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Vorwort

von Franz Meurer *

Im Mittelpunkt dieses Buches steht das Severinsviertel. Und trotzdem spielt auch die Schäl Sick, also die andere Rheinseite, eine wichtige Rolle. Ich darf ja hier im Vorwort nichts verraten, aber das fällt mir schwer. Deshalb erzähle ich Ihnen jetzt lieber etwas über unser recht armes Viertel Köln-Vingst: „Dort beginnt Sibirien“, soll Konrad Adenauer gesagt haben. Und auch heute noch liegt die Überschuldungsquote an der Spitze der Veedel in Köln. Doch wir halten zusammen. Das sind nicht nur leere Worte, sondern ein gelebtes Miteinander.

Die Autorin dieses Buches wurde in der Südstadt geboren und zog mit sieben Jahren nach Vingst. Damals hatten die Arbeiter noch reichlich Geld in der Tasche und der Kaufhof in unserem Bezirk war die umsatzstärkste Filiale in Deutschland. Diese Zeiten sind längst vorbei. Im Jahr 2012 schloss nach 83 Jahren der Kaufhof seine Türen für immer. Und so, wie in diesem Buch der Niedergang des Severinsviertels protokolliert wird, erging es auch uns auf der Schäl Sick: Nach und nach fielen 70 000 Arbeitsplätze weg. Schritt für Schritt wurde aus dem Wohngebiet stolzer Industriearbeiter ein Stadtteil mit „Erneuerungsbedarf“, wie es so schön im Behördendeutsch heißt.

Aber Bangemachen gilt nicht! Denn auf den Niedergang folgt bürgerschaftliches Engagement. Deshalb ist Ulrike Blatters Buch auch keine Lektüre für Depressive. Ich kann nur für Köln-Vingst sprechen, aber wir machen unser Stadtviertel schön. Wir verhindern „broken windows“ und pflanzen Blumen. Ehrenamtliche und Arbeitslose mähen täglich das „Straßenbegleitgrün“ (auch so eine unsägliche Behörden-Wortschöpfung!). Dies alles tun wir und noch viel mehr, aber vor allem eins: Wir machen den Menschen Mut und geben ihnen die Selbstachtung zurück!

Für uns Vingster ist es wunderbar, dass unser Veedel in diesem Buch vorkommt. Auch die Kölner Südstadt war einmal ein Veedel der kleinen Leute. Jetzt wohnen dort vor allem die Intellektuellen und Etablierten. Dort kann man beobachten, was passiert, wenn Wohnraum für die Normalos unbezahlbar wird. Bei uns auf der Schäl Sick gibt es noch Wohneigentum für 1 000 Euro pro Quadratmeter. Wer also reich werden will: Herzliche Einladung zur Investition in Köln-Vingst!

Nach Lektüre des Buches natürlich.

* Pfarrer Franz Meurer, auch genannt Don Camillo von Köln, ist der Pfarrer der Armen und gilt als kölscher Franziskus. Der Stadtteilpfarrer für Köln-Höhenberg und Vingst, „Erzbischof der Herzen“ (Kölner Express), lehnte es 2014 ab, sich für die Nachfolge von Kardinal Meissner nominieren zu lassen.

Vor dem Erben kommt das Sterben

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