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Marktvolumen und Trendeinschätzungen der Branche

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Es ist nicht einfach, einen Überblick über die quantitative Entwicklung des Weiterbildungsgeschäfts in der Schweiz zu gewinnen. Während zum Weiterbildungsverhalten der Einzelnen und zur betrieblichen Weiterbildung die Weiterbildungsstatistik des Bundes seit vielen Jahren regelmäßig Daten erhebt (Schweizerische Arbeitskräfteerhebung SAKE, seit 2011 Mikrozensus Aus- und Weiterbildung), gibt es zum Weiterbildungsangebot und -markt keine standardisierten, periodisch aktualisierten branchenweiten Datengrundlagen. Dies hängt unter anderem mit der starken Aufsplitterung in (unterschiedlich geregelte) allgemein zugängliche, korporative und organisationsinterne Teilmärkte der Weiterbildung zusammen (SKBF 2014, 270). Man behilft sich mit punktuellen Primärerhebungen, z. B. mit Anbieterbefragungen und Branchenstudien zu Teilmärkten, deren Resultate aggregiert und hochgerechnet werden; oder mit der Sekundärauswertung ausgewählter Indikatoren der Weiterbildungsstatistik, von denen auf Anbieterstrukturen geschlossen wird. Seit einigen Jahren erhebt der Schweizerische Verband für Weiterbildung (SVEB) Stichproben von Weiterbildungsanbietern zu wechselnden Schwerpunktthemen.

Marktvolumen und Umsätze sind über die letzten Jahrzehnte in den meisten Angebotssegmenten der Weiterbildung markant gewachsen. Eine Hochrechnung, basierend auf der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) und zusätz­lichen Erhebungen bei rund 500 Weiterbildungsanbietern, schätzt das Markt­volumen der allgemeinen und beruflichen Weiterbildung in der Schweiz für 2007 auf 5,3 Milliarden Franken pro Jahr (Messer & Wolter 2009). 50 Prozent dieser Ausgaben werden von den Nachfragenden selbst finanziert, die andere Hälfte wird von staatlichen Institutionen, Arbeitgebern und anderen Akteuren bezahlt.[7] Rund 60 Prozent des Marktvolumens der gesamten Weiterbildung sind der berufsorientierten Weiterbildung zuzuordnen, bei den restlichen 40 Prozent ist die Zuordnung nicht eindeutig (Sprachkurse z. B. können für berufliche oder private Zwecke absolviert werden). Die Anteile der Angebotssegmente am Marktvolumen können wegen unzureichender Datengrundlagen und definitorischer Abgrenzungspro­bleme nur grob geschätzt werden. So liegt etwa der Anteil der Hochschulweiter­bildung am gesamten Marktvolumen der Weiterbildung bei rund 6 Prozent (Fischer 2014, 31).

Die berufsorientierte Weiterbildung ist in der Schweiz seit jeher von privaten Anbietern dominiert (SKBF 2014, 270; Fischer 2014, 15). Gemäß Weiterbildungs­statistik des Bundes (BFS 2011) entfällt das Gesamtvolumen der angebotenen Weiterbildungsstunden zu 88 Prozent auf private und korporative Anbieter (Kurs­institute, Privatschulen, Berufs- und Branchenverbände, Unternehmen, Institutionen) und bloß zu 12 Prozent auf öffentliche Anbieter wie Hochschulen, höhere Fachschulen und Berufsschulen. Bei den privaten und korporativen Anbietern besteht eine große Vielfalt an Betrieben, die vom Kleinstanbieter – der selbstständigen Trainerin – über das Kursinstitut bis zum großen Bildungsunternehmen mit stark diversifiziertem Angebot reicht. Große Anbieter dominieren einzelne Segmente des Weiterbildungsmarktes, etwa jenes der höheren Berufsbildung, während sich kleine Anbieter vor allem in Nischen mit besonderen Qualitätsansprüchen, fachlichen Monopolen und individualisiertem Lernangebot halten können.

Im Segment der arbeitsmarktbezogenen Weiterbildung und der Weiterbildung für öffentliche Funktionen hat sich die Zahl der spezialisierten privaten Anbieter im letzten Jahrzehnt besonders stark ausgeweitet. Zugleich wurden die Finanzierungsmechanismen der öffentlichen Hand neu ausgerichtet: Kurs­angebote werden nicht mehr aufgrund eines Anerkennungsverfahrens subventioniert; vielmehr schreiben die zuständigen Behörden Weiterbildungsaufträge aus (Submission) und teilen die Mittel aufgrund von Bewerbungsverfahren zu. Dies hat die Konkurrenz im Segment verschärft und die Planungssicherheit für Anbieter, vor allem aber die Beschäftigungssicherheit für das Fachpersonal markant reduziert.

