Читать книгу Grüne Seelen. Über die Weisheit der Natur - Thomas Lambert Schöberl - Страница 7

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Berufung – Eine Begegnung mit sich selbst

»Man muss an seine Berufung glauben

und alles daransetzen, sein Ziel zu erreichen.«

Marie Curie

Als soziale Wesen sind wir darauf angewiesen, dass wir schwingungsfähig sind und unseren Mitmenschen mit Empathie begegnen. Die goldene Regel der Christen: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!« oder »Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst!«, bringt es auf den Punkt.

Lebt man danach, eröffnet sich die wunderbare Möglichkeit, den anderen ohne die Verzerrungen der eigenen Ansprüche anzunehmen. Als Nächstenliebe ist helfendes Handeln für andere Menschen zu verstehen. »Liebe« bedeutet hier jede dem Gedeihen des Mitmenschen zugewandte uneigennützige Gefühls-, Willens- und Tatenhandlung. Der »Nächste« kann jeder Mensch sein, der uns begegnet, aber der Schlüssel zur Empathie liegt in einer gesunden Selbstliebe verborgen – in einer entwickelten, reflektierten und emotional anpassungsfähigen Persönlichkeit. Selbstliebe bedeutet somit nicht, dass man ein ungesundes Leben führen kann oder gar ein Leben, das ausschließlich auf den eigenen Vorteil hin ausgerichtet ist. Nein, Selbstliebe bedeutet, Verantwortung zu übernehmen!

Wir leben in einem System, das auf Konkurrenz, Leistung und Klassenspaltung basiert. Dass uns eine solche Form des Zusammenlebens auf Dauer krank und wenig glücklich macht, liegt auf der Hand. Wenn wir uns den Wald als Vorbild nehmen, dann stellen wir fest, dass der einzelne Baum in seiner gesamten Wachstumsphase die Bäume ringsum integriert und rücksichtsvoll achtet, anstatt sein Kronendach über alle Maßen auszubreiten. Er gesteht auch seinen Artgenossen einen Platz an der Sonne zu, denn er weiß instinktiv, dass er selbst und ebenso alle anderen nur in der Gemeinschaft stark sind. Ein einzelner Baum hält keinem großen Sturm stand, aber als Wald stützen sich die Bäume gegenseitig. Zum Gelingen eines gesunden Wachstums und eines fruchtbringenden Zusammenlebens gesellen sich Farne, Pilze, Insekten, Vögel und Tiere zu ihnen. Im steten Austausch spenden sie sich gegenseitig Nährstoffe, Wohnraum, speichern füreinander Wasser, Licht und Wärme, und selbst der Tod des Einzelnen wird zum Lebensraum und Geburtsmoment Tausender neuer Lebensformen.

Im Ökosystem Wald ist alles von einem tiefen Sinn durchdrungen. Auch wir Menschen müssen unserer individuellen, inneren Bestimmung folgen, um ganz im Sinne der Nächstenliebe andere Menschen an unseren Gaben teilhaben lassen zu können. All das setzt Großzügigkeit voraus! Großzügigkeit gegenüber unseren Mitmenschen und uns selbst. Wenn ich in meinem Leben reife Früchte ernten möchte und auf Chancen und Gerechtigkeit hoffe, so muss ich auch selbst fruchtbare Saat ausbringen.

In den Worten Pablo Picassos: »Der Sinn des Lebens besteht darin, deine Gabe zu finden. Der Zweck des Lebens ist, sie zu verschenken.«.

Großzügigkeit, Nächstenliebe und Individualität scheitern meist an der Missgunst und dem Neid des Einzelnen. Im Buch der Sprüche (14,30) steht geschrieben: »Ein gelassenes Herz bedeutet Leben für den Leib, doch Knochenfraß ist die Leidenschaft.«

Dieser Vers will uns sagen, dass uns die Orientierung am Außen, an Besitz, Prestige oder dem Erfolg anderer daran hindert, unserer eigenen Berufung zu folgen. Wenn uns Eifersucht, Gier oder Selbsthass zerfressen, lernen wir erst gar nicht, auf diesen zarten leisen Ruf in uns zu hören. Alles wird übertönt vom Frust und von der Anstrengung, es den anderen gleichzutun.

In Jakobus (4,1 – 2) heißt es: »Woher kommen Kriege bei euch, woher Streitigkeiten? Etwa nicht von den Leidenschaften, die in euren Gliedern streiten? Ihr begehrt und erhaltet doch nichts. Ihr mordet und seid eifersüchtig und könnt dennoch nichts erreichen. Ihr streitet und führt Krieg. Ihr erhaltet nichts, weil ihr nicht bittet.«

Wenn wir nur ein Auge dafür haben, wie die Gesetze der Ganzheitlichkeit in den Leben anderer wirken, werden wir oft blind für die Optionen unserer eigenen Welt. Der Weg zur inneren Zufriedenheit, zur eigenen Gesundheit oder in die eigene Berufung wird nicht gelingen, wenn Sie versuchen, ausschließlich den Wegen anderer zu folgen.

Es klingt so selbstverständlich, aber die wenigsten Patienten, die neu in meine Praxis kommen, haben sich bisher tatsächlich gefragt, ob zur Besserung ihrer Situation womöglich eine gänzlich neue Lebenshaltung der erste Schritt sein könnte. Unser Leben besteht aus Lektionen und Prüfungen. Neid, Passivität und Geltungssucht sind nur einige wenige davon. Wenn Sie diese Motive zum Antrieb Ihres Handelns wählen, wird dies früher oder später durch das Leben selbst entlarvt und Ihr Selbstbild erschüttert werden. Wahre Freude entsteht im Inneren und ist das Resultat eines mutigen, dynamischen Lebens. Richten Sie Ihre Gedanken immer wieder neu aus. Seien Sie nie zu alt oder zu jung! Die verschiedenen Phasen und Zyklen unseres Lebens sind gleichwertig, und diese Gewissheit spendet uns die Zuversicht, dass jede Einsicht ihre Zeit hat. Vergleichen Sie sich nicht mit Ihren Mitmenschen, lassen Sie sich nicht auf den Wettstreit der Leistungsgesellschaft ein, sondern seien Sie einzigartig.

Ich musste über viele Jahre lernen, dass meine Andersartigkeit gut ist und dass sie mir gefällt. Einzigartigkeit hat Wert! »Wasche dein Herz vom Bösen rein, Jerusalem, damit du gerettet wirst! Wie lange noch wohnen in dir deine frevelhaften Gedanken?« (Jeremia 4,14). Am Beispiel der Israeliten sehen wir, dass Habsucht, Gier und Neid nicht ins gelobte Land führen. Die Orientierung am Außen führte die aus Ägypten befreiten Israeliten auf eine vierzigjährige Reise durch die Wüste, und viele von ihnen erlebten die Ankunft nie. Die nur etwa 400 Kilometer weite Reise der Israeliten wurde zu einer 40 Jahre dauernden Irrwanderung eines ganzen Volkes.

»Und gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene« (Römer 12,2).

Natürlich fordert eine solche Lebenseinstellung Einsatz, Geduld und Fleiß. Sie werden Ihren Tagesablauf verändern müssen, möglicherweise früher aufstehen, alte Gewohnheiten ablegen und neue Dinge lernen müssen, dann werden Sie aber erkennen, dass sich die eigene Berufung in der Zusammenarbeit mit anderen erfüllt. Während der ersten Jahre meiner Praxistätigkeit habe ich viel Schmerz, Einsamkeit und emotionale Entfremdung in den Gesichtern der Menschen gesehen. Sie kamen aus so vielen Beweggründen. Ich erkläre meinen Patienten, dass ihr Schmerz, egal ob physischer oder psychischer Natur, in erster Linie in guter Absicht kommt. Schmerzen wollen uns schützen. Sie sind unmissverständliche Signale, die uns, ganzheitlich betrachtet, zur Umkehr auffordern.

Ich sehe meine Gabe und meine Berufung als Heilpraktiker nicht darin, ein Verwalter von Krankheiten zu sein. Ich sitze meinem Besucher gegenüber, um ihm neue Räume zu öffnen und um ihm bedingungslose Liebe zu schenken. Um sich dazu zu befähigen, braucht es eine sehr bewusste Routine der Selbstfürsorge. Ich liebe es, Bäume zu besuchen, zu umarmen und mit ihnen zu sprechen. Ich klage ihnen meine Sorgen und Ängste. Das ist eine Übung, die ich ganz besonders mag. Ich sitze auch gern mit geschlossenen Augen am Fluss und stelle mir vor, wie das Wasser all meine Sorgen mit sich wegträgt. Dann schöpfe ich neue Kraft und Inspiration für meine Arbeit.

Eine von vielen Möglichkeit, wie wir die eigenen Talente nachhaltig entwickeln können, ist somit der Beruf, den wir wählen.

Das Wort Beruf kommt von Berufung. Das Ständesystem des Mittelalters kannte die »innere Berufung« und die »äußere Berufung«. Die Arbeit der Menschen war sehr stark vom christlichen Weltbild eines göttlichen Plans bestimmt. Im Zuge der Säkularisierung verschwanden die religiösen Aspekte der Arbeit, die sozialen Verpflichtungen blieben jedoch im Rahmen der Arbeitsteilung erhalten. Heute sind mit dem Berufsinhalt, neben der Sicherung eines Einkommens und dem Erwerb von Rentenansprüchen, auch persönliche Lebens-Inhalte, individuelle Interessen, Wertvorstellungen, Ziele, soziales Ansehen und gesellschaftliche Wertschätzung verknüpft. Unser Beruf bestimmt maßgeblich unsere Sicht auf die Welt.

