Читать книгу Zarin der Vampire. Schatten der Nächte + Fluch der Liebe: Verrat, Rache, wahre Geschichte und düstere Erotik - Tatana Fedorovna - Страница 12

Goldene Tage in Ufa

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Die plötzliche Offensive überraschte unsere Feinde tatsächlich. Leider wurde Tarpen dem Stab von General Khanzin zugeordnet, weshalb wir uns für einige Zeit trennen mussten. Erst nach Ende der Kampfhandlungen durften die Frauen und anderen Angehörigen der Truppen folgen.

Koltschaks westliche Armee unter General Khanzin stieß blitzartig auf den Ort Ufa vor. Der Schlagkraft der neuen Truppe und ihrer guten Bewaffnung waren die Rotgardisten nicht gewachsen. Vor allem kam der Angriff für sie unerwartet.

Das zweite Heer, das sibirische, hatte Koltschak komplett dem tschechischen General Radola Gajda unterstellt. Dieses gelangte von Perm aus dreihundert Kilometer in das bolschewikische Gebiet.

Am 28. April fiel dann Ufa. Damit verloren die Roten den wichtigen Zugang zum Ural, denn die einzige Eisenbahnlinie wurde durchtrennt. Während der Kämpfe büßte die 5. Rote Armee zwei Drittel ihrer Mannschaft ein.

Koltschaks dritter Flügel, die Südarmee unter Below, wagte sich ebenfalls sehr weit ins Feindesland hinein.

Am erfolgreichsten von allen taktierte allerdings Generalmajor Pepeljajew, der unter General Khanzin diente. Sein Korps stieß am weitesten nach Westen vor, bis tief in den Ural. Nach langer Zeit betraten unsere Truppen erstmals wieder europäischen Boden. Ein kompletter Sieg erschien möglich. Ich weinte vor Glück, als ich diese Nachricht erfuhr. Gab es doch noch Gerechtigkeit? Bald konnte ich zu Tarpen reisen, da die Lage in den eroberten Gebieten stabil erschien. Drei Wochen waren mit ängstlichem Warten und Hoffen vergangen. An seinen Tod mochte ich nicht denken. Er würde es schaffen, Punkt!

Seine Abwesenheit verdeutlichte mir umso schmerzlicher, wie viel Platz er doch in meinem Herzen einnahm. Von Liebe wollte ich dennoch nicht sprechen, dazu war ein Monster wie ich doch nicht in der Lage. Die Gefühle für ihn waren offensichtlich nur ein Überbleibsel meines menschlichen Selbst, das sich auf ihn fokussierte.

Die Wartezeit vertrieb ich mir mit der Pflege von Karuschka und auch speziellen Jagdausflügen. Ein einheimischer Tierarzt, der als Pferdeflüsterer galt, und ein paar Tropfen meines Blutes heilten ihn offenbar von seinem Leiden. Das Tier blühte auf und zog schon bald neugierige Blicke auf sich. Bald strotzte er vor Kraft und Jugendlichkeit nur so. Andere Reiter bewunderten ihn und boten mir viel Geld für seinen Verkauf an. Besonders große Augen machten die tschechischen Offiziere, denn ursprünglich war es das schwächste ihrer Reitpferde gewesen.

Es gab immer ausreichend menschliche Jagdbeute in der Umgebung für mich. Die Stadt und die umliegenden Wälder waren voll damit. Meinen Karabiner, den ich am Sattel meines Pferdes befestigte, hatte ich immer dabei. Doch am liebsten benutzte ich Tarpens Dolch. So war er irgendwie bei mir und jagte mit.

