Читать книгу Eine zweite Chance ? - Sassika Büthe - Страница 3

Kapitel 1

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Erster Teil

Chris stand in der Küche und summte leise zur Musik, die aus dem Radio neben ihr kam. Während sie dabei war, das Abendessen für ihre Familie vorzubereiten, schaute sie gedankenverloren zum Fenster hinaus in den Garten. Draußen goss es in Strömen und die Äste der Bäume im Garten bogen sich im Wind. Chris schauderte. Bei diesem Wetter mochte man nicht einmal den Hund vor die Tür jagen, nicht dass sie einen Hund gehabt hätten. Chris wickelte ihre Strickjacke enger um ihren Körper und war froh hier drinnen in ihrer warmen Küche zu stehen. Es war Montagabend und Chris ahnte noch nicht, dass dieser Tag ihr Leben von Grund auf verändern sollte. Es war bereits nach neunzehn Uhr, und sie wartete auf ihren Mann Danny, der sich heute wohl mal wieder verspäten würde, was in letzter Zeit recht häufig vorkam. Sie freute sich schon sehr auf ihn und wie jedes Mal wenn sie auch nur kurz getrennt waren, fehlte er ihr. Danny arbeitete in einem Computerfachhandel als Abteilungsleiter für den Einkauf in der Innenstadt. Er verdiente dort gutes Geld, so dass sie sich vor zwei Jahren dieses große Haus gekauft hatten. Das Haus war für ihre Verhältnisse nicht nur riesig, sondern befand sich zudem auch noch in einer ziemlich noblen Gegend. Chris hätte diesen Luxus nicht gebraucht, aber Danny hatte von Anfang an gewusst, dass Chris dieses Haus lieben würde. Er hatte somit nicht lange gefackelt und das Haus gekauft. Er wollte für seine Familie nur das Beste, sagte er immer. Danny hatte recht gehabt, Chris fühlte sich hier von Anfang an wohl, aber sie wusste ebenso gut, dass sie überall mit Danny glücklich sein konnte. Ihr Haus befand sich in einem recht ruhigen Wohngebiet und doch noch in der Stadt, also recht zentral.

Am heutigen Abend war Chris schon eine ganze Weile ziemlich nervös ohne ersichtlichen Grund. Sie hatte den ganzen Nachmittag auch schon ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend verspürt und langsam wurde Chris nun auch noch etwas zornig. Sie fragte sich zu wiederholten Mal, wo zum Teufel Danny blieb und was ihn so lange aufhielt. Auch wenn er in letzter Zeit nicht immer pünktlich zu Hause war, nicht wie sie es von ihm gewohnt war, so war es heute doch reichlich spät. Danny war sonst immer sehr zuverlässig und sie konnte sich darauf verlassen, dass er sie anrief, wenn es etwas länger dauerte, damit sie sich keine Sorgen machen musste, was bei Chris sehr schnell der Fall war. Vor zwei Jahren war ihr Vater mit dem Auto tödlich verunglückt, als er auf den Weg zu ihr war. Chris hatte stundenlang auf ihn vergebens gewartet. Seitdem war sie sehr schnell aus der Ruhe zu bringen und wurde schnell nervös. Sie rannte dann von Zimmer zu Zimmer und bei jedem Geräusch sah sie zum Fenster hinaus nur um festzustellen, dass nur ein fremdes Auto an ihrem Haus vorbeifuhr. Danny wusste das und da er nicht wollte, dass sie sich Sorgen machte, wenn es etwas länger dauerte, meldete er sich immer bei ihr.

Chris wurde von einem aufgeregtem Schrei ihrer vier jährigen Tochter Lilly, die zusammen mit ihrem einjährigen Bruder Maik vor dem Fernseher saß, aus ihren Gedanken gerissen: „Mami, Mami komm schnell. Papi ist im Fernseher drin.“

Chris glaubte sich verhört zu haben, ging jedoch ins Wohnzimmer um nachzusehen, was ihre Kinder sich da anschauten. Sie blickte auf den Fernseher und erstarrte mitten in ihrer Bewegung. Chris traute ihren Augen nicht und glaubte zu träumen. Die Kindersendung, die ihre Kinder bis eben geguckt hatten, war allem Anschein nach zu Ende. Stattdessen flackerten auf dem Bildschirm die Nachrichten und sie sah geradewegs in das Gesicht ihres Mannes. Danny stand umringt von Polizisten und wurde anschließend in Handschellen in ein Polizeiauto platziert. Unfähig sich zu bewegen starrte Chris einfach nur auf den Bildschirm und versuchte zu verstehen, was da gerade ablief und was passiert war. Chris nahm jedoch nur Wortfetzen wie Diebstahl, lange gesucht, und Verbrecherbande auf. Doch ehe Chris begriff, worum es wirklich ging, ging der Nachrichtensprecher zu einem anderen Thema über. Chris starrte weiterhin völlig verwirrt den Fernseher an ohne wirklich wahrzunehmen, was dort lief. Ihr kleiner Sohn Maik saß im Laufgitter und plapperte laut immer wieder nur ein und dasselbe Wort vor sich hin. Es war das einzige Wort, was er bisher konnte:

