Читать книгу Die neun größten Städte Nordamerikas - A.D. Astinus - Страница 7
Geschichte
ОглавлениеAztekische Herrschaft
Die Gründung der Stadt unter dem Namen Tenochtitlán geht aztekischen Aufzeichnungen zufolge auf das Jahr 1325 zurück, als sich eine Schar von Nomaden aus dem Norden auf einer Insel im Texcoco-See ansiedelte. Die Azteken (eigentlich Méxica) ließen sich dort nach langen Jahren des Umherziehens nieder, während derer sie sich von dem ernährt hatten, was in festen Siedlungen freiwillig oder unfreiwillig zu bekommen gewesen war.
Ihrer Überlieferung zufolge hatten sie von ihrem Gott Huitzilopochtli den Auftrag erhalten, an der Stelle eine Stadt zu gründen, wo sie einen Adler fänden, der auf einem Kaktus sitzend eine Schlange verspeiste. Sie fanden ihn – auf einer Insel mitten im See. Adler, Schlange und Kaktus bilden das Zentralmotiv der heutigen mexikanischen Flagge.
Die tatsächliche Siedlungsgeschichte verlief jedoch vermutlich anders. Für die von Ort zu Ort getriebenen Méxica bedeuteten die kleinen Inseln inmitten des flachen Sees in erster Linie einen guten strategischen Rückzugspunkt. Die Stelle war gut gewählt, denn der See versorgte sie mit Fisch, und der Boden der Chinampas, der schwimmenden Gärten, die sie angelegt hatten, war überaus fruchtbar.
Das wenige vorhandene Land hätte nicht ausgereicht, um die große Stadt zu ernähren, also wurden große Flöße gebaut und mit Erde beladen. Auf diesen im See gelegenen Nutzflächen züchtete man Blumen und Gemüse. Zwischen den Inseln und dem Festland wurden Dämme errichtet, die den Wasserstand des Sees regelten und so gebaut waren, dass die durch Brücken und Kanäle miteinander verbundenen Inseln im Notfall überflutet werden konnten. Zugbrücken schützten vor Angriffen (und verhinderten die Flucht).
Die Stadt auf der Insel erstreckte sich bald über mehr als 13 Quadratkilometer. Die Azteken gingen daran, ihren Machtbereich auszudehnen. Zuerst unterwarfen sie mit Waffengewalt, Intrigen und mit Hilfe wechselnder Verbündeter das Hochtal. Hundert Jahre vor der Conquista geboten die Azteken bereits über ein riesiges Reich, in dem ein reger Warenaustausch herrschte und dem selbst einige der entlegensten Gebiete des Landes tributpflichtig waren.
Die Conquista
Im Jahre 1519 landete Hernán Cortés mit einer kleinen, nur aus ein paar hundert Männern bestehenden spanischen Armee an der Ostküste und machte sich zu seinem langen Marsch nach Tenochtitlán auf. Mehrere Umstände kamen ihm zugute: der Besitz von Feuerwaffen und der Schockeffekt, den die Reitpferde auslösten (da sie nie zuvor Pferde gesehen hatten, hielten die Indianer Tier und Reiter für ein Wesen), die Unterstützung durch Stämme, die mit den Azteken im Krieg lagen oder von diesen unterdrückt wurden, und das Zögern ihres Herrschers Moctezuma II., offenen Widerstand zu leisten.
Der Aztekenherrscher, der schwere Niederlagen im Kampf gegen die Purépecha im Westen erlitten hatte, war ein grüblerischer, tiefreligiöser Mann, der in Cortés den weißhäuptigen, bärtigen Gott Quetzalcoatl zu erkennen glaubte, der zurückgekehrt war, um eine alte Prophezeiung zu erfüllen. Also ließ er die Spanier am 8. November 1519 in die Stadt kommen; furchtsam zwar, aber mit großartigen Willkommenszeremonien. Cortés und seine Begleiter waren von dem Anblick der Aztekenhauptstadt überwältigt. Die 300.000 Einwohner zählende Stadt auf dem See mit ihren prächtigen Bauten konnte es durchaus mit jeder damaligen europäischen Großstadt aufnehmen. Dämme regulierten die Wasserwege zwischen den schönen, nach einem strengen Muster angelegten Steinhäusern.
