Читать книгу CARE-Paket & Co. - Volker Ilgen - Страница 7

Das Paket als Gabe

Оглавление

Mein Großvater mütterlicherseits, Frontsoldat im Ersten und Generalstabsoffizier im Zweiten Weltkrieg, war kein Freund der Amerikaner und schon gar nicht ihres way of life. Er fand sie schlicht kulturlos und verzieh ihnen nie, dass sie sein selbst ernanntes Volk der Dichter und Denker kraft ihrer überlegenen Wirtschafts- und Militärmacht gleich zweimal in die Knie gezwungen hatten. Anfang 1947 hörte seine Tochter, damals gerade Dolmetscherin bei der britischen Besatzungsmacht, dass vom Hilfswerk der evangelischen Kirche Lebensmittelspenden aus CARE-Paketen an Bedürftige verteilt würden. In diesem Falle nützten ihre Englischkenntnisse jedoch wenig, da unsere Familie weder Verwandte noch Bekannte in den USA hatte und nach den strengen Kriterien der diese Gaben verteilenden deutschen Wohlfahrtsverbände auch keineswegs „bedürftig“ war. Dennoch stellte sie sofort Überlegungen an, wie sich ein paar der amerikanischen Köstlichkeiten ergattern ließen.

Mein Großvater hingegen fand das Vorhaben schlicht würdelos: Seiner Meinung nach stand es einer deutschen Offiziersfamilie auch in der Niederlage nicht an, Almosen zu erbetteln. Gleichwohl machte sich seine Tochter alsbald auf den Weg zur Ausgabestelle, wo es ihr tatsächlich gelang, den christlichen Nothelfern ein wenig Mehl, Zucker und Schmalz mit welch abenteuerlicher Mitleidsgeschichte auch immer abzuschwatzen. Zunächst weigerte sich mein Großvater, auch nur ein Gramm der „feindlichen“ Nahrungsmittel anzurühren, doch schließlich siegte der Hunger, denn „erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“, wie Bert Brecht bereits 1928 in seiner Dreigroschenoper formulierte.

Der Ausschnitt aus der Familiengeschichte soll untermalen, wovon dieses Buch handelt: Es wird die Geschichte dreier Sonderformen von Paketen erzählt, die als „Geschenke“ in der deutschen und für die deutsche Gesellschaft im 20. Jahrhundert individuell wie kollektiv eine herausragende Rolle gespielt haben, dürfte doch jede Leserin und jeder Leser entweder selbst oder über Berichte älterer Familienmitglieder irgendwann mit diesen kommunikativen „Beziehungszeichen“, wie der Soziologe Erving Goffmann Geschenke auffasst, in Berührung gekommen sein. Zu meiner Familienstory hinzuzufügen wäre nämlich noch, dass der Großvater seinem Enkel – „Opa, erzähl mal vom Krieg“ – vorschwärmte, welche Freude ihm während des Ersten Weltkriegs ein Liebesgaben-Paket als „Gruß aus der Heimat“ bereitet hatte, das zu ihm in den Schützengraben an der Westfront gelangt war. Auch kann ich mich noch gut daran erinnern, dass in den 60er- und 70er-Jahren regelmäßig Pakete für die in der „Ostzone“ lebenden Verwandten unserer Familie auf dem Küchentisch meiner Großmutter geschnürt wurden. Allerdings geht es im Folgenden nicht um den individuellen, auf persönlicher Ebene erfolgten Geschenkpaketverkehr, sondern um die „kollektiven“ Pakete, also die, welche z. B. Wohlfahrtsverbände packten und verschickten. Erst als diese Beziehungszeichen von der Anonymität des Privatraums in den der Öffentlichkeit gelangten, konnten sie jene mythische Aufladung erfahren, die sie, jenseits ihres reinen Gebrauchswertes und jenseits ihrer Funktion als individuelle Gefühlsäußerungen, in sozialpolitische Megasymbole verwandelte.