Besonderes Vergnügen bereitete mir das Aufspüren von versprengten Rotgardisten, die sich in den Wäldern und sogar auf Dachböden in der Stadt versteckten. Zuweilen gerieten ehemalige Angehörige der Tscheka oder Offiziere der Rotgardisten zwischen meine Finger. Sie verkrochen sich überall, weil sie die Hinrichtung fürchteten, wenn sie sich stellten. Die einfachen Soldaten wurden meist jedoch in unsere Armee eingegliedert, sofern sie zustimmten. Bockten sie herum, wurden sie in ein Gefangenenlager gesperrt. Hingegen landeten die Offiziere und Tschekisten ausnahmslos am Galgen. Zuweilen mussten sie Folterungen durchstehen, weil man geheimes Wissen aus ihnen herausquetschen wollte. Mein hervorragender Spürsinn und zunehmende Erfahrung leisteten mir bei diesen Ausflügen, die der Rache dienten, gute Dienste. Wie eine einsame Wölfin durchstreifte ich die grünen Hügel und Wälder. Dabei ritt ich auf dem Rücken meines wunderbaren Karuschkas. Sein Fell glänzte in einem edlen Schwarzbraun. In wenigen Tagen war er zu einem Rappen von außergewöhnlicher Schönheit gesundet. Auch seine Furcht vor mir hatte sich gelegt, mittlerweile trug er mich ruhig über die Felder. Das war mein Werk. Er spürte, dass er mir die Genesung verdankte. Voller Freude wieherte er zuweilen ausgelassen.

Ich betrachtete diese Jagd als Teil meines Rachefeldzuges. Genüsslich zog ich oftmals die letzten Minuten meiner Opfer in die Länge, ließ sie wieder frei, schenkte ihnen ein wenig Hoffnung und erlegte sie dann doch. Ihre Gegenwehr war zumeist gering, da sie verletzt waren oder aus Vorsicht ihre Schusswaffen nicht einsetzten. Die meisten hatten diese sogar fortgeworfen, um nicht erkannt zu werden.

Natürlich gab es auch unter der Bevölkerung, die der Zarenfamilie wohlgesinnt war, unzählige Landsleute, die den Tod verdient hatten. Ich verschonte sie – aufgrund des Überangebotes aus den feindlichen Reihen. War das nicht eine Form von Gerechtigkeit?

Auf die Schliche kam mir niemand. Meine Papiere schützten mich vor jeder Bestrafung. Ich genoss eine Narrenfreiheit.

Die Offiziere von Koltschak, die in Omsk zurückgeblieben waren, bewunderten meinen Mut. Sie staunten, dass ich es als Frau wagte, mich ganz allein in den Wäldern zu bewegen.

Schnell hatte ich in der Stadt eine große Heerschar von jungen Verehrern am Hals, die sich daran überboten, mir Blumen und andere Geschenke ins Hotel zu senden. Meine widersprüchliche Ausstrahlung entfaltete ihre unselige Wirkung. Tarpen von Radewitz war ja fort, daher witterten sie eine seltene Gelegenheit. Jeder hoffte, mein eisiges Herz zu erobern. Aber es war nur aus gefährlich kaltem Erz. Diesem fehlte jede Menschlichkeit und Wärme. Nur für eine Person konnte es noch glühen. Ich gab mich äußerlich treu und tat schüchtern. Das verstärkte aber kurioserweise deren Bemühungen umso mehr. Menschen wollen das Besondere haben, das kaum erreichbar scheint. Die hässlichen Exemplare agieren notgedrungen am eifrigsten. So wollen sie das gespürte Minderwertigkeitsgefühl kompensieren und Anerkennung erringen.

Die Narren erschienen mir durchweg lächerlich, vor allem die Burschen, die nicht einmal richtige Männer waren.

Endlich wurde Ufa vom Generalstab freigegeben und ich durfte nachreisen. Der Ort galt nun als sicher in unserer Hand. In dieser Stadt war der Stab von General Khanzin und somit auch Tarpen stationiert.

Ich traf wieder mit dem Zug ein. Als Angehörige der Armee hatte ich Sonderrechte und durfte auch den prächtigen Karuschka im Viehwaggon mitnehmen. Tappen würde staunen. Die Stadt war kaum zerstört. Seit 1885 besaß Ufa eine Eisenbahnstation. Sie lag inmitten der leicht hügeligen, weitläufigen Waldsteppe nahe des Flusses Belaja. Die Häuser am Stadtrand waren zumeist zweistöckig, aus Holz errichtet und fügten sich idyllisch in die hübsche Landschaft ein. Aus der Ferne wirkten die bebauten Hügel wie übergroße Pilzkappen. Das Stadtzentrum lag am höchsten. Sogar Minarette und Kirchen standen dort nebeneinander, als wären sie freundschaftlich verbunden. Inzwischen verrichteten an diesem Ort auch Dampfmühlen, Sägewerke, Eisenbahn- und Schiffsreparaturwerkstätten ihre Arbeit. Als ich das erste Mal durch die Stadt ging, trieben Koltschaks Soldaten die letzten flüchtigen Rotgardisten und ihre Sympathisanten aus der Umgebung zusammen. Viele wurden gleich erschossen. Die restlichen wurden wie Vieh eingezäunt, saßen im Gras und erwarteten ihr trauriges Schicksal. Dieses Bild erinnerte mich an meine ersten Tage nach der Rettung in Jekaterinburg.

