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ОглавлениеSait war Student im vierten Semester, er wollte eigentlich Chirurg werden, so wie sein Vater. Beide Elternteile stammten aus sehr reichen, einflussreichen Familien und hatten die besten Schulen in der Stadt besucht. Beide begannen im gleichen Jahr an der Universität zu studieren, der Vater Medizin, die Mutter Kunst, dort hatten sie sich auch zum ersten Mal getroffen. Sein Vater hatte seine Fachausbildung als Chirurg an der John Hopkins Universität in Baltimore begonnen und dort nach vier Jahren abgeschlossen. Als er zurück kam, hatten sie geheiratet und zehn Monate später wurde Sait geboren, seine jüngere Schwester verstarb einige Wochen nach ihrer Geburt, so wuchs er als Einzelkind auf, besuchte ebenfalls nur ausgewählte Schulen und begann mit dem Medizinstudium an der gleichen Universität, an der sein Vater Chef der chirurgischen Klinik war. Mit dem Studium hatte er keine Schwierigkeiten, er hatte wohl das naturwissenschaftliche Verständnis von seinem Vater geerbt, von seiner Mutter den Blick für das Schöne.
Sein Vater hatte Talent, ruhige Hände und als Arzt hatte er eine Art von siebtem Sinn für die Chirurgie. Als Direktor der Chirurgischen Abteilung wurde er schnell als begnadeter Chirurg bekannt und hatte die Prominenz des Landes als Patient.
Sait hatte ihn oft bei der Arbeit beobachtet, hinter dem OP Saal führte eine steile Treppe zum darüber gelegenen Stockwerk, dort befand sich ein kleiner Raum mit einer großen Glaskuppel in der Mitte, einige Stühle standen immer kreisförmig herum, die Kuppel war genau über den Operationstisch platziert, sie ruhte auf einem stabilen Sockel und die Studenten konnten bequem davor sitzen. Sie befand sich etwa vier Meter über dem OP-Tisch und ermöglichte den Ablauf der Operationen genauestens aus der Vogelperspektive zu verfolgen und das Geschehen in der unmittelbaren Umgebung zu beobachten.
Saits Vater stand immer auf der linken Seite neben dem Patienten, ihm gegenüber befanden sich zwei Assistenten, die meist nur die Haken halten mussten, um einen freien Zugang zum Operationsfeld zu ermöglichen, rechts neben ihm stand immer die OP-Schwester, sie war immer dieselbe, ihr Gesicht hatte er nie richtig gesehen, sein Vater und sie, die waren ein eingespieltes Team, sie wusste immer genau welches Instrument er als nächstes benötige, nahm es vom Beistelltisch und reichte es ohne Aufforderung in seine rechte Hand, er gab ihr das Gebrauchte zurück, alles lief sehr harmonisch ab.
Nur die Assistenzärzte wechselten fast täglich, die mussten die benötigte Anzahl von Pflichtoperationen erreichen. Der Narkose Arzt stand immer hinter dem Kopf des Patienten, der war meist auch der gleiche, sein Vater bevorzugte, wenn möglich, immer nur mit dem gleichen Personal zu arbeiten, die Schläuche ragten dem Patienten aus dem Mund, Monitore und Überwachungsgeräte überprüften die Atmung und den Kreislauf. Der Blick auf das Gesicht des Patienten wurde von oben durch ein weißes Tuch verhindert, das über einen großen Metallbügel lag, nur der Narkosearzt konnte es sehen.
Sein Vater hatte schon graue Haare und Falten im Gesicht und an den Händen, wenn er operierte war dies nicht zu erkennen. Der Mundschutz, und die Haube über dem Haar verdeckten dies, die sterilen Gummihandschuhe reichten über den unteren Anteil des OP-Kittels hinweg und verhinderten so die Sicht auf die Falten seiner Hände.
Eigentlich, vom Alter her, hätte er sich schon seit einigen Jahren im Ruhestand befinden müssen. Er hatte aber einige mächtige Beschützer und keiner in der Universität wagte einen Einspruch zu erheben, wenn es um seine Verlängerung ging, er hatte das absolute Sagen in der Klinik, operieren war für ihn so eine Art von Sucht, von der er nicht lassen konnte.
Er war öfters beim Herrscher als Gast in dessen Palast, für ausgelesene Gäste gab es auf den Empfängen immer etwas besonders, der Herrscher ließ sich von einem Lakaien aus einer mit Samt ausgelegten Schatulle eine Goldmünze reichen, die er dann in die geöffneten Hände des Gastes fallen ließ, ohne selbst die Hände des Beschenkten zu berühren. Der verneigte sich nur, murmelte einige Dankesworte, trat einige Schritte zurück, immer noch mit gebeugten Rücken, bevor er sich umdrehte, um Platz für den Nächsten zu machen.
