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Alfred de Musset

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1810-1857

An Juana

Du bist’s, für die ich einst entbrannte,

Die erste, welche mein ich nannte,

Der ich geweiht mein ganzes Sein!

Erinnerst du dich auch noch dessen?

Ich habe es noch nicht vergessen,

Im letzten Sommer warst du mein.


Wie rasch entschwinden doch die Zeiten,

Die wir mit tausend Nichtigkeiten

Vergeuden, schnell sind sie entflohn.

Fast zwanzig Jahre sah ich schwinden,

Und du, Gefährtin meiner Sünden,

Hast ihrer beinah achtzehn schon.


Scheint auch die rote Rose bleicher,

Ist ihre Pracht nur um so reicher,

Ich schmeichle nicht, schön bist du doch!

Kein liebend Weib war liebevoller,

Kein spanisch Köpfchen jemals toller,

Denkst du des letzten Sommers noch?


Des Abends noch, da du mich kränktest

Und dann dein Halsgeschmeid mir schenktest,

Da ich ob deines Zorns geschmollt;

Drei Nächte fand ich keinen Schlummer,

In bittersüßem Liebeskummer

Hab ich geküßt das rote Gold.


Und die verräterische Schöne!

Denkst du noch an die tolle Szene,

O Andalusiens holder Stern?

Dein Liebster wollt vor Lachen sterben,

Und Eifersucht schien zu verderben

Den Gatten fast, den alten Herrn.


Nimm dich in acht, hör was ich sage,

Von neuem kehren jene Tage

Der Liebe bald vielleicht zurück.

Ein Herz, das dich einmal besessen,

Kann deiner nimmermehr vergessen,

Das Herz begehrt kein besser Glück.


Ach was! ich mag den Strom nicht dämmen,

Ich kann das Rad der Zeit nicht hemmen,

Ich halte seinen Gang nicht auf;

Was kümmern uns entschwundene Freuden,

Das Lied ist aus, wir wollen scheiden,

Das ist einmal der Welten Lauf.


Die Zeit entführt auf ihren Schwingen

Den Lenz, die Lerche und ihr Singen,

Ach, unser Dasein gleicht dem Rauch;

Karg ist die Frist uns zugemessen,

Was frommt mir, daß ich dich besessen,

Und dir, daß meiner du vergessen …

Mein Leben schwindet, deines auch!


An Julie

Daß mich die Leute auf den Gassen

Nicht mal in Frieden rauchen lassen!

Mich fragt ein jeder dumme Wicht,

Woran ich seit drei Jahren schreibe,

Was ich in meinen Nächten treibe,

Denn daß ich schlafe, glaubt man nicht.


Willst du mir deine Lippen reichen?

Die tollen Nächte, die dich bleichen,

Sie trocknen die Korallen auch.

Daß diese Wunder nicht verderben,

Mein schwarzes Lieb, mußt du sie färben

Mit deines Atems heißem Hauch.


Mein Drucker glaubt sich längst vergessen,

Er meint, es warten seine Pressen

Auf meine! Und ein ganzer Trupp

Honetter Herren hält die Wette,

Daß mich mein Glück verlassen hätte,

Man schwatzt davon in jedem Klub.


Hast du noch deinen Muskateller?

Wir waren gestern erst im Keller,

Vielleicht blieb noch ein Rest zurück.

Wie glüht dein Mund! Ich will geschwinde

Mal sehen, ob ich was erfinde,

Natürlich ein verrücktes Stück.


Sie sagen, daß ich keine Lieder

Mehr pfeifen kann und daß ich wieder

Mich werfe in den vollen Strom.

Es lohnt nur nicht, sonst schickten heute

Nach Sankt Helena mich die Leute

Mit einem Magen-Karzinom.


Wenn ich am Feuer weiter nasche,

Verbrenn ich sicher noch zu Asche,

Auch Herkules ist ja verbrannt;

Soll in den Gluten ich verderben,

Will ich bei Dejanira sterben,

Drum öffne schleunigst dein Gewand!


An Pepa

Pepita, wenn die Sonne scheidet,

Wenn deine Mutter schlafen geht,

Wenn bei der Lampe halb entkleidet

Du knieend sprichst dein Nachtgebet,


Zur Stunde, wo du Frieden findest,

Wo dich erwartet süße Rast,

Wo du die Abendhaube bindest

Und unters Bett geleuchtet hast,


Wenn all die Deinen, die Familie,

Der Schlummer hält in seinem Bann,

Pepita, meine schlanke Lilie,

Gestehe, woran denkst du dann?


