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2.1.3 Zwischenfazit: Die islamistische Ideologie als Radikalisierungsfaktor

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Wie in diesem Unterkapitel ausgeführt, sind Islamismus, Salafismus und islamistischer Terrorismus als religiös-politische Ideologie eine Form des politischen Extremismus, welche auf eine teilweise oder vollständige Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland (fdGO) abzielen.[1] Der Islamismus als religiös-politische Ideologie basiert auf der Überzeugung, dass Religion, hier: der Islam, nicht nur eine persönliche, private ‚Angelegenheit‘ ist, sondern auch das gesellschaftliche Leben und die politische Ordnung regeln soll.[2] Nach Analyse der deutschen Verfassungsschutzbehörden ist Islamismus eine politische Ideologie, die einen universalen Herrschaftsanspruch erhebt und Gewaltanwendung legitimiert, um als „islamisch“ definierte Ziele umzusetzen.[3] Kurz gesagt beschreiben die deutschen Verfassungsschutzbehörden Islamismus als eine religiös-politische Ideologie, deren Anhänger sich auf religiöse Normen des Islams berufen und diese politisch interpretieren.[4]

Daher muss die religiös-politische Ideologie Islamismus und ihre Religionspraxis, die für alle verbindlich gemacht werden soll, als im eindeutigen Widerspruch zu demokratischen Verfassungsordnungen stehend beurteilt werden.[5] Dementsprechend widerspricht das von Islamisten angestrebte Konzept eines Gottesstaates, in dem jegliche staatliche Legitimation unmittelbar von Gott hergeleitet werden soll, demokratischen Prinzipien von Volkssouveränität und Gewaltenteilung.

Die Studie Analyse der Radikalisierungshintergründe und -verläufe der Personen, die aus islamistischer Motivation aus Deutschland in Richtung Syrien oder Irak ausgereist sind. Fortschreibung 2016 des Bundeskriminalamtes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz wertete die vorliegenden Daten der Radikalisierungshintergründe und -verläufe von 784 Personen, die bis Ende Juni 2016 aus islamistisch-jihadistischer Motivation aus Deutschland in Richtung Syrien und Irak ausgereist sind, statistisch aus.[6] Bei der Frage nach der Motivation für eine aktive und/oder unterstützende Funktion innerhalb islamistisch-terroristischer Gruppen wie dem „Islamischen Staat“ oder der Al Nusra (bzw. Jabhat Fatah Al Sham, Al Qaida-Ableger in Syrien) waren Mehrfachnennungen möglich. Bei den 784 Personen wurden in über 60% der Fälle eine aktive Rolle in Moscheen bzw. Moscheevereinen, 54% die Funktion der Familie und der Freunde (peer group), in 44% islamistische Angebote im Internet, in 27% sog. Islamseminare, in 6% sog. Benefizveranstaltungen, in 3% Kontakte in der Schule und in 2% in Justizvollzugsanstalten festgestellt.[7] Hierbei liegen zu 79% der Islamisten Informationen zur Ausreisemotivation vor, bei denen islamistisch-jihadistische Beweggründe angenommen werden können, konkretisiert durch das Ziel, in „das Kalifat“ bzw. den „Islamischen Staat“ auszuwandern.[8]

Auffälligerweise werden ca. 96% der untersuchten Personen dem salafistischen Spektrum zugerechnet, wobei über die Hälfte von ihnen vor der (erstmaligen) Ausreise in einer Moscheegemeinde, einem Moscheeverein oder -verband aktiv waren.[9] Bei dem überwiegenden Teil der Ausgereisten war die realweltliche Anbindung an bekannte salafistische Persönlichkeiten bzw. deren Milieus offensichtlich ausschlaggebend für die Radikalisierung.

Diese empirischen Ergebnisse der psychologischen und sozialwissenschaftlichen Studien des Bundeskriminalamtes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz belegen die Wichtigkeit des Radikalisierungsfaktors Islamismus als religiös-politische Ideologie.

Politisch motivierte Kriminalität und Radikalisierung

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