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Hey, ich bin Lena

Es war Nacht und es war das Zimmer, das ihr nun schon vertraut war. Die Vorhänge am Fenster waren zurückgezogen und das Licht der Bogenlampe auf der anderen Straßenseite (es war ihre Bogenlampe) fiel ins Zimmer. Es gab kein Monster, soweit sie erkennen konnte, das war beruhigend.

Lena sah an sich herunter. Ja! Es hatte geklappt: sie stand in den Jeans und dem T-Shirt im Zimmer, in denen sie sich schlafen gelegt hatte.

Sie wandte sich zum Bett in der Ecke neben der Tür. Diesen Moment hatte sie hinausgezögert. Sie war nervös, Traum hin oder her.

Da saß er und starrte sie an. Er trug, soweit sie sehen konnte, einen albernen gestreiften Schlafanzug und hatte ein schmales Gesicht und blondes Haar, das er ziemlich lang trug. Seine Augen waren auf sie gerichtet. Er sah nicht so aus, als wäre er gerade aufgewacht. Eher so, als hätte er auf sie gewartet.

„Hey“, sagte sie, „ich bin Lena.“

Sie hatte den Satz lange geübt, trotzdem zitterte ihre Stimme, als sie es sagte, und er kam nicht so cool rüber, wie sie es sich vorgestellt hatte.

Tobias schluckte. Es war tatsächlich passiert. Das Mädchen war wieder da. Er erkannte sie sofort, obwohl sie Jungenszeug trug. Sie stand vor dem Fenster und sah zu ihm herüber. Und sie sprach!

Er räusperte sich. „Woher kommst du?“ fragte er.

Lena überlegte. Was sollte sie sagen: „Ich komme von zu Hause“, „ich besuche dich im Traum“, „dich gibt es gar nicht“, „das ist mein Zimmer“? Ihr fiel plötzlich überhaupt nichts ein. Dabei war sie sonst nicht auf den Mund gefallen.

Tobias kniff sich in den Arm. Es tat weh.

„Ich heiße Tobias“, sagte er. „Ich bin nicht sicher, ob ich das alles nur träume. Ich kenne mich mit Träumen nicht gut aus.“ Er zögerte. „Kommst du aus der Vergangenheit oder aus der Zukunft oder aus einer anderen Dimension?“

Jetzt war es an Lena, ihn anzustarren. Was war denn mit dem? Sie träumte ihn, da konnte er doch nicht solche Fragen stellen. Aber es hatte ihn früher wirklich gegeben, das durfte sie nicht vergessen.

„Also“, sagte sie entschlossen, „so genau weiß ich das nicht. Ich besuche dich im Traum. In meinem Traum“, betonte sie, darauf legte sie Wert. „Ich habe von dir gehört. Frau Dunlo hat von dir erzählt.“

„Du kennst die Dunlo?“

„Klar. Ist doch unsere Nachbarin.“

Tobias war verwirrt. Frau Dunlo war seine Nachbarin. Und im Haus wohnte kein kleines Mädchen.

„Du wohnst hier aber nicht“, sagte er. „Sprechen wir von derselben Frau Dunlo, die einen über den Balkon klettern lässt, wenn sie mal wieder ihren Schlüssel verlegt hat?“

„Davon weiß ich nichts. Über den Balkon bin ich noch nie geklettert“, erwiderte Lena. Allein bei dem Gedanken daran wurde ihr mulmig. Sie trat unruhig von einem Bein auf das andere. „Aber wohnen tu ich hier schon. Nur nicht jetzt. Erst später.“

„Du kommst aus der Zukunft!“ erklärte Tobias triumphierend. Er warf das Federbett zur Seite und setzte sich auf die Bettkante.

„So ungefähr“, bestätigte Lena. „Aber, wie gesagt, es ist nur ein Traum.“

„Klar“, sagte Tobias, „was sonst.“ Er war nicht überzeugt. „Ähem“, meinte er, „darf ich dich anfassen?“

Lena wich einen Schritt zurück. Das wurde ihr jetzt etwas zu persönlich. Sie überlegte, ob es besser wäre aufzuwachen. Aber so eilig hatte sie es damit dann doch noch nicht.

