Читать книгу Im Himmel gibt es keine Tränen - Yvonne Tschipke - Страница 4

Kapitel 2

Оглавление

Ein Klacken ließ mich aus dem Schlaf schrecken.

Ich streckte meine Arme zur Seite und reckte mich. Allem Anschein nach war ich noch einmal eingeschlafen.

Eigentlich hatte ich erwartet, dass meine Hand Toms Körper treffen und ihn wecken würde, doch ich spürte nur das noch warme Kissen, auf dem er geschlafen hatte. Ruckartig drehte ich meinen Kopf zur Seite. Der Platz neben mir war leer. Ich setzte mich abrupt auf.

Gut, vielleicht war er nur ins Bad gegangen. Auch Supertypen gingen morgens nach dem Aufwachen pinkeln. Aber der Klang, der mich geweckt hatte, ließ mich unruhig werden. Es war nämlich nicht die Tür zum Bad, die zugefallen war.

Ich konnte am Geräusch erkennen, welche der Türen unserer Wohnung geschlossen wurde. Das dumpfe „Klack“ in Verbindung mit einem leisen Scheppern war die Küchentür mit dem kleinen hölzernen Engel, den Mama vor Jahren von meiner Schwester zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte und der seitdem das ganze Jahr über wie ein friedlicher Wächter dort hing. Die Wohnzimmertür klirrte immer ein bisschen, weil das Glassegment etwas locker saß. Die Tür zum Badezimmer musste man immer ein wenig stärker ins Schloss ziehen, weil sie klemmte. Das zog meistens einen kleinen hohlen Knall mit sich. Die Tür zum Schlafzimmer meiner Eltern schloss sich fast lautlos mit einem leisen Schaben. Und von Pias Kinderzimmertür hörte man meist nur das Klappern der kleinen Blechschilder, die über das ganze Türblatt verteilt waren. Die Tür zu meinem Zimmer quietschte immer ein wenig. Schon gefühlte tausend Mal hatte ich Papa gebeten, das Quietschen zu beheben, aber er hatte stets mit einem Grinsen im Gesicht geantwortet, dass er so wenigstens hören würde, wenn sich nachts heimlich jemand in mein Zimmer schleichen wollte.

Das klare, laute Klacken, das mich gerade geweckt hatte, hallte in unserem großen Flur wider. Es war die Wohnungstür.

Mit einem lauten Seufzer ließ ich mich zurück in die Kissen fallen. Gut, redete ich mir ein, vielleicht musste er nach Hause und wollte mich nicht wecken. Immerhin war Samstag und er hatte am Vormittag ein Spiel, wie ich wusste. Ungeduscht und in den Klamotten der vergangenen Party konnte er da ja schlecht auftauchen.

Keine Minute, nachdem die Wohnungstür zugezogen wurde, vibrierte mein Handy, das auf dem Schränkchen neben dem Bett lag.

Ohne hinzusehen tastete ich danach. Dabei fiel leise knisternd die Folienpackung zu Boden. Ich musste unbedingt daran denken, sie sofort nachher zu entsorgen, am besten gleich unten in der großen Mülltonne vor dem Haus. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn meine Eltern oder - noch schlimmer – Pia sie entdecken würden. Nicht eine der Fragen, die das Auftauchen dieser kleinen bunten Packung aufwerfen würde, wollte ich unbedingt beantworten müssen.

Danke, dass ich bei dir pennen durfte. Bis bald mal wieder. Tom.“

Wie bitte? Danke, dass ich bei dir pennen durfte? Mehr hatte er nicht zu sagen zu unserer gemeinsamen Nacht? Ich las die Nachricht noch ein paar Mal. Aber sie blieb so, wie beim ersten Lesen. Da stand kein „Es war schön mit dir, Baby“ und auch nicht „Ich liebe dich so sehr, Mila“. Ich konnte auch nicht „Ich freu mich schon aufs nächste Mal“ finden. Bis bald mal wieder. So ein Arsch!

Am liebsten hätte ich mein Handy weit von mir geschmissen, am besten an die Wand, dass es in tausend Teile zersprang und mit ihm diese Nachricht des größten Arschlochs unserer Galaxie.

Ich sprang aus dem Bett, lief zum Fenster und riss es auf. Vielleicht erwischte ich ihn noch. Vielleicht war diese Nachricht nur ein Irrtum. Schnell dahin geschrieben, weil er es eilig hatte. Weil er nicht wusste, was er sonst schreiben sollte. Vielleicht hatte er auch nur Angst, dass meine Eltern die Nachrichten auf meinem Handy lesen könnten und er wollte mich nicht in Schwierigkeiten bringen. Sicher gab es irgendeine Erklärung dafür. Ich konnte und wollte mir nicht vorstellen, dass das schon alles gewesen sein sollte.

Ich sah ihn hinten am Bäcker um die Ecke biegen. Ich überlegte kurz, ob ich ihn rufen sollte, ließ es dann aber bleiben. Vermutlich hätte er es sowieso nicht gehört. Der samstägliche Hauptstraßenlärm schluckte jedes andere Geräusch.

Ich sah noch eine Weile zur Ecke am Bäcker. Vielleicht, so hoffte ich, würde er noch einmal umdrehen und zurückkommen. Doch ich wartete vergebens.

Ein langgezogener Pfiff vom Haus gegenüber riss mich urplötzlich aus meinen trüben Gedanken. Als ich meinen Kopf in die Richtung drehte, aus der der Pfiff gekommen war, sah ich Jonah aus meinem Abiturkurs am Fenster stehen. Selbst auf diese Entfernung erkannte ich, dass er grinste. Unsicher hob ich die Hand zum Gruß und winkte, leicht verwirrt, weil er noch ein bisschen mehr grinste.

Im Himmel gibt es keine Tränen

Подняться наверх