Der gesamte Ablauf erfolgte nach einem exakt vorgeschrieben Protokoll und jeder Gast bekam zuvor genaue Anweisungen wie er sich zu verhalten hat und was er sagen konnte, Fragen durften keine gestellt werden, man befragt den Herrscher nicht, man antwortet nur.
Sein Vater hatte schon einige von diesen Goldmünzen, die wurden im Haus auf Samtkissen in einer Vitrine zur Schau gestellt und jeder der als Gast zu uns kam, musste diese vor dem Tee bewundern, und jedes Mal erzählte er dazu eine andere Geschichte.
Wenn sein Vater operierte wurde nicht viel gesprochen, es wurden auch keine Witze gerissen, sie waren ein eingespieltes Team, er und die OP-Schwester, nur ihre Nase konnte er einige male sehen, sie war gleichmäßig geformt und schien zum restlichen Teil des verhüllten Gesichts zu passen.
Sait erinnerte sich noch genau an den Tag, an dem er zum ersten Mal selbst an einer Operation teilnehmen durfte, er war der einzige Student dem dies ermöglicht wurde. Zuerst erfolgte die Prozedur des Händewaschens, mindestens fünf Minuten beide Hände mit Seife und Bürste bearbeiten. Der Wasserhahn musste mit dem Ellenbogen geschlossen werden, um die Hände nicht wieder zu kontaminieren, der grüne OP-Kittel wurde gereicht und eine Schwester hielt die sterilen Handschuhe so entgegen, dass er mit angelegten Fingern hinein fahren konnte, ohne die Außenseite zu berühren, somit blieben sie auch steril.
Es war eine einfache Blinddarm Operation, der Patient war schon narkotisiert und lag vor ihm auf dem Tisch. Dieses Mal stand sein Vater auf der anderen Seite des Tisches.
Zuerst wurde ein Wattebausch mit einer langen Pinzette in eine Jodlösung getaucht und damit der Operationsbereich bestrichen, zur Desinfektion. Weiße, sterile Tücher bedeckten den OP Bereich und waren mit Klemmen an der Bauchhaut befestigt.
Die OP-Schwester reichte Sait das Skalpell und sein Vater deutete an, wo und wie lang er den ersten Schnitt legen musste.
Sait nahm das Skalpell in seine rechte Hand und berührte leicht die Haut des Patienten, ohne den Schnitt zu führen. Sein Vater bemerkte das Zögern und meinte nur, wenn du dich entschlossen hast zu schneiden, dann tu es auch, und zwar ohne zu zögern.
Es war das erste Mal, dass er einen Menschen verletzte, die Integrität einer Person zerstörte, später, als er gefoltert wurde, sah er auch manchmal dieses Zögern in den Gesichtern seiner Peiniger, nur für den Bruchteil einer Sekunde, hatten sie die Schwelle erst einmal überwunden, dann schlugen sie zu, ohne Bedenken, gnadenlos.
Ist die Gewalt erst einmal erweckt und entfesselt, dann beginnt sie sich zu verselbstständigen, den Initiator benötigt sie nicht mehr, nach dem warum wird sowieso nicht mehr gefragt.
So war es auch bei ihm, er durchtrennte mit leichter Bewegung, die Skalpell Spitze tiefer drückend, die Bauchhaut, das gelbliche Fettgewebe quoll leicht hervor, es hatte einen eigenartigen Geruch, etwas süßlich, bevor die ersten Blutstropfen austraten, dann verlief alles so, als hätte Sait dies schon hundert Mal gemacht, sein Vater hatte ihm schon am Tag vor der OP genaue Instruktionen gegeben.
Zuerst waren es nur geringe Ereignisse die Saits Unmut erweckten. Die Fürsten in weiß hatten das alleinige Sagen, nichts konnte sie in ihrer Selbstgerechtigkeit erschüttern. Er trat der Studentenvertretung bei und wurde bald zu ihrem Sprecher ernannt, nicht weil er der Sohn des Klinik Direktors war, sondern durch sein Auftreten und wie er etwas sagte, überzeugte die andren Studenten.
Sie organisierten öffentliche Diskussionsrunden, luden Professoren dazu ein, doch nie ist einer von ihnen erschienen, auch sein Vater nicht. Um sich Gehör verschaffen zu können entfalteten sie eines Tages Transparente mit Slogans wie Mitspracherecht für die Studenten, wieder erschienen die Fürsten nicht, dafür kamen aber zehn in schwarz gekleidete Herren, so als hätte sie jemand gerufen.