„Warum willst du mich anfassen?“

„Ach komm“, sagte er, „ich beiße nicht. Ich will nur wissen, wie das ist im Traum. Wie real du bist – falls es ein Traum ist“, fügte er zweifelnd hinzu, „denn ich habe nicht geschlafen.“

Lena verdrehte die Augen. Verkehrte Welt! Sie hatte geschlafen und es war ihr Traum. Was fiel ihm ein, so gönnerhaft daher zu reden. Mister Allwissend oder was?

„Bitte“, sagte sie schnippisch und trat soweit vor, dass sie gerade noch in Reichweite seines Armes war. „Wenn’s dir hilft.“

Er streckte die Hand aus und berührte ihren Oberarm. Erst ganz leicht, bis er ihren Widerstand spürte. Dann kniff er sie blitzschnell.

„Autsch“, sagte sie und wich zurück.

„Du wirkst ziemlich echt“, sagte er. „Das ist ganz schön aufregend.“

„Das finde ich auch“, seufzte Lena. Die Berührung hatte sie verwirrt. Dieser Traum war anders als alle Träume, an die sie sich erinnern konnte (und sie konnte sich an sehr viele Träume erinnern). Er war eigenartig, aber unglaublich interessant. Und das Tollste war: Sie hatte keine Angst!

Außer, das Monster tauchte wieder auf.

„Ich hab schon mal von dir geträumt“, sagte sie, „da war ein Monster hier bei dir.“

„Ein Monster?“ fragte er ungläubig.

„Ja. Draußen am Fenster.“

„Ach das“, sagte er, „das war der Palluschka. Letzte Nacht war das.“

„Palluschka?“

„Unser Untermieter. Der steigt hier manchmal durchs Fenster. Das ist kein Monster, der ist nur besoffen. Der hat dich letzte Nacht auch gesehen. Genau wie ich.“

„Du erinnerst dich an mich?“

„Ja sicher“, sagte er und grinste. „Letzte Nacht warst du im Pyjama.“

Lena spürte, dass sie rot wurde. Aber das konnte er hoffentlich nicht sehen.

„Und dann warst du plötzlich weg“, fuhr er fort. „Der Palluschka hat ganz schön dumm geguckt. Zum Glück war er so voll, dass er selber nicht glaubte, was er gesehen hatte.“

„Wieso steigt der durchs Fenster?“

„Wenn er im Suff seinen Schlüssel nicht findet. Klingeln darf er so spät nicht, da kriegt er Ärger mit Irene.“

„Wer ist Irene?“

„Meine Mutter.“ Das war immer noch die offizielle Version, wenn er gefragt wurde. Irene hatte es ihm eingeschärft. „Die schläft nebenan.“

„Meine Mutter schläft hinten raus, weil es das ruhiger ist.“

„Wo wohnst du?“ Nun wollte Tobias es genau wissen, denn er hatte den Eindruck, dass seine Besucherin und er über verschiedene Dinge redeten.

Lena hielt es nicht mehr auf der Stelle. Sie ging durch das Zimmer und setzte sich auf den Stuhl vor dem kleinen Tisch, auf dem sich Bücher türmten.

„Na, hier“, erwiderte sie ungeduldig, „dies ist unsere Wohnung.“

Tobias war verwirrt. „Das verstehe ich nicht.“

Plötzlich musste Lena kichern. „Ich auch nicht“, sagte sie. „Das hier ist mein Zimmer. Du gehörst nicht hierher. Eigentlich. Aber weil es ein Traum ist, darfst du bleiben“, fügte sie großzügig hinzu.

„Danke“, sagte er. Der Sarkasmus in seiner Stimme war nicht zu überhören. „Du bringst da wohl etwas durcheinander. Ich wohne hier. Da kannst du dich auf den Kopf stellen.“

„Na ja“, sagte Lena vorsichtig, „vielleicht wohnen wir beide hier. Nur nicht gleichzeitig.“

„Das sag ich doch!“ Tobias war aufgeregt. Sein Herz schlug schneller. „Zeitreise! – Das ist es. Du bist durch die Zeit gereist.“

Lena wollte seinen Gedankensprüngen nicht folgen. „Ich träum das alles nur“, wiegelte sie ab.

