Читать книгу Zarin der Vampire. Fluch der Liebe: Verrat, Rache, wahre Geschichte und düstere Erotik - Tatana Fedorovna - Страница 9

Liebe und Tod

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Nur langsam verstand ich, was vorging. Partisanen hatten uns angegriffen und versuchten jetzt, uns alle zu töten. Durch die Sprengung war der Zug in der Mitte geteilt worden. Die Lokomotive stand in einiger Entfernung und fauchte, von Sperrbalken blockiert, vor sich hin. Lediglich ein Wagen hing noch an ihr. Die anderen lagen weit verstreut in der Umgebung.

Nachdem ich mir die Schläfen gerieben hatte, begriff ich noch einiges mehr. Die Sprengung war bewusst in der Mitte ausgelöst worden, denn unsere Gegner wollten die Zugmaschine verschonen und für ihre frevlerischen Zwecke nutzen. Zudem töteten sie auf diese Weise viele der Reisenden und hatten ein leichteres Spiel, die Überlebenden zu überwältigen. Ich mochte nicht genauer darüber nachdenken.

Inzwischen feuerten unsere Soldaten, was das Zeug hergab, die Partisanen ebenso. Pulverrauch umhüllte das makabere Geschehen. Es war nicht zu erkennen, wer die Oberhand behielt. Ich lag vollkommen ungeschützt im Gras und die Kugeln pfiffen von der einen in die andere Richtung an mir vorbei. Fliehen konnte ich nicht. Das Gewicht des Waggons und das verletzte Bein hielten mich fest.

Eine Gruppe von Bolschewiken kämpfte sich an den zerfetzten Eisenbehältern voran. Je näher sie kamen, desto enger wurde mein Hals. Gleich würden ihre schmutzigen Stiefel über mich treten. Ich hob die Hände schützend vors Gesicht.

„Ich bin bei dir, Olga!“, vernahm ich urplötzlich den Klang einer vertrauten Stimme.

Tarpen warf sich auf mich. Er versuchte mein Leben mit seinem Körper zu schützen und feuerte mit seinem Revolver auf die sich nahenden Angreifer.

„Flieh, Liebster!“, stieß ich hervor. In dieser großen Gefahr galt meine Sorge nur seinem Leben. Ich fühlte menschlicher als je zuvor.

„Niemals!“, murmelte er beherzt und schoss einen der Gegner nieder.

„Flieh! Denk an dich!“, rief ich energisch. Vielleicht verschonten sie mich, da ich eine Frau war. Tarpen würde es niemals schaffen. Nicht, wenn er hier ausharrte.

Sein Magazin war leer, doch er blieb auf mir liegen.

Ein großer, bärtiger Rotgardist war bis zu uns vorgedrungen und sah höhnisch auf meinen Beschützer herab, der nun nicht mehr schießen konnte. Der nächste Blick des Roten traf mich – und danach blickte uns der Lauf seiner Waffe entgegen.

Er feuerte eine Kugel aus dem Karabiner ab, die zuerst Tarpen durchschlug und meine Schulter streifte. Ein feuriger Schmerz durchjagte mich.

Ohne uns eine Gnadenminute zu gewähren, setzte der Satan sein Gemetzel fort. Den Mund zu einem abscheulichen Grinsen verzerrt, stieß er Tarpen das Bajonett mitten in die Brust.

„War die Hure das wert? Du hättest fliehen sollen!“, stieß er spöttisch hervor.

„Sie ist ein Engel!“, parierte Tarpen keuchend auf Russisch.

Eine Salve tschechischen Feuers trieb das kleine Kommando, zu dem der Kerl gehörte, in die Flucht. Tschack, tschack, schlugen Geschosse um meinen Körper herum ein. Da man uns für tot hielt, galten die Kugeln unseren sich vorarbeitenden Verteidigern.

Kurz darauf lag Tarpens Cousin feuernd neben uns. Sein verdrecktes Gesicht wandte sich mir zu.

„Mein Gott!“, fluchte er schockiert.

Schluchzend legte ich die Hände auf die Schultern meines Liebsten.

„Tarpen, du darfst nicht sterben!“, flüsterte ich. Warme, salzige Tränen rannen aus meinen Augen. Sie waren von menschlicher Art. Das Menschsein in mir gewann die Oberhand, das Rachemonster war hingegen für den Augenblick durch Sorgen und Liebe gelähmt.

„Du hast niemals wirklich gesagt, dass du mich liebst“, murmelte der Schwerverwundete mit seiner letzten Kraft. Seine Augenlider flatterten wie die Flammen von zwei Kerzen, die bei dem kleinsten Windstoß erlöschen konnten.

Mein Herz raste vor Aufregung und Entsetzen. Es pochte so wild, als wollte es aus der Brust springen. Ich musste ihn retten! Der Boden unter meinem Körper schien einzusinken. Die menschlichen Gefühle in meinem Inneren explodierten förmlich.

