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Helden auf Rädern

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Das frühe Autofahren war ein sportliches Abenteuer, eine Herausforderung für verwegene Kerle, die mit den schlechten Straßen ebenso zu kämpfen hatten wie mit den Tücken der Technik. Überall drohten Gefahren. Mal versagte die Zündung, mal war der Benzinzufluss verstopft, mal ging der Sprit aus. Als der Autopionier Theodor Freiherr von Liebieg 1894 von Reichenberg nach Mannheim fuhr, musste er sein Auto nicht nur mehrmals reparieren; er rammte auch einen Baum, blieb im Straßengraben stecken und fuhr einen Dackel tot.8

Heute steigen wir in ein Auto, drücken auf einen Knopf und fahren einfach los. In der Frühzeit des Autos brauchten die Fahrer nicht nur technische Fähigkeiten, sondern auch Muskeln und Mut. Bereits der Startvorgang war komplex. Erst musste man den Benzinhahn am Tank öffnen, mit einer Pumpe im Fußraum den Vergaser mit Benzin fluten, am Lenkrad mit dem Handgashebel etwa Halbgas geben, schließlich den Motor mit der Handkurbel anwerfen, wobei man aufpassen musste, dass die Kurbel nicht zurückschlug und einem die Knochen brach. Nur wenige Autobesitzer trauten sich überhaupt, selbst zu fahren; die meisten brauchten Chauffeure, die das Auto nicht nur sicher beherrschten, sondern auch unterwegs reparieren konnten.

Das Auto stand für Freiheit und Unabhängigkeit, für Abenteuer und Glück. Wie das Pferd dem Cowboy die Unendlichkeit der Prärie erschloss, so eroberte das Automobil dem „Herrenfahrer“ die Landstraßen. Die frühen Automobilisten sahen sich als Amateur-Rennfahrer und Gentlemen, ausgestattet mit ritterlichen Männlichkeitstugenden wie Kaltblütigkeit, Mut und Stolz. Im so genannten Automobilgesicht las man „die tausend durchgemachten Gefahren, das knappe Vermeiden eines Unglücksfalles“; man war fasziniert von jenem Antlitz, das „mit der Zeit einen entschlossenen und energischen Zug“ annahm:

„Die beständige, hochgradige Aufmerksamkeit während der Fahrt, die Bedienung der Maschine mit all ihren Apparaten, das rasche Abschätzen der Distanzen zwischen dem Wagen und einem Hindernis, muss mit der Zeit den Muskeln um Augen, Mund und Ohren jenen Spannungsgrad verleihen, welcher für das Automobilgesicht charakteristisch ist. Am meisten aber prägt sich in diesen Zügen die Angst aus, eventuell die unschuldige Ursache einer verhängnisvollen Katastrophe zu werden.“9

Die frühen Autofahrer suchten das rauschhafte Erleben, das wilde Abenteuer, den aggressiven Konkurrenzkampf auf der Straße. Das Auto stand für den unaufhaltsamen Fortschritt, für das Ende der alten, überkommenen Kultur. Es passte in eine Welt, die sich rasend schnell veränderte. Das Automobil um die Jahrhundertwende war ein Teil der Moderne-Bewegung. Viele Autofahrer waren Künstler und Bohemiens, Offiziere oder wohlhabende Großbürger, die sich als Avantgarde der neuen Zeit sahen. Man wollte auffallen und provozieren, die spießigen Bürger verschrecken; rasante Spritztouren und Autorennen gehörten dazu. Es war gerade die Aura des Dubiosen und Gefährlichen, die dem Automobil eine solche Anziehungskraft verlieh. So spottete Karl Kraus 1902 in der Fackel, dass sich nur „Sprösslinge der Finanz“ und die „besseren Diebskreise“ zum Auto hingezogen fühlten.10

Land der Lenker

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