An eine Heldin aus Romanen,

Die ihr zerbrochnes Glück beweint,

An alles, was der Traum läßt ahnen

Und was die Wirklichkeit verneint,


An Berge, die nach schwerem Kreisen

Das Leben geben einer Maus,

An Andalusiens wilde Weisen,

An einen Mann, ein Zuckerhaus,


An Rosen, die du einmal pflanztest,

An Blicke jenes faden Wichts,

Mit dem du den Fandango tanztest,

Vielleicht an mich, vielleicht an nichts!


Lilla

O ließe Lilla sich bewegen,

Daß sie mir öffnete bei Nacht,

Dann braucht ich keines Pfaffen Segen!

Durchs Fenster spräng ich, nie verlegen,

Wenn ihre Frau Mama erwacht.


Die Angst mag alte Schachteln quälen

Um das Genick! Solch dürres Kraut

Wird keiner wohl dem Teufel stehlen,

Der wartet, bis die lieben Seelen

Sich langsam ekeln aus der Haut.


Auf einer Planke möcht ich zechen

Mit Lilla, niemals wär ich satt!

Kein Papst kann so mich selig sprechen,

Der Mann darf dreist sein Glas zerbrechen,

Der diesen Wein getrunken hat.


Ballade an den Mond

Hoch auf dem Turme glitzt er,

Der Mond, so gelb wie nie,

Da sitzt er,

Wie’s Tüpferl auf dem I.


Welch Elf hat auf den Faden

Dich mit geschickter Hand

Geladen,

Du naseweiser Fant?


Du Maske der Gespenster,

Was guckt für ein Gesicht

Durchs Fenster

Herein, du blasser Wicht?


Bist du, der Nacht Begleiter,

Nur rund geformtes Gold,

Das weiter

Sich ohne Beine trollt?


Bist du es gar, Geselle,

Bist du es, dessen Lauf

Der Hölle

Die träge Uhr zieht auf?


Ein Zeiger, der die Stunden

Verdammten Seelen weist,

Sekunden

Der Ewigkeit umkreist?


Ist es ein Wurm, der witternd

Sich anzuschleichen wagt

Und zitternd

Die Sichel dir benagt?


Wer hat dich halb geblendet?

Hat gestern dich im Traum

Geschändet,

Vielleicht ein spitzer Baum?


Auf meines Zimmers Wände

Trägt mir dein fahler Schein

Behende

Des Gitters Netzwerk ein.


Es hat der Sonne Gnade,

Da sie ins Meer getaucht,

Dich gerade

Ein wenig angehaucht.


Einst wirst du ganz erkalten,

Dein Angesicht verrät

Durch Falten,

Wie schlimm es um dich steht.


Die Göttin gib uns wieder,

Die keusch und nie besiegt

Die Glieder

An ihre Hirschkuh schmiegt,


Die einst in der Platane

Gehege sich gefiel,

Diane

Und ihrer Meute Spiel.


Hoch flüchtig sind gesprungen

Die Rehe, wenn voll Macht

Gedrungen

Das Hifthorn durch die Nacht,


Wenn auf der Spur der Beute

Ringsum durch Wald und Feld

Die Meute

Zur Hetze hat gebellt.


Als eines Abends linde

Durch ihren Hain gerauscht

Die Winde,

Hat Phoebus sie belauscht,


Der Gott, der nächtlich schwärmend

Die Hirtin und den Hirt

Keck lärmend

Im Vogelflug umschwirrt.


Durch jedes Abenteuer,

Dem still du beigewohnt,

Bleibst teuer

Du alle Zeit uns, Mond.


Wem immer du begegnet,

Dem bist für ewig du

Gesegnet,

Ob ab du nimmst, ob zu.


Du bist es jedem Schäfer,

Wenn auch zu nächtiger Stund

Dich Schläfer

Hat angebellt sein Hund.


Du bist es jedem Schiffe,

Das hart vom Sturm bedrängt

Durch Riffe

Der Lotse sicher lenkt.


Und jedem schönen Kinde,

Das mal in dunkler Nacht

Geschwinde

Sich aus dem Staub gemacht.