„Papa, Papa, Papa.“

Im selben Moment klingelte es an der Haustür. Chris brauchte einige Zeit um sich aus ihrer Erstarrung zu lösen und realisierte die Türklingel erst beim zweiten Läuten. Wie in Trance ging sie zur Tür und öffnete diese. Vor ihr standen zwei Polizeibeamte. In der Hand hielten sie jeweils ihre Dienstausweise in die Luft, um zu vermeiden, dass Chris ihnen wohlmöglich die Tür vor der Nase zuschlug. Einer der beiden Polizisten, der größere von beiden mit einer leicht schiefen Nase und freundlichem Gesicht, richtete das Wort an sie:

„Sind Sie Frau Brauer?“

Chris brachte nur ein Nicken zustande und hatte das Gefühl, jeden Augenblick ohnmächtig zu werden.

„Mein Name ist Tim Haas. Es geht um ihren Mann Danny Brauer.“

„Was ist mit ihm?“ Ihre Stimme war von Angst erfüllt.

„Wir haben ihren Mann vor circa eineinhalb Stunden festgenommen wegen schweren Diebstahls. Haben sie schon davon gehört?“

Chris schüttelte nur benommen mit dem Kopf.

„Wir hätten da noch einige Fragen an Sie. Haben Sie gewusst, was ihr Mann am heutigen Abend geplant hatte?“

„Nein .... ich weiß gar nicht, wovon Sie überhaupt sprechen und was hat mein Mann damit zu tun?

„Er war an einem Autodiebstahl beteiligt. Frau Brauer, wussten Sie, das ihr Mann an kriminellen Machenschaften beteiligt ist?“

Chris schüttelte wieder nur den Kopf, das Sprechen viel ihr schwer und nur mit Mühe konnte sie dem Polizeibeamten folgen.

„Frau Brauer, Ihr Mann ist uns nicht ganz unbekannt. Wussten Sie, dass ihr Mann vorbestraft ist?“

„Ja, aber das ist lange her. Da war er fast noch ein Kind. Seitdem ist er nicht mehr straffällig geworden. Was hat er jetzt hiermit zu tun?“

„Wir wissen noch nicht so genau, inwieweit ihr Mann in die Sache verstrickt ist. Wir wissen bislang nur mit Sicherheit, dass er daran beteiligt war. Wir beobachten diese Bande schon seit einiger Zeit, konnten jedoch nichts tun bis wir sie heute endlich auf frischer Tat ertappt haben. Wir versuchen diese Leute schon seit einigen Jahren dingfest zu machen und heute ist es uns endlich gelungen.“

Chris hätte ihm gerne gratuliert, doch sie ahnte, dass dem Polizeibeamten ihr Sarkasmus nicht gefallen würde. Deshalb hielt sie lieber ihren Mund. Sie starrte nur auf dem Kaffeefleck auf der Uniform des Beamten und war unfähig sich zu bewegen. Sie merkte, wie sie leicht zu schwanken anfing und Übelkeit stieg in ihr auf.

„Frau Brauer, geht es Ihnen gut? Sie sind ganz blass“, vernahm Chris nun zum ersten Mal die Stimme des anderen Polizeibeamten, dessen Name sie vergessen hatte. Oder hatte er sich gar nicht namentlich vorgestellt? Sie konnte sich nicht erinnern. Doch sein Kollege ließ sich nicht unterbrechen und schien nicht zu bemerken, dass Chris ihm jeden Augenblick in die Arme sinken würde. Er sprach einfach weiter.

„Ihr Mann steckt da irgendwie mit drin, Frau Brauer. Wahrscheinlich ist er nur ein kleiner Fisch, aber er wurde bereits in den letzten zwei Wochen ein bis zweimal mit diesen Leuten gesehen und er war auch heute dabei.“

„Nein“, schrie Chris auf und stolperte rückwärts gegen die Wand. Unfähig sich noch weiter auf den Beinen halten zu können, rutschte sie mit dem Rücken an der Wand hinunter und setzte sich auf den Boden, wo sie schließlich völlig zusammenbrach.