Die sozialpolitische Bedeutung der guten Gaben

Der Austausch von Geschenken gehört zu den frühesten sozialen Verkehrsformen der Menschheit, bei denen im Sinne des Ethnologen Marcel Mauss, der in seinem bekannten Essai sur le don bereits 1923 eine Kulturtheorie der Gabe aufstellte, ein „System totaler Leistungen“ zum Tragen kommt, dessen Komplexität sich durch das gleichzeitige Wirken und Ineinanderverwobensein ökonomischer, juristischer, moralischer, ästhetischer und mythologischer Motive und Handlungen ausdrückt. In der ersten Zielrichtung hatte Gabentausch den Sinn, Gesellschaft überhaupt zu konstituieren, was sich etwa in dem aus dem Lateinischen stammenden Wort „Kommune“ = „Gemeinschaft“ noch widerspiegelt, das aus einer Kontraktion von cum muneribus = „mit Geschenken“ herrührt. Die sozial integrierende Kraft der Gabe erklärt sich aus ihrer anthropologischen Nähe zum archaischen Opfer, bei dem die höchstmögliche Form der Gabe in der Darbringung des eigenen Lebens bestand. In nur wenig säkularisierter Verschleierung sollte gerade dieser Aspekt z. B. bei der Liebesgabe im Ersten Weltkrieg eine wichtige Rolle spielen, wurde doch, sofern das gedankliche Experiment einer verkürzenden Reduktion der Heimat-Front-Interaktion auf das bipolare Kommunikationspaar „Gabe versus Gegengabe“ gestattet ist, die „Gegengabe“ des Soldaten allgemeingesellschaftlich dahingehend definiert, das Leben einer „höheren Instanz“, dem Kaiser und/oder dem Vaterland, zu verschreiben.

Auch wenn Mauss’ Untersuchungen sich auf vorindustrielle Gesellschaften der, wie wir es heute nennen würden, „Dritten Welt“, bezogen, finden sich in abgeschwächter und modifizierter Form alle Sinn- und Zweckkonstituenten der ursprünglichen Gabe auch in unserer globalisierten Welt wieder. Geschenke haben eine ökonomische Bedeutung. Zugleich gehen sie aber über einen nach ökonomischen Prinzipien organisierten Tausch hinaus. Sie wären keine Geschenke, fänden sie ihr Maß in der Berechnung von Kosten und Nutzen. Dennoch „funktioniert“ Schenken nach sozialen Regeln. Geschenke schaffen beispielsweise Machtverhältnisse und Abhängigkeiten, definieren den gesellschaftlichen Status von Schenkendem und Empfangendem, „befestigen“ Stillhalteabkommen oder normieren Dankbarkeitshaltungen. Sie strukturieren in der Beobachterperspektive und in einem allgemeineren Sinn alles Soziale, wie es der Ethnologe Claude Lévi-Strauss einmal formuliert hat. Im Rahmen des Prozesses von Gabe und Gegengabe usw. geht es so gesehen auch darum, ein möglichst befriedigendes Gleichgewicht zwischen beiden Seiten, sozusagen eine Art Waagezustand gegenseitigen Interessenausgleichs, zu erzielen. Insofern hatten die einseitigen Paketströme von Liebesgaben, CARE- und West-Paketen, ohne dass sich Sender wie Empfänger immer darüber im Klaren waren, auch die Aufgabe, das gefühlte oder faktisch vorhandene Moment der Unausgeglichenheit aufzuheben bzw. erträglicher zu gestalten. Konkret meinte das: Liebesgaben-Geschenke im Krieg fungierten als Antidepressiva und Durchhaltestimuli für die – nach verbindlicher Definition – gefährdetsten Gruppen der Gesellschaft, also für die Soldaten an der Front; CARE-Pakete dienten vor dem Hintergrund des Kalten Krieges in den Westzonen und der Bundesrepublik als Impulsgeber für den Wiederaufbau oder als Belohnung für die Akzeptanz der Demokratie, womit letztlich die Deutschen in die Völkerfamilie reintegriert werden sollten. Und Westpakete in die DDR lassen sich, je nach ideologischem Standpunkt, als beflügelnde Widerstandshilfe oder als Korruptionsversuche für die im Vergleich zu ihren Verwandten im Westen benachteiligten Brüder und Schwestern im Osten begreifen. Die Geschenkpakete hatten somit für die Absender auch eine gewisse Erlösungsfunktion – sie dienten schlicht zur Entlastung des schlechten Gewissens.