Tief unter dir gebettet

Und wie ein wilder Bär

Gekettet

Träumt das gezähmte Meer.


Wenn ich bei Wind und Wetter

Nicht aus der Stube kann,

Herr Vetter,

Dann schaue ich dich an,


Seh auf dem Turm dich glitzen,

Seh dich vergnügt wie nie

Dort sitzen,

Wie’s Tüpferl auf dem I.


Wenn manches wider Hoffen

Ein Ehemann zu Haus

Getroffen,

Dann lachst du ihn noch aus.


Und wenn der junge Gatte,

Nachdem die Mutter zach

Ihm hatte

Entriegelt das Gemach,


In Schlafrock und Pantoffel

Die Kerze löscht im Nu,

Du Stoffel,

Dann siehst du spöttisch zu.


Bang harrt sie mit dem Ringe

Am Finger, der sie mahnt

An Dinge,

Die sie nur zitternd ahnt.


Der Herr Gemahl fängt Feuer,

Sie wird in ihrer Qual

Nur scheuer

Und wehret dem Gemahl.


Er blickt mit heißen Augen

Und ruft: Mein Kind, was soll

Das taugen?

Bei Gott, du machst mich toll!


Kaum kann er es noch tragen,

Da läßt ihn ein Gesicht

Nichts wagen,

Und er, er wagt es nicht.


Es zittert und es zuckt ja,

Wir sind hier nicht allein,

Man guckt ja

Ins Zimmer uns herein!


Hoch auf dem Turme blitzt er,

Der Mond, so frech wie nie,

Dort sitzt er,

Wie’s Tüpferl auf dem I.


Dezembernacht

Als Schüler hab ich eine Nacht

In meinem Zimmer mal durchwacht,

Die Stunden wollten kaum entweichen;

Da plötzlich mir zur Seite stand

Ein Knabe, schwarz war sein Gewand,

Er glich mir, wie sich Brüder gleichen.


Bleich war sein schönes Angesicht,

Bei meiner Lampe trautem Licht

Hat er gelesen und geschrieben;

Mild lächelnd und gedankenschwer

Und träumend blickte er umher,

Die ganze Nacht ist er geblieben.


Grad war ich fünfzehn Jahre alt,

Und wollte einmal durch den Wald,

Quer durch die braune Haide streichen.

Da plötzlich an dem Raine stand

Ein Jüngling, schwarz war sein Gewand,

Er glich mir, wie sich Brüder gleichen.


Ich suchte aus dem Wald nach Haus,

Der fremde Gast hielt einen Strauß

Und eine Laute in den Händen;

Er grüßte freundlich mich, doch stumm,

Dann drehte er sich halb nur um,

Des rechten Weges mich zu senden.


Als dann mein Herz zum erstenmal

Verraten ward und sich in Qual

Gewunden unter schweren Streichen,

Da plötzlich an dem Herde stand

Ein Fremdling, schwarz war sein Gewand,

Er glich mir, wie sich Brüder gleichen.


Stumm stand er dort, in sich gekehrt,

Die Rechte trug ein blankes Schwert,

Die Linke zeigte starr nach oben;

Als hätt er um mein Leid gewußt,

Rang sich ein Seufzer aus der Brust,

Dann ist er wie ein Traum zerstoben.


Als ich in der Gesellen Kreis

Von edlem Weine einmal heiß

Zu kecker Rede gab das Zeichen,

Da plötzlich mir vor Augen stand

Ein Zecher, schwarz war sein Gewand,

Er glich mir, wie sich Brüder gleichen.


Ein Purpurlappen, ganz geflickt,

Hat unterm Mantel vorgeblickt,

Die magere Hand hat ihm gezittert;

Stumm hob das Glas der fremde Mann

Und schweigend stieß er mit mir an,

Da ist mein Glas im Nu zersplittert.


Ein Jahr darauf, die Zeit entflieht,

Hab ich an einem Bett gekniet,

Des Vaters Mund sah ich erbleichen.

Da plötzlich ihm zu Häupten stand

Ein Waisenkind, schwarz sein Gewand,

Es glich mir, wie sich Brüder gleichen.


