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GRUNDLEGENDE WIRKPRINZIPIEN DER SYSTEMISCHEN ARBEIT

Es ist sinnvoll, bei Familien- bzw. systemischen Aufstellungen bestimmte Prinzipien und einige Grundannahmen zu berücksichtigen, die aus den von Bert Hellinger beobachteten Grundprinzipien weiter entwickelt wurden.

Anerkennen, was jetzt ist

Allen voran muss das Gegebene anerkannt werden, denn es ist nun mal jetzt da und möchte nicht wieder abgedrängt werden. Die Einhaltung dieses Prinzips erweist sich als besonders wichtig, da sich alle Grundannahmen von ihm ableiten lassen und eine Nichteinhaltung sich ebenfalls auf diese auswirken würde. Wenn wir etwas nicht sehen wollen, was nun mal in Erscheinung getreten ist, weil wir uns dafür schämen, schuldig fühlen oder es unser Ego bedroht, kostet es viel Kraft, dies wieder unter die Oberfläche zu drücken, und es würde später doch wieder auftauchen. Die dafür aufgewendete Kraft fehlt uns dann an anderer Stelle, zum Beispiel dafür, unseren erfolgreichen Weg in Freiheit und Leichtigkeit ohne unbewussten Ballast weitergehen zu können.

Das Prinzip der Zugehörigkeit

Hier wird die Frage nach den Mitgliedern des jeweiligen Systems geklärt. Das dazugehörige »Prinzip des Nichtausschlusses« besagt, dass alle Mitglieder dieser »Familie« (es kann auch eine Firmenfamilie, Erfolgsfamilie oder Geldfamilie sein) das Recht haben, nicht von »ihrem« System ausgeschlossen zu werden. In der Familienstellungspraxis wird üblicherweise der Leiter bzw. Therapeut versuchen, ausgeschlossene oder tabuisierte Mitglieder zu finden und diese in die Aufstellung aufzunehmen. Das können direkte oder weiter entfernte Ahnen sein, verstorbene oder verleugnete uneheliche Kinder, zu Unrecht Entlassene einer Firma, hintergangene Eheoder Geschäftspartner oder sogar ausgegrenzte Gefühle wie Schuld, Egoismus oder Scham. Die verwandtschaftlichen Beziehungen einer Familie, die durch die Geburt entstehen, bleiben immer erhalten, sodass alle Mitglieder an den Prozessen innerhalb des Systems beteiligt sind. Auf der Unternehmensebene können zum Beispiel Mitarbeiter auf die nicht gerechtfertigte Kündigung eines Kollegen mit Dissonanzen in der Abteilung reagieren, da ein Teil ihres Systems »entfernt« und durch die Kündigung verstoßen wurde. Warum das Betriebsklima seitdem so schlecht ist, kann nicht rational begründet werden, ist jedoch aus systemischer Sicht fast logisch. Dies gilt nicht unbedingt bei berechtigten Kündigungen oder echtem gegenseitigem Einvernehmen.

Das Prinzip der Gleichwertigkeit

Dieses Prinzip geht auf die Daseinsberechtigung aller Systemmitglieder ein. Nur wenn alle beteiligten Personen oder Bestandteile eines Projektes als gleichwertig betrachtet werden, kann eine optimale Lösung gefunden werden. Dieses Prinzip sichert eigentlich die Existenz des ganzen Systems, da ohne die Berücksichtigung aller wesentlichen Bestandteile kein 100-prozentiger Erfolg möglich sein wird. Irgendein Störfaktor würde am Rande des Systems wirksam bleiben und sich dementsprechend irgendwann wieder in meist unangenehmer Weise melden, um als Teil des Systems gewürdigt zu werden.

Das Prinzip der zeitlichen Reihenfolge

Obwohl die Zugehörigkeit aller Systemmitglieder als gleichwertig betrachtet wird, sollte jedoch die zeitliche Reihenfolge ihres Eintritts in das System berücksichtigt werden. Innerhalb einer Familie hat zum Beispiel das ältere Mitglied Vorrang vor dem jüngeren, der Vater vor dem Sohn. Ein Beispiel für dieses Prinzip wäre beispielsweise das Wachstum des Systems Familie durch die Geburt eines Kindes. Der Respekt vor der Leistung der früheren Mitglieder verhindert, dass diese sich vom neuen Mitglied eingeengt oder verdrängt fühlen. Als Aufsteller müssen Sie zunächst feststellen, welche Personen dem System angehören und dann, welches Mitglied Vorrang vor einem anderen hat. Wenn ich zum Beispiel eine Familienaufstellung auf dem Papier skizziere, frage ich, wie viele Familienmitglieder die aktuelle Familie hat: Vater, Mutter und alle Kinder. Der Vater wird rechts (männliche Seite) auf dem Blatt skizziert (Strichmännchen reicht), dann links neben ihm die Mutter, dann das älteste Kind links daneben usw. Es ist wichtig, nach verstorbenen Kindern zu fragen (auch Abgänge oder Abtreibungen), denn diese müssen in der richtigen Reihenfolge aufgemalt werden, bis die Familie vollständig versammelt ist. Schon allein dadurch, dass alle an ihrem Platz gewürdigt werden, kann das Gesamtsystem an Ordnung und Harmonie gewinnen – und das spüren wir ziemlich rasch im konkreten Beziehungs- oder Arbeitsalltag.