„Ich sage alles, was du willst, nur bleib am Leben und trink das!“, flüsterten meine bebenden Lippen. Mein Liebster durfte nicht sterben!


Der Cousin blickte irritiert, aber wen interessierte das im Angesicht des Todes? Das Leben meines Liebsten war in Gefahr!

In diesem Augenblick gab es nur Tarpen und mich. Wir befanden uns in einer isolierten Welt. Wir gehörten lediglich einander und waren durch ein überweltliches Band verwoben. Das Geschehen um mich her erschien mir unwirklich und ferner als die Sterne am Himmel. Es ging einzig um uns, um unsere Liebe, um meine Liebe. Mein Gott, in diesem Moment wurde es mir bewusst. Ich liebte ihn, ja ich liebte ihn. Ich liebte ihn so unendlich, meinen tapferen tschechischen Helden, dass er um nichts in der Welt sterben durfte. Eher sollte Gottes Paradies vergehen, als er seine Seele aushauchen.

Ohne Schmerz zu fühlen riss ich mit den Zähnen mir die Adern am Handgelenk auf und ließ das Blut in seinen Mund rinnen. Nur das konnte ihn noch retten.

Unterdessen fetzte mir eine Kugel ein Stück Haut samt Haar vom Kopf. Warmes Blut lief mir die Stirn herunter in meine Augen und mischte sich herab tropfend mit dem seinen. Es kümmerte mich nicht. Wen scherte so ein Schmerz, wenn der Liebste in den Klauen des Todes lag?

„Sag es nur dieses eine Mal!“, flüsterte er. „Sag, dass du mich liebst.“

Der Cousin begriff nicht, was ich tat, und schaute schockiert auf das Geschehen. Dann aber flackerte Mitgefühl in ihm auf. Er setzte sich schützend vor uns und schirmte uns vor Feinden und Freunden ab, sodass niemand meinen Frevel bemerkte. Dabei feuerte er aus seinem nachgeladenen Revolver.

„Ich liebe dich, Tarpen, natürlich und unendlich!“, quoll es bebend aus mir hervor. „Ich habe dich schon vom ersten Augenblick an geliebt. Ja, ich liebe dich! Hörst du das? Lebe, bitte lebe für mich und trink das jetzt! Vertrau mir! Du darfst nicht sterben!“

Ich drückte meinen vor Blut tropfenden Arm in seinen Mund. Er musste trinken, bevor er starb!

„Das ist der schönste Tag meines Lebens!“, flüsterte Tarpen mit letzter Kraft, sah mich lächelnd an. Er trank endlich von dem Blut und schwieg dann. Ich küsste inbrünstig seine Lippen. Mein roter Nektar tropfte aus meiner Kopfwunde in seinen Mund. Sein Lebenswille erlosch, seine Augen brachen, er war tot.

Ich senkte die Lider. Die Welt stand still und erstarb. Bitter und grausam war das Leben. Jetzt konnte ich bloß auf die besondere Kraft meines Blutes hoffen. Es würde ihn verwandeln, wie mich einst das Blut eines anderen Vampirs gewandelt hatte. Ein neues Leben erwartete meinen Freund. Gleich hatte ich einen Gefährten.

Das Schicksal hatte uns aneinander geschmiedet und ihm die Entscheidung abgenommen, ob er diesen Weg beschreiten sollte. Und wenn ich ehrlich war, freute ich mich, denn fortan würde ich nicht mehr allein sein. Mein Geist träumte uns schon durch die Städte Europas. Wir würden überallhin ziehen. Ja, Urlaub machen wie ein Liebespaar für unendlich lange Zeit.

In diesem Augenblick strömten die Worte des Buddhisten noch einmal durch meine Gedanken. Karma hatte uns füreinander geschaffen, von Gefährten zu Liebenden werden lassen. Reichte das nicht? Wozu brauchte ich noch Rache? Gegenüber der Liebe erschien sie mir in diesem Moment vollkommen bedeutungslos. Sie konnte warten, mein Tarpen war unendlich wichtiger. Als Vampir könnte ich mich ihm auch ganz hingeben. Sein Leben wäre nicht mehr in Gefahr.

Jetzt verabscheute ich mein Treiben mit den anderen Männern zutiefst. Wie eine Schlangenhaut würde ich die Nymphe von mir abschütteln, den Schmutz hinter mir lassen und meinen Körper mit der Reinheit der Liebe abwaschen. Wir waren fortan ein Paar, in alle Ewigkeit miteinander verbunden.

Die Partisanen zogen sich zurück. Die Gegenwehr der kampferprobten Tschechen war zu groß. Diese verfolgten die Fliehenden und gewährten keinerlei Gnade.

