Читать книгу Unser Seminarhaus in der Toskana - Stübel Sigrid und Günter - Страница 7

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2. Die Hintergründe des Traumes

2.1 Siggis Unternehmungen

Die Lust etwas selbständig zu unternehmen war uns offensichtlich beiden in die Wiege gelegt.

Bereits als wir uns kennen lernten, wollte Siggi immer einen Wollladen eröffnen, da sie selbst gern strickte. Nach ihrer Ausbildung als Sport- und Gymnastiklehrerin bei der Sportschule Kiedaisch in Stuttgart betätigte sie sich als Stadtsportlehrerin in Tübingen. Der Liebe wegen zog sie zu mir nach München, wo ich in dieser Zeit studierte. Die Enttäuschung war groß, als die bayrischen Behörden ihr mitteilten, dass ihre Stuttgarter Ausbildung in Bayern nicht anerkannt würde. Um eine Stelle zu bekommen, müsste sie noch eine zweijährige Ausbildung bei der Bode-Schule in München nachweisen. Das war doch etwas viel verlangt.

Anstatt zu verzweifeln und auf die Bayern zu schimpfen, schlug ihr unternehmerisches Herz und sie nahm die Angelegenheit in ihre eigenen Hände. Während unserem gemeinsamen Volleyballspiel beim Eisenbahner-Sportverein in Nymphenburg, sprach sie mit dem Vereinsvorstand und schwärmte ihm vor, ein paar Gymnastik-Stunden für Hausfrauen am Morgen, an dem die Halle nicht belegt wäre, zu organisieren. Der Vereinschef, ein gemütlicher und sehr sympathischer Bayer, ließ sich überzeugen und es konnte losgehen. Angesteckt von Siggis Begeisterung half ich einen großen Stapel Werbezettel zu kopieren.

Das war in der damaligen Zeit um 1968 gar nicht so einfach. Aber ich hatte Erfahrung durch mein Demo-Engagement in der Studentenorganisation ASTA gegen die Notstandsgesetze. Das war für die 68-er Generation, der ich nun mal angehörte, damals eine sehr ernste Angelegenheit. Somit hatte ich Gelegenheit und Erfahrung mit der Vervielfältigung von plakativem Material. Ausgestattet mit einem ansehnlichen Paket von Werbeblättern, schwärmten wir in unsere Nachbarschaft in Nymphenburg aus und füllten die Briefkästen mit unserer Botschaft. Wir hatten Dienstag um 11 Uhr die erste Stunde angesetzt. Natürlich waren wir beide gespannt, ob überhaupt jemand käme. Auch dank der Mundpropaganda im Verein erschienen tatsächlich 6 Frauen und die Gymnastik-Stunde konnte beginnen. Rasch sprach sich das Angebot in der Umgebung herum und dank weiterer Briefkasten-Aktionen füllten sich mit der Zeit mehrere Termine während der Woche.

Mit diesem Wissen startete Siggi auch in Stuttgart, wo wir nach meinem Studium hingezogen sind, zunächst an der technischen Universität Gymnastik-Unterricht für unsere Bekannten. Wegen meines ersten Jobs hat es uns nach Stuttgart zur IBM verschlagen. Dort fanden wir in der Alexanderstraße eine typische Innenstadtwohnung mit drei Zimmern. Die Wohnung lag am Hang mit Blick auf Stuttgart. Diesen genossen wir bei unserem Frühstück in der Küche jeden Morgen. Dort verstärkte unsere erste Tochter Tina unsere Familie. Wir merkten aber wie schwer es ist, in Stuttgarts Zentrum ein Kind groß zu ziehen. Um spazieren zu gehen mussten wir erst das Auto benutzen. Das unterbrach aber nur kurz Siggis Unternehmer-Drang. Sobald wir wegen der Erwartung des zweiten Kindes aus der Innenstadt nach Stuttgart Vaihingen gezogen waren, kreisten ihre Gedanken wieder um die Gymnastik. Nach der Geburt von Dagmar, ca. zwei Jahre später, reifte der Entschluss, einen Gymnastik-Treffpunkt in Stuttgart-Vaihingen zu gründen. Damit war auch schon der Name „Gymnastik-Treff“ gefunden, der sich bis heute weiter vererbt hat.

Ein Gymnastik-Raum zur Miete war in der Robert-Kochstraße rasch gefunden. Mit den bekannten Zetteln im Briefkasten, mit Zeitungswerbung, aber vor allem mit Mund- zu-Mund-Werbung, füllten sich bald mehrere Stunden pro Woche. Zum Werbeerfolg trug auch wesentlich der kleine Sportsmann bei, den der mit uns befreundete Maler Ui Hoffmann entworfen hatte, nachdem er einen ganzen Tag die Teilnehmer bei der Gymnastik beobachtet hatte.

Mit zwei kleinen Töchtern war es natürlich nicht so einfach, eine Work-Balance herzustellen. Mit Kindermädchen und der Hilfe des Ehemanns gelang es Siggi schließlich, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen. Da viel Unterricht in den Abendstunden stattfand, führte die Hilfe von mir bei der Kinderbetreuung öfters zu Konflikten, da auch die Freunde mit Sport lockten bzw. auch externen Druck aufbauten. Im Rückblick verstehe ich, dass dies die emanzipatorische Weiterentwicklung so mit sich bringt. Dass beide Kinder bereits mit jeweils 3 Jahren in den von uns gesponserten nicht-autoritären Pfaffenwald-Kindergarten an der Technischen Universität gehen konnten, erleichterte die Koordination von Familie und Beruf enorm.


