Beispiele und Anregungen zu verstehen.

Ob du alles buchstabengetreu mitmachst, bestimmte Bereiche auslässt oder alles ganz anders machst, überlasse ich dir. Ich möchte dir nur ans Herz legen, alles zumindest mal auszuprobieren. Denn oft hat unser innerer Kritiker eine ganz hinterlistige Art, sein dummes Genöle als kühle Gedanken zu tarnen, damit wir mit einem leichthin gerufenen "Ach, das ist nicht so mein Ding" doch wieder brav zurück in unseren sicheren kleinen Pappkarton der Konformität kriechen. Hier ist also deine erste Gelegenheit, konstruktiv mit deiner Angst zu arbeiten. Halte bei jeder vorgestellten Technik und Übung kurz inne und höre in dich hinein, ob da dein Herz schneller schlägt oder dein Bauch leise grummelt. Hörst du Stimmchen, die so etwas flüstern wie "Das kann ich aber doch gar nicht" oder "Was wird man über mich sagen?“ Dann mach die Übung unbedingt! Denn wenn dich deine Angst davon abhalten will, muss eine Menge Potenzial dahinter stecken. Das heißt nicht, dass du deshalb jeden Tag Wolken zeichnen oder die Tuba spielen musst – das kannst du selbst entscheiden. Aber entscheide unbedingt erst nachdem du es ausprobiert hast. Lass nicht deinen inneren Kritiker entscheiden. Er wird dich immer nur klein halten.

Ein Wort zu den verwendeten Medien und Materialien: Auch hier stelle ich im Wesentlichen vor, was für mich am besten funktioniert und vor allem, was mir am besten gefällt. Ich weiß aber auch, dass hier die Geschmäcker wirklich weit auseinander gehen. Ich schreibe gern mit der Hand, weil ich das Gefühl der Schreibspitze auf dem Papier mag und weil ich dabei gut nachdenken kann. Ich kenne aber auch viele, die das Schreiben mit der Hand als umständlich oder anstrengend empfinden, und die auf einer Tastatur so schnell schreiben können wie sie denken (während ich dagegen noch immer nicht blind tippen kann – Schande!). Ich male gern

mit Aquarellfarben auf dickem, cremeweißem Papier, andere bevorzugen Kohle und Rötel auf braunem Karton, andere malen mit Filzstiften auf Transparentpapier, Fingerfarben auf Fenster, Kugelschreibern auf Gesichtern, wie auch immer. Was ich sagen will ist: Finde heraus, was dir am besten gefällt und lass dir von niemandem erzählen, dass deine Wahl weniger künstlerisch, klug oder seriös sei als irgendeine andere. Du brauchst kein teures Notizbuch mit Gummibandverschluss. Aber wenn du eins haben willst, dann geh um Gottes Willen los und kauf dir eins. Du bist der Kapitän auf deinem Dampfer! Achte nur darauf, dass du immer ein Auge auf deinen inneren Kritiker hast, und tu im Zweifelsfall genau das Gegenteil von dem, was er dir sagt. Was sagt er in diesem Moment? Dass du nicht gut genug zeichnen oder schreiben kannst, um ein teures Notizbuch mit Gummibandverschluss kaufen zu dürfen? Los, kauf das Buch. Dass deine Handschrift schrecklich aussieht? Bitte schreibe weiter mit der Hand. Dass du schon in der Schule immer schlechte Noten für deine Wasserfarbbilder bekommen hast? Dann kaufe dir unbedingt einen nagelneuen Farbkasten ganz für dich allein. Dein innerer Kritiker haut nicht ohne Grund auf den Putz, er versucht etwas zu verstecken, an das wir heranwollen. Zarte, furchtbar verletzliche Gedanken, die ganz leise und mit klopfendem Herzen flüstern: Ich bin es wert, ein teures Notizbuch zu haben.

Meine Handschrift ist schön, weil sie mir gehört. Ich will Pferdchen malen! Kannst du das Stimmchen hören? Es ist von klein auf überschrien und runtergemacht worden. Geld wächst nicht auf Bäumen, so sieht schöne Schrift aus, so malt man richtig – diese endlose Litanei, die unser innerer Kritiker einfach übernommen hat und sie dir wie ein Tonband immer wieder vorspielt. Und trotzdem ist das Stimmchen noch da. Weil es weiß, dass du ihm eines Tages zuhören wirst. Dieser Tag ist heute. Heute sagst du zu ihm: Ja, du bist es wert, hier ist dein Buch, hier ist dein Stift, hier ist dein Farbkasten. Leg los.