Die Stadt bildete das Zentrum des gleichnamigen Gouvernements, das nun aufgelöst war. Neben Kasan galt sie als die bedeutendste Metropole und wichtiger Verkehrsknotenpunkt in dieser Region. Die Bevölkerung setzte sich aus Russen, Baschkiren, Tartaren, Ukrainern, Tschuwaschen, Mari und vielen anderen Volksgruppen zusammen, die relativ friedlich miteinander gelebt hatten. Erst die Wirren der Revolution hatten dazu geführt, dass die verschiedenen Parteien die Volksgruppen gegeneinander aufwiegelten. Im Jahr 1918 hatten die Tataren hier eine muslimische Nationalversammlung gegründet und sich von Lenin losgesagt. Bald übernahmen jedoch die Bolschewiken die Macht. Nach deren Sieg hatten Pogrome die Baschkiren, Tataren und Tschuwaschen ausgedünnt. Letztere erhoben sich erfolgreich dagegen und unterstützten seitdem Koltschaks Truppen beim Vormarsch. Aufgrund des gemeinsamen Siegs gaben sie jetzt den Ton in der Stadt an und rächten sich an den bolschewistischen Russen. Immer wieder fand man Schwerverletzte und Tote mit herausgeschnittenen Zungen, ausgestochenen Augen und wimmernde, vergewaltigte Frauen. Man wusste dann, dass diese dem privaten Rachezug solcher Volksgruppen zum Opfer gefallen waren.

Auch in Ufa musste ich leider einige Tage auf die erste Begegnung mit Tarpen warten, da er unabkömmlich war, selbst im Stab schlief und General Khanzin an die vorderste Front begleitete.

Endlich war der Tag unseres Wiedersehens da. Ja, ich hatte ihn vermisst und sehnte mich nach ihm, nach seinen schönen Augen, seiner edlen Stirn, nach der Berührung mit seinen starken Händen. Ich fühlte mich fast wie eine normale menschliche Frau.

Mein tapferer Beschützer befand sich bei bester Gesundheit und guter Laune. Prächtig sah er aus, verflucht gut. Ich lief auf ihn zu und stieß einen Jauchzer der Freude aus. Mein Herz klopfte ungewöhnlich schnell.

In der Ferne breitete Tarpen die Arme aus. So empfangen Verliebte einander oder Väter ihre geliebten Kinder. Überglücklich fiel ich in diese und er schwang meine Beine kraftvoll hoch in die Luft. Die Leute schauten verdutzt. So viel Frohsinn waren sie in dieser blutigen Zeit nicht mehr gewohnt. Wir umarmten uns wie sehr gute alte Freunde, fast wie ein Liebespaar.

„Olga, ich liebe dich“, flüsterte er mir sogar zärtlich ins Ohr.

„Ich habe dich so vermisst!“, raunte ich zurück und küsste das seinige. Leider konnten wir nur wenige Stunden miteinander verbringen, da der Dienst nichts anderes zuließ. Wir genossen jede Minute und tauschten die wichtigsten Neuigkeiten aus.

„Rate mal, was ein verbündeter Kosaken-Ataman den Bolschewiken in Kasan abgenommen hat?“, machte mein tapferer Krieger mich neugierig.

„Was?“, fragte ich.

„Den kompletten russischen Goldschatz! Die tschechische Legion will ihn nun dem Admiral übergeben. Es sind 148 Tonnen Gold!“

Ich war überrascht. Das war eine gute Nachricht.

„Damit ist die Versorgung des gesamten Heeres gesichert, nicht wahr?“

„Ja. Wir können sogar genügend Schiffe nach Wladiwostok ordern, die uns in unsere Heimat ausschiffen!“, erwiderte Tarpen begeistert. Das versetzte mir aber einen Stich.

