Читать книгу Liebesrisse - Ricarda Kühn - Страница 4

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SAG ES NICHT, VERSPRICH ES MIR

Ich habe den Gashahn zugedreht, ich brauche nicht noch einmal zurück, ist nur eine dumme Idee. Der Herd wird nicht explodieren.

Wenn’s sein muss, kann sie sich zur Ruhe zwingen. Lena Zacharias weiß, was sie heute erreichen will.

Der Hundertfünfundsiebziger hält knapp vor ihren Füssen. Lena springt hinein und rast die Treppe hinauf ins obere Busabteil.

Das schaffe ich. Ich schaffe das.

Die Herbstsonne besänftigt die Gejagten. Berlin, das Monstrum im Zauberlicht. Die Menschen können sich auf den Abend freuen. Lena nicht, sie will heute die Rolle ihres Lebens bekommen. Die, die sie von einer unerträglichen Arbeit in einem unerträglichen Nachtclub mit unerträglichen Männern befreit. Noch sechzig Minuten bis zum Vorsprechen in Kreuzberg, in der Probebühne.

Eilig nimmt sie Platz, direkt über dem Fahrer. Eine wunderbare Aussicht, sechs Meter über der Straße, leicht und mühelos erscheint das Leben von oben, wie im Stummfilm.

Von außen betrachtet, wäre das Leben einen Oskar wert.

Der Spätnachmittag einer aufgeputzten Stadt mit Marotten rauscht namenlos vorbei. Lena schafft es fast immer hier zu sitzen. Sie kann auch drängeln, wenn es sein muss. Sie ist jung, schön, schlank, mager fast. Einen echten Diamanten trägt sie im Bauchnabel. Der lenkt die Blicke dorthin, wo sie sie haben möchte. Manchmal starrt man sie an, als wäre sie bereits berühmt. Dann genießt sie ihr Dasein, nur dann.

Der Bus hat die richtige Geschwindigkeit, die anderen Fahrgäste schweigen zum Glück. Gelassenheit auf den Gesichtern. Menschenhülsen unterwegs zu Immergleichem.

Dieser Busfahrer ist angenehm, weil er nicht anwesend ist. Eine Fahrerhülse. Lena kennt andere. Männer, die Polizist am Steuer spielen, die ihre Fahrgäste anbrüllen, oder so anfahren, dass sie kopfüber gegen eine Stange zum Festhalten knallen.

„Bahnhof Zoo, alles aussteigen, Endhaltestelle.“

Lena springt vor den andern aus dem Bus. Sie schaut auf die Armbanduhr des Mannes neben ihr, ein Tourist, vierzig Jahre vielleicht, typischer Geschäftsmann mit Rollkoffer, gepflegt aber traurig. Er kann den Blick nicht von ihr abwenden. Lena bemerkt es, lächelt ihn an, aus Versehen, kurz nur. Er springt auf die Seite, will ihr Platz machen. Er verliert sich, stolpert, entschuldigt sich. Lena lacht ihn aus, strengt ihm die Zunge raus. Aus dem Bahnhof quellen die Menschen hervor, ergießen sich wie Lava auf den Kurfürstendamm.

Sie hat noch genau fünfzig Minuten. Der U-Bahn Schacht schluckt sie. Lärm, Gedränge und unterdrückter Zorn werfen sich über sie wie eine Heizdecke. Hastig kontrolliert sie Schlüssel, Handy, Zigaretten, Geldbörse, Schminktäschchen, alles da in der rosa Umhängetasche. Sie eilt die Treppe hinunter.

Linie sieben? U-Bahn oder Bus zur Cuvrystrasse? Verdammt, was geht schneller. Bus!

Sie rast die Treppen wieder rauf, zwei Stufen zugleich.

Stop! Ein Penner. Der könnte dir seinen Hund auf den Hals hetzen. Nein, keinen Ärger bitte, heute nicht. Tust mir nichts, tu ich dir nichts.

Lena kann rennen wie Franka Potente. Sie eilt zur Haltestelle

Wo bleibt der Scheißbus?

