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Carola war verschwenderisch, aber sie versuchte wenigstens nicht, sich von aller Schuld freizumachen und jammerte nicht: »Ich weiß, ich bin schrecklich verschwenderisch, aber ich kann anscheinend nicht anders.«

Kennicott hatte nie daran gedacht, ihr Haushaltsgeld zu geben. Seine Mutter hatte nie welches gehabt! Als geldverdienende Junggesellin hatte Carola seinerzeit ihren Kolleginnen in der Bibliothek erklärt, wenn sie einmal verheiratet wäre, würde sie sich ein Haushaltsgeld aussetzen lassen, geschäftsmännisch und modern sein. Aber es wäre zu mühsam gewesen, Kennicotts freundlicher Verbohrtheit auseinanderzusetzen, daß sie praktische Haushälterin ebenso sei, wie muntere Spielkameradin. Sie kaufte sich ein Haushaltungsbuch und machte sich ein Budget, das so exakt war, wie eben von einem Budget erwartet werden kann, wenn kein Budget da ist.

Im ersten Monat war es ein Flitterwochenscherz, auf nette Weise zu betteln, zu gestehen: »Ich habe keinen Cent im Haus, Lieber«, und sich sagen zu lassen: »Du bist ein verschwenderisches kleines Kaninchen.« Doch das Haushaltungsbuch ließ sie erkennen, wie unzuverlässig ihre Finanzgebarung war. Sie dachte darüber nach; ab und zu empörte es sie, daß sie ihn immer um Geld für das Essen bitten sollte, das sie für ihn kaufte. Sie ertappte sich dabei, daß sie Kritik übte an seiner Überzeugung: die spaßhafte Bemerkung, er wolle sie vor dem Armenhaus bewahren, sei einmal als bewundernswerter Witz akzeptiert und müsse sein tägliches Bonmot bleiben. Es war widerwärtig, ihm auf die Straße nachlaufen zu müssen, weil sie vergessen hatte, beim Frühstück um Geld zu bitten.

Doch sie dachte, sie dürfe ihn »nicht in seinen Gefühlen verletzen«. Er liebte es, der große Herr zu sein, der Geschenke machte.

Sie versuchte, die Häufigkeit dieser Bitten einzuschränken und wollte sich Konten eröffnen und ihm die Rechnungen zuschicken lassen. Sie hatte gefunden, daß Waren wie Zucker und Mehl am billigsten in Axel Egges ländlichem Laden zu kaufen waren. Sie sagte freundlich zu Axel:

»Ich glaube, es wäre besser für mich, wenn Sie mir ein Konto eröffnen würden.«

»Ich verkaufe nur gegen bar«, knurrte Axel.

Sie fuhr auf: »Wissen Sie, wer ich bin?«

»Ja, freilich weiß ich das. Der Doktor ist mir gut dafür. Aber das ist ganz einfach eine Regel, die ich mir gemacht hab'. Ich hab' niedrige Preise. Ich verkaufe gegen bar.«

Sie starrte ihm in das rote unbewegte Gesicht, ihre Finger verspürten den würdelosen Wunsch, ihn zu schlagen, doch ihre Vernunft stimmte ihm zu. »Sie haben ganz recht. Sie sollen Ihre Regel nicht für mich durchbrechen.«

Ihr Zorn war nicht verloren. Er wandte sich gegen ihren Mann. Sie mußte sofort zehn Pfund Zucker haben, hatte aber kein Geld. Sie rannte die Stufen zu Kennicotts Büro hinauf. An der Tür war ein Zettel, der ein Kopfschmerzmittel empfahl und verkündete: »Der Doktor ist nicht da, kommt zurück um –« Selbstverständlich, die leere Stelle war nicht ausgefüllt. Sie stampfte mit dem Fuß auf, sie lief hinunter zur Apotheke – des Doktors Klub.

Als sie hineinkam, hörte sie Frau Dyer sagen: »Dave, ich muß etwas Geld haben.«

Carola sah, daß ihr Gatte und zwei andere Männer da waren, daß alle belustigt zuhörten.

Dave Dyer schnauzte: »Wieviel willst du haben? Ist ein Dollar genug?«

»Nein, das reicht nicht! Ich muß Wäsche für die Kinder kaufen.«

»Na, du lieber Gott im Himmel, die haben doch jetzt schon so viel, daß der Schrank voll ist – wie ich das letztemal meine Jagdstiefel gesucht hab', waren sie überhaupt nicht zu finden.«

»Das ist mir ganz egal, sie sind ganz zerlumpt. Du mußt mir zehn Dollar geben.«

Carola merkte, daß Frau Dyer diese Erniedrigung gewohnt war. Sie merkte, daß die Männer, insbesondere Dave, das Ganze für einen ausgezeichneten Spaß hielten. Sie wartete – sie wußte, was kommen würde – es kam. Dave belferte: »Wo sind die zehn Dollars, die ich dir voriges Jahr gegeben hab'?« sah die anderen Männer an und wartete darauf, daß sie lachten. Und sie lachten.

Kalt und still ging Carola auf Kennicott zu und sagte in Kommandoton: »Ich muß dich oben sprechen.«

»Wieso – ist was los?«

»Ja!«

Er stapfte ihr nach, die Treppen hinauf, in sein verschlossenes Büro. Bevor er eine Frage herausbringen konnte, erklärte sie:

»Gestern hab' ich vor einer Kneipe gehört, wie eine Farmersfrau ihren Mann um einen Vierteldollar gebeten hat, um Spielzeug für das Kind zu kaufen – er hat ihn ihr nicht gegeben. Eben jetzt habe ich ansehen müssen, wie Frau Dyer dieselbe Demütigung erleben mußte. Und ich – ich bin in der gleichen Lage! Ich muß dich um Geld bitten. Täglich! Mir ist eben erklärt worden, daß ich nicht einmal Zucker bekommen kann, weil ich kein Geld habe, um dafür zu bezahlen!«

»Wer hat das gesagt? Bei Gott, ich bring' jeden –«

»Unsinn. Es war nicht seine Schuld. Es war deine. Und meine. Jetzt bitte ich dich demütig, mir Geld zu geben, damit ich für dich etwas zum Essen kaufen kann. Und dann, daß du daran denkst. Das nächste Mal werde ich nicht bitten. Ich werde ganz einfach verhungern. Verstehst du? Ich kann nicht immer eine Sklavin –«

Ihr Trotz, die Freude an ihrer Rolle versiegte. Sie schluchzte an seinem Mantel: »Wie kannst du mich so beschämen?« Und er plärrte: »Verdammt noch einmal, ich hab' dir doch was geben wollen, und dann hab' ich's vergessen. Ich schwöre dir, es wird nicht wieder vorkommen. Ganz bestimmt nicht!«

Er drängte ihr fünfzig Dollar auf, und später dachte er daran, ihr regelmäßig Geld zu geben … manchmal.

Täglich beschloß sie: »Aber ich muß eine feste Summe haben – geschäftsmännisch sein. System. Ich muß mich darum kümmern.« Und täglich kümmerte sie sich nicht darum.

Sinclair Lewis: Die großen Romane

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