„Und was ist mit mir?“ begehrte er auf. „Ich habe überhaupt nicht den Eindruck, dass ich träume.“

„Du gehörst zu meinem Traum. So einfach ist das.“ Sie ahnte zwar, dass es wohl nicht so einfach war, aber das wollte sie im Moment nicht zugeben. Es war auch so schon alles verwirrend genug.“

„Ach, und du denkst, wenn du aufwachst, bin ich weg?“

Lena zögerte mit der Antwort. Sie wollte ihm nicht wehtun. Schließlich nickte sie. Vielleicht sah er es ja nicht in dem Halbdunkel, dass im Zimmer herrschte.

Gegen das helle Fenster sah er sehr wohl die Kopfbewegung.

„Da täuschst du dich aber“, sagte er. „Ich bin real. Du bist doch das Traumwesen, hast du selber gesagt. Und wenn du ausgeträumt hast, macht es ‚ploff’ und du ist weg. Das habe ich gerade gestern erlebt.“

Lena war empört. Jetzt drehte er ihr die Worte im Mund herum. Typisch Junge. Musste immer obenauf sein. Papa war auch so. Hatte Mama gesagt. Lena hatte dazu keine Meinung.

„Wenn ich aufwache“, sagte sie – ganz cool – , „bin ich natürlich immer noch da. Aber du nicht“, fügte sie brutal hinzu. Er hatte es ja nicht anders haben wollen.

Tobias dachte nach. Die Kleine da vor ihm schien mit dem nächtlichen Geschehen überfordert. Wahrscheinlich hatte sie nicht die geringste Ahnung, was sich gerade ereignete. Er musste behutsam vorgehen.

„Ich glaube“, sagte er, „wir reden aneinander vorbei.“

Lena nahm das Friedensangebot an. „Könnte sein“, bestätigte sie.

„Gut. Fangen wir noch einmal von vorne an“, schlug Tobias vor. „Du wohnst in dieser Wohnung?“

„Ja.“

„Du kennst Frau Dunlo?“

„Ja.“ Was sollte diese Fragerei?

„Gut. Jetzt die entscheidende Frage: W a n n wohnst du hier?“

„Wie wann?“

„Na, jetzt nicht. Das ist doch klar. Also: welches Jahr?“

„Ach, das meinst du. 2006 natürlich.“

„Uff.“ Tobias blieb die Sprache weg. Seine Gedanken überschlugen sich. 2006! Das war ja richtig in der Zukunft. Da war er ein alter Mann. Lebte vielleicht in einer Mars-Kolonie. Oder reiste zu den Monden des Jupiter. Klar konnte er sich vorstellen, dass es irgendwann in der Zukunft Zeitreisen gab. Aber dass ein Mädchen durch die Zeit ausgerechnet zu ihm reiste, war dann doch schwer zu begreifen. Er brauchte mehr Informationen.

„Ist dir klar, dass jetzt 1958 ist?“ fragte er vorsichtig.

„Ne. Jetzt ist ein Traum.“ Auch wenn der Junge das nicht gern hörte, es musste gesagt werden. „Na gut“, räumte Lena ein, „der spielt in der Vergangenheit. Sonst gäb’s dich nicht.“

„Eben. Es ist Juni 1958. Das mit dem Traum klären wir später.“

„Jetzt ist Januar.“ Lena konnte ziemlich störrisch sein.

„Quatsch. Guck doch aus dem Fenster. Sieht das nach Januar aus?“

Der Punkt ging an ihn. „Also gut“, sagte sie, „bei dir ist es Juni. In 1958.“ Ihr wurde ganz anders zumute, als sie es aussprach. So hatte sie noch nie geträumt.

Tobias grübelte. Irgendetwas stimmte an der ganzen Sache nicht. Dann fiel es ihm ein.

„Du schwindelst“, sagte er. „Du hast erzählt, dass du die Frau Dunlo kennst. Aber wenn du von 2006 bist, kannst du sie nicht kennen. Dann ist die längst tot.“

Lena sah ihn entgeistert an. Was war denn mit dem los? Woher wollte er das nun wieder wissen? Mister Neunmalklug!

„Du spinnst“, begann sie ...

... und verschwand.