Nachdem ein Feldherr Moctezumas mehrere Spanier in seine Gewalt gebracht hatte und deren abgeschnittene Köpfe überall herumschickte, nahm Cortés Moctezuma am 17. November 1519 in seinem eigenen Palast gefangen und ließ ihn im spanischen Lager festhalten. Wenn man den spanischen Berichten glauben will, hat sein Volk ihn zu Tode gesteinigt, als er einen Aufstand wegen der ungebetenen Gäste zu verhindern suchte. Die Spanier wurden unter großen Verlusten aus der Stadt vertrieben. Cortés und einige seiner Männer entkamen und fanden bei ihren engsten Verbündeten unter den Einheimischen in Tlaxcala Schutz. Dort bauten sie neue Schiffe und konnten ihre Truppe neu formieren. Mit Unterstützung ihrer indianischen Partner hielten sie Tenochtitlán drei Monate lang belagert, bis sie schließlich am 13. August 1521 den verzweifelten, selbstmörderischen Widerstand der Azteken brachen und die Stadt einnehmen konnten.
Die Erinnerung an diese Niederlage schmerzt im mexikanischen Geschichtsbewusstsein bis auf den heutigen Tag. Für Cortés hat man wenig übrig, aber die Indígenas, die ihn damals unterstützten, besonders Moctezuma und Malinche, die Dolmetscherin von Cortés, gelten als Unpersonen. Im ganzen Land ist nicht ein Moctezuma-Denkmal zu finden, wohingegen das Andenken an seinen Nachfolger Cuauhtémoc, den Anführer des Widerstandes, hoch in Ehren gehalten wird. Wie erbittert der Kampf um Tenochtitlán gewesen sein muss, zeigt sich daran, dass von der blühenden Aztekenmetropole kaum etwas übriggeblieben ist: „Alles was ich damals sah“, schrieb Bernal Díaz del Castillo, „wurde zertreten und vernichtet; kein Stein ist auf dem anderen geblieben.“
Spanische und postkoloniale Zeit
Die siegreichen Spanier zerstörten systematisch jede sichtbare Erinnerung an die alte Kultur und erbauten dort, wo die großen Tempel standen, ihre Kirchen. Auf den Fundamenten des Herrscherpalastes wurde ein Palast für Cortés errichtet, zum Neubau wurden die Steine der Aztekenstadt verwendet. Als die Stadt weiter angewachsen war, legten sie den größten Teil des Lago de Texcoco trocken. Von dort unternahmen die Spanier Expeditionen und unterwarfen die amerikanischen Ureinwohner bis weit in den Norden in die heutigen USA und in den Süden bis nach Mittelamerika.
Mexiko-Stadt wurde 1535 die Hauptstadt des Vizekönigreichs Neuspanien, das alle spanischen Provinzen in Amerika nördlich von Costa Rica, die karibischen Inseln und auch die Philippinen umfasste. Die spanische Kolonialherrschaft währte rund drei Jahrhunderte. 1551 eröffnete in der Hauptstadt die erste Universität des Landes (UNAM).
1692 kam es in Mexiko-Stadt zu einem Aufstand der Indios, bei denen viele Gebäude zerstört oder beschädigt wurden, darunter auch der 1523 auf dem Palast der Azteken errichtete Amtssitz der spanischen Vizekönige. Auslöser der Unruhen waren Versorgungsengpässe bei Nahrungsmitteln, die auf schlechte Ernten infolge von langanhaltenden Niederschlägen und Überschwemmungen in der Region zurückzuführen waren.
1737 wurde die „Jungfrau von Guadalupe“ von der Katholischen Kirche zur Schutzpatronin von Mexiko-Stadt erklärt. Im 18. Jahrhundert baute man zahlreiche Kirchen und Gebäude im Stil des Barock, woraus sich später der mexikanische Churriguera-Stil entwickelte.
1810 kam es unter der Führung von Miguel Hidalgo und José María Morelos zum Unabhängigkeitskrieg, der 1821 mit der Einnahme der Stadt durch Rebellen unter der Führung von Agustín de Iturbide siegreich beendet wurde. Am 21. Juli 1822 erfolgte seine Ernennung zum Kaiser. Am 14. September 1847 wurde Mexiko-Stadt nach der Schlacht von Chapultepec im Mexikanisch-Amerikanischen Krieg von den US-Streitkräften unter General Winfield Scott eingenommen und fünf Monate lang besetzt.
Von 1863 bis 1867 wurde die Stadt nach der französischen Intervention in Mexiko von Kaiser Maximilian und der französischen Armee regiert. Erobert wurde sie nach harten, tagelangen Kämpfen unter der Führung des Schweizer Hauptmanns Stöckli, der in der Fremdenlegion diente. Der 1858 zum Präsidenten gewählte Benito Juárez vertrieb 1866 die Franzosen aus Mexiko-Stadt und dem ganzen Land. Nach dem Sieg über die Franzosen überwachte er 1867 persönlich die standrechtliche Exekution von Kaiser Maximilian I. in Querétaro und übernahm die Regierungsgeschäfte in Mexiko-Stadt.