Beruf und Privatleben formen und beeinflussen sich im gegenseitigen Wechselspiel. Hier wird bereits spürbar, dass sich eine Kluft zwischen unserer natürlichen Sehnsucht nach Gemeinschaft, gesellschaftlicher Wertschätzung, schöpferischer Freiheit und dem normierten, vom Menschen und vom Produkt entfremdeten Berufsleben unserer Zeit auftut. Oft beobachte ich, dass der einseitige Berufsalltag meiner Patienten einer dringend notwendigen Lebensumstellung im Weg steht. Die berufliche Monotonie lässt ihre Sinne, Gedanken, ihre Intuition und ihre Lebenskraft verkümmern. Während einzelne Firmen ihre Mitarbeiter im Bereich Achtsamkeit und Ressourcenmanagement schulen, ist der großen Masse an Arbeitgebern bei der Vorstellung, mit wachen, bewussten und achtsamen Mitarbeiten konfrontiert zu sein, eher unwohl. Ja, einem ganzheitlichen, achtsamen Blick auf die Welt wohnt ein gesellschaftskritisches Potenzial inne.

Zurück zum Hamsterrad des Alltags. Ein Europäer mit einer achtzigjährigen Lebenserwartung verbringt rund acht Jahre seines Lebens mit Arbeit, vierundzwanzig Jahre mit Schlaf und zwölf Jahre mit Fernsehen. Es ist nicht verwunderlich, dass ich in meinem Praxisalltag feststelle, dass Berufswahl, Freizeitgestaltung und Konsumverhalten sich gegenseitig stark beeinflussen. Doch liegen besonders am Arbeitsplatz und in der Gestaltung unserer Freizeit wichtige Faktoren für eine gesunde Psyche und eine stabile körperliche Gesundheit verborgen.

Unser Arbeitsleben setzt den Tag- und Nachtrhythmus außer Kraft. Smartphones und elektrisches Licht rauben vielen Menschen die Ruhe zum Schlaf. Früher war die Hauptaufgabe des Menschen die Nahrungssuche. Heute stopfen wir uns mit industriell hochverarbeiteten Füllstoffen voll, die uns nicht nähren, sondern als trügerische Ersatzbefriedigung Entzündungen, Allergien und Fettsucht fördern. Das ständige Abgehetztsein, oft, ohne einen wirklich produktiven, sichtbaren und nachhaltigen Sinn der eigenen Arbeit zu erkennen, führt zur Verkümmerung unserer Atemmuskulatur. Flaches, gestresstes Atmen fördert Müdigkeit, Schlafprobleme, Herzerkrankungen, schwächt das Immunsystem, lähmt den Magen-Darm-Trakt und befeuert Nacken- und Rückenschmerzen. Beobachten Sie Ihre Atmung – sie verrät viel über unseren physischen und psychischen Gesundheitszustand.

Kommen neue Patienten in meine Praxis, ist es üblich, dass ich neben einer sehr ausführlichen Krankenanamnese auch den Lebensweg und den beruflichen Werdegang meiner Besucher studiere. Alles ist wichtig! Genau das zeichnet die Naturheilkunde aus. Und nein, dabei geht es nicht um Placebo-Gespräche. Es geht um die strategische Entwicklung eines neuen Lebenskonzeptes. Dieses herausfordernde Ziel braucht vollste Aufmerksamkeit und viel Zeit. Für viele Menschen hört sich das anstrengend an. Wir haben verlernt, uns Zeit für uns selbst zu nehmen, und damit meine ich nicht die tägliche Dosis Fernsehen, Internet oder Selbstoptimierung im Fitnessstudio. Weil wir vergessen haben, wie es ist, Zeit in der Stille zu verbringen, sich produktiv mit dem eigenen Selbst auseinanderzusetzen und Innenschau zu betreiben, erscheint vielen die Vorstellung einer tief forschenden, naturheilkundlichen Sitzung beim Heilpraktiker als anstrengend.

Oft dauert es eine Weile, bis Patienten erkennen, dass eben diese Vernachlässigung ihrer selbst, also das unentwegte Suchen im Außen, den Kern ihres Problems birgt.

Weitere wichtige Informationen über mein Gegenüber entdecke ich in der Familiengeschichte, in Schicksalsschlägen, prägenden Lebensereignissen und in Vorerkrankungen aller Art. Wie ist der enge Freundeskreis aufgebaut, was verrät der Beruf, welche Sehnsüchte, Wünsche und Ängste bringt ein Patient mit, und, ja, sogar die Gestaltung der eigenen Wohnung spielt beim Erstgespräch eine wichtige Rolle.

Der Versuch, den Menschen in seiner Ganzheit kennenzulernen, ist eine wichtige Voraussetzung, um die meist brachliegenden Selbstheilungskräfte zu wecken. Dabei ist Geduld und Einfühlsamkeit ein wichtiger Therapiebaustein. Die Bereitschaft des Patienten, Zeit in diese Prozesse zu investieren, ist von ganz entscheidender Bedeutung. Viele Menschen beginnen erst durch Schicksalsschläge verschiedenster Art, ihren Lebensweg zu hinterfragen. Wenn wir mit offenen Augen durchs Leben gehen und damit aufhören, existenzielle Fragen zu verdrängen, wird es uns möglich, auch ohne schmerzhafte Erfahrungen »umzukehren«. Es ist von äußerster Wichtigkeit für das eigene Seelenwachstum, dass man die Konsequenzen des eigenen Handelns stets hinterfragt. Was löse ich mit meinen täglichen Entscheidungen aus? Nützt mein Verhalten zum Beispiel meiner Gesundheit oder den Menschen in meinem Umfeld? Wie wirkt sich mein Konsumverhalten auf Natur, Tier- und Pflanzenwelt aus, oder unterstütze ich durch meinen Beruf oder meinen Lebenswandel menschliches Leid und die Ausbeutung von Arbeitskräften? Auf welchen Kosten, die andere tragen müssen, ist mein Leben aufgebaut? Lassen Sie zu, dass auch Ihre alltäglichen Entscheidungen zu echten Gewissensfragen werden, denn unser Gewissen ist ein unsichtbarer Draht zum Göttlichen, der Schlüssel zur Intuition, der Weg zur Ganzheitlichkeit, ein Pfad zu uns selbst und zu unserer Berufung. Wir können eben immer nur so gesund und glücklich sein wie unser Umfeld.

Mein großes Interesse für Überlegungen dieser Art führte dazu, dass ich mich schon früh zum Heilpraktiker berufen fühlte. Ich verspürte einen tiefen Drang, die in mir sprudelnde Neugier gegenüber dem Leben und der Natur auch in anderen Menschen zu wecken. Anderen Menschen die Augen für die Schönheit und Komplexität der Natur zu öffnen, war mir schon immer ein großes Anliegen. Dass wir bei der Begegnung mit der Natur nur uns selbst begegnen, ist vielen von uns gar nicht bewusst. Es ist faszinierend, wie sehr sich Menschen verändern, wenn sie einen Urlaub am Meer, in den Bergen oder auch nur ein paar Stunden im Wald verbringen. Immer wieder beobachte ich, wie klar ihr Blick wird, sich ihre Haut, ihre Art zu sprechen und vor allem ihr Denken verändert und sich der Schleier des Alltags langsam wie ein Nebel auflöst. Raus aus dem Büro und rein ins Grüne!

Mein Beruf erleichtert mir eine solche Lebenseinstellung, und aus meiner Perspektive erscheint die Frage, die man mir so oft stellt, warum ich nicht Arzt, sondern Heilpraktiker geworden bin, wie eine rhetorische Frage.

Besonders schätze ich die Unabhängigkeit und Vielseitigkeit des Heilpraktikerberufs. Die Therapiefreiheit von Heilpraktikern sorgt dafür, dass unsere Praxen einige der wenigen Orte im Gesundheitswesen sind, die noch wirklich gelebte Individualität verkörpern. So ist es jedem einzelnen Heilpraktiker möglich, aufgrund seiner eigenen Lebenserfahrung und Philosophie sein ganz spezielles Angebot zu entwickeln. Das ist etwas sehr Wertvolles, denn ganzheitliche Heilung vollzieht sich immer im zwischenmenschlichen Kontakt.

Der Beruf des Heilpraktikers hat sich über Jahrhunderte hinweg behauptet und in der Gesellschaft etabliert. Ungeachtet aller Trends und Zeitgeister ist der Heilpraktiker ein Brückenbauer zwischen Medizin, Naturkunde, Spiritualität und Seelsorge geblieben. Zahlreiche weitere Berufe und Bewegungen sind aus ihm hervorgegangen. Es bestehen enge Verbindungen zwischen der Entstehung der Reformhäuser, der biologischen Landwirtschaft, der reformpädagogischen Bewegungen oder der Etablierung von den heute so beliebten Fasten- und Naturheilkundezentren. Das Heilpraktikerwesen stellt also eine wichtige Opposition zum Massenbetrieb der konventionellen Gesundheits-, Ernährungs-, Umwelt- und Bildungspolitik dar. Es waren überwiegend Heilpraktiker, die in den 80er-Jahren die Kunst der Akupunktur, Meditation und Yoga in den Westen importierten. Anfangs verlacht, sind diese Verfahren heute Therapiemethoden, die selbst von Ärzten verordnet und von Krankenkassen anerkannt werden.

Heilpraktiker waren ihrer Zeit oft weit voraus. Im Gegensatz zur akademischen Medizin speist sich das Heilwissen der Heilpraktiker aus der rein praktischen Erfahrung vieler Generationen. Daraus entwickelte sich später der Begriff der Erfahrungsheilkunde. Unbestritten: Der medizinische Fortschritt unserer Zeit ist ein großer Segen, und wissenschaftliche Standards sind in der flächendeckenden Behandlung von akuten Erkrankungen und medizinischen Notfällen ein großer Gewinn, doch fasst unser menschliches Leben auch eine nicht messbare, eine nicht objektivierbare Seite in sich. Es gibt Dinge, die nicht erlernt, sondern nur erfahren werden können.