Mit der Vergrößerung der Teilnehmerzahl war ein Umzug in die Räume des ehemaligen Wohnhauses der Familie Robert-Leicht in Vaihingen notwendig. Hier führte jedoch eine große Terrasse mit dem anschließenden beeindruckenden Garten zu einer unerwarteten Erweiterung des sportlichen Angebotes. Gerade der Garten lud zu zahlreichen Feiern ein und bot allen Freunden und Bekannten einen willkommenen Einblick in die Lernerfolge der Teilnehmer.

So entwickelte sich der Gymnastik-Treff zu einem gewinnbringenden Unternehmen mit 800 Teilnehmern pro Woche, das später unserer Tochter Christina weitergegeben werden konnte.

2.2 Günters Unternehmungen

Während dieser Zeit entwickelte ich mich beruflich Schritt für Schritt und trug parallel mit Wohlwollen und kräftiger Unterstützung zur Entwicklung des Gymnastik-Treffs bei.

Die Berufsentscheidung für IBM führte zu unserem Umzug nach Stuttgart, was ja mein Geburtsort und meine Heimat war. Bei dieser Firma lernte ich die Grundlagen der Informationstechnik kennen. Stetig begleitete mich jedoch die Sehnsucht nach wissenschaftlicher Erforschung dieses neuen Fachgebietes. So nutzte ich die Chance als mein Münchner Studienfreund Eckard Falkenberg mir eine Stelle an der Universität Stuttgart zum beruflichen Wechsel aufzeigte. Eine Vorstellung beim Abteilungsleiter für Informatik Dr. Hans-Jochen Schneider führte zu einer Assistentenstelle an diesem Institut. Meine Erfahrung bei IBM nützte beim Aufbau des Informatik-Studiums in Stuttgart sehr. Wir waren die Pioniere auf diesem neuen Gebiet.

Mit meiner Doktorarbeit 1972 über „die Simulation der Entwicklung von Unternehmen“ setzte ich in dieser Sparte ein deutliches Zeichen zur angewandten Praxis der Informatik, die ja bisher stark mathematisch und theoretisch ausgerichtet war. Bei einem Sommersemester am MIT (Massachusetts Institute of Technology) in Boston, USA, lernte ich die amerikanische Praxis der Verbindung zwischen Wirtschaft und Universität kennen. Dabei führten Projekte in der Praxis der Industrie unmittelbar zur Erweiterung des Lehrbetriebs und umgekehrt fanden wissenschaftliche Erkenntnisse Eingang in das Wirtschaftsleben. Auch die Professoren teilten ihre Arbeit zwischen Wissenschaft und Praxis und gewannen so einen weit größeren Erfahrungsschatz, als wir es von unseren Professoren in Deutschland gewohnt waren.

Diese Erfahrung hatte mich sehr beeindruckt, da es auch mein unternehmerisches Herz höher schlagen ließ. Schließlich hatte ich von meinem Vater, der als ein Kaufmann eine Teppich-Firma leitete, unternehmerisches Blut geerbt.

Zusammen mit dem Abteilungsleiter Dr. HJ. Schneider, der inzwischen einen Ruf als Professor an der technischen Universität in Berlin erhalten hatte, lehnten wir uns an das amerikanische Modell der Verbindung von Wissenschaft und Praxis an. Wir gründeten zusammen die Firma ACTIS-Angewandte Computertechnik für Informations-Systeme GmbH. Zunächst arbeiteten wir von der Universität aus und sammelten so unsere ersten Erfahrungen. Nach typisch deutschen Hindernissen, bei denen nach anonymen Anzeigen unsere Nebentätigkeiten polizeilich überprüft wurden, zog ich mit den Wurzeln unserer Firma ins benachbarte VDI-Haus ein. Hier begann die eigentliche Selbständigkeit.


Die polizeilichen Ermittlungen kosteten zwar Nerven und hohe Rechtsanwaltsgebühren, aber sie verliefen im Sand, da alle unsere Aktivitäten einschließlich der Rechnerkosten genehmigt worden waren. Diese bezahlten wir natürlich privat. Was wir theoretisch immer gehört hatten, dass es Gründer in Deutschland schwer hätten, erlebten wir damals am eigenen Leib.

Einige unserer neuen Mitarbeiter haben wir aus den von uns betreuten Diplomanden gewinnen können. Mit diesem Startkapital aus reiner Manpower entwickelte sich die Firma ACTIS in den nächsten 15 Jahren zu einem erfolgreichen Softwareunternehmen mit 200 Mitarbeitern und ca. 30 Millionen DM Umsatz. Mit Filialen in Frankfurt und Berlin waren wir bald europaweit tätig.

Die Aufgaben in der Familie mit Kinderbetreuung, die zwar Spaß machten, aber öfter mit den persönlichen sportlichen Aktivitäten und dem unternehmerischen Einsatz in Konkurrenz standen, führten immer wieder zu familiären Reibereien. Sie entspannten sich erst nach Einschaltung eines Familientherapeuten.

Zur Entspannung trugen auch die erholsamen und anregenden Urlaubstage auf der Insel Sylt bei. Dort entstand die Idee, etwas gemeinsam zu unternehmen. Bisher ging es immer ums Geldverdienen und um den Gewinn jedes Einzelnen. So wuchs die Sehnsucht, etwas zu schaffen, das uns verbindet und das unseren sozialen Absichten gerecht wird.

Nachdem wir zehn Jahre lang jeden Sommer mit den Kindern unseren Urlaub in der Akademie am Meer in Klappholttal verbracht hatten, ergab sich die Gelegenheit, zusammen mit den dort gewonnenen Freunden, etwas gemeinsam auf die Beine zu stellen.

Unser Seminarhaus in der Toskana

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