Die Leute nerven. Massen im Kaufrausch, ich hasse es. Männer als Handtaschenträger und Einkaufskulis für traurige Frauen. So nicht. Dies mir nicht. Niemals. Und wenn ich alt und einsam im dritten Hinterhof in Charlottenburg krepiere. Dies mir nicht. Die Halbglatze da watschelt neben seiner Frau wie ein verlorener Badewannenerpel, giftgrüne Samtjacke, wie kann man nur, die Currywurst hängt ihm noch an der Lippe. Oder der da, der Möchte-gern-Zorro, schon sechzig, schwarzes Toupet, eingezogener Bauch und ein Thaimädchen hängt ihm am Arm, Saftsack!

Endlich der Bus. Ein freier Platz hinten, neben einem Schüler in Zelthose und Dröhnmusik aus dem Kopfhörer. Widerwillig macht er ihr etwas Platz.

„Unk, unk unk vor Zeiten war ich jung, hätt’ ich einen Mann genommen, wär ich nicht in den Teich gekommen.“

Der Schüler starrt sie entsetzt an. Hat sie laut gesungen? Sie weiß es nicht. Blick auf die Uhr. Kein Grund zur Panik. Noch nicht.

Lena kramt ihren Taschenspiegel hervor. Blasses Gesicht, große dunkelblaue Augen, wie der Planet Erde, hat Thorsten, einmal gesagt.

Sie schaut den Schüler an, stolzer Großstadtblick.

Nein, ich bin nicht Lola und ich renne auch nicht. Ich bin Lena Zarowski, im gebärfreudigen Alter. Eigentlich blond, aber heute feuerrothaarig. Mein Freund will ein Kind von mir. Und vielleicht will ich es auch. Heute Morgen, stell’ dir vor, holte er mich um sechs in der Bar ab: „Komm, ich bring dich nach Hause, kannst noch ein paar Stunden schlafen.“

Sie setzte sich hinter ihn aufs Motorrad und weinte ihm in die Lederjacke. Das ist zehn Stunden her, da war die Luft anders und anständige Menschen waren noch in ihren Betten. Die Bäckereien waren geöffnet. Aber, das spürte sie, einer dieser Tage hatte begonnen, an dem sich von einer Minute zur anderen alles ändern konnte.

Zu Hause angekommen, hob Thorsten sie vom Motorrad. Er trug sie, wie immer, wenn sie vor Müdigkeit nicht mehr stehen konnte. Durch den ersten Hinterhof, durch den zweiten und dann drei Stockwerke hinauf, bis er schnaufend vor ihrer gemeinsamen Wohnungstür mit den aufgeklebten Plastikrosen stand.

Lena schaut hinaus, die Sonne geht über dem S-Bahnhof Wittenbergplatz unter, ein Feuerball, nach einem letzten Tag im Herbst.

Ob die Felljacke gut kommt? Wie würde Franka Potente in dieser Situation dreinschauen? Wie muss ich den Produzenten begrüßen? Hände schütteln, ja oder nein?

Wie der Kerl da vorne über seinem Steuer hängt, eine der üblichen Kröten sicher.

Die Blicke des Busfahrers taxieren sie kurz im Rückspiegel. Lena sagt ihre Rolle noch einmal in Gedanken auf. Die Straße nass, die Stadt im schweren Rot des Abendlichts.

Eine junge Mutter steht mit zwei Aldi Tüten in jeder Hand, sie blockiert den Eiligen den Ausgang.

Gleich fällt der Buggy um, und das kleine Monster fängt an zu plärren. Warum flucht denn keiner, wie sonst? Komisch, das alles hier, die Leute sind anders, als wüssten sie etwas. Ach. Ich spinne mal wieder, das ist Stress, da muss ich durch.

Lena schaut den Fahrgästen in die Gesichter. Es scheint, als ahne jeder etwas, es ist eine Art Abschied, als wüsste jeder, dass alles anders wird. Kaltes, einsames Sein in einer Stadt, die nicht schlafen kann. Eine Stadt, in der die gelben Doppeldecker wie Bienen im Viertelstundentakt hin und her summen, effizient und pünktlich. Lenas Gedanken hetzen wie ein junger Hund von der Mutter, zum Casting, von ihrem Herd zu den Männern in der Bar, von dort zu den Männern im rollenden Käfig.

Sie erwischt einen Blick des Fahrers, er erinnert sie an etwas. Als habe er ihre Gedanken gelesen, lächelt der Mann.