Genau hier beginnt die faszinierende Welt eines Heilpraktikers.

Heilpraktiker wird man nicht aus falschen Motiven. Weder das Versprechen auf Reichtum noch Prestige, Macht oder Einfluss sind Motor unserer Berufswahl. Nein, es ist die Überzeugung, dass wir Menschen dazu in der Lage sind, eine gerechtere, grünere, liebevollere Welt im Einklang mit der Natur zu gestalten.

Oft entspringt der Entschluss zu einer Heilpraktikerausbildung aus der Erfahrung mit einer eigenen Erkrankung oder ist das Ergebnis einer überstandenen Lebenskrise. Auch spirituelle Erfahrungen, das Erleben medizinischer Wunder oder der Wunsch nach einer sinnerfüllten beruflichen Veränderung führen zum Heilpraktikerberuf. Im Austausch mit unseren Patienten und im Kontakt mit der Natur bekommen Heilpraktiker unglaublich viel zurück – das ist ein nicht materieller Reichtum. Ein Reichtum, der die Seele nährt. Heilpraktiker sind die Lobby der Natur, deren Stimme in Zeiten des Klimawandels, der Umweltverschmutzung und der Zunahme von chronischen Erkrankungen nicht verstummen darf. In Zeiten eines kommerzialisierten, von Eliten beherrschten Gesundheitssystems, einer monopolisierten Ernährungswirtschaft und der Ausbeutung ganzer Gesellschaftsschichten stellt der Heilpraktikerberuf eine wundersame Waldlichtung dar, die, einmal entdeckt, eine Schatzkammer innovativer, längst vergessener Visionen, einer nachhaltigen und gesunden Zukunft offenbart.

In meiner Praxis bin ich für viele Patienten die letzte Anlaufstelle nach einer langen Odyssee. Nach der Ernüchterung, dass auch Heilpraktiker keine übersinnlichen Alchemisten sind, folgt die Erkenntnis, dass der Weg der Heilung ein aktiver Weg der Umkehr ist. Umkehren bedeutet für mich den Weg der Erlösung wählen. Ein Sich-Lösen von materiellen Dingen, von Profilneurosen, Sexismus, Macht und Konsum. Dabei geht es nicht darum, diese Dinge zu verteufeln, sondern darum, ihnen nicht mehr ausgeliefert zu sein. Wir müssen uns fragen: Wo begegnen mir in meinem Leben Angebote, die ich annehmen sollte, und von welchen Dingen sollte ich dringend Abstand nehmen? Welche Erfahrungen dienen der Entwicklung meiner Seele? Ihre Antwort auf diese Fragen entscheidet, welchem Geist Sie in Ihrem Leben künftig folgen, welche Vorbilder und welche Lehrer Sie wählen – kurz: in welche Richtung Sie sich ganzheitlich, als Körper, Geist und Seele, entwickeln und welchem Ruf Sie folgen.

Wenn ich als Heilpraktiker und Lehrer immer wieder feststellen muss, dass viele Menschen ihre Autos, Uhren oder Haustiere besser pflegen als ihren eigenen Körper, dann stimmt mich das nachdenklich.

Wir missachten die Gesetze der Natur und sind dem Größenwahnsinn verfallen. Wir beuten unseren Planeten, die Tier- und Pflanzenwelt aufs Schändlichste aus und behandeln unsere Mitmenschen als moderne Sklaven, um den Wohlstand weniger Menschen zu sichern – ganz abgesehen davon, dass dieser umkämpfte Wohlstand eher einem Opium entspricht, das dafür sorgt, dass keiner das vorhandene System hinterfragt. Wir lechzen einem Wohlstand hinterher, der uns oft chronisch krank und übergewichtig macht, unsere Faulheit fördert und uns seelisch und geistig verarmen lässt. Diese Zustände sind das Endresultat aus dem Von-der-Natur-getrennt-Sein, einem Rückgang von Spiritualität, einer Verarmung von Sprache, Kunst und Kultur als Folge eines ungezähmten Kapitalismus. Wir wollen immer mehr und definieren unseren Wert als Menschen über Rang, Besitz oder die Anzahl von Bewunderern und Followern.

Wir haben verlernt, unserer Intuition zu lauschen und ihr zu vertrauen. Eine gesunde und ausgebildete Intuition muss aber trainiert werden. Intuition fußt nicht auf Wissen, sondern speist sich aus gelebten Erfahrungen und der Vielfalt an erfahrenen Emotionen. Intuition lässt sich nur durch emotionale Arbeit, Achtsamkeit und Lebensmut ausbauen. Intuition ist Verbundenheit mit der Natur. Wenn sich die Grenze zwischen dem Ich und dem Gegenüber, dem Baum, dem Wind, dem Partner, der Musik, dem Kunstwerk oder der Gemeinschaft auflöst, dann sind wir schwingungsfähig, sprichwörtlich auf einer gemeinsamen Wellenlänge. Diese intuitiven Flow-Erlebnisse, in denen wir ganz im Hier und Jetzt ruhen, Zeit und Raum ihre Bedeutung verlieren, Konzentration der schier uferlosen Aufmerksamkeit weicht und Produktivität und Erholung Hand in Hand gehen, sind für die meisten Menschen ein völlig unbekanntes Phänomen. Und doch ist dieser Zustand des Flows, die Verbindung zur Natur, das Vertrauen auf die eigene Intuition und die Gewissheit, als Teil einer großen Schöpfung gut und richtig zu sein, Bestandteil eines uralten und essenziellen menschlichen Erfahrungsschatzes.

In unserer modernen Welt sind die Folgen der Abwesenheit dieser gelebten Weisheit an allen Ecken und Enden sichtbar. Alkoholismus, Drogensucht, übersteigerte Sexualität, männliche Machtgebärden, die Unterdrückung des Weiblichen, Burn-out, Depressionen und der unstillbare Durst nach Event, Konsum und oberflächlicher Dauerunterhaltung sind Symptome einer nicht zur Ruhe kommenden Gesellschaft, die sich aber zugleich vor der Option einer geerdeten und aufmerksamen Weltsicht fürchtet. Reduktion, Achtsamkeit und Intuition sind Spiegel, die uns auf uns selbst zurückwerfen. Sie helfen uns, unsere Gedanken neu auszurichten. Doch mittlerweile sind wir Meister darin geworden, die sehnsuchtsvollen Bilder unserer Seele, die Erinnerungen an Mitgefühl und Naturverbundenheit, zu verdrängen. Verdrängung und Normierung sind die Lebensbewältigungsstrategien unserer Zeit. Die Natur jedoch kommuniziert nonverbal, unmittelbar und direkt – und das ist die Sprache unseres Unbewussten. Emotionen gelten in unserer aufgeklärten, evidenzbasierten Welt als vage, nicht verlässlich und unstet. Weit gefehlt! Emotionen lassen sich nicht erklären, man erlebt sie. Im Spiegel der Natur, der Intuition, der Nächstenliebe oder auch der Achtsamkeit landet man bei sich selbst – etwas, das wir unser ganzes Leben lang zu vermeiden scheinen.

Als Heilpraktiker versuche ich, meinen Patienten Wege und Methoden aufzuzeigen, die ihnen helfen, sich selbst liebevoll und in Frieden zu begegnen. Die Verbindung zur Natur ist hierbei Dreh- und Angelpunkt meiner Arbeit, das Alpha und Omega aller Interventionen. Die Begegnung mit dem Unbekannten, den dichten Farnwäldern, den knorrigen alten Baumwipfeln, den Höhlen und Schluchten und den endlosen Tundren der eigenen Seele ist eines meiner obersten Lebensprinzipien. Wenn wir nur das tun, was wir gewohnt sind und was uns gefällt, können wir uns nicht verändern. Jetzt fragen Sie: Warum sollte ich mich verändern? Ich bin gut so, wie ich bin. Gehört nicht Selbstliebe zu einer gesunden Lebenseinstellung, und ist es nicht gerade die Selbstliebe, die uns zur Nächstenliebe befähigt? Ja, das stimmt. Dennoch unterliegen auch Liebe, Selbstannahme und Selbsterkenntnis einem steten Fluss. Wandel, Reifung und Weiterentwicklung sind Urprinzipien der Natur, und so gibt es nichts Schädlicheres für uns und unsere Umwelt, als wenn wir aus dem Wunsch nach Sicherheit Veränderung und Wandel unterdrücken.

Als Heilpraktiker setze ich sogenannte Reize. Diese Reize stimulieren auf körperlicher, geistiger oder seelischer Ebene unsere körpereigenen Programme, wie zum Beispiel unser Immunsystem, unsere mentale Abwehr, unser Gefühlsleben oder gar verschüttete oder verdrängte Erinnerungen. Erst wenn wir in Resonanz mit uns selbst treten, können Selbstheilungskräfte aktiv werden. Wenn wir also nur das tun, was uns scheinbar gefällt, arbeiten wir gegen eines der natürlichsten Gebote unserer Mutter Erde – den Wandel.

»Bleib, wie du bist!«, steht auf Geburtstagskarten geschrieben und indirekt auch in den meisten Beipackzetteln schulmedizinischer Blutdruck- und Blutfettsenker, Schmerzmittel, Psychopharmaka oder vieler weiterer milliardenfach eingenommener, synthetischer Präparate. Mit dem fatalen Satz »Bleib, wie du bist!« bauen wir uns ein eigenes Gefängnis mit vergoldeten Gitterstäben und wundern uns doch, warum der Blutdruck nicht sinkt, die Dosis steigt, wir uns immer wieder in die gleiche falsche Person verlieben, an den gleichen Hürden scheitern und uns zunehmend unfrei fühlen. Es ist eben, ungeachtet der Folgen, allzu einfach, nur die Dinge zu tun, die wir bereits kennen. Nachhaltige Heilung findet immer auf allen Ebenen der menschlichen Existenz statt, dem Körper, dem Geist und der Seele. Jede dieser drei Ebenen ist immateriell, aber auch physisch eng mit der Natur und ihren Elementen verbunden.