Suche dir also deine Materialen zusammen, aber mach keinen Staatsakt draus. Ich weiß gut, wie viel Zeit man damit verbringen kann, im Internet und in Geschäften nach dem perfekten Papier, dem perfekten Füllfederhalter und dem perfekten was auch immer zu suchen – SEHR viel Zeit. Und man kann auf diese Weise auch ganz elegant die ursprüngliche Aufgabe des Schreibens oder Malens aufschieben und das ist wieder genau das, was unser innerer Kritiker will. Verzettel dich also nicht. Du legst dich nicht für den Rest deines Lebens auf ein Notizbuch fest und du kannst dich jederzeit entscheiden, andere Materialien zu benutzen.

Eigentlich spielen die Materialien auch gar keine große Rolle, am Ende ist es nur Papier, Farbe, etwas Plastik, etwas Metall. Wichtig bist nur du.

Meine Empfehlung, von der du gerne nach Belieben abweichen darfst, ist folgende: Kauf dir

ein Blankobuch in einer Größe, die sich gut für dich anfühlt. Geh einfach nach Bauchgefühl, du wirst eh erst mit dem Befüllen merken, ob du mehr oder weniger Platz brauchst und vermutlich wirst du auch gar nicht immer nur das gleiche Format benutzen wollen. Ob du ein gebundenes Buch wählst oder einen Spiralblock ist ganz egal, die Seiten sollten sich nur gut aufschlagen lassen und nicht von selbst zufallen. Ob liniertes Papier, kariertes oder ganz unbedrucktes überlasse ich auch dir. Wähle im Zweifelsfall die Variante, auf der dir das Schreiben am leichtesten fällt. Es spielt aber keine große Rolle. An Stiften kannst du nehmen, was immer du zur Hand hast und dir Freude macht. Natürlich kannst du auch groß shoppen gehen und dich mit Künstlermaterial in bester Qualität eindecken, aber meiner Erfahrung nach wird das schnell wieder zum Stolperstein und gibt dem inneren Kritiker Futter für neue Vorhaltungen. Aber was weiß ich schon, mach was du willst. Du musst dich auch jetzt noch nicht festlegen, geh einfach so locker wie möglich an die ganze Sache.

Worum ich dich nur bitten möchte: Erzähle noch niemandem davon. Du wirst dich auf eine große Reise begeben, die sich gerade zu Anfang sehr gefährlich für dich anfühlen wird. Du wirst dich viel mit deinem inneren Kritiker auseinander setzen müssen, mit Gefühlen der Angst, des Selbstzweifels, der Unsicherheit. Und das letzte, was du da gebrauchen kannst, sind Freunde, Familienmitglieder oder Partner, die lesen wollen was du schreibst oder dir beim Zeichnen zusehen wollen. Egal wie gern sie dich haben und du sie – das ist ein Druckfaktor, den du dir zu diesem Zeitpunkt unbedingt ersparen solltest. Selbst den liebevollsten und wohlmeinendsten Menschen rutscht schnell mal ein "Was soll das denn darstellen?" oder ein "Ja, ganz nett – aber XY kann das richtig gut!" raus, einfach weil es schon beinahe Teil unserer Kultur ist, kreative Äußerungen gering zu schätzen, die nicht von Kindern oder anerkannten Profis kommen. Deine ersten Schritte sollten deshalb im sicheren Raum deines Notizbuches stattfinden und alle Diskussionen nur zwischen dir und deinem inneren Kritiker ausgetragen werden. Solltest du mit anderen Menschen zusammen leben, erkläre ihnen, dass dein Buch privat ist und bitte sie, das zu respektieren. Verstecke es, wenn es sein muss. Lüge. Sag allen, ich hätte dir verboten, dein Buch irgendwem zu zeigen. Das ist keine Lüge, ich verbiete es dir tatsächlich! Wenn du willst, kannst du später deine Sachen zeigen, wem du willst. Ich werde dir im Verlauf des Buches auch noch Tipps für den Umgang mit Kritikern geben. Aber jetzt arbeitest du erst mal im Geheimen.

Kreativer leben!

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