Auf der anderen Seite sahen sich die Empfänger durch die Gaben bzw. durch die hier zur Rede stehenden Pakettypen mit dem Problem der Inadäquatheit konfrontiert, d. h. mit der Unmöglichkeit, sie „gleichwertig“ erwidern zu können. Unterschwellig transportierte die Gabe nämlich die Forderung, in Zukunft eine Gegenleistung erbringen zu müssen, die im Moment der Übergabe bzw. Annahme weder spezifiziert wurde noch explizit verlangt werden konnte. Der Soziologe Georg Simmel hat entsprechend Dankbarkeit als moralisches Gedächtnis der Menschheit bezeichnet, da sie die ideelle Beziehung vom Empfänger zum Sender fortleben lässt, auch wenn die konkrete Beziehung längst abgebrochen ist und der Akt des Gebens und Nehmens längst der Vergangenheit angehört. Verifizieren lässt sich diese kaum mehr aufzulösende Situation einer unbewussten, damit dauerhaften „Bringschuld“ z. B. in der Person des Altbundeskanzlers Helmut Kohl, dessen äußerst positive Grundhaltung gegenüber den USA auch mit der grenzenlosen Dankbarkeit zusammenhing, die er zeitlebens gegenüber den Amerikanern empfand, nachdem er in jugendlichem Alter in den Genuss amerikanischer Schulspeisungen gekommen war.

Darüber hinaus führten als immaterielles Beipack tendenziell die meisten dieser Geschenke das „Odium“ des Almosens mit sich – mit Ausnahme der Liebesgaben im Ersten Weltkrieg, da die Spender hier auf gleicher Augenhöhe mit den Empfängern agierten und ihre Geschenke oft unter Einschränkung des eigenen Lebensstandards von ihren kargen Mitteln abknappsen mussten.

Beim Westpaket der „reichen“ Bundesbürger hingegen löste der potenzielle Almosenaspekt auf Empfängerseite die hektische Suche nach einer passenden Gegengabe aus. Wenn diese dann mit Räuchermännchen aus dem Erzgebirge oder den berühmt-berüchtigten Häkel-Sofaschonern eintrafen, führte das auf der Westseite oftmals zu naserümpfender Fehlinterpretation, weil der DDR-Bürger damit weder die in der Bundesrepublik quasi als Sozialnorm verbreitete Metapher von den „armen Brüdern und Schwestern“ beachtet hatte noch der „großherzige“ Westler die psychologische Tiefendimension des östlichen Reflexes durchschaute: Wer schenkt, opfert zwar einen Teil seiner Ressourcen, bedroht aber damit den Autonomiestatus des Beschenkten.

Im Geschenk offenbart sich immer auch die Identität des Schenkenden, was Simmel als „Expansion des Ich“ bezeichnete: Wenn vaterländisch motivierte Frauen, wie im Ersten Weltkrieg geschehen, für die Soldaten als Liebesgabe Leseheftchen anfertigten, in die sie Zeitungsartikel, Zeichnungen oder Fotos nach eigenem Gusto einklebten, oder wenn Amerikanerinnen rosafarbene Morgenmäntel mit Goldplissé in CARE-Paketen ins derangierte Nachkriegsdeutschland mitschicken ließen, stülpten sie den Empfängern einen Teil ihres eigenen Ichs über. Insofern sind sowohl die individuellen Gegenreaktionen der DDR-Bürger als auch der harsche Umgang ihrer Staatsführung mit der westdeutschen Paketflut verständlich, wobei sich das SED-Regime auf eine die eigene Verweigerungshaltung entlastende, da erklärende Ebene zurückziehen konnte, indem es ein Grundaxiom der marxistischen Gesellschaftslehre aufrief, wonach Eigentum bzw. dessen virtuos-spielerischer Einsatz in Form der Westpakete als Quelle und Resultat für Ausbeutung zu definieren ist.