Die beiden Polizeibeamten halfen Chris auf und brachten sie ins Wohnzimmer, wo sie Chris in einen Sessel bugsierten. Da es Chris sichtlich nicht gut zu gehen schien und sie unter Schock stand, benachrichtigte der Polizeibeamte Herr Haas ihre Mutter Henrietta, die auch sofort vorbei kam. Chris beobachtete stumm die ganze Szene und sie hatte das Gefühl, dass Henrietta hergeflogen war, denn so schnell war ihre Mutter noch nie da gewesen. Ihre Mutter war eine sehr ängstliche Autofahrerin und fuhr äußerst langsam, heute musste sie jedoch hergerast sein. Tim Hass schilderte Henrietta kurz den Sachverhalt und stellte auch ihr die gleichen Fragen, die er zuvor Chris schon gestellt hatte. Auch Henrietta wurde sehr blass und musste sich erst einmal hinsetzen. Sie ließ sich neben Chris auf die Sessellehne nieder und ergriff die Hand ihrer Tochter. Jetzt konnte sie verstehen, warum Chris so verzweifelt war und unter Schock stand. Sie selbst war ebenfalls kurz davor. Henrietta konnte einfach nicht glauben, was sie da hörte und sagte immer und immer wieder:

„Ich verstehe das nicht, er ist so ein lieber und netter junger Mann. Das kann einfach nicht wahr sein. Ich kann das einfach nicht verstehen.“

Chris saß noch immer in ihrem Sessel und starrte aus dem Fenster, wo sich der Garten so langsam aber sicher in eine Schlammgrube verwandelte, wenn es nicht bald aufhören würde zu regnen. Sie versuchte zu begreifen, was heute passiert war, und was gerade hier in ihrem Wohnzimmer vor sich ging. Sie hatte das Gefühl, mitten in einem Film zu stecken, mit ihr in der Hauptrolle. Chris bekam nur teilweise mit, was alles besprochen wurde. Sie hörte kaum hin, wollte es einfach nicht hören. Auch dass ihre jüngere Schwester Nicole plötzlich da war und sich um ihre Kinder kümmerte, bekam Chris kaum mit. Nachdem die Polizeibeamten sich endlich verabschiedet hatten und gegangen waren, brachte Nicole ihre Kinder ins Bett. Chris war ihr dafür sehr dankbar, denn Chris saß noch immer in ihrem Sessel und hatte das Gefühl, dass ihre Beine auch jetzt noch nicht ihrem Gewicht standhalten konnten. Ihre Mutter saß ihr gegenüber auf der Couch und starrte ebenfalls vor sich hin. Niemand sagte ein Wort und es war eine furchtbare Stille in dem Haus, was ansonsten selten vorkam. Henrietta wusste jedoch beim besten Willen nicht, was sie ihrer großen Tochter hätte sagen sollen, sie war selbst ziemlich erschrocken. Chris war in einer elenden Verfassung, doch nichts was Henrietta jetzt hätte sagen können, würde Chris den Schmerz und den Schrecken nehmen.

Nachdem die Kinder eingeschlafen waren, kam Nicole wieder ins Wohnzimmer. Sie nahm Chris in den Arm und verabschiedete sich von ihr. Henrietta jedoch blieb bei ihr. Sie wollte ihre Tochter in dieser Situation nicht allein lassen. Henrietta ging in die Küche und machte Tee und eine Kleinigkeit zu essen. Nach einer Weile kam sie mit einem Tablett wieder ins Wohnzimmer und stellte es neben Chris. Chris schüttelte angewidert mit dem Kopf.

„Du musst doch etwas essen“, sagte Henrietta.

„Ich kann nicht.“

„Versuch es wenigstens.“

Chris hatte jedoch überhaupt keinen Hunger und ihr wurde beim bloßen Gedanken an Essen gleich wieder übel. Sie fürchtete sich augenblicklich übergeben zu müssen, wenn sie auch nur einen Bissen aß, folglich rührte sie ihr Essen auch nicht an, sie zwang sich lediglich ein bisschen von ihrem Tee zu trinken. Henrietta war wieder in der Küche verschwunden, um ein wenig aufzuräumen. Anschließend kam sie wieder zu Chris ins Zimmer, gab Chris einen Kuss auf die Stirn und sagte:

„Ich bin müde und werde versuchen ein wenig zu schlafen. Du solltest auch ins Bett gehen und dich ausruhen.“

„Ja“, sagte Chris leise.

Henrietta verließ leise den Raum und verschwand ins Gästezimmer. Chris saß derweil noch die halbe Nacht in ihrem Sessel und versuchte zu realisieren, was passiert war und wie Danny ihr das antun konnte. Was war passiert? Sie konnte nicht glauben, dass ihr Danny das getan hatte, was ihm vorgeworfen wurde, anderseits wusste sie auch von seiner Vergangenheit. Sie hatte gedacht, dass Danny die Vergangenheit jedoch hinter sich gelassen hatte. Sie hatte sich immer davor gefürchtet, dass ihn seine Vergangenheit irgendwann einholen würde, doch nicht so. Danny war immer ihr Fels in der Brandung gewesen. Sie brauchte ihn genauso wie er sie immer gebraucht hatte. Ihre Gedanken drifteten in die Vergangenheit ab.

Eine zweite Chance ?

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