Ein Engel, der dem Schmerz erliegt,

Erschien er dort, vom Leid besiegt,

Gleich mir, des teuren Toten Sohne;

Die frohe Laute war umflort,

Das Herz von einem Schwert durchbohrt,

Das Haupt trug eine Dornenkrone.


Noch oftmals hab ich ihn gesehn

An meiner Seite schweigend stehn

In meines Lebens schwersten Stunden,

Die rätselhafteste Vision!

Ist er ein Engel, ein Dämon?

Ich hab ihn überall gefunden.


Da später, müde und verzagt,

Ich Frankreich Lebewohl gesagt,

Der bittern Qual mich zu entwinden,

Da all mein Hoffen war verdorrt,

Da ich an einem fremden Ort

Wollt sterben oder Leben finden,


Zu Pisa und im goldnen Mainz,

Zu Cöln, im Angesicht des Rheins,

Zu Nizza unter grünen Myrten,

In den Palästen von Florenz,

Im Wintersturm, im jungen Lenz,

Hoch in den Alpen, bei den Hirten,


Zu Genua, wo wild die See

Das Ufer peitscht, und zu Vevey,

Zu Havre an der Klippe Wänden,

Dort wo Venedig schläft und träumt,

Die Adria am Lido schäumt,

Um in Lagunen feig zu enden,


Wo ich auch immer ohne Mut

Gewandert bin, wo mir das Blut

Geströmt aus meines Herzens Wunden,

Wohin mich meine Unrast trieb,

Wo mich durch ihr verdammtes Sieb

Gepreßt die ewig gleichen Stunden,


Wo nur das Rätsel dieser Welt

Des Daseins Freude mir vergällt,

Wenn ich dem Durste wollt genügen,

Wo immer, was ich längst gesehn,

Ich wieder sah vorübergehn,

Den kleinen Menschen mit den Lügen,


Wohin auf meiner Fahrt ich kam,

Wo in die Hand das Haupt ich nahm,

Um mich am Wege auszuweinen,

Wo ich durch das Gestrüpp gehetzt

Und wie ein Lamm zerzaust, zerfetzt

Dann niedersank auf kalten Steinen,


Wo immer mir ein Leid gedroht,

Wo ich verzweiflungsvoll dem Tod,

Dem letzten Freund, die Hand wollt reichen,

Stets plötzlich mir zur Seite stand

Der Ärmste, schwarz war sein Gewand,

Er glich mir, wie sich Brüder gleichen.


An Frau M

Selbst wenn die Qual, die meine Seele leidet,

In ihr entfachte noch einmal die Glut,

Selbst wenn das Schicksal, das dies Glück mir neidet,

Mir ärmsten gönnte solch ein seltenes Gut,


Selbst wenn die Scham, die jetzt dich von mir scheidet,

Mir alles schenkte, was still in dir ruht,

Selbst dann, du Kind, von Unschuld fromm bekleidet,

Hätt ich zur Liebe weder Witz noch Mut.


Doch wenn dereinst die müden Sinne schwinden,

Wenn diese Welt nichts mehr in dir bewegt,

Wird die Erinnerung dich mir verbinden.


Magst du dich freuen, dich in Schmerzen winden,

In deiner Hand wirst du die meine finden,

Du hörst mein Herz, das an dem deinen schlägt.


Lebewohl!

Lebwohl! Gott heißt dich weiter gehen,

Nur dich, da meiner er vergißt,

Auf Erden gibt’s kein Wiedersehen …

Jetzt weiß ich, was du mir gewesen bist.


Nur keine Tränen, keine Klagen,

Ich beuge mich, das Schicksal spricht,

Mag dich dein Schiff von dannen tragen,

Ich sehe lächelnd zu und weine nicht.


Die Hoffnung läßt dich sorglos scheiden,

Voll Hochmut kehrst du wieder her,

Und jene, die beim Abschied bitter leiden,

Die kennst du dann gewiß nicht mehr.


Lebwohl, zieh deinem Traum entgegen,

Da du im Rausche nach Gefahr nicht fragst,

Noch blendet dich der Stern auf deinen Wegen,

Noch lockt das Irrlicht dich, nach dem du jagst.


Einst lernst du, magst du jetzt auch prahlen,

Welch reiches Glück ein Herz gewährt,

Das uns versteht, und welche Qualen

Wir dulden, wenn sich’s von uns kehrt.


Französische Lyrik alter und neuer Zeit in deutschen Versen

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