Um 1875 umfasste die Stadt kaum mehr als das Gelände um den Zócalo, welcher der zentrale Platz vor der Kathedrale ist, und die Alameda. Das Schloss Chapultepec, Coyoacán, San Ángel und die Basílica de Guadelupe – inzwischen weit im Inneren der Stadt gelegen – waren damals von Feldern und den letzten noch verbliebenen Seen umgeben. Doch die Stadt zeigte schon die ersten Züge ihrer heutigen Form: der Paseo de las Reformas verband bereits Chapultepec mit der Innenstadt, und die zunehmende Einwohnerschaft quoll über den kolonialen Stadtkern hinaus. Von Ende 1870 bis 1911 ließ sich der Diktator Porfirio Díaz mittels eines zuvor nie da gewesenen Bauprogrammes selbst ein Denkmal setzen. Straßenbahnlinien wurden errichtet sowie die letzten Reste des Lago de Texcoco am Stadtrand trockengelegt. Diese Maßnahmen brachten ein weiteres Anwachsen der Bevölkerung mit sich und bei Ausbruch der Revolution im Jahre 1910 hatte La Ciudad de México mehr als 700.000 Einwohner.
Die neuzeitliche Stadt
Über das Gebiet des trockengelegten Sees hinaus dehnte sich die Stadt allmählich aus. Für eine moderne Stadt war die Lage in vieler Hinsicht ungünstig. In den unzureichend trockengelegten Sümpfen breiteten sich Krankheitserreger aus. Viele Gebäude sackten über die Jahrzehnte wegen des gesunkenen Grundwasserspiegels ab. Im Zentrum stößt man auf alte, z.T. mehrere Meter abgesackte Kirchen und Wohnhäuser (vgl. oben unter Hydrologie). Außerdem gibt es häufig Erdbeben, so zuletzt am 18. April 2014.
Während der Revolution verloren fast zwei Millionen Mexikaner ihr Leben und eine noch viel größere Zahl ihr Eigentum und ihre Existenzgrundlage. Tausende Verzweifelter flüchteten in die sich schnell wachsende Hauptstadt auf der Suche nach Arbeit und besseren Lebensbedingungen. Zwischen 1920 und 1940 verdoppelte sich die Einwohnerzahl der Stadt auf 1,8 Millionen, in der Infrastruktur klafften riesige Löcher und die sozialen Probleme verschärften sich.
An der Plaza de las Tres Culturas zeigte sich am 2. Oktober 1968 der Staat von seiner grausamsten Seite. Truppen und Panzer gingen gegen fast 250.000 demonstrierende Studenten vor. Es war der Höhepunkt monatelanger Studentenproteste gegen die schlechten sozialen Verhältnisse, miserablen Unterrichtsbedingungen und demokratischen Defizite der de facto diktatorischen Regierung der Einheitspartei PRI (Partido Revolucionario Institucional). Da zehn Tage später die Olympischen Sommerspiele in Mexiko-Stadt eröffnet werden sollten, wurde der Aufruhr mit brutaler Gewalt unterdrückt. Die Zahl der Todesopfer belief sich nach offiziellen Verlautbarungen auf 30, nach Aussagen der Studenten auf über 500. Das Ereignis ging als „Massaker von Tlatelolco“ in die Geschichte ein.
1968 hatte die Stadt eine Einwohnerzahl von sechs Millionen erreicht. Der Bau von Häusern konnte nicht mit dem jährlichen Bevölkerungswachstum von sieben Prozent mithalten. Da sich zudem viele Menschen keine Häuser leisten konnten, entstanden riesige Slums mit selbst gezimmerten Elendshütten. Die meisten hatten weder Wasser noch ausreichende Sanitäranlagen.
Auch konnte das öffentliche Verkehrsnetz mit dem Wachstum der Stadt nicht Schritt halten, obwohl Ende der 1960er Jahre mit dem Bau einer U-Bahn begonnen wurde. Im Jahre 2000 wurde der 175. U-Bahnhof eingeweiht. Weitere U-Bahn-Stationen sind geplant. Das Wachstum hält an: Laut Schätzungen kommen jeden Tag tausend Zuzügler in die Stadt, deren Grenzen inzwischen die des Distrito Federal gesprengt haben und in den Bundesstaat México hineinreichen. Als eine der am dichtesten besiedelten Metropolregionen der Welt wird sie von zahlreichen sozialen und strukturellen Problemen geplagt, deren Lösung nicht absehbar ist.