„Das ist ja wunderbar!“, stimmte ich ihm äußerlich Begeisterung vorspielend zu. Jetzt würde den Bolschewiken hoffentlich das Geld ausgehen. Ein Bettler hat nicht viele Freunde. Das förderte unsere Sache und meine Rache. Ich kam dem Kommandanten Jurowski und seinen Helfershelfern immer näher. Mein Blut geriet in Wallung. Ich fühlte mich einerseits großartig, andererseits befürchtete ich, dass die Zeit mit meinem besten Freund sich dem Ende näherte.

„Der ist für dich!“ Tarpen gab mir ein Dokument. Es war ein Passierschein, der mich zur Stabsangehörigen von General Khanzin machte. „Der öffnet dir hier alle Türen!“

Mein liebster Oberst musste wieder zum Dienst, bestieg sein Pferd und ritt, mir mit einer Hand zuwinkend, zum Stab zurück. Die Trennung, selbst wenn sie nur für einige Tage war, erfüllte mich mit Traurigkeit. Einzig mit Tarpen empfand ich mich als lebendig. Ich legte meinen inneren Schalter um, verabschiedete mich von den warmen Gefühlen und mutierte wieder zur Rächerin.

In den nächsten Wochen besuchte ich mehrere Gefangenenlager, um dort Angehörige des Sonderkommandos zu finden, das meine Familie nahezu ausgerottet hatte. Der wertvolle Passierschein verschaffte mir zu allen militärischen Einrichtungen Zugang. Da die Sonne in dieser Jahreszeit bereits sehr stark brannte und mich das Tageslicht trotz der Sonnenbrille blendete, nutzte ich dafür die Abendstunden. Die späten Frühlingstage waren in Ufa ziemlich heiß, fast schon sommerlich.

Leider fand ich in den Lagern keinen der Gesuchten und musste meinen Rachedurst wie in Omsk an irgendwelchen anderen Rotgardisten stillen.

„Kennst du Jurowski?“, war stets meine erste Frage an den Todgeweihten.

Verneinte derjenige, starb er sofort.

„Ja!“, antwortete endlich eines Tages ein Opfer.

„Wo ist er?“

„Wirst du mich dann verschonen?“, verhandelte es um sein Leben.

„Wenn du mir die Wahrheit sagst …“, stellte ich in Aussicht.

„Seine Einheit kämpft an dieser Front. Etwa zwanzig Kilometer südlich von hier.“

„Bist du ganz sicher?“

„Ich musste ihm als Bote einen Befehl überbringen“, versicherte er.

Ich stieß ihn weg. Jurowski lebte also noch!

Mit einer Hand wies ich in den Wald.

„Lauf in diese Richtung, vielleicht schaffst du es!“

Er lief, so schnell er konnte. Ich ließ ihm einige Minuten Vorsprung, dann folgte ich seiner Spur. Als er mich hinter einem Baum hervortreten sah, zuckte er erschrocken zusammen.

„Du wolltest mich ziehen lassen!“, beharrte er.

„Du warst nicht schnell genug und hast deine Chance vertan.“

„Wer bist du?“, fragte er voller Angst.

Da er sterben würde, war die Antwort ohne Bedeutung.

„Olga Nikolajewna Romanowa!“

„Die Zarentochter?“ Er blinzelte verblüfft.

„Wir haben meine kleine Schwester nach dir benannt. Mama hat dein Bild über ihrer Wiege angebracht. Jeden Tag hat sie gebetet, dass du lange lebst. Wie glücklich wäre sie, könnte ich ihr das erzählen.“

Ich hielt inne. Was sollte das? Rührte mich die Narrengeschichte tatsächlich? Nein, ich musste ihn töten! Er wusste zu viel.

„Warum bist du so schnell?“, nuschelte er. „Ich bin der beste Läufer in der Einheit gewesen und du holst mich trotzdem ein.“ Der Kerl quatschte selbst im Angesicht des Todes wie ein kleiner Junge.

„Wie heißt du?“, ließ ich mich für einen Moment darauf ein.