Wagen Sie mit mir gemeinsam den Sprung in ein Ihnen bisher vielleicht noch fremdes Weltbild, und entdecken Sie Ihre verborgenen Potenziale. Stellen Sie sich also erneut die Frage und erst recht im beruflichen Kontext: Was will diese Welt von mir und ich im Gegenzug von dieser Welt, und was kann aus diesem Zusammenspiel entstehen, das allen nützt?

In diesem Sinne möchte ich Sie mit dem »Gleichnis von den anvertrauten Talenten« aus Matthäus 25,29 dazu auffordern, dass Sie Ihre Begabungen erkunden und als ein Geschenk betrachten. Wenn Sie Ihre individuellen Fähigkeiten für einen größeren gemeinschaftlichen Zweck fruchtbar machen, wird die Herrlichkeit der Schöpfung auch in Ihrem eigenen Leben immer spürbarer. »Denn wer da hat, dem wird gegeben werden und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat« (Matthäus 25,29).

Egal wofür Sie ein besonderes Händchen haben, egal was Ihnen besonders leichtfällt und egal womit Sie einen Beitrag zum Gelingen einer Gemeinschaft beitragen können, all diese kleinen und größeren Fähigkeiten dienen keinem Selbstzweck, nein, wie Sie mit ihnen »wirtschaften«, also ob Sie sie vermehren, teilen und als Nährboden für weitere gute Taten und seelisches Wachstum verwenden, entscheidet letztlich über das Gelingen und Scheitern Ihres eigenen Lebens.

Mit jedem Schritt, mit dem wir uns unserer Umwelt liebevoll und kreativ nähern, kommen wir auch uns selbst näher, und das Ausmaß unserer Großzügigkeit und Offenheit der Welt gegenüber wird zum Maß, an dem auch wir gemessen werden.

Ganzheitliches Wachstum funktioniert exponentiell! Das heißt, dass jeder Lernerfolg, den wir feiern, den nächsten vorbereitet und der Prozess des lebenslangen Lernens zunehmend leichter wird.

Es ist wohl kein Zufall, dass Sie zu diesem Buch gegriffen haben. Doch kein Heilpraktiker, kein Missionar, kein Politiker und auch kein Wissenschaftler kann Sie davon überzeugen, wie einzigartig und wertvoll Sie sind! Es sind gelebte Überzeugungen, die Liebe und die Leidenschaft zur eigenen Berufung, die uns voranbringen. Damit wäre die Saat Ihres ganzheitlichen Wachstums ausgebracht!

Heiler, Hexen, Helden – Die Ursprünge des Heilpraktikerberufs

»Der ist ein Arzt, der das Unsichtbare weiß, das keinen

Namen hat, keine Materie und doch seine Wirkung.«

Paracelsus

Die Wurzeln der Naturmedizin reichen weit bis in die Antike und die Frühgeschichte der Menschheit zurück. Die Naturheilkunde ist tief in unserem kollektiven Unbewussten verankert. Neben der Pflanzenheilkunde und der traditionellen europäischen Naturheilkunde basieren die historischen Ursprünge unseres Berufsstands auch auf der Viersäftelehre des Altertums. Diese Lehre beschreibt in ihren Grundzügen, dass alles Geschaffene den vier Elementen Feuer, Wasser, Luft und Erde entspringt. Diesen vier Elementen entsprechen die Zustände warm, kalt, trocken, feucht. Wie überall in der Natur spiegeln sich die vier Elemente und deren Qualitäten auch im menschlichen Körper wider. Befinden sich die Elemente nicht in einem ausgewogenen Verhältnis zum Ganzen, werden wir krank. Jeder Überfluss oder Mangel eines Elementes ist schwächend, beziehungsweise krank machend. Hiermit wird ganz schnell deutlich, dass die Ursprünge der Heilkunde überwiegend philosophischer Natur sind.

Urväter dieser Lehre sind Galenus und Dioskurides. Sie waren im 17. Jahrhundert die ersten großen Lehrmeister der westlichen Medizin. Die Pfeiler ihrer Medizin waren das Erbe der antiken Naturphilosophen. Ihre Lehre entspricht der eines rational gebauten Kosmos, in dem der Mensch als Bestandteil in das natürliche Geschehen mit einbezogen ist. Dass alles Seiende aus den vier Elementen geschaffen ist, überträgt Polybios (200 – 120 v. Chr.) auf die Körpersäfte Blut, Schleim, schwarze und gelbe Galle.

Kurz gefasst werden Krankheiten über die Jahrhunderte hinweg auf Basis dieser sogenannten Säftelehre erklärt. So verfährt auch die berühmte Äbtissin Hildegard von Bingen (1098 – 1179), die beispielsweise die Wirkung der Zitrone als eher warm statt kalt beschreibt und zu einer Auskochung von Zitronenblättern rät, um Fieberschübe zu lindern.

Aus heutiger Sicht lassen sich vor allem Zivilisationserkrankungen wie Diabetes mellitus Typ II, eine Vielzahl an Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie zum Beispiel Bluthochdruck, Adipositas oder Erschöpfungszustände mit dem Prinzip der Säftelehre bildhaft erklären. Wichtig ist, dass in einer modernen, aufgeklärten Welt die Säftelehre nicht wörtlich, sondern bildhaft verstanden wird. Für den Bluthochdruckpatienten kann also die Regulierung seiner Überfülle an Säften durch einen Aderlass (z.B. Blut spenden oder eine umfangreichere Blutabnahme), eine Fastenkur und eine Lebensumstellung mit mehr Bewegung und weniger Stress durchaus hilfreich sein. Einen geschwächten Patienten mit Blutarmut und Untergewicht würde dieses Verfahren logischerweise weiter schwächen, da er ja schließlich an einem Mangel leidet.

Um unser Gegenüber zu erreichen, braucht es eine verständliche und bildhafte Sprache, die auch in die tieferen Ebenen unseres uralten Bewusstseins vordringt. Man würde der Geschichte des Heilpraktikerberufs aber nicht gerecht, wenn man seine Wurzeln ausschließlich auf die Ursprünge der Säftelehre zurückführte.

Schon im antiken Griechenland gab es den Archiatros, eine Art Amtsarzt. Seine Aufgabe war es, die freien Heiler, also heilkundige Laien, im Blick zu haben und zu kontrollieren. Spätestens seit dieser Zeit wird zwischen dem anerkannten Arzt und dem heilkundigen Laien differenziert. Ein weitaus bedeutenderer Ursprung des Heilpraktikers liegt in der Tradition der heidnischen Waldvölker Europas und des Baltikums verborgen. Das Heilwissen der Germanen, Kelten, Balten und Slawen ist bis heute in der traditionellen Pflanzenheilkunde, im ganzheitlichen Naturverständnis und in den zahlreichen Ritualen unserer Kultur sichtbar. Heilpraktiker sind die Erben der sogenannten Walas, der heidnischen Seherinnen, Schamanen und Priester. Nachfahren der verfolgten Kräuterweiber und Hebammen des Mittelalters. Nachfolger eines Pfarrers Sebastian Kneipp (1821 – 1897) und der Äbtissin Hildegard von Bingen. Was all diese praktischen Laien auszeichnete, ist ihre tiefe Verwurzelung im Volk und ihr ganzheitliches Weltbild.

Heilung war für die Menschen von jeher ein Prozess, der über die physische, sichtbare Welt hinausführte. So war es üblich, dass die Aufgabe des Heilers oft auch mit spirituellen Aufgaben einherging. Das Weltbild der Menschen war geprägt von Analogien und der Vorstellung einer Synchronizität des gesamten Kosmos. Sie fühlten sich eingebettet in das System Natur, das größer als sie selbst und der Einzelne war. Folglich wurde Krankheit als ein multifaktorielles Geschehen verstanden, dessen Ursprung im Verlust einer natürlichen Balance zu suchen war. Götter, Ahnen, Naturwesen, Ernährung, individuelle Taten und Entscheidungen waren die Quellen der Symptome. Für diese Völker, wie auch für die Ureinwohner Amerikas, war es unvorstellbar, Raubbau an der Natur zu betreiben, denn die Erkenntnis, dass der Mensch als Teil der Natur auch für deren Fortbestehen verantwortlich ist, wurzelte tief in ihrem Weltbild. Krankt die Natur, wird auch der Mensch krank. Ahnenkulte sorgten für ein verantwortungsvolles Handeln gegenüber folgenden und vorangegangenen Generationen.

Die Worte Demut, Staunen, Sünde und Umkehr sind heutzutage nicht sehr beliebt. Das Staunen und die Demut vor der Natur sind jedoch tief ergreifende Erlebnisse, die uns wieder wertschätzungsfähig machen. Auch »Umkehr« wird oft falsch verstanden.

Hierzu eine kleine Geschichte:

Rabbi: »Einen Tag vor deinem Tod kehre um.« Schüler: »Wann soll ich umkehren, ich weiß doch gar nicht, wann ich sterbe?« Rabbi: »Siehst du, darum kehre vorsichtshalber heute um!«

»Zu wissen, dass nicht mehr viel Zeit bleibt, verschafft einen klaren Blick«, so kommentierte Vera F. Birkenbihl einen ihrer Vorträge vor Studenten und schaute in verdutzte Gesichter. Dieser Vortrag hatte mich ebenfalls sehr berührt und mich zu einer achtsamen Lebensführung motiviert. Heilpraktiker zeigen ihren Patienten auf, dass das Menschsein eine spirituelle, ganzheitliche Erfahrung ist. Spiritualität ist für mich der Prozess, das Leben ganzheitlich zu erfahren, die Schönheit der Schöpfung zu erkennen, innezuhalten, das Leben zu beobachten und zu spüren, was es mit mir macht.