In einer Familie, in der die Mutter alkoholkrank war, hatte das älteste Kind die Rolle der Mutter eingenommen und sich im Alltag um die beiden kleineren Geschwister gekümmert. Es war somit aus der natürlichen Reihe der Familienmitglieder herausgefallen, was zu depressiver Verstimmung und zunehmender Vereinzelung geführt hatte. Allein durch das Aufmalen auf dem Papier in der richtigen Reihenfolge konnte das Kind seinen Platz in der Familie wieder einnehmen, und in der Folge wurde eine externe Betreuungsperson für die Mutter gefunden.

Das Prinzip der Würdigung der Vorangegangenen

Wenn allerdings aus einem System zwei oder mehrere neue Systeme hervorgehen, dann steht das neue System in der Reihenfolge vor dem alten. Ein Beispiel aus der Praxis wäre das Entstehen einer neuen Familie durch Heirat oder die Abspaltung einer Tochterfirma von einem Unternehmen. Diese neuen Systeme müssen besonders geschützt werden, damit sie die Chance haben, eine innere Stabilität aufzubauen. Neue Systeme, in denen alle vorhandene Kraft in interne Konflikte fließt, haben wenig Chancen, sich zu stabilisieren. Dieses Prinzip regelt die Würdigung des Einsatzes des einzelnen Systemmitglieds für das System, auch wenn das Mitglied schon ausgeschieden oder verstorben ist. Die Energie kann nach erfolgter echter Würdigung wieder frei fließen und den Systemerhalt sichern.

Systeme dagegen, die zu sehr um ihre Existenz kämpfen müssen, können nicht ausreichend für Wachstum und Fortpflanzung sorgen bzw. haben keine Energie mehr dafür übrig. Zum Beispiel gelang es einem Firmeninhaber nicht, einige Anteile seines Unternehmens wie geplant zu verkaufen, bis er den Einsatz seines ausgeschiedenen Vaters für diese Firma gewürdigt hatte. Daraufhin lief das Vorhaben problemlos. Ein Mann, der aus seiner unglücklichen Ehe, die drei Kinder hervorgebracht hatte, in eine erfülltere Partnerschaft mit einer neuen Frau kam, litt sehr unter den Angriffen seiner Exfrau, bis er deren Leistung für das Gesamtsystem Familie gewürdigt hatte – ungeachtet der emotional verletzenden Erlebnisse der vergangenen Ehejahre. Daraufhin fanden beide Elternteile eine für alle Beteiligten befriedigende Lösung im Umgang miteinander und im Umgang mit ihren Kindern. Vor allem aber hatte jetzt die neue Beziehung eine Chance, erfüllt zu bleiben, da keine Energie mehr an das alte System abgegeben werden musste.

Das Prinzip der Wertschätzung von individuellen Fähigkeiten

Egal welche Fähigkeiten das einzelne Familienmitglied hat, es darf gewürdigt und wertgeschätzt werden. Die Fähigkeiten der einzelnen Systemmitglieder sollen von den anderen Mitgliedern gewürdigt werden. Durch die so erfahrene Wertschätzung kann jeder einzelne Beteiligte seine Fähigkeiten weiter ausbauen und seine individuellen Potenziale erweitern. Jeder hat individuelle Fähigkeiten, und es ist gut, diese im Gesamtsystem nicht zu bewerten – im Sinne von besser oder schlechter –, sie sind einfach anders und wichtig für das Zusammenspiel der großen Familie. Die Unterschiede zwischen den Systemmitgliedern werden auf diese Weise gewürdigt, und dies führt wiederum dem Gesamtsystem mehr Kraft zu. Letztendlich kommen wir durch diese Wertschätzung individueller Fähigkeiten zu einem vielseitig ausgerichteten System, das angemessen und kompetent auf unterschiedliche Konflikte, Herausforderungen und Chancen aller Art reagieren kann.

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