Sein Gesicht ist viel zu braun für diese Zeit des Jahres. Aber er hat etwas. Irgendwie zärtlich, verdammt noch mal! Hör auf zu grinsen, oder ich steige aus, sofort, ich bin nicht bei der Arbeit, du geiles Miststück.“

Als habe er verstanden, blickt der Fahrer auf die Straße und beschleunigt, streift um ein Haar einen Radfahrer.

„Bist wohl lebensmüde!“ schimpft er über den Lautsprecher. Diese Stimme. Lena kennt sie, sie gehört zu etwas Entsetzlichem.

Beeil dich, fahr gefälligst und quatsch nicht.

Der Mann an der Tür, treuer Familienvater, Lehrer wahrscheinlich, 50 cm von ihr entfernt, will nicht aussteigen. Er starrt sie an, wendet sich erst von ihr ab, nachdem seine Blicke sie ausgezogen haben. Er hat seine Haltestelle verpasst, brummelt etwas, ist endlich weg.

Lena verfängt sich in den dunklen, großen Augen eines Mädchens in langer Strickweste und schwarzem, enggebundenen Kopftuch.

Diese Jacken tragen sie alle. Und das Kopftuch. Freiwillig sagen sie. Wer es glaubt. Bin froh, dass ich hier geboren bin, nicht da, wo man mich an einen aus der Großverwandtschaft kettet. Irgendwo nagelt man ihnen das Kopftuch in den Kopf, wenn sie es nicht tragen wollen. Arme Mädchen, so alt wie ich. Egal jetzt. Ich muss diesem Typ am Steuer aus dem Weg gehen. Ich kenne ihn? Aber woher? Woher?

„Nollendorfplatz, Umsteigemöglichkeiten zu den Linien...“ Die Stimme des Busfahrers dringt in sie ein, durchbohrt sie. Menschen kommen ihr zu nahe, berühren sie, der Bus hält.

Bremsen quietschen, schreiend wie Mutter damals, als Lena es ihr sagte. Das ist es also. Der Busfahrer und der Onkel. Sie treiben ihren Spaß mit ihr. Kein Entrinnen.

Ein Kind rast über die Straße, bei Rot. Der Fahrer flucht, die Gemüter in Flammen. Lena wird schlecht, sie will sich übergeben, aber ihr Magen ist leer.

Ich muss raus, egal wohin, ich weiß nicht, was los ist, ich halte diesen Kerl nicht aus, weg hier, nur weg.

Es ist zu spät. Die Leute lassen sie nicht durch, schieben sich vor sie, bilden eine Mauer.

Sie haben sich gegen mich verschworen, sie halten zu dem Kerl, sie kennen ihn. Sie wollen mir an den Kragen.

Ihr schlägt der Mundgeruch eines Polizisten in Uniform entgegen, Zwiebeln, Bier, Zahnfäule,

Du musst den Frosch küssen, du hast es versprochen.

Es ist wie damals, als der Onkel kam und versprach, ihr vorzulesen, bis Mama wiederkäme. Kein Entrinnen, aussichtslos. Gefangen in einer gelben Blechbüchse.

„Bitte den Ausgang freihalten. Nun machen Se schon, auch die junge Dame, mit dem Feuerschopf, bitte sehr.

Sie erstarrt. Das ist Onkel, das ist er. Mama weiß nicht, was er vorhat, wenn er so spricht, so sanft, so eindringlich, so beschwörend. Er will mir was schenken, ich soll ihn küssen, er ist eklig, glitschig, wie der Frosch. Ich bin die Prinzessin mit der goldenen Kugel, ich verspreche ihm nichts.

Ich will hier raus, sofort.

Es ist heiß im Bus. Die Gesichter, höhnische Fratzen, einer finsteren Welt entstiegen, um ihr, Lena das Grausen zu lehren, weil sie ihr Versprechen nicht halten konnte.

Sie wird ohnmächtig, fällt in den Gang. Der Polizist fängt sie auf, hält sie in den Armen, schlägt sie ein paar Mal auf die Wange, bis sie wach wird.

Der Fahrer fragt über Lautsprecher:

„Alles ok mit der Kleenen?“

„Ja, ja, Entschuldigung“, murmelt Lena, lächelt. Eine alte Frau bietet ihr einen Schluck Mineralwasser an. Jetzt sehen die Leute freundlich aus, das Leben geht wieder dahin, wohin es gehen will.