Ganzheitlichkeit leben bedeutet für mich aber auch die Fähigkeit, durch Dankbarkeit und aktiven Altruismus wahres Glück zu empfinden. Gestaltungswille und Mut zum Aufbruch sind weitere wichtige Elemente einer spirituellen Lebensführung, weil wir nur durch aktives, verantwortungsvolles Handeln die wertvolle Entwicklung vom Objekt zum Subjekt vollziehen können. Auf die einzelnen Bausteine dieser Lebensführung kommen wir aber im Laufe dieses Buches jeweils gesondert zu sprechen.

Bis heute ist Hildegard von Bingen vielen Menschen eine Leitfigur

Nun aber zurück zum Ursprung der Naturheilkunde und deren Vertretern. Hildegard von Bingen war zum Beispiel Heilerin, Visionärin, Komponistin und Theologin, während die Heiler der heidnischen Waldvölker Ratgeber, Richter, Seher und Heiler zugleich waren. Im Rahmen der fortschreitenden Christianisierung verschwanden die alten »Hexen«, Heiler und Schamanen der eingeborenen Waldvölker mehr und mehr von der Bildfläche. Ihr weises Naturwissen überlebte aber im Volksglauben und in dessen Mythen, Märchen und Traditionen. Unter der Vorherrschaft der katholischen Kirche wurde die Kräuterheilkunde anfangs verboten und unter Strafe gestellt.

Die Vorstellung einer belebten Natur, deren Heilkräfte magischen Ursprungs schienen, waren aus Sicht der Kirche gefährlicher Aberglaube und Ketzerei. Trotz verschiedenster Methoden der Missionierung ließ sich des Naturglaubens der einfachen Bevölkerung nur schwer Herr werden, und so kam es, dass sich eine vom Orient geprägte Klostermedizin entwickelte. Während die alten Urkräuter der nordischen Wälder in Vergessenheit gerieten, wurden in Klostergärten neue, bisher nicht winterfeste Heilpflanzen aus fernen Regionen kultiviert. Dazu zählten Salbei und Rosmarin. Das Konzept einer christkonformen Heilkunde war geboren. Nicht zuletzt auch, um die alten Traditionen der einfachen Bevölkerung in einem neuen christlichen Weltbild aufzulösen.

Im 12. Jahrhundert entstanden dann europaweit erste Universitäten, an denen Ärzte ausgebildet wurden. Noch einige Zeit gingen Ärzte und andere Heilberufe von ähnlichen heilkundlichen Grundvorstellungen wie der Säftelehre aus. Erst mit der Anerkennung der Zellularpathologie im vorigen Jahrhundert trennten sich die Wege der akademischen Medizin und die der Naturheilkunde aufgrund ihres unterschiedlichen Verständnisses von Krankheit und Gesundheit gänzlich. Die akademischen Ärzte des Mittelalters versorgten ausschließlich die wohlhabende Bevölkerungsschicht, während das überwiegend arme Bauern- und Arbeitervolk auf die Praktiker angewiesen war. Das Fußvolk des mittelalterlichen Ständesystems vertraute sich zahllosen Wanderheilern an, deren Praktiken sich rückblickend nur schwer bewerten lassen. Holunder, Weihrauch und Wacholder vertrieben böse Geister, Knoblauch, Fenchel, Baldrian und Bärlauch schützten vor Dämonen, und Salbei säuberte die Luft im Zimmer der Sterbenden. Die pharmazeutische Wirkung dieser Pflanzen gilt heute als bestätigt. Die Patienten im Mittelalter führten die Effekte aber oft auf magische Vorgänge einer unsichtbaren Welt zurück.

Die Wissenschaftler der Aufklärung sahen im Heilzauber der Kräuterweiber und Bader eine rückwärtsgewandte Welt des dunklen Aberglaubens.

Heute sind es grüne Hippies und feministische Esoterikerinnen, die die Kräfte der Natur glorifizieren und historische Fakten verherrlichen. Eine voreilige Arroganz gegenüber dem Mittelalter ist aber ungerechtfertigt. Wenn auch die Theorien hinter den Künsten der Hebammen, Kräuterweiblein und Schamanen heute oft abstrus erscheinen – Eisenkraut, Weidenrinde, Ochsengalle oder Pestwurz sind dennoch hochwirksame Arzneidrogen. Was Quacksalberei und Profitgier im Gesundheitswesen angeht, sind wir dem Mittelalter heute keinen Schritt voraus.

Auch heute erwarten Patienten Übermenschliches von ihren Ärzten. Die Robe des Priesters, das Ritualgewand der Walas oder die Amulette spiritueller Heilerinnen wurden gegen den weißen Kittel des Arztes getauscht. Das erstarkende Bürgertum ersetzte die Kirche durch die Wissenschaften und verhält sich gegenüber den Vorgaben der Pharmaindustrie nicht minder hörig. Forscher und Therapeuten erhalten einen beachtlichen Teil ihres Lohns von den führenden Pharmakonzernen und diagnostizieren und entdecken Krankheiten, die passgenau zur Medizin ihrer Geldgeber sind. Während Syphilis, Pocken, Pest und Cholera im Mittelalter als vermeintliche Strafe Gottes ganze Landstriche leer fegten, sichern heute Wechseljahresbeschwerden, Bluthochdruck und Diabetes den steten Geldfluss im Gesundheitswesen. Alles gilt als behandelbar, ob unreine Haut, Rückenschmerzen, Lustlosigkeit oder die Pubertät – für alles gibt es eine Pille. Natürlich ist heute auch der Zappelphilipp kein Wechselbalg tückischer Elfen mehr, nein, heute braucht er Ritalin.

In alten Zeiten bestimmte das Wort Gottes den Alltag der Menschen, heute ist es der kaum hinterfragte Slogan »wissenschaftlich belegt«, und auch dieser vorherrschende Glaube spaltet zunehmend unsere Gesellschaft. Der Aberglaube der Menschen resultierte nicht immer nur aus ihrer Verzweiflung. Ihre Medizin war oft auch das Ergebnis von Zufällen oder langen und ausgiebigen Beobachtungen der Natur. Was sich hinter dem Glauben an Schafskot gegen Entzündungen oder gesegneten Lebkuchen gegen Unheil im Stall verbirgt, ist im Grunde nichts anderes als moderne Medizin. Die Heiler des Mittelalters züchteten auf Schafsmist eine Vielzahl von Schimmelpilzen, deren antibiotische Wirkung heute als bewiesen gilt. Diese Pilze konnten als Penicillin zur Wundbehandlung verwendet werden. Im weihnachtlichen Lebkuchen war wertvoller Zimt enthalten, der nachweislich Zecken, Würmer und Mücken fernhält. Darüber hinaus wirkt Zimt entzündungshemmend und stoffwechselanregend. Dass all diesen Heilmitteln übersinnliche Kräfte zugesprochen wurden, erscheint also in gewisser Weise recht schlüssig. Wir modernen Menschen stehen diesen alten Zeiten wie ein Völkerkundeforscher einer fremden Kultur gegenüber.

Mit dem weltweiten Hexenwahn der katholischen Kirche gerieten das ganzheitliche Weltbild und der Naturglaube vieler Kräuterfrauen in Verdacht, des Teufels Ursprung zu sein. Es war die zum Teil sehr erfolgreiche Medizin der Einsiedler, der Waldfrauen, der Hebammen, der Ketzer, der Metzger, Wundversorger und Hirten, die die akademische Lehre und das christliche Dogma infrage stellte. Der Argwohn der Kirche und der Eifer akademischer Ärzte machten die Hebamme zur teuflischen Kindsmörderin, den Hirten zum Hexer in Tiergestalt und die Kräutersammlerinnen zu Giftmischerinnen. Ein Beleg für den Pakt mit dem Bösen, wie zum Beispiel die Hexensalbe, ließ sich nur allzu leicht in den Arbeitsutensilien der Wundärzte und Hirten finden. Hatten sie doch täglich Salben als nützliches Heilmittel für Mensch und Tier in Gebrauch.

Mit dem Siegeszug neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse folgten europaweit immer mehr Verbote für nicht ärztliche Heilkundler. Zum Beispiel wurde 1815 in Preußen ein Kurierverbot verabschiedet, wonach es nur noch approbierten Ärzten gestattet war, die Heilkunde auszuüben. Erst 1869 wurde in Deutschland wieder eine Kurierfreiheit eingeführt. Als Antwort darauf gründete sich in den folgenden Jahrzehnten eine Vielzahl an Heilpraktikerverbänden, die jedoch an der Bestrebung einer gesetzlichen Heilpraktikerordnung scheiterten.

Unter dem NS-Regime Hitlers wurden die bestehenden Heilpraktikerverbände zwangsaufgelöst und die Gründung des »Heilpraktikerbunds Deutschland« verordnet. Es wurden Zwangsmitgliedschaften erlassen, und die Aus- und Fortbildung wurde streng reglementiert.

1939 trat dann das Heilpraktikergesetz in Kraft. Im Rahmen dieses Gesetzes wurde die Kurierfreiheit der Heilpraktiker stark beschränkt. Die Ausübung der Heilkunde, ohne als Arzt approbiert zu sein, war künftig gesetzeswidrig und wurde nur in besonders begründeten Ausnahmefällen gestattet. Ferner wurden auch Ausbildungsstätten für Personen, »die sich der Ausübung der Heilkunde im Sinne dieses Gesetzes widmen wollen, einzurichten oder diese zu unterhalten«, nicht mehr gestattet. Verhinderter Nachwuchs sollte schließlich zum Aussterben des Heilpraktikerwesens führen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in der BRD die Einschränkung gegenüber der früher gültigen Kurierfreiheit und des Verbotes zur Ausbildung als mit dem Grundrecht auf freie Berufsausübung nicht vereinbar aufgehoben. Passagen mit nationalsozialistischem Gedankengut wurden aus dem Gesetz entfernt. Im Januar 1957 kam es dann zur Anerkennung des Heilpraktikerberufs durch das Bundesverwaltungsgericht. In der DDR hingegen war das Aussterben der Heilpraktiker vorhersehbar, da für sie lediglich ein Bestandsschutz galt. In der BRD konnte sich der Heilpraktikerberuf hingegen fest im Gesundheitssystem behaupten.

