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Einleitung

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Einleitung

Als Luther die Thesen niederschrieb und in den Kampf mit dem Papst geriet, dachte er nicht eine Spaltung der Kirche, viel weniger des Reiches zu veranlassen.


Die Reformation, welche um die Wende des Jahrhunderts angestrebt wurde, und welche Luthers Wirksamkeit vorbereitete, hielt eine straffere Zusammenfassung der Reichsglieder durch Verstärkung der kaiserlichen Macht für das sicherste Mittel, der zunehmenden Willkür und Unordnung zu steuern. Auch Luther hatte eine hohe Meinung von der kaiserlichen Würde und scheute sich, das Ansehen des Kaisers zu erschüttern. Er sowohl wie sein Gegner, Kaiser Karl V., hielten an der nach mittelalterlicher Auffassung mit der Reichseinheit zusammenhängenden Glaubenseinheit fest, wenn auch jeder das Wesen des Glaubens anders fasste.


Kaiser Karl V.

Erst dadurch, dass sich mit dem religiösen Gegensatz, den Luthers Auftreten herbeiführte, politische Interessen verbanden, und die Fürsten, die von jeher nach Unabhängigkeit vom Kaiser getrachtet hatten, ihre selbstsüchtigen Pläne mit einer Gewissenspflicht verwechseln konnten, kam es zur endgültigen Trennung. Wie sehr weltliche Interessen bei den Glaubenskämpfen des 16. und 17. Jahrhunderts mitwirkten, zeigt sich darin, dass die Parteien nicht rein nach dem Bekenntnis geschieden waren. Der Kampfpreis der Fürsten im Westfälischen Frieden war, wenn auch nicht die volle Souveränität doch eine ihr ähnliche Selbständigkeit, das Recht, Bündnisse mit ausländischen Staaten zu schließen, und das Recht, das religiöse Bekenntnis in ihren Ländern zu bestimmen. Die kaiserliche Macht war durch den Friedensschluss und die darauf folgenden Wahlkapitulationen so geschwächt, dass auch ein energischer Kaiser, der seinen Willen ernstlich darauf gerichtet hätte, sich nicht zum Herrn des Reiches hätte machen können. Langsam aber unaufhaltsam vollzog sich die Auflösung des gewaltigen Körpers, der seinen Charakter als Haupt und Kern der christlichen Welt verloren hatte. Die mächtigen unter seinen Gliedern, die Territorialfürsten, suchten sich auf Kosten der benachbarten zu vergrößern, nur dann hielten sie zusammen, wenn es galt, den Kaiser an einer etwaigen Machtvermehrung im Reich zu hindern. An die Stelle der starken Bünde, die einst germanischer Gemeinschaftsgeist geschaffen hatte und die wiederholt Aufgaben des Reiches ausgeführt hatten, traten die Allianzen der Fürsten, nach den Bedürfnissen des Augenblicks auch mit ausländischen Mächten ohne Rücksicht auf Kaiser und Reich und meist mit dem Hintergedanken baldiger Trennung geschlossen. Es kam so, dass das Reich immer unterlag, dass die Schwachen stetig schwächer wurden und dass die Gewinne der Starken dem Ganzen nicht zugutekamen. Alles Bedeutende, was in den die äußere Geschichte Deutschlands im 18. Jahrhundert beherrschenden Kämpfen zwischen Habsburg und Hohenzollern geschah, kann das Gemüt der Deutschen nicht erheben, weil ihr tragisches Ergebnis war, Deutschland zu zerreißen.

Zerfiel das reichgegliederte, ruhmreiche Gebäude des Reichs, so war doch das Gefühl der Zusammengehörigkeit im deutschen Volk nicht erstorben, noch waren die Ideen erloschen, die einst heiliggehalten waren und allen vorangeleuchtet hatten. Aus den zerbröckelnden Trümmern, die ein Gegenstand des Hohnes der umgebenden Völker waren, erschwang sich die deutsche Musik, in unvergänglichen Formen das Unsterbliche des sterblichen Körpers bewahrend. Vom Gipfel ewiger Gleichnisse herab sich ergießend, ergriff sie das gesamte Geistesleben, die Dichtung folgte ihr. Hier war das Band der Überlieferung nicht abgerissen, hier lebte noch das Reich der Gerechtigkeit, das Gottesreich, die erhabene Idee, die dem Römischen Reich Deutscher Nation eingebildet gewesen war. Nie ist einer untergehenden Epoche der Geschichte eines großen Volkes ein schöneres Schwanenlied gesungen worden.

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Ricarda Huch: Deutsche Geschichte – Untergang des Römischen Reiches Deutscher Nation – bei Jürgen Ruszkowski

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