Lena reibt sich die Hände an der Hose ab.

„Dominikusstraße,“ die Stimme des Mannes schüttelt sie.

In welchem Bus sitze ich? Sie erinnert sich an eine vier, als sie am Zoo einstieg.

Die Straße glänzt, alte Leute könnten auf den Herbstblättern ausrutschen.

Kein Fahrgast mehr!

Sie stürzt nach vorn, der Bus leer, der Mann am Steuer hat sein Radio an und summt mit

Da stimmt was nicht. Lena zittert, der Onkel, früher, sein Geruch, sein unrasiertes Gesicht, mit dem er ihre Wange fast blutig rieb, dieser Mann ist es. Kein Entkommen.

Sie sinkt auf den Platz hinter ihm, Gefangene seiner Augen im Rückspiegel.

Der Bus biegt in eine Seitenstraße ab. Lena weiß, dies ist nicht seine normale Route. Die Zeit bleibt stehen, ein Todesurteil.

Ich bin allein mit diesem Mann von früher, der es auf mich abgesehen hat. Ich bin selbst schuld, weil meine Haare zu rot und meine Lippen zu voll sind. Meine weiße Flauschjacke hat ihn provoziert, er sieht Schnee und Blut. Ich bin allein und kann nicht schreien. Alle sind weg. Wenn ich nicht ruhig bleibe, wird er mir weh tun. Er wird sich hier im Gang auf mich werfen und mir die Kehle zudrücken. Ich werde an seinem Geruch ersticken. Er wird seinen Verschrumpelten rausnesteln. Die Wut, dass er nicht kann, wie er will, wird ihn noch brutaler machen. Er wird den Bus parken und mich umbringen. Davor oder danach? Ich wusste, einmal würde es so kommen. Einmal. Ist das heute? Ich werde Thorsten nicht mehr sehen. Er wird weinen. Es tut mir leid, verzeih mir. Mutter, arme Mutter. Ich sage nichts, ich lasse ihn.

Lena starrt den Fahrer an. Die Umhängetasche ist auf den Boden gefallen, in Trance hebt sie sie auf und streift sie sich über die Schulter.

„Tun Sie mir nichts“ sagt sie tonlos.

Der Fahrer dreht sich um. Glattrasiertes Gesicht, gelassen, zeitlos, die Farbe seiner Augen tritt zurück. Er lächelt, als hätte er das Geheimnis der Stille entdeckt. Das Geheimnis der Tür, die in einen Raum führt, den Lena noch nie betreten hat. Plötzlich ist es gut, so wie es ist. Dies ist die Wahrheit, spürt sie.

” Na, Kleene, wat haste denn? Wat kiekste denn so? Is wat?”

“ Bitte, ich muss um sechs Uhr in Kreuzberg sein, fahren Sie dahin?“

“Nee, da biste falsch, Kleene. Wat regste dir denn so uff?”

Sie schaut diesen Mann genau an.

Er sieht aus, als ob er gut riecht. Rotes, frisch gebügeltes Seidenhemd, spannt ein wenig über dem Bauch, dunkelblaue Hose, Stoff vom Feinsten.

Glatze, blaue Augen, planetenblaue, wie meine. Bequeme Schuhe, feinstes Rindleder, italienisch wahrscheinlich. Etwa fünfundfünfzig.

” Ich, ich, bitte, ich komme zu spät.“ Der Mann schaut sie an: "Kleene, wat kann ik für dich tun?“

„Ich will vorsprechen um Punkt sechs. Ich will die Rolle im Marienhof. Außerdem muss ich wieder nach Hause, um nachzuschauen, ob alles o.k. ist. Ich weiß nicht, ob ich meinen Herd ausgestellt habe.“

„Dass du nich ganz richtig tickst hab ik schon jemerkt als du rinjestiejen bist, ik kenne meene Pappenheimer. Ik habe Feiaabend und du tust ma leid. Ik wees nich warum, könntest meene Tochter sein. Wat haste denn, warum biste so bleich wie een Bettlaken? Hast wohl nischt jejessen? Wie läufste denn ooch rum, nackter Bauch bei so einem Wetter. Willste dir ne Lungenentzündung einfangen, wa? Nee, det versteh ik nich. Is ja ooch nich mein Bier. Ik bring dir jetze dahin, wo de hin musst. Dann kannste wieda richtig schniefen. Künstlerin, det hab ich ma schon jedacht! Wo willste denn hin? In de Cuvrystrasse? Na, machen wir doch, keen Thema, in zehn Minuten biste am Ort von deine Wünsche.“

Der Mann dreht die Musik lauter. Lena setzt sie sich hinter ihn. Es ist, als wäre sie seit Ewigkeiten mit ihm zusammen. Allein fährt er sie durch eine ausblauende, wohlwollende Stadt. Lautlos, um sie zu erfreuen.