Als alle Teufel endlich in ihrem eigenen Blut lagen, grub man mich unter den Trümmern des Waggons frei. Mein Bein war schwer verletzt. Ein Brei aus malträtiertem Fleisch gewährte den Blick auf den Knochen. Der Seelenschmerz ließ mich jedoch den körperlichen nicht wahrnehmen.

Die Soldaten begannen die Toten aus den eigenen Reihen notdürftig zu begraben und deren Marken einzusammeln, damit sie die Angehörigen benachrichtigen konnten. Als sie Tarpen abholen wollten, verbot ich es.

„Er lebt noch und ist bloß ohnmächtig“, wandte ich ein. „Lasst ihn bei mir.“

Der Sanitäter, der mich verband und mein Bein schiente, fühlte sicherheitshalber nach Tarpens Puls und schüttelte den Kopf. „Er ist tot“, bestätigte er den Soldaten.

„Ich gebe ihn nicht her!“, rief ich erbittert und stieß mit dem gesunden Fuß nach dem Sanitäter. „Er ist mein!“

Die Soldaten blickten bedauernd auf mich. Sie vermuteten, ich wäre verrückt geworden. So etwas gab es häufig. Nicht jeder kam mit dem Schrecken des Krieges klar. Zum Glück gab es genug anderes zu tun. Sie ließen von mir ab und beerdigten ihre anderen Kameraden.

Dafür tastete jetzt der Staatsanwalt nach dem Puls meines Liebsten. Sokolow hatte überlebt. Sein Gesicht verlor sich in tiefer Betroffenheit. „Kein Anzeichen von Leben. Er ist wirklich verstorben“, erklärte er und setzte sich zu mir, um meine Hand zu halten. „Bitte akzeptieren Sie die Tatsache. Sie müssen das begreifen.“

Seine Frau sagte nichts. Sie war ebenfalls zu uns getreten. Tiefes Mitgefühl stand in ihren traurigen Augen.

Blinzelnd starrte ich auf das ungleiche Paar. Wie durch ein Wunder war den beiden nichts geschehen. Der Staatsanwalt umklammerte sogar den Griff seines ledernen Koffers.

Als Sokolow meinen Blick auf das Gepäckstück bemerkte, hellte sich seine Miene auf. „Keine Sorge“, beruhigte er mich, „dem ist nichts geschehen! Das war die Vorsehung und …“ Pikiert rieb er sich die Nase. Er bemerkte, wie unpassend seine Bemerkung in dieser Situation war. Wie viel Wert besaß ein Koffer voller Beweismaterial gegenüber dem Leben des liebsten Menschen?

Einige Soldaten scharten sich wieder um mich, um den Toten abzuholen. Ich schwieg und schüttelte grimmig den Kopf. Was sollte ich den Sterblichen erklären?

Niemand konnte mich jedoch dazu bewegen, Tarpen herzugeben. Alle Versuche, mir meinen Liebsten fortzunehmen, scheiterten. Wie eine Wahnsinnige klammerte ich mich an ihn. Ich würde nicht zulassen, dass sie ihn begruben. Er würde bald erwachen. Er musste! Nichts anderes ließ mein Herz zu. Und die Logik des Blutes schloss sich meinem Herzen an. Ich war eine Vampirin, folglich konnte ich andere zu Vampiren machen. Gleich würden wir wieder vereint sein!

Lediglich das Eingreifen seines Cousins verhinderte, dass die Soldaten mir Tarpen endgültig wegnahmen. Am Ende trugen sie mich zusammen mit seinem leblosen Körper ein Stück in den Wald hinein und lehnten uns an einen zerstörten Waggon. Ein Sanitäter schiente und verband mein verletztes Bein.

„Das sieht nicht gut aus“, stellte er gelassen fest. Er sah so etwas jeden Tag. Dann luden sie das Gepäck, die Waffen und die verbliebene Munition in den letzten am Zug hängenden Wagen. Die tödlich Verletzten erschossen sie gnädig, die Schwerverwundeten legten sie auf das Gepäck. Alle anderen mussten zu Fuß weitergehen. Sie stapften dem Rest des intakten kleinen Zuges hinterher. So wollten sie es bis zur nächsten Station schaffen.

Mich ließen sie zurück, da sie keine Gewalt gegen mich ausüben wollten. Es kam auf mich Verletzte nicht an.

„Kommen Sie so schnell nach, wie Sie können!“, ermahnte mich die schwangere Frau Sokolows und ihr Mann nickte ernst. Doch ihre Augen zeigten mir, dass sie nicht daran glaubten. Meine Verwundung erschien ihnen zu groß. Sie gingen davon aus, dass es ein Abschied für immer war.