Heute sind in Deutschland schätzungsweise 47.000 Heilpraktiker tätig. Der Beruf des Heilers blickt auf eine jahrtausendealte länder- und kulturübergreifende Tradition zurück und bietet uns viele wertvolle Anknüpfungspunkte bei der Suche nach nachhaltigen Lösungsstrategien im Ringen um eine gesunde und grüne Zukunft.

Wer wird wie Heilpraktiker? Wege in den schönsten Beruf der Welt

»Wähle einen Beruf, den du liebst, und du brauchst

keinen Tag in deinem Leben mehr zu arbeiten.«

Konfuzius

Um die Heilpraktikerausbildung und die rechtlichen Rahmenbedingungen dieses Berufsbildes ranken sich zahlreiche Mythen und Vorurteile. Nicht zuletzt, weil auch ein großer Teil der Ärzteschaft im Heilpraktiker einen Konkurrenten in der Versorgung der begehrten Privatpatienten sieht. Die Anfeindungen mögen unterschiedlichsten Motiven entspringen und sind so alt wie der Beruf des Heilpraktikers selbst. Dennoch, Heilpraktiker polarisieren.

Lassen Sie mich kurz ein paar Erfahrungen aus meiner eigenen Heilpraktikerausbildung schildern. Die Heilpraktikerausbildung wird in Deutschland von verschiedenen Heilpraktikerverbänden und privaten Berufsschulen angeboten. In der Regel umfasst die Ausbildung zum Heilpraktiker drei bis vier Jahre (also sechs bis acht Semester) und endet mit einer anspruchsvollen schriftlichen und praktischen Prüfung am jeweils ortsansässigen Gesundheitsamt. Dabei werden fundierte medizinische Kenntnisse der Anatomie, Physiologie, der schulmedizinischen Krankheitslehre, klinische Untersuchungsmethoden, Laborkunde und Diagnostik sowie die psychopathologische Befunderhebung, Notfallversorgung, Injektionstechniken, Pharmakologie, Infektiologie und Hygienekunde überprüft.

Fakt ist, dass Amtsärzte der testenden Gesundheitsämter ihre Pflicht als Aufsichtsbehörde im Dienst der Volksgesundheit sehr verantwortungsvoll wahrnehmen und streng prüfen, ob ein Bewerber die Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz erteilt bekommen soll. Das erfolgreiche Absolvieren der Heilpraktikerprüfung ist keineswegs selbstverständlich. Wer die aufgelisteten Kenntnisse nicht erworben hat, wird die anspruchsvolle Überprüfung nicht bestehen. Das untermauert auch die Durchfallquote, die bei 75 Prozent und mehr liegt. Wer sich hingegen gut und diszipliniert vorbereitet, wird den Traum des Heilpraktikerberufs ganz bestimmt verwirklichen können.

Als Beweis einer beruflichen Integrität ist es verpflichtend, dass man vor der Überprüfung ein amtliches Führungszeugnis und eine ärztliche Gesundheitsbescheinigung vorlegen kann. Natürlich können kein Dokument und kein Test sicherstellen, dass ein Heilpraktikeranwärter eine ethisch astreine, anständige Person ist – das gilt leider für alle Berufe, in denen eine große Verantwortung getragen werden muss. Doch aufgrund der regelmäßigen Testung und Überprüfung von Heilpraxen durch die Gesundheitsämter können Patienten sicher sein, dass Heilpraktiker – auch weil es das Heilpraktikergesetz fordert – bei der Ausübung ihrer Tätigkeit keine Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung darstellen.

In der bundeseinheitlichen Leitlinie zur Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern finden Sie eine ausführliche Darstellung der Prüfungsinhalte. Diese ist für jedermann transparent einsehbar.

Von Medizinerkreisen wird uns Heilpraktikern oft vorgeworfen, dass zur Zulassung als Heilpraktiker kein Abitur notwendig und der schriftliche Teil der Heilpraktikerprüfung doch lediglich ein Multiple-Choice-Test sei. Tatsächlich reicht für die Ausbildung zum Heilpraktiker ein Hauptschulabschluss aus, dennoch darf die Prüfung zum Heilpraktiker nicht vor dem 25. Lebensjahr abgelegt werden. Dies hat zur Folge, dass nahezu alle Anwärter über eine bereits abgeschlossene Berufsausbildung oder ein akademisches Studium verfügen. Damit ist in den meisten Fällen die persönliche Reife des Prüflings gewährleistet. Doch haken wir nach.

Aus meiner Sicht als Lehrer beobachte ich, dass wir über eine extreme Schwemme an Abiturienten verfügen, dass das akademische Niveau von Studienanfängern drastisch gesunken ist und wir geradewegs auf eine Bildungsinflation zusteuern. Durch die Überakademisierung unserer Berufswelt werten wir praktische Ausbildungsberufe ab, obwohl diese systemrelevanten Berufe für den Zusammenhalt und das Funktionieren unserer Gesellschaft von weitaus wichtigerer Bedeutung sind als das Überangebot an Betriebswirten, Juristen und Germanisten.

Wer wird im Rahmen unseres Gesellschaftssystems heutzutage Arzt, Lehrer, Psychotherapeut oder gar Führungskraft? Richtig, finanzieller Hintergrund, Herkunft und Beziehungen entscheiden noch immer über die berufliche Laufbahn.

Ich empfinde die Aussage vieler Kritiker, dass zum Beispiel eine erfahrene und gut ausgebildete Krankenschwester mit Realschulabschluss nach Absolvierung ihrer Heilpraktikerausbildung nicht in der intellektuellen Lage sei, Patienten naturheilkundlich zu versorgen, nur weil sie kein Abitur als Schulabschluss vorweisen kann, als menschenverachtend und arrogant. Trotzdem bleibt dies eines der meistzitierten Argumente gegen den Heilpraktikerberuf. Bei genauerer Betrachtung fällt allerdings auf, dass im Heilpraktikerwesen überdurchschnittlich viele Akademiker vertreten sind, aber auch Personen mit medizinischen Vorkenntnissen und fundierten Ausbildungen als Pfleger, Physiotherapeut, Pädagoge oder pharmazeutische Hilfskraft. Überraschenderweise gibt es auch viele Apotheker und Zahnärzte unter uns Heilpraktikern.

Als Heilpraktiker und Akademiker mit Masterabschluss muss ich gestehen, dass mich meine Heilpraktikerausbildung viel Kraft und Zeit gekostet hat. Im Vergleich zu meiner Heilpraktikerprüfung waren viele der universitären Klausuren ein Klacks, und ja, ich stehe auch hinter dem Verfahren des Multiple-Choice-Tests. Ungeachtet dessen, dass auch ein Großteil eines Medizinstudiums auf Multiple-Choice-Tests basiert, finde ich diese Art der Überprüfung von Faktenwissen sinnvoll. Es geht bei der akuten schulmedizinischen Versorgung und Diagnose in erster Linie um neutrale, objektive Fakten. Erst im zweiten Schritt, in der persönlichen Beziehung zum Patienten, tut sich eine subjektive uferlose Welt der Naturheilkunde auf.

Eine häufig gestellte Frage lautet auch, warum läuft dann die Ausbildung von Ärzten und Heilpraktikern doch so verschieden ab? Ärzte müssten um einige Jahre länger studieren und unzählige Stunden der Assistenz ableisten. Die Antwort ist denkbar einfach.

Heilpraktiker unterliegen einer strengen gesetzlichen Sorgfaltspflicht. Ihnen ist untersagt, verschreibungspflichtige Medikamente zu verordnen, Operationen durchzuführen oder Infektionskrankheiten im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes zu behandeln. Außerdem verbietet die Sorgfaltspflicht, aber auch unsere Berufsethik, eine alleinige Therapie durch einen Heilpraktiker bei schweren Erkrankungen wie z.B. Krebs oder einer Schizophrenie. Es ist selbstverständlich, dass eine naturheilkundliche Behandlung begleitend zu einer Therapie und Überwachung durch den Arzt stattfindet. Medial aufgebauschte Einzelfälle straffälliger Therapeuten und Betrüger sind die absolute Ausnahme, die den Berufsstand von 47.000 gut ausgebildeten Heilern diskreditiert. Für Kritiker und Gegner ist solch eine Berichterstattung natürlich eine Steilvorlage.

Die Tätigkeiten von Ärzten und Heilpraktikern sind also grundverschieden. Während mein Arzt für die akute Behandlung und den Ausschluss schwerer Erkrankungen zuständig ist, meinen Knochenbruch oder meinen Herzinfarkt behandelt, sind Heilpraktiker häufig eine Anlaufstelle für die von der Schulmedizin sogenannten »austherapierten Patienten«. Wenn chronisch erkrankte Patienten bei der Höchstdosis ihrer schulmedizinischen Medikation angelangt sind, erwacht oft der Wunsch nach einer Unterstützung zur Lebensumstellung. Heilpraktiker verhelfen dem Patienten zur Selbsthilfe und geben ihm Werkzeuge an die Hand, um ein aktiver, selbstbestimmter Patient zu werden. Das Gefühl der Selbstwirksamkeit zurückzuerlangen ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg der Heilung (dazu später mehr). Schließlich erscheint es einleuchtend, dass Heilpraktiker mehr Zeit mit dem Studium von Kräutern, spirituellen Lehren und alternativen Therapieformen zubringen, als der Ausbildung von Ärzten nach- und mit ihr zu wetteifern.

