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Wo ist mein Schatten?

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Die Sonne zog ihre Bahn und alle Bäume und Blumen, die auf der Wiese standen, warfen schon lange Schatten. Da bemerkte ich auf einmal etwas sehr Merkwürdiges. Mein Schatten, er war weg. Alle meine Geschwister warfen Schatten, aber meiner war verschwunden. Ich war ganz verdutzt und auch traurig. Wo war mein Schatten bloß hingekommen? Ich lief zu meiner Mutter. „Mama, mein Schatten ist verschwunden, wo ist er nur hin?“ Meine Mutter guckte zu mir und sagte: „Ja tatsächlich, dein Schatten ist nicht da. Das ist aber sonderbar. Es kommt bestimmt daher, dass du dich so erschreckt hast vor dem großen schwarzen Hund.“ Auch meine Geschwister kamen angelaufen und wunderten sich, wo mein Schatten hingekommen war. Wir begannen, ihn überall zu suchen. Im Bau war er nicht, unter den hohen Bäumen, die auf der Wiese standen, war er nicht. An dem kleinen Teich, der an die Wiese grenzt, war er auch nicht zu finden. Wir waren ganz ratlos. Da fing ich auf einmal an zu weinen und selbst meine Mutter konnte mich nicht trösten. „Mein Schatten, wo ist denn bloß mein Schatten? Ich fühle mich ganz schwebend und durchsichtig. Ich werfe keinen Schatten mehr.“ „Dein Schatten ist bestimmt morgen wieder da, wenn Du Dich von deinem Schreck erholt hast“, sagte meine Mutter tröstend. Ich ging früh schlafen, weil ich hoffte, dass mein Schatten am nächsten Morgen wieder da sein würde. Ganz früh, die Sonne war gerade erst aufgegangen, weckte ich meinen Bruder Simon und ich sagte zu ihm: „Komm lass uns hinaus aus dem Bau in die Sonne gehen und nachsehen, ob mein Schatten wieder da ist.“ Wir kletterten aus unserem Bau. Die Sonne war schon aufgegangen. Simon warf direkt einen Schatten. Ich sah mich um, aber mein Schatten war nicht da. „Du wirfst immer noch keinen Schatten“, sagte Simon traurig und verdutzt. Ich fing an zu weinen. „Wo ist denn nur mein Schatten? Warum ist er nicht da?“ Ich hoppelte zurück in den Bau und weckte meine Mutter. „Mein Schatten ist immer noch nicht da, was soll ich denn jetzt machen?“ „Jetzt frühstücken wir erst einmal“, sagte meine Mutter tröstend, „Komm mit auf die grüne Wiese. Die Blumenblüten und Gräser werden dich stärken und vielleicht kommt dein Schatten dann wieder.“ So aß ich tüchtig und sah mich den ganzen Tag immer wieder um, aber mein Schatten war und blieb verschwunden. Meine Geschwister tollten wild auf der Wiese herum, aber ich war seltsam still und verunsichert. Der Schreck mit dem großen schwarzen Hund hatte mich verändert. Ich war sehr ängstlich und unsicher und traute mich nicht von der Seite meiner Mutter weg. Bei ihr fühlte ich mich sicherer als alleine. Was war ich doch früher über die Wiese gehoppelt und hatte vor nichts Angst gehabt. Ich war ein echter Draufgänger gewesen. Nun war ich ganz ängstlich geworden. Meine Mutter bemerkte, dass ich mich nicht von ihrer Seite fortbewegte und kuschelte sich an mich. „Der Schreck ist dir aber gehörig in die Glieder gefahren“, meinte sie liebevoll. „Aber das gibt sich bestimmt bald wieder und dann ist auch sicher dein Schatten wieder da.“ Aber nichts geschah. Woche um Woche verging, aber ich wurde immer ängstlicher und mutloser und traute mich gar nicht mehr von der Seite meiner Mutter weg. So ging das eine Zeit lang.

Das Kaninchen ohne Schatten

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