Nein! dachte Lena. Doch nicht jetzt. Sie starrte an die Decke ihres Zimmers. Das kann nicht wahr sein. Wieso wachte sie auf? Sie sah deutlich das Gesicht des Jungen vor sich und hörte seine Stimme. Er fing zwar gerade an, wie ein Blödmann zu reden, aber so sollte es nicht enden. Eigentlich hatte es noch gar nicht richtig angefangen. Sie saß in Gedanken noch immer in dem anderen Zimmer und bastelte an ihrer Antwort auf seine letzte Bemerkung, aber ihre Augen täuschten sie nicht. Sie war wieder zurück.

„Oh, Kacke“, sagte sie erbittert. Das sagte sie nur, wenn sie wirklich wütend war. Wieso war sie aufgewacht?

Die Stimmen, die vom Flur her zu ihr drangen, gaben ihr die Antwort. Papa war gekommen. Mitten in der Nacht. Davon hatte er am Nachmittag nichts gesagt. Offenbar hatten Mama und er etwas zu besprechen. Und es klang nicht gut. Papas Stimme war laut. Mama machte „pst“ und antwortete flüsternd. Aber das war auch nicht leiser. Kein Wunder, dass sie aufgewacht war.

Voller Panik dachte Lena daran, dass Papa wahrscheinlich gleich nach ihr schauen würde. Das machte er immer. Und sie lag mit Jeans und T-Shirt im Bett.

Sie drehte sich zur Wand, schloss die Augen und zog die Decke bis unters Kinn. So hatte der Junge in der ersten Nacht auch gelegen. In der Monster-Palluschka-Nacht. Sie kicherte. Dann bemühte sie sich, gleichmäßig zu atmen. Papa war nicht leicht zu täuschen.

Sie hörte den Türgriff, einen Schritt und ein Flüstern vom Flur. Eine Ewigkeit verging (jetzt bloß nicht den Atem anhalten!), dann wurde die Tür wieder geschlossen. Sie atmete tief durch. Das war noch einmal gutgegangen. Papa und Mama gingen in die Küche.

An ein schnelles Einschlafen war nicht zu denken. Dazu war sie viel zu aufgeregt. Außerdem kreisten ihre Gedanken um den Traumjungen Tobias. Klar hatte der seine Macken. Wusste alles besser. Aber sie hatte sich trotz allem halbwegs vernünftig mit ihm unterhalten können. Das war mehr, als sie über die meisten Jungen, die sie kannte, sagen konnte.

Dass er etwas älter als sie war, darauf brauchte er sich nichts einzubilden. So schlau war er nicht, auch wenn er so tat, als wäre er Mister Allwissend. Eines musste sie ihm lassen (und insgeheim bewunderte sie ihn dafür, auch wenn sie das nur schwer zugegeben hätte): Er hatte auf ihr Erscheinen total ruhig reagiert.

Vielleicht war das aber auch nicht verwunderlich, schließlich war er ein Bestandteil ihres Traums. Auch wenn er etwas anderes behauptete. Sie sollte ein Traumwesen sein? Lächerlich. Und den Zahn, dass Frau Dunlo tot wäre, wollte sie ihm als nächstes und erstes ziehen. Sie wusste schon, wie sie ihn überzeugen konnte.

Aber dazu musste sie einschlafen. Und träumen. Das war nicht so einfach.

Lena lag wach, starrte die Decke an und versuchte, ihr aufgeregt schlagendes Herz zu beruhigen.

Tobias starrte auf den leeren Stuhl. Er war enttäuscht. Und genervt. Das Mädchen kam und ging, wie es wollte. Das war nicht fair. Wieso kam sie gerade zu ihm? Was wollte sie von ihm? Warum erzählte sie, es wäre nur ein Traum? So ein Quatsch, er hätte nicht wacher sein können. Kam sie wirklich aus der Zukunft? Und ausgerechnet in dieser Wohnung wollte sie wohnen? Das klang alles sehr unwahrscheinlich.

Andererseits: Was konnte unwahrscheinlicher sein, als ihr Auftauchen in seinem Zimmer. Und das war nun geschehen. Er hatte keinen Zweifel mehr. Jede Erklärung dafür war so gut wie jede andere.

