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Kapitel 6

Die Uhr zeigte drei Uhr einundzwanzig an als sie der Monteur und der junge Mann mit den unnatürlich blauen Augen im Frachtbüro des ›Heathrow Airports‹ angeregt über die aktuellen Spiele der Premier League unterhielten.

Glenn Cussler wartete darauf, dass er an die Reihe kam. Es war nur noch ein Mann vor ihm. Dann erhielt auch der sein Paket ausgehändigt und ging hinaus.

Unmittelbar hinter ihm versperrte der junge Mann mit seinem großen Überseekoffer den Eingang und lehnte sich dagegen.

Kaum war das geschehen, stellte der Monteur seine bauchige Tasche auf den Tresen und klappte sie auf.

Inzwischen hatte Cussler dem Angestellten des Cargo-Terminals einen Frachtbrief zugeschoben.

»Dauert einen Augenblick«, erwiderte der Mitarbeiter des Flughafens freundlich und schritt mit dem Brief zu seinem Schreibtisch, weiter hinten im Büro, wo er die Sendungsnummer auf einem Bildschirm abfragte.

Derweil blickte der junge Mann scheinbar gelangweilt durch eines der Fenster hinüber auf die Rollbahnen. Eine Tür führte auf das Flugfeld hinaus und war nur angelehnt. Sogar der Schlüssel steckte. Außer dem Mitarbeiter, der gerade Cussler bediente, befanden sich nur noch zwei Männer im Raum.

Ein älterer Herr saß vor einem Bildschirm und glich mit einem jüngeren Kollegen Unterlagen ab, während der zahlreiche Papiere auf seinem Klemmbrett durchsah und von Zeit zu Zeit zustimmend nickte. Der Stuhl vor dem vierten Schreibtisch war zurückgeschoben, so als hätte dort zuvor noch jemand gesessen.

Der Blick des jungen Mannes glitt zu einer Tür aus Milchglas hinüber. Der dunkle Schatten einer Frauengestalt schimmerte verschwommen durch die Scheibe.

Mit der linken Hand griff Glenn Cussler flink über den Tresen und löste für die Angestellten unbemerkt die Verriegelung zum Büroraum. Unauffällig nickte er den beiden anderen zu. Ein fast ebenso unmerkliches Zeichen mit den Augen bestätigte ihm, dass auch seine Komplizen bereit waren.

*

Drei Minuten später kam der Cargo-Mitarbeiter mit leichtem Kopfschütteln wieder zurück. »Die Sendung ist leider noch nicht eingetroffen. Der Kapitän gab eine Störung der Maschine an, die noch nicht näher überprüft werden konnte und sich Techniker ansehen müssen. Hinzu kam eine Wetterfront. Infolge des Defekts wurde zunächst Edinburgh angeflogen. Die Lieferung verzögert sich bis morgen früh.

Der Mann lächelte freundlich. Ein Lächeln, das sich schlagartig in eine erschreckte, verängstigte Grimasse verzerrte, als er zwei Selbstladepistolen auf sich gerichtet sah.

Dann überschlugen sich die Ereignisse.

Der Überseekoffer klappte auseinander, und ein vierter Mann tauchte auf. Dieser Mann trug die Uniform der Flughafenangestellten, und er bewegte sich mit der Geschmeidigkeit einer Katze. Noch bevor Cussler in den Büroraum eindringen konnte, hatte der Mann aus dem Koffer den Tresen übersprungen. Er verriegelte die Tür zum Flughafengelände und hielt die völlig überraschten Angestellten an den Schreibtischen in Schach.

»Was - was soll denn das?«, stotterte der eine fassungslos. Er war so überrascht, dass er noch nicht einmal Angst empfand, sondern nur grenzenlose Verwunderung.

Mit vier großen Sprüngen durchquerte der braungebrannte Mann den Büroraum und riss die Tür mit der Milchglasscheibe auf. Eine junge Frau fuhr erschrocken herum. Der Kaffeebecher, den sie in der Hand hielt, fiel zu Boden. Sie wollte schreien, aber der Fremde war schneller.

Brutal presste er ihr den Mund zu. »Wenn du schreist, kann ich für nichts garantieren«, zischte er, und in seinen Augen blitzte es gefährlich auf.

Die Frau schluckte und kämpfte gegen die Tränen, die ihr in die Augen stiegen. Aber sie schrie nicht.

»Das ist ein Überfall«, erklärte Cussler ruhig. »Es wird niemandem etwas geschehen. Es sei denn, einer versucht den Helden zu spielen. So, und nun alle herkommen und dort gegen die Wand stellen!« Dabei wies er mit dem Lauf seiner Waffe in die geforderte Richtung, und lächelte in sich hinein, als ihm die Angestellten widerspruchslos gehorchten.