Zunehmend haben international agierende Bildungsunternehmen im lokalen Weiterbildungsgeschäft Fuß gefasst. Seit der Einführung des Allgemeinen Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) im Jahr 1995 forciert die marktliberale Politik die Öffnung der nationalen Bildungsmärkte. Sie ist im deutschsprachigen Raum weniger weit vorangeschritten als etwa im angelsächsischen. Die Forderung nach grenzüberschreitender Marktliberalisierung beruft sich auf noch unausgeschöpfte Marktpotenziale: auf die zunehmende Mobilität der Studierenden und Arbeitskräfte, die Bildungsdienstleistungen auch im Ausland beziehen; und auf die erweiterten Möglichkeiten, mit elektronischen Medien und Netzwerken räumlich und zeitlich ungebundenes Lernen zu unterstützen (Fernstudium, webbasiertes Lernen, mobiles Lernen). Mit den lerntechnologischen Innovationen haben auch internationale Anbieter wie Fachverlage, Webdienstleister oder Entwickler von Lernplattformen, also branchenfremde Unternehmen, den Einstieg ins Weiterbildungsgeschäft gefunden. Es verschärft sich damit die Konkurrenz nicht nur in den Kerntätigkeiten der Weiterbildung, sondern auch in den begleitenden Dienstleistungen (Weber 2008, 68f.).

Genaueren Aufschluss über Anbieterstrukturen und Trends in der Weiterbildung geben die Anbieterbefragungen des Schweizerischen Verbands für Weiterbildung (z. B. SVEB 2012b). Sie basieren auf quantitativen Angaben und Trendeinschätzungen der Anbieter. An der Erhebung im Jahre 2011 haben 207 Weiterbildungsanbieter teilgenommen, wobei die großen Anbieter überproportional vertreten waren. 70 Prozent der Anbieter haben eine private, 25 Prozent eine öffentliche und 5 Prozent eine gemischte Trägerschaft. Die Stichprobe deckt nach Aussage des SVEB rund ein Drittel aller Kursangebote und ein Drittel der Teilnehmenden der Weiterbildungsbranche ab. Das traditionell geringe Engagement des schweizerischen Bundesstaats in der Weiterbildung spiegelt sich im Befund, dass 80 Prozent der befragten Anbieter ihre Angebote ganz oder teilweise aus Teilnahmegebühren finanzieren (bei den privaten Anbietern sind es sogar 88 Prozent); rund 40 Prozent können zusätzlich mit Arbeitgeberbeiträgen rechnen. Nur 47 ­Prozent der privaten gegenüber 62 Prozent der öffentlichen Anbieter können – in sehr unterschiedlichem Ausmaß – mit Beiträgen der öffentlichen Hand rechnen (a.a.O., 27).[8]

Die weitere Marktentwicklung wird von öffentlichen und privaten Anbietern unterschiedlich eingeschätzt, wie die SVEB-Anbieterbefragung zeigt: Private Anbieter sehen sich im Wettbewerb gegenüber den öffentlichen klar benachteiligt (a.a.O., 12); sie sprechen sich umso deutlicher für die Offenlegung aller Finanzflüsse und die generelle Durchsetzung des Prinzips der Kostendeckung in der Weiterbildung aus (a.a.O., 21). Tendenziell einig sind sich Öffentliche und Private in der Frage, welche regulativen Maßnahmen die Transparenz am Weiterbildungsmarkt verbessern könnten: Qualitätssicherung durch Labels, staatliche Regelung und Normierung der Weiterbildungsabschlüsse, ein nationaler Qualifikationsrahmen und zentral koordinierte Angebotsübersichten erhalten durchweg hohe Zustimmung. Ein aktiveres staatliches Engagement, etwa in der Form von gesetzlichen Vorschriften oder behördlichem Monitoring, erhält dagegen wenig Zustimmung (a.a.O., 9). Entsprechend findet auch die Aussage, die Bildungspolitik solle den Weiterbildungsmarkt stärker regeln, durchgängig eine unterdurchschnittliche Zustimmung (a.a.O., 15).

Bemerkenswert ist die erwähnte hohe Zustimmung zur staatlichen Regelung der Weiterbildungsabschlüsse. Drei Viertel der befragten Anbieter sind der Ansicht, dass Weiterbildung ohne staatlich anerkannten Abschluss an Bedeutung verlieren werde (a.a.O., 18). Der Bericht des SVEB fordert daher, dass absolvierte Weiterbildungen künftig als Teilqualifizierung anerkannt und »in das formale System einbezogen werden« (a.a.O., 2). Wie dies angesichts der heterogenen und dynamischen Entwicklung neuer Angebote zu bewerkstelligen ist, ohne den Weiterbildungsmarkt und seine Angebote stärker zu koordinieren, wäre zu klären. Die meisten Anbieter möchten die Regulierung des (intransparenten) Marktes darauf beschränken, dass der Staat wettbewerbsförderliche Rahmenbedingungen sicherstellt, und wenden sich gegen ein aktives Engagement des Staates. Ihre Doktrin hat sich im neuen Weiterbildungsgesetz nahezu vollständig durchgesetzt (vgl. Kapitel 2.1), dies, obwohl das bisher schon vorherrschende Modell Steuerungsdefizite und Fehlfunktionen offensichtlich nicht verhindert. Die Chance, dass die Weiterbildung dereinst kohärente Antworten auf den Strukturwandel der Arbeitswelt liefert, wird dadurch nicht besser.

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