Bei einer guten Versorgung von kranken Menschen braucht es Vielfalt. Wir brauchen Hebammen, Ärzte, Psychotherapeuten, Sozialarbeiter, Heilpraktiker, Pfleger und viele mehr, wenn wir vielfältige und ganzheitliche medizinische Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft finden wollen. Auch findet Medizin nicht abgekapselt von den ökologischen, ökonomischen und demografischen Entwicklungen der Welt statt. In einer überakademisierten Welt und einer immer weiter voranschreitenden Spezialisierung auf Einzelgebiete braucht es auch Therapeuten, deren Expertise in der Vernetzung und Vermittlung einzelner Disziplinen liegt – diese Arbeit leisten wir Heilpraktiker.

Nicht selten kommt es vor, dass ich für frustrierte und hoffnungslose Patienten der erste Therapeut bin, der ihnen die Ursache und die Bedeutung ihrer schulmedizinischen Diagnose verständlich erklärt. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Patienten nach vielen Jahren schulmedizinischer Behandlung die Bedeutung ihrer Befunde und Diagnosen nicht verstehen, kennen oder einschätzen können. Grundvoraussetzung eines Genesungsprozesses sollte aber doch die Aufklärung sein? Heilung beginnt immer am und mit dem Patienten, das heißt, dass Heilung immer eine enge, vertrauensvolle Beziehung zwischen Patient und Therapeut voraussetzt und dass körperliche Untersuchung, Berührungen und seelisch-geistige Unterstützung immer Hand in Hand gehen müssen. Zu jeder Zeit sollte der Patient mit all seinen Anlagen, Bedürfnissen, Sorgen, Hoffnungen und Weltanschauungen ernst genommen und aktiv in therapeutische Entscheidungsprozesse miteinbezogen werden. Das bedeutet, dass Sie zum Experten Ihrer Erkrankung werden müssen, um die Dringlichkeit Ihrer Compliance (Bereitschaft eines Patienten zur aktiven Mitwirkung an therapeutischen Maßnahmen) zu verstehen. Einen wichtigen Teil meiner Praxistätigkeit macht somit auch die Aufklärung über Diagnosen sowie die Förderung von Motivation und Hoffnung aus. Ja, der Mensch braucht Hoffnung. Diesem Thema soll in diesem Buch aber ein eigenes Kapitel gewidmet werden.

Eine weitere Aufgabe, der Heilpraktiker nachkommen, ist die Kontrolle der Medikamenteneinnahme unserer Patienten. Viel zu oft muss ich feststellen, dass Patienten im guten Willen die Dosierung ihrer Medikamente selbst bestimmen. Ich bin es, der den Patienten von diesen Experimenten abrät und sie davon überzeugt, beim Hausarzt vorstellig zu werden.

Ein weiteres Problem stellt die Kommunikationslücke zwischen den Hausärzten und den vielen verschiedenen Fachärzten chronisch erkrankter Patienten dar. Es ist nahezu der Regelfall, dass ich Patienten darauf hinweisen muss, dass ihre ärztlich verordneten Medikamente untereinander unverträglich sind und dass in ihrer Kombination das Risiko von unerwünschten Wechselwirkungen besteht. Diese Überprüfung braucht Zeit, Expertise und Muße – rettet aber im Ernstfall Leben.

Hexenjagd – Heilpraktiker sind unverzichtbar

»Nichts auf der Welt ist so mächtig wie eine Idee,

deren Zeit gekommen ist.«

Victor Hugo

Sicherlich ist Ihnen nicht entgangen, dass Heilpraktiker im Rahmen medialer Berichterstattung immer wieder als gefährliche Kurpfuscher an den Pranger gestellt werden. Dass ein ganzheitliches Weltbild im Gegensatz zu einem materialistischen Gesellschaftssystem stark polarisierend wirkt, ist klar. Leider wird im Diskurs nicht miteinander gestritten und argumentiert, sondern einseitig berichtet und bewusst falsch informiert. Die Geschichte der Heiler und Heilpraktiker ist geprägt von Verfolgung, Diffamierung, Machtmissbrauch und Patriarchat.

Es überrascht mich nicht, dass die Schulmedizin über Jahrhunderte hinweg und bis heute eine Männerdomäne war, die es sich seit jeher vehement zum Ziel gesetzt hat, die überwiegend weibliche, selbstbestimmte Naturheilkunde auszulöschen. Bei dieser Hexenjagd geht es nicht um Patientenwohl, sondern um den Machterhalt und das Aufbäumen eines langsam bröckelnden, ewig hungrigen, nach endlosem Wachstum lechzenden kapitalistischen Systems.

Unbestritten sind auch viele Frauen an diesem System beteiligt, doch fällt deutlich auf, dass die Besetzung von Machtpositionen in einem männlich dominierten Gesellschaftssystem ein starkes Maß an Anpassung und Leugnung weiblicher Werte und Temperamente voraussetzt. Innerhalb der etablierten Machtstrukturen müssen auch »Frauen ihren Mann stehen«, wenn sie sich am Spiel beteiligen möchten.

Nehmen wir einmal an, die jahrzehntelangen Bestrebungen der Ärzteschaft, den Heilpraktikerberuf abzuschaffen, würden sich im politischen Prozess irgendwann durchsetzen. Welche Auswirkungen hätte das auf die über 128.000 Patienten, die sich täglich einer heilpraktischen Behandlung anvertrauen? Die Folgen liegen auf der Hand. Heilpraktiker leben von der Empfehlung zufriedener Patienten. Ihr Erfolgsrezept ist die spürbare und nachhaltige Genesung ihrer Patienten. Untersucht man die durchschnittliche Höhe einer Berufshaftpflichtversicherung für Heilpraktiker, stellt man fest, dass diese einen jährlichen Betrag von 200 Euro kaum überschreitet. Das verdeutlicht, wie wenig Patienten durch naturheilkundliche Heilverfahren tatsächlich zu Schaden kommen. Mit der Abschaffung des Heilpraktikerwesens würden also Hunderttausende von chronisch kranken und schulmedizinisch austherapierten Patienten ihre vertrauensvolle Anlaufstelle verlieren.

Heilpraktiker entlasten unser Gesundheitssystem und sind systemrelevant. Unser Gesundheitssystem leidet an einer Unterversorgung im ländlichen Raum, während sich in den Städten eine Privatisierungswelle von Facharztpraxen abzeichnet, die einen Facharztbesuch ohne monatelange Wartezeit für Normalbürger unerschwinglich macht. Ärzte siedeln sich vor allem in besten Lagen an. Wer will schon im sozialen Brennpunkt praktizieren? Der Beruf des Arztes verspricht Prestige, hohe finanzielle Einkünfte und Einfluss in politischen und wirtschaftlichen Kreisen. Die moralische und ethische Perspektive wurde von zu vielen Mitgliedern dieser Zunft aus den Augen verloren. Forschernatur und Ethos, Menschenliebe und der Glaube an den hippokratischen Eid sind der Profitgier und der Selbstprofilierung gewichen – die Menschlichkeit der Reduzierung in Nummern und Vermessung in Zahlen.

Neben dem Recht auf eine freie Therapiewahl würden viele Patienten auch einer nachhaltigen und ressourcenschonenden Medizin beraubt. Durch eine fundierte naturheilkundliche Behandlung können teure, oft erfolglose Operationen vermieden werden, Körpergewicht reduziert, Bluthochdruck, Verdauungsbeschwerden, chronische Entzündungen, Diabetes mellitus Typ II, chronische Erschöpfung und Schmerzen gelindert werden. Dadurch sinkt die Häufigkeit von Arztbesuchen, die Einnahme nebenwirkungsreicher Medikamente kann gesenkt und die Lebensqualität vieler Patienten gesteigert werden. Das Motto »weniger ist mehr« findet in einem privatisierten Gesundheitssystem leider kaum Anwendung. Auch würde eine naturheilkundliche Prävention die Krankenkassenbeiträge massiv senken und Folgekosten würden vermieden. Doch das ist wiederum ein schmerzlicher Dorn im Auge des privatisierten, auf Wachstum ausgerichteten Systems. Ärzte sollten die Eigeninitiative ihrer Patienten begrüßen und sich darüber freuen, dass ihnen viele Heilpraktiker den Rücken für die Behandlung schwerwiegender akuter Erkrankungen freihalten. Tatsächlich erlebe ich immer wieder, dass der ein oder andere Hausarzt eines Patienten sich positiv über meine Behandlungserfolge äußert und mich gar seinen Patienten weiterempfiehlt. Das macht Hoffnung.

Der Einsatz von Heilpflanzen und einer gezielten Ernährungstherapie hilft bei der Einsparung von Antibiotika und Schmerzmitteln und stärkt das Immunsystem der Patienten. Durch den unreflektierten Einsatz von Antibiotika in der Tiermast, der Lebensmittelproduktion und der medizinischen Versorgung von Patienten steuern wir auf eine Zukunft ohne wirksame Mittel bei bakteriellen Infektionen zu. Schon heute sind multiresistente Keime weltweit ein sehr ernst zu nehmendes Problem.

Erschreckenderweise sind mehr als 80 Prozent der pharmazeutischen Forschungsprojekte ausschließlich von Pharmakonzernen finanziert. Das Interesse an der Entdeckung nicht patentierbarer, günstiger und nachhaltiger Arzneimittel ist verschwindend gering. Hier kommt der Staat seiner Fürsorgepflicht in keiner Hinsicht nach. Es fehlen viele Antworten auf dieses entstandene Vakuum. Eine offene Diskussion würde wohl viele weitere unbequeme, ganzheitliche und systemkritische Fragen aufwerfen, denen man politisch nicht zu begegnen wüsste. Somit stagniert auch die Forschung im Bereich Antibiotika, da mit dieser Arzneimittelgruppe kein gutes Geschäft zu machen ist.