Das Gefühl zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Keine Furcht. .

„Kunst, muss ooch sein, is ja jut, wenn man de Leute zum Lachen bringen kann. Ik finde den jut, der imma soviel jetrunken hat, is aba schon lange tot.. Wat die ihm allet anjedichtet haben. Den hamse sojar in de Klapse fotojrafiert. Oder bei ena Entziehungskur. Nee, berühmt sein, dat wär nischt für mich. Aba dette, dat war echt ‘n juter Typ. Der hat sich jeopfert, dat andere über ihn lachen konnten. Ik liebe meenen Beruf, und meene Frau. Ik fahre die Leute rum und bring se dahin, wo se hin möchten. Is doch jut. Ik wollte schon als Kind Busfahrer werden.“

„Ich muss meinem Freund eine SMS schicken:

’Bin mit dem besten Busfahrer der Welt unterwegs’.”

„ Pass uff, dat der nich eifersüchtig wird, Männer sind wie Pfirsiche, weeste doch.“

Der Fahrer lacht. Dieses Mädchen braucht seine Hilfe, sie hat ein Problem, das nur er lösen kann. Er wächst in seinem Fahrerstuhl und Lena lacht mit:

„Und ich dachte, du wärest der Frosch und ich müsste dich küssen und dann an die Wand klatschen. Krass, was?“

„Nu mach aber man halblang, nix für ungut, kleenett Frollein, du hast mir een Schrecken einjejaacht, wie du umjefallen bist. Aba nu biste ja wieder obenuff, denn isset ja jut.“

Er dreht sich zu ihr und lächelt sie an. Sie riecht ihn. Kokos und Ananas. Ein Berliner Fahrer in einer Karibikduftwolke.

„Wer kauft dir diesen Geruch?“

„Meene Frau. Sie würde dir gefallen. Sie interessiert sich ooch für Stars, sieht selba aus wie eener. Nee, ehrlich, ik habe de schönste Frau von de Welt.“

„Cool, echt cool!“

„Sie arbeitet im KadeWe in der Parfümabteilung. Ik hol se da ab. Gleich is Feierabend. Nächste Woche jeht’s ab in de Ferien. Costa Brava, da fahrn wa jedet Jahr hin. Is echt jut da. Freu ik ma schon. Costa Brava. Wat will der Mensch mehr?“

„Wie heißen Sie?“

„Hans“, strahlt er „Dat sind meene Enkelkinder.“

Er reicht ihr seine Brieftasche. Brav bestaunt sie die Bilder. Es ist Viertel vor sechs.

„ Wo sind wir?“

„Reg dir nich uff, Kleene warte, wir sind gleich da. Ik bring dir zu de Halsabschneiders. Da willste doch hin. Oder nich? Hätte zwar zur Endhaltestelle fahren müssen, aba uns wird schon keener erwischen.“

„Das glaubt mir keiner, mit einem Busfahrer und Marvin Gaye durch Berlin. Wahnsinn!“

„ Warte, ik ruf meene Frau an:„Hans hier, ik bin in Kreuzberg, komme ein paar Takte später. Nee, allet paletti. Det erzähle ik dir späta. Ik hab hier so een kleenet Sternchen, det muss ik erstma abjebn. Bis gleich.

So, nun musste aba aussteigen, Kleene, sonst kommste su spät su deine Rolle. Schlesische Strasse, Ecke Cuvrystrasse, bitte schön, die Dame.“

Lena springt auf, steigt aus, zur richtigen Zeit steht sie vor der Probebühne. Sie schaut dem Bus noch nach, bis die Stadt ihn in ihrer nächtlichen Umarmung verschlungen hat.

Liebesrisse

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