„Alexander, genau wie der Zarewitsch! Er wurde aber nach mir geboren.“

Mein Herz pochte bei der Erwähnung des geliebten Namens. Danach fragte ich:

„Wieso bist du bei den Roten?“

„Sie wollten sonst meine ganze Familie töten. Meine kleine Schwester ist so jung, sie hat noch gar nichts von der Welt gesehen.“

„Lauf!“, rief ich ihm zu und zwang mich, von ihm abzulassen. „Lauf ganz schnell!“

„Wirst du mich diesmal ziehen lassen?“

Ich musste fast lachen. Seine Geschwätzigkeit war idiotisch groß.

„Erzähle niemandem, dass du mich gesehen hast. Und jetzt renn!“

Seine Beine setzten sich in Bewegung. Endlich ahnte er, dass es besser war, zu verschwinden.

Hätte ich ihn nur getötet … Die Kreatur in mir raste und befahl mir, hinterherzulaufen und das Todeswerk zu vollenden. Innerlich zerrissen lenkte ich meine Schritte zurück zu Karuschka, der auf mich wartete. Ich bestieg ihn und verfolgte nochmals die Spur. Ich musste ihn doch töten. Sein Wissen gefährdete meine Existenz.

Und diesmal war der Kerl wirklich schnell. Erst nach zwei Stunden holte ich ihn erneut ein. Vor ihm lag bereits die Eisenbahnstrecke. Diesmal würde ich ihn nicht verschonen. Eine Dampflok tuckerte aus der Kurve und war bald auf der Höhe des Burschen. Während sie ihre Fahrt beschleunigte, sprang der Mann auf einen der Waggons. Beim Zurückblicken entdeckte er mich.

Er winkte mir sogar kess zu. Ich erwiderte aus der Ferne seinen Abschiedsgruß. Das Leben hatte sich ausnahmsweise für ihn entschieden. Sollte er seiner Mutter die gute Nachricht bringen. Sie würde ihm ohnehin nicht glauben. Ich mochte dieses gute Ende irgendwie. Es erinnerte mich an mein eigenes Glück, wenn man es so bezeichnen konnte.

Wenigstens besaß ich für meinen Feldzug neue Informationen. Sollte ich es wagen und die Front überqueren, um Jurowski zu finden? Das Vorhaben erschien mir gewagt. Vielleicht half mir wieder ein Zufall. Hatte ich vielleicht sogar Furcht vor ihm? Es war besser zu warten, bis sich die Zange um Zentralrussland schloss.

Auch das unsichtbare Band, das mein Herz mit Tarpen verknüpfte, hielt mich von diesem gefährlichen Schritt ab. Mein Beschützer war der einzige Mensch auf dieser Welt, der mir noch etwas bedeutete. Zähmte seine Liebe das rachsüchtige Monster in mir?

Allerdings sah ich meinen Ritter höchstens selten und dann bloß für wenige Stunden. Der Krieg forderte seinen Tribut.

In dieser kurzen gemeinsamen Zeit spazierten wir zumeist bis zur Morgensonne durch die einsamen nächtlichen Straßen. Manchmal aßen wir in einem der wenigen Restaurants und genossen jede Minute unseres Beisammenseins. Wir waren so etwas wie ein Paar geworden, tauschten zuweilen zärtliche Küsse, doch den letzten Schritt wagten wir aus verschiedenen Gründen nicht zu vollziehen und schoben ihn vor uns her. Noch immer hatte ich Angst, dass das Biest in mir dabei erwachte und ich ihn wie alle anderen tötete, mit denen ich verkehrte. Tappen war geduldig, da er ahnte, dass ein großes Leid mich hinderte.

Besonders gerne machten wir Wanderungen in die Umgebung der Sergiev-Kathedrale. Von hier aus schlängelte sich ein hübscher Weg den Hügel hinab zum unweit gelegenen Fluss Belaja. Im Winter gehen dort die orthodoxen Christen zur großen Wasserweihe hin. Sie schlagen Löcher in das Eis und reinigen sich im eisigen Nass von den Sünden des alten Jahres.

Wenn wir Hand in Hand am Ufer entlangschlenderten, schmiedete ich sogar Zukunftspläne, verwarf diese jedoch rasch. Das waren unsinnige Illusionen. Tarpen blieb ein Mensch, ich eine mordende Blutsaugerin. Über die Zukunft brauchten wir da nicht zu sprechen.

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