Aus Kostengründen bzw. zur Gewinnmaximierung findet die Produktion europäischer Medikamente überwiegend in Indien und China statt – ich befürchte, dass daran auch die Kritik während der Corona-Pandemie langfristig nichts ändern wird.

Schon lange weiß man, dass durch die unsachgemäße Entsorgung von Industrieabfällen aus der Pharmaindustrie Chemie in unvorstellbaren Mengen in asiatischen Abwassern landet. Von dort aus gelangen stündlich Tonnen an Antibiotikarückständen in indische Flüsse und Seen. Diese Gewässer sind die Hotspots multiresistenter Bakterienstämme, die eine Gefahr für die gesamte Weltbevölkerung darstellen.

Immer wieder wird uns vor Augen geführt, welch deutlichen Einfluss unser Umgang mit der Natur, unsere Lebenseinstellung, unser Sozialverhalten, unser Welt- und Menschenbild, aber auch unser Umgang mit Tieren und Pflanzen auf unsere individuelle Gesundheit und unsere längerfristige Lebensqualität hat.

Zur Wasserproblematik und der damit verbundenen Entwicklung von Resistenzen kommt hinzu, dass durch die Zerstörung der Artenvielfalt und Biodiversität in Wäldern, Tropen und Meeren die Hoffnung auf die Entdeckung bisher unbekannter, natürlicher Wirkstoffe zunehmend schwindet. Es erstaunt und bedrückt mich zugleich, dass vonseiten der Medizin keine lautstarke, nicht zu überhörende, auf allen Kanälen agierende politische Forderung nach neuen Gesetzen in der Nutztierhaltung, der Erzeugung von Lebensmitteln und der gesunden Ernährung an Schulen und Arbeitsplätzen aufgestellt wird. Nein – es herrscht ein großes Schweigen. Die letzte Bastion in dieser Debatte stellen die Heilpraktiker dar. Seit Jahrzehnten machen wir aufmerksam auf die Zusammenhänge zwischen Lebensmittelproduktion, dem Einsatz von Pestiziden, Herbi- und Fungiziden in der Landwirtschaft, dem inflationären Gebrauch von Antibiotika in Masthaltung und Patientenversorgung, der Zerstörung der Artenvielfalt und so weiter und so fort.

Ich wiederhole mich gern: Alles ist mit allem verbunden! Wenn wir Missstände in einem Bereich verdrängen, werden sie uns an anderer Stelle, in anderer Gestalt wieder begegnen. Alles hat seinen Preis. Eine Abschaffung des Heilpraktikerberufs hätte zur Konsequenz, dass das ganzheitliche Weltbild seine Vertreter und Vorkämpfer verlöre. Bestimmt würden Akupunktur, Homöopathie oder Pflanzenheilkunde weiter in privaten Arztpraxen Anwendung finden, doch definitiv nicht in ihrer ursprünglichen Qualität. Beraubt man ein Heilverfahren seiner ganzheitlichen Wurzeln und entreißt man es seinem Gesamtkontext, so büßt es auch einen Großteil seiner Wirkung und Nachhaltigkeit ein.

Im Pharmaziebereich werden Milliarden verdient – der Gesamtumsatz in Deutschland 2019: über 41,5 Milliarden; der Umsatz an naturheilkundlichen Mitteln hingegen: 445 Millionen! Und es drängen immer mehr Anbieter auf den Markt. Unzählige Nahrungsergänzungsmittelhersteller, Beauty-, Fitness- und Lifestyle-Gurus werben für ihre Produkte. Wie können Patienten vor diesen irreführenden Angeboten geschützt werden? Richtig: durch das Heilpraktikergesetz.

Solange nur Heilpraktiker und Ärzte zur Diagnose befähigt und zur selbstverantwortlichen Behandlung von Patienten zugelassen werden, ist es möglich, einen Mindeststandard in der Patientenversorgung zu sichern und Patienten vor den Werbestrategien selbst ernannter Gesundheitscoaches oder Wunderheilern zu schützen. Schaffen wir den Heilpraktiker ab, wird einer unüberschaubaren Vielzahl von dubiosen Anbietern Tür und Tor geöffnet.

Nicht zuletzt sind Heilpraktiker unverzichtbar, wenn das wertvolle Kulturerbe der Naturmedizin weiterhin als ein lebendiger Bestandteil im Gesundheitssystem erhalten bleiben soll.

Wie erkennt man einen seriösen Heilpraktiker?

Bevor ich mit Ihnen gemeinsam den Weg ins Grüne, in Ihre innere Wildnis wage und wir uns auf eine Reise durch Körper, Geist und Seele aufmachen, möchte ich Ihnen ein paar hilfreiche Tipps geben, um einen seriösen Heilpraktiker zu erkennen. Beachten Sie folgende Hinweise bei der Wahl Ihres Therapeuten:

→ Nimmt sich Ihr Heilpraktiker genug Zeit für die Erfassung, Besprechung und Behandlung Ihrer Beschwerden?

→ Gibt es Erfahrungsberichte und Empfehlungen, die für Ihre Therapeutenwahl sprechen?

→ Waren Personen aus Ihrem Umfeld ebenfalls bei jenem Heilpraktiker in Behandlung?

→ Geht der Heilpraktiker auf Ihre Nachfragen hinsichtlich Angeboten und Verfahren ein, und spricht er transparent über die wissenschaftliche Evidenz seiner Angebote?

→ Werden Ihnen Kosten und Dauer eines Termins verbindlich offengelegt?

→ Seien Sie unbedingt misstrauisch, wenn ein Therapeut einzelne Verfahren als Allheilmittel darstellt oder gar mit Heilversprechen wirbt.

→ Achten Sie darauf, dass Ihr Heilpraktiker einen ganzheitlichen Ansatz wählt, der sowohl Körper und Geist als auch die Seele berücksichtigt.

→ Werden Sie hellhörig, wenn Ihr Heilpraktiker penetrant Werbung für den Eigenvertrieb von Arzneimitteln oder Nahrungsergänzungsmitteln macht. Nehmen Sie Abstand von Therapeuten, die mit dem Verkauf von Produkten ihre Einkünfte erweitern.

→ Klärt Sie Ihr Therapeut über die Risiken und Nebenwirkungen seiner Behandlung auf, und werden Sie auch über zukünftige Kosten unterrichtet? Akzeptiert er die Ablehnung einzelner Therapien und Eingriffe?

→ Bietet Ihr Heilpraktiker neben seinem fachspezifischen Schwerpunkt auch »Schönheitsverfahren« und Beauty-Eingriffe an? Sollte dies der Fall sein, rate ich Ihnen dringend dazu, die ethischen Motive Ihres Behandlers zu hinterfragen. Ist das wirklich ganzheitlich und natürlich?

→ Achten Sie beim Besuch der Praxis auf Hygiene und Sorgfalt. Als unseriös gilt auch die ausschließliche sofortige Barzahlung ohne Rechnung.

All diese Ratschläge helfen Ihnen bei der Wahl Ihres Heilpraktikers, können Ihnen aber letztlich nie garantieren, dass Sie nicht doch einmal auf einen unehrlichen Charakter treffen. Egal ob Sie einen Besuch beim Arzt, Heilpraktiker oder

Checkliste: Therapeutenwahl

1. Ist die Praxis gut erreichbar?

2. Werden Sie freundlich empfangen?

3. Wird Ihr Anliegen ernst genommen?

4. Werden Ihre Persönlichkeit und Ihre Privatsphäre geachtet?

5. Müssen Sie sehr lange auf einen Termin warten?

6. Bekommen Sie weiterführende und seriöse Informationen an die Hand?

7. Werden Ihre Wünsche in alle Entscheidungen mit eingebunden?

8. Werden im Zweifelsfall auch Zweitmeinungen akzeptiert und zur Diskussion gestellt?

9. Werden Ihre persönlichen Daten gut geschützt?

10. Ist ersichtlich, ob Ihr Therapeut an regelmäßigen Schulungen und Fortbildungen teilnimmt?

Psychotherapeuten planen, verlassen Sie sich auch auf Sympathie, Mundpropaganda und zwischenmenschliche Interaktion, denn unser Bauchgefühl trügt selten. Auch bei den renommiertesten Fachspezialisten müssen Sie als Mensch und Patient im Mittelpunkt des Geschehens stehen.

Zum Verinnerlichen

Wenn wir uns rückblickend nochmals dem Begriff der Berufung zuwenden, wird uns nun klar, dass es sich dabei um etwas weitaus Bedeutenderes als »berufliche Selbstverwirklichung« oder »Karriere« handelt. Berufung ist kein Weg des Egos – nein, Berufung ist Selbstwerdung, die von der Interaktion mit anderen Menschen und Wesen lebt. Ja, ich denke, heute liegt vermutlich die größte Herausforderung bei der Verwirklichung der eigenen Berufung darin, von all unseren modernen Profilneurosen loszukommen.

Ich bin davon überzeugt, dass im tiefsten Inneren einer jeden Seele ein Bild dessen wohnt, was ein jeder »werden« soll. Bei mir war es die Natur mit ihren Wäldern und ihren Bergen, die mir meine Berufung von Kindesbeinen an zuflüsterte.

Berufen sein bedeutet zu dienen und nicht zu herrschen, zu schenken, statt zu nehmen, es geht um das Dürfen anstelle von Müssen. Berufung ist Hingabe – sie fordert von uns, dass wir das, was wir tun, ganz tun. Egal wofür Sie sich entschieden haben, tun Sie es mit ganzem Herzen, und dann ist das, was Sie tun, der erste Schritt zu etwas viel Größerem, zu etwas ganz »Wesen-tlichem«.

Grüne Seelen. Über die Weisheit der Natur

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