Einwohnerentwicklung
Mexiko-Stadt ist mit 8,8 Millionen Einwohnern (2010) im Distrito Federal die zweitgrößte Stadt Lateinamerikas und mit 20 Millionen Menschen (2009) in der Agglomeration eine der zehn größten Metropolregionen der Welt. 2005 betrug die Bevölkerungsdichte in der Stadt 5.920 Einwohner pro Quadratkilometer, im Ballungsraum 2.557.
Das starke Wachstum ist eine relativ neue Entwicklung. Noch 1950 hatte die Stadt 3,1 Millionen Einwohner. Im Jahre 1970 waren es schon 6,9 Millionen Menschen und die Zuwachsrate des Ballungsgebietes lag bei etwa einer Million Menschen pro Jahr.
Mexiko-Stadt war seit der Stadtgründung im Jahre 1521 der Sitz der spanischen Vizekönige und erhielt dadurch ihre Stellung als Primatstadt: Sie ist noch heute gleichzeitig Hauptstadt und Knotenpunkt für die bedeutendsten politischen und wirtschaftlichen Ereignisse des Landes. Doch erst durch eine bessere Versorgung der Menschen (zum Beispiel im Gesundheitswesen) und die Ansiedlung zahlreicher Industriebetriebe seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts begann der Zustrom von Menschen aus dem Umland in die Stadt.
Entwicklung der Wohnsituation
Im Jahre 1824 unterteilte man Mexiko-Stadt in die eigentliche Stadt und den darum liegenden Bezirk, genannt „Zona Metropolitana de la Ciudad de México“ (ZMCM). Dieser Bezirk hatte zum damaligen Zeitpunkt eine Größe von 1.479 Quadratkilometer, über dessen Grenzen die Stadt aber schon längst wieder hinaus gewachsen ist. Mexiko-Stadt selbst umfasst die im Stadtkern dicht besiedelten Gebiete, mit einem Wachstum von 1,8 Prozent pro Jahr. Die ZMCM jedoch beinhaltet die Randgebiete, hauptsächlich im Staat México, in die zahlreiche Menschen aus dem Stadtkern abwandern. Das jährliche Wachstum in diesen Stadtbezirken liegt bei unter vier Prozent pro Jahr.
Sehr deutlich fällt in Mexiko-Stadt die Verteilung der Bevölkerung in wohlhabende und sozial schwache Stadtviertel auf: Schon früh siedelten sich im Westen und Süden der Stadt die Menschen der Oberschicht an. Der Süden, erst die Colonia Roma und später Coyoacán und San Ángel waren beliebt beim mexikanischem Adel. Heute ist der Süden eine beliebte Wohngegend für Politiker. Der Westen wurde zum bevorzugten Wohngebiet durch Kaiser Maximilian, der im 400 Hektar großen Park von Chapultepec 1864 ein Schloss baute. Zahlreiche Wohlhabende, darunter Neureiche und Diplomaten, leben hier. Viele Hotels, Banken und Versicherungen haben sich in der Gegend um den Chapultepec Park niedergelassen. Der Norden zählt als großes Industriegebiet: zahlreiche Industriebetriebe und mehrere Arbeiterviertel sind hier zu finden. Nordwestlich entstand nach dem Zweiten Weltkrieg das gutbürgerliche Wohnviertel Ciudad Satélite. Es gehört politisch zur Stadt Naucalpán, einer direkten Nachbargemeinde von Mexiko-Stadt mit 792.000 Einwohnern (Volkszählung 2005). Im Osten leben vor allem Menschen aus der Mittelschicht.
Die östlichen Vororte sind das Wohngebiet der sozial schwachen Bevölkerung, die in manchen Fällen davon lebt, Müll nach verwertbaren Resten zu durchsuchen (Pepenadores). Die Unterschicht lebt auf dem Boden des trockengefallenen Texcoco-Sees, von dem oft durch den ungünstigen Wind sehr viel Staub in die armen Wohnviertel getragen wird. Städtebaulich handelt es sich dabei um informelle Siedlungen, wobei sich viele der älteren Siedlungen trotz fehlender wichtiger Infrastrukturen (zum Beispiel Leitungswasser) gegenwärtig in einem Prozess der allmählichen Konsolidierung befinden. Die dort lebenden Menschen sind durch verschiedene Infektionserkrankungen gefährdet, die durch unzureichende hygienische Bedingungen verbreitet werden. In dieser Gegend liegt die Stadt Nezahualcóyotl, in der 1,1 Millionen Menschen leben (Volkszählung 2005). Die politisch selbständige Gemeinde zählt zu den ärmsten Großstädten Mexikos.