Der Monteur holte einige Kabelbinder und zwei Rollen breites schwarzes Klebeband aus seiner dickbauchigen Tasche.

Es brauchte keine Minute und die Frau, als auch die drei Männer waren auf professionelle Weise gefesselt.

»Wer von euch hat hier das Sagen?!«, knurrte der Gangster, der die gleiche Uniform trug wie die Mitarbeiter des Cargo-Terminals.

»Ich«, meldete sich der ältere Mann. »Was wollen Sie?«

»Den Tresorschlüssel und die Kombinationszahlen.«

Der Mann biss die Zähne aufeinander. In seinem bleichen Gesicht arbeitete es. Schließlich überwog aber sein Pflichtgefühl. »Den kriegen Sie nicht von mir!«, stieß er hervor.

Der Gangster nickte gelassen. Es schien offensichtlich, dass er mit einer solchen Antwort gerechnet hatte. Er griff in seine Brusttasche und beförderte eine kleine Sprühdose zutage. »Darin ist eine Säure, die eine durchaus interessante Wirkung entfaltet«, lächelte er bösartig und trat an die junge Frau heran, die unter dem Klebeband ängstlich aufstöhnte, das einer seiner Komplizen den Mund verklebt hatte, was ihr ein Schreien unmöglich machte. »Aber überzeugen Sie sich selbst!« Ruckartig wandte er sich von der panisch werdenden Frau ab und besprühte einen der Monitore, der in seiner Reichweite stand. Augenblicklich begann der Kunststoff Blasen zu werfen als würde er zu kochen beginnen und tropfte auf die Tischplatte. Er wandte sich wieder der jungen Frau zu. »Was glauben Sie, wie ihre Kollegin aussehen wird, wenn sie damit Bekanntschaft macht?!«

Plötzlich herrschte eine Stille im Raum, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können.

Selbst Cussler und der Monteur, die gerade im Begriff waren, ihre Uniformen gegen die der Cargo-Angestellten zu tauschen, hielten die Luft an.

Jegliches Blut war aus dem Gesicht des älteren Mannes gewichen und seine Backenknochen traten unnatürlich scharf hervor. Er atmete mühsam. »Ihr verdammten Dreckschweine!«, brachte er gequält heraus.

»Wo ist der Schlüssel?!« Die Hand mit der Sprühdose wedelte jetzt direkt vor dem Gesicht der jungen Frau, die mit vor Schreck geweiteten Augen in Panik ihren Vorgesetzten anstarrte.

»An einer Kette um meinen Hals.«

»Und die Kombination?« Noch immer befand sich die Sprühdose vor dem Gesicht der Frau.

»Ist ein Wort gefolgt von einer Zahl: Victoria, eins, neun, null, eins.«

»Das Todesjahr der Königin?«

Der Alte nickte müde.

»Gut«, zeigte sich der Gangster jetzt etwas freundlicher. »Dann fehlen nur noch die Duplikate der Handschellenschlüssel, mit denen die Sicherheitsleute aus Belgien an die Stahlkassette gefesselt sind.«

»Im der obersten Schublade meines Schreibtisches. Ein Briefumschlag mit Brüssler Stempel.« Der Alte sackte in sich zusammen. Er war mit seinen Nerven am Ende, empfand Scham und Erleichterung und die aufkeimende Wut über seine eigene Hilflosigkeit.

Erst jetzt ließ der Gangster die Sprühdose verschwinden, knebelte auch ihn, nahm die Schlüssel an sich und beförderte anschließend mit Hilfe des braungebrannten Jungen alle in die kleine, sich anschließende Küche.

Gleich darauf waren die herumliegenden Kleidungsstücke eingesammelt und im Schrankkoffer verstaut, der hinterm Tresen außer Sicht verschwand.

Glenn Cussler schaute sich prüfend um. Alles schien in Ordnung zu sein. Sie trugen die richtigen Uniformen, die Tür zur Küche war fest verschlossen und Spuren eines Kampfes hatte es, abgesehen vom beschädigten Flachbildschirm, nicht gegeben.

Er nickte dem jungen Mann mit den unnatürlich blauen Augen zu, der jetzt die Tür zum Flughafengelände öffnete.

Der Überfall hatte nicht länger als drei Minuten und fünfundvierzig Sekunden gedauert. Und genau das war auch die Zeitspanne, während der die Tür zum Flughafen geschlossen war.

Eine Minute vor halb vier war das Büro des Cargo-Terminals wieder dienstbereit.

Der einzige Unterschied zu vorher bestand darin, dass anstelle von vertrauenswürdigen Angestellten des ›Heathrow Airports‹ Gangster darauf warteten, die Sendung Edelsteine aus Brüssel im Wert von knapp sechs Millionen Euro in Empfang zu nehmen.

***

Unter falscher Flagge

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