Sie meinten nur höflich, die Sitzung sei hiermit geschlossen, wir sollten ihnen nur folgen. Draußen vor dem Universitäts-gebäude standen schon einige Lastwagen, die Planen über den Laderaum waren schon hochgezogen und alle Studenten mussten einsteigen. Sie fuhren in eine wenig belebte Seitenstraße zu einem großen, unauffälligen Backsteingebäude, auch die Eingangstür war wie jede andere Tür, doch dahinter wurde sofort klar, dies war kein normales Wohnhaus. Jeder musste durch eine Ganzkörper-durchleuchtung, die den Menschen nackt erscheinen lässt. Der Verhörraum war fensterlos, in der Mitte stand nur ein Holztisch und zwei Stühle, die Beleuchtung war spärlich, einige Studenten setzten sich auf den Tisch, andere auf den Boden, einige begannen zu Rauchen, was die Luft noch unerträglicher machte, bis nach etwa einer halben Stunde ein dunkel gekleideter Mann den Raum betrat. Allen wurde schlagartig klar, dass sie sich bei der SAVAK befanden, der berüchtigten politischen Geheimpolizei. Der Mann sagte höflich, wir seien nur als Gäste hier, er wolle sich nur etwas mit ihnen unterhalten, er tat so, als hätte er Verständnis für uns und wolle nur wissen was uns so bewegt und ob wir alleine handeln oder ob es noch weitere Hintermänner geben würde, unsere Personalien wurden registriert und als wir das Gebäude wieder verlassen durften, war es schon dunkel.
Unter den Studenten kam Zweifel an der Sinnhaftigkeit und der Effektivität ihrer bisherigen Aktivitäten auf, einige meinten, wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir noch etwas radikaler vorgehen, die Unzufriedenheit beschränke sich in der Zwischenzeit ja nicht nur mehr alleine auf die Studenten, die allgemeine Versorgung der Bevölkerung sei nicht mehr gesichert und die Preise würden unentwegt steigen.
Auf den nächsten Transparenten die im Hörsaal entfaltet wurden standen schon Forderungen nach mehr Freiheit und Gerechtigkeit und zwar für alle. Erstaunlich war nur, dass schon kurz vor Beginn der Veranstaltung die Polizei erschien und alle Studenten festnahm. Sait hatte den Verdacht, dass einer von ihnen der Polizei heimlich und regelmäßig den Ort und die genaue Uhrzeit mitteilte, und dass dieser jemand von ihrer Organisatoren sein musste, nur die Mitglieder kannten die genauen Termine.
Dieses Mal waren die Gespräche und die Behandlung nicht mehr so freundlich, direkt geschlagen wurde noch niemand, es war aber so etwas wie eine kurze Inhaftierung aus der sie erst nach achtundvierzig Stunden entlassen wurden, während dieser Zeit bekamen sie nichts zu Essen und zum Trinken nur einfaches Wasser.
Erst als die Forderungen nach Rücktritt der Regierung erfolgten, wie es auf den Transparenten stand, gingen sie brutal vor. Kaum hatte Sait den Verhörraum betreten da lag er schon auf dem Boden.
Als die Tür sich öffnete sah er nur kurz zwei Gestalten in schwarz, der eine hatte eine Maske über den Kopf gezogen, er hatte eine lange Holzlatte in der Hand, mit der er ihn mit voller Wucht auf den Rücken schlug, er verlor das Gleichgewicht und ging zu Boden. Der ohne Maske hob ihn wieder hoch und landete einen kräftigen Faustschlag mitten in sein Gesicht, Sait hörte wie sein Nasenbein zerbrach, erst war es nur ein dumpfer Schmerz, der sich aber nach einem Bruchteil einer Sekunde auf den ganzen Kopf ausbreitete. Der Holzlattenschläger hielt ihn immer noch von hinten fest, ein Schlag mit einem Gewehrkolben traf ihn seitlich am Kinn, Blut schoss aus seinem Mund und einige ausgeschlagene Zähne flogen auf den Boden.
Seinen Mund verstopften sie mit einem schmutzigen Stofffezen und klebten zwei Streifen darüber. Blut sammelte sich in seinem Mund an, ausspucken war unmöglich, um nicht zu ersticken, schluckte er es hinunter. Sie schleiften ihn am Boden entlang und legten ihn auf einen langen Holztisch, mit dem Rücken nach oben, fixierten Hände und Füße mit Lederriemen an den Tischbeinen.
Mit Lederpeitschen, an denen kleine Kugeln befestigt waren, schlugen sie Sait auf den Rücken, schon nach dem ersten Schlag spürte er wie seine Haut aufplatzte und Blut heraus rann, es brannte wie Feuer, dann erst nach einen