Eine große Familie

Im Kern ging (und geht) es immer darum, mittels Geschenken das gesellschaftliche Basismodell der Familie nicht nur zu perpetuieren, sondern als Funktionsmodell auch auf größere Verbände wie den der Gemeinde oder den der Nation zu übertragen bis hin zur imaginativen Konstruktion einer Weltfamilie. Besonders eindrucksvoll lässt sich das an der Liebesgabe demonstrieren: Das patriarchalische Führungssystem des Kaiserreichs beinhaltete bekanntermaßen eine Fürsorgepflicht für die „Untergebenen“, verstand sich doch ein Unternehmen ebenso wie eine Behörde als nächstgrößerer „familiärer“ Verband nach der biologischen Kerneinheit, mit der man gemeinsam aufgehoben war im noch größeren Familienverband der Nation. Die Liebesgabe als identitätsstiftendes und -bewahrendes Objekt musste geradezu zwanghaft zum beherrschenden Leitsymbol sämtlicher kriegsfürsorglicher Anstrengungen aufsteigen, konnte man sich doch mit ihr die Unversehrtheit der familiären Bindungen wechselseitig, also von der Heimat zur Front und in umgekehrter Richtung kontinuierlich bestätigen. In diesem Sinne fungierte die Liebesgabe als Treibmittel zur „Sicherung und Erhaltung der Volkskraft“, wie das klarsichtig der Ersatzkaffee-Hersteller Richard Franck, bezeichnenderweise also ein Kaufmann, in der Zeitschrift seines Betriebes zu Weihnachten 1915 formulierte. Aus dem Zwang, die nationale (Familien-)Gemeinschaft immer aufs Neue stabilisieren zu müssen, erklärt sich dann auch ein Erstarren des Geschenkprozedere zum reflexiven Ritual und, weit wichtiger, die Notwendigkeit zur Permanenz.

Es kommt nicht von ungefähr, dass der etymologische Herkunftshorizont der „Liebesgabe“ im volkskundlichen Brauchtum um Verlobung und Hochzeit zu suchen ist. Zunächst handelte es sich hierbei um ein Objekt, das der Bräutigam seiner Zukünftigen als „Pfand“ der potenziellen Verbindung aushändigte, was, sofern es öffentlich geschah, einen juristisch verbindlichen Charakter trug. Die Pfandübergabe erfolgte also aus wert-, aber auch aus zweckrationalen Gründen. Bald firmierten sämtliche Gegenstände, die bei einer Hochzeit von den beteiligten Familien, Verwandten, Bekannten und der mit ihnen verbundenen Klientel überreicht wurden, unter dem Begriff „Liebesgabe“. Der Transfer in größere Zusammenhänge erscheint da, folgt man dem skizzierten Modell der Nation als Familie, nur logisch. Dies erklärt auch, warum die „Liebesgabe“ schließlich in inflationärem Ausmaß als Oberbegriff für sämtliche Waren, die an Bedürftige kostenlos gegeben wurden, dienen konnte. Und genauso erklärt sich daraus, dass zu keinen Zeiten in der an Katastrophen reichen deutschen Geschichte eine Desavouierung des Begriffs erfolgte: Selbst das CARE-Paket und das Westpaket zollten der symbolischen Strahlkraft des Begriffs Tribut, sie wurden etwa in amtlichen Schriftstücken oft nur als „Liebesgaben“ bezeichnet. Einzig dem CARE-Paket sollte es gelingen, eine eigene Begriffskarriere als griffiges Synonym für „Überlebenshilfe“ in der deutschen Mentalität zu durchlaufen.

Heile Welt im Paket

Die identitätsstiftende Wirkungsmacht der Liebesgabe lässt sich am besten bei den ritualisierten Geschenkhandlungen anlässlich des Weihnachtsfestes beobachten. Hier ist das, um mit dem Kulturhistoriker Johan Huizinga zu sprechen, „gewöhnliche Leben“ für ein paar Tage außer Kraft gesetzt. Im christlichen Sinne, aber auch unter archaischheidnischen Gesichtspunkten – es ist die Zeit der Wintersonnenwende – erneuert sich die Menschheit. Die Kleinfamilie erfährt sich in der Verschmelzung von religiösen Sinngehalten und deren Profanierung als heilige Familie – die Mutter kann sich als biblische Maria fühlen, und die Kinder erhalten wie das Jesuskind Geschenke. Die Vereinzelung des Menschen wird durch Besuche und Einladungen aufgehoben und das Netz der sozialen Verbundenheit innerhalb wie außerhalb der Kernfamilie neu gewoben und vermessen. Damit verbunden ist eine erhöhte Gebefreudigkeit: Man zeigt Reue und Scham darüber, dass es einem selbst gut geht, während andere darben oder mit dem Verlust ihres Lebens bedroht sind, was sich mit der Ableistung einer wohltätigen Spende leichter ertragen lässt. Für den öffentlichen Geschenkpaketverkehr war denn auch zu Weihnachten stets die höchste Aktivität zu verzeichnen, egal, um welchen Zeithorizont oder welchen der drei Pakettypen es sich gerade handelte.