„Schauen Sie nicht zurück! Sie müssen an Ihr Baby denken!“, bestärkte ich sie tapfer lächelnd. „Für euch gibt es noch Hoffnung.“

„Danke nochmals, vielen Dank, dass Sie uns geholfen haben!“ Tränen standen in den Augen beider.

„Das habe ich gern getan!“, entgegnete ich erschöpft. Sie sollten alle gehen.

Einzig Tarpens Cousin, der Leutnant, blieb gegen meinen Willen bei mir. Er sagte kein Wort, beobachtete mich und die Umgebung, deren Luft jederzeit von einem Schuss durchschnitten werden konnte.

„Sie sollten mit den anderen gehen“, wandte ich mich an ihn. „Die Partisanen werden sicher zurückkommen.“

Ich musste ihn irgendwie loswerden. Er sollte keinesfalls Tarpens Verwandlung und meine schnelle Heilung erleben. Schon jetzt spürte ich, wie das Wundloch an meinem Rücken schrumpfte. Es zog sich zusammen. Bald würde da jungfräulich frische Haut sein.

Vorsichtig sah er sich um, ob ihn niemand hörte. Dann lehnte er sich zu mir vor. „Ich könnte dich niemals allein lassen!“

Diese Worte machten mich unruhig. Es war das erste Mal, dass er mich so vertraut ansprach. Aus Respekt vor Tarpen hatte er das Gespräch mit mir gemieden und mich stets mit Sie angeredet.

„Aber Sie müssen mich allein lassen“, versuchte ich ihn erneut zum Gehen zu bewegen und den Abstand zwischen uns aufrecht zu erhalten. „Tun Sie es für Ihre Familie. Es reicht, wenn sie Tarpen verloren hat.“

Eine bittere Flüssigkeit bildete sich auf meiner Zunge, als ich auf die schlaffen Züge meines Seelengefährten herabsah. Hatte das bei mir auch so lange gedauert? Ich wurde zunehmend nervöser. Warum gerann Tarpens Blut und warum schlossen sich seine Wunden nicht?

„Wird er wirklich erwachen?“

Seine Frage elektrisierte mich. Er schien etwas zu ahnen.

„Nein, er ist doch tot!“, log ich und war andererseits immer besorgter. Irgendetwas stimmte hier nicht.

Tarpens Cousin sah mir eindringlich in die Augen. „Ich weiß, was du bist!“

„Was?“, tat ich erstaunt.

„Du bist die junge Hexe aus dem Wald, die wir vor dem Verbrennen gerettet haben.“

Die Kreatur in mir rollte sich erleichtert zusammen. Er hatte nicht meine wahre Natur erspürt. Allerdings hatte er mich wiedererkannt und hielt mich für so etwas wie eine Hexe.

Ich sagte kein Wort und sah zu meinem Herzallerliebsten. Zwar wurde die Bestie in mir immer stärker, aber mein kostbarer Tarpen hatte die Menschlichkeit darin nicht sterben lassen. Doch nun hatten die Teufel ihn sterben lassen. Mein bester Freund war inzwischen eiskalt.

Mir hingegen war warm, fast heiß. Lag das an meinen menschlichen Gefühlen, die in meiner Brust gerade dominierten? Die Liebe wärmte mein kaltes Blut. Die Sorge ließ den roten Saft schneller pulsieren. Tränen lief meine Wange herab. Mein Herz blutete.

Wie eine Mutter, die nicht glauben kann, dass ihr Kind verstorben ist, schüttelte ich Tarpens leblosen Körper immer wieder und sang ein Lied aus meiner Kindheit, dass Mama mir früher vorsang, wenn ich krank war. Das Bajonett hatte die harte Kruste aus Hass, die sich um meine Menschlichkeit geschlossen hatte, durchstoßen. Ja, ich liebte ihn. Ich liebte ihn so unendlich. Warum hatte ich das vor mir selber verborgen?

Aber er war tot. Absolut und endgültig tot. Für immer und ewig. Ich hatte den Inhalt meines Herzens verloren.

Und ich hatte mich geirrt, tödlich geirrt. Zwar heilte mein Blut Wunden, es besaß jedoch anscheinend nicht ausreichend Kraft, um Sterbende in Vampire zu verwandeln. Jetzt hatte ich alles verloren. Mein Leben war ohne wirkliche Bedeutung. Nur die Rache gab ihm überhaupt einen geringen Sinn. Die Schergen der Hölle sollten für Tarpens und dem Tod meiner Familie bezahlen. Unbändiger Hass begann emporzulodern, verbrannte alle Liebe, alle Gnade, die noch übrig war. Die Menschlichkeit erstarb endgültig. Ich war wieder das Monster der Rache, die Vampirzarin, die Prinzessin der Finsternis.

Zarin der Vampire. Fluch der Liebe: Verrat, Rache, wahre Geschichte und düstere Erotik

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