Hatten sie Besuch in der Wohnung, von dem er nichts wusste? Es war unsinnig, aber er musste unbedingt nachsehen, ob er im Flur, in der Küche oder im Bad etwas Ungewöhnliches entdecken konnte. Leise ging er durch die Wohnung und schaute nach.

Alles war wie er es kannte. Aus dem Untermieterzimmer klang das Schnarchen Palluschkas. Er grinste in sich hinein. Er wünschte ihr, dass sie da nicht war.

Er ging zurück in sein Zimmer.

Spielte ihm jemand einen Streich? In Kinderbüchern kam so etwas vor. Er fand es albern, wenn absolut Unwahrscheinliches konstruiert wurde, nur um ein bisschen Spannung zu erzeugen. Dann schon eher eine Zeitreise. Denn die war überhaupt nicht unwahrscheinlich (auch wenn die meisten Menschen sich nicht mit dem Gedanken beschäftigten): Wieso sollte die nicht irgendwann in der Zukunft erfunden werden? Und einmal erfunden, konnte jeder Zeitpunkt der Vergangenheit von Zeitreisenden aufgesucht werden. In Galaxy hatte er eine Geschichte über Großwildjäger, die zu den Sauriern reisten, gelesen. (es ging schlecht aus für die Jäger, was nur gerecht war.)

Dass man im Alltag nicht ständig über einen Zeitreisenden stolperte, lag daran, dass die sich nicht zu erkennen gaben. Sie durften unter keinen Umständen den Ablauf der Ereignisse verändern, sonst veränderten sie die Zukunft und riskierten, ihre eigene Gegenwart auszulöschen! Was die Kleine tat, war höchst gefährlich. Wenn sie wirklich aus der Zukunft kam.

Wahrscheinlich hatte sie keine Ahnung, was sie mit ihrer Reiserei anrichten konnte. Er musste sich darum kümmern.

Was leider für ihn zur Konsequenz hatte, dass er nichts über die Zukunft erfahren durfte. Er könnte sonst seine eigenen zukünftigen Handlungen ändern, und damit die Zukunft, so wie sie jetzt war, gefährden.

Aufgeregt stand er am Fenster. Er war mitten in einem gigantischen Abenteuer. Eine geheimnisvolle Macht! Dimensionssprung! Zeitreisen! Das Unvorstellbare wurde Wirklichkeit.

Vielleicht war er in der Zukunft ein berühmter Weltraumpilot, und das Mädchen hatte von ihm gehört. Sie musste in der Schule einen Aufsatz über ihn schreiben und besuchte ihn deswegen.

Und er war zur Untätigkeit verdammt. Die Kleine machte, was sie wollte. Er dagegen konnte nichts tun, als warten. Nein, das war nicht fair.

Er sah zum Nachthimmel empor, als könnte er dort eine Antwort auf die Frage finden, wie er in all das geraten war. Aber der Himmel blieb stumm. Und die Sterne funkelten zwar eifrig vor sich hin, aber das half ihm auch nicht weiter. Das Leben war manchmal ziemlich ungerecht.

Er bezweifelte, dass er Schlaf finden würde, legte sich aber trotzdem wieder ins Bett. Er musste wieder einmal warten, und das konnte er genau so gut im Bett.

Es ging auf drei Uhr morgens zu, als allmählich die Müdigkeit ihren Tribut forderte und ihm die Augen zufielen.

Den faszinierendsten Gedanken von allen hatte er kurz vor dem Einschlafen – er begleitete ihn in den Schlaf: Vielleicht waren seine Eltern Zeitreisende, die ihn in der Vergangenheit zurück gelassen hatten, aus welchem Grund auch immer, und sich jetzt daran machten, ihn zu sich zu holen. Dieser Gedanke war wohltuend, kuschelig, verführerisch. Was das kleine Mädchen damit zu tun haben sollte, blieb vorerst ungeklärt, weil er darüber eingeschlafen war.

Lenas Gedanken kreisten und kreisten, und irgendwann verlor sie den Überblick und konnte nicht mehr folgen. Alles stürzte durcheinander, wie ein Kartenhaus, das in sich zusammenfällt.

Ihre Augenlider senkten sich.

Selbst wenn sie gewollt hätte, hätte sie sie nicht daran hindern können. Aber das wollte sie ja gar nicht. Sie wollte endlich schlafen und träumen ...

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