Den archaischen Grundprinzipien des Gabenpakets als solchem korrespondiert sein hauptsächlicher, sozusagen musterhafter Inhalt: In erster Linie wurden Lebensmittel verschickt. Wie die Wissenschaft herausgefunden hat, spielten Festessen, Einladungen zum Essen bzw. die Übergabe von Nahrungsgütern als Geschenke eine herausragende Rolle in der Gabengeschichte, vor allem, als das tägliche Essen noch keineswegs eine Selbstverständlichkeit war. Abgesehen vom CARE-Paket, dessen Inhalt in des Wortes wahrster Bedeutung im ausgehungerten Nachkriegsdeutschland eine Überlebenshilfe darstellte, ging dies bei den anderen beiden Pakettypen an der Sache vorbei: Weder die Soldaten noch die DDR-Bürger benötigten die zugeschickten Lebensmittel tatsächlich zum täglichen Überleben. Doch auch diese Pakete stellten in der anthropologischen Tiefendimension quasi die Situation einer archaischen Festtafel nach, wo sich die Menschen versammeln, um sich gemeinsam zu stärken und im kommunikativen Austausch Bündnisse zu schmieden oder Trennendes auszuräumen. Ein Geschenk – und nichts anderes waren ja die Pakete – bezieht sich sprachgeschichtlich auf diese Tafelsituation, bedeutet doch „schenken“ ursächlich „jemandem etwas zum Trinken einschenken“, ihn also zu erfrischen, zu laben, um sein Wohl besorgt zu sein. Trinken und Essen hält im Wortsinne „Leib und Seele zusammen“, symbolisiert Herz und Heim, in der weiteren Interpretation sogar „Mutter“, sofern dieser assoziative Ausflug zum Bild des Säuglings an der Brust, der mit der Milch Nahrung aufnimmt, erlaubt ist. Mithin rufen Lebensmittel stärkste Gefühlsmuster auf. Wenn der mit einem Paket Beschenkte die darin befindlichen Esswaren konsumierte, so nahm er, um die archaische Tafel im übertragenen Sinn zu vollenden, im Gedenken den Geber auf an seinem Esstisch. Selbst durch die regelmäßige Beigabe von „ambivalenten“ Lebensmitteln, also solchen, die nicht notwendig zur täglichen Nahrungsaufnahme dienten wie Kaffee, Tabak oder Schokolade, wurde die archaische Situation keineswegs überwunden, sondern qualitativ nur auf eine neue Stufe gehoben: Mit der Überlassung dieser Surplus-Gaben führte der Schenkende durch den damit verbundenen Reiz des Außergewöhnlichen eine neue ästhetische Dimension in die Kommunikation ein – zementierte also, wenn man so will, seinen Status. Zum anderen signalisierte er dem Empfänger im Falle der Liebesgabe die unbedingte Opferbereitschaft der Heimat, in dem des Westpakets die Überlegenheit des eigenen Systems. Wozu auch – last but not least – die Verpackung des Pakets, vor allem aber diejenige der darin ge- und verborgenen Objekte zählte, spitzte sie doch dramaturgisch die Empfangssituation zu: Selbst Belangloses erschien bedeutsamer. Womit wir quasi wieder an den Ausgangspunkt der Überlegungen zurückgekehrt wären: Die Pakete, egal welchen Typs, bedienten Sehnsüchte und Hoffnungen auf eine bessere Zukunft, offerierten sie doch stets ein Stück heile Welt in der meist unheilen der Empfangenden.

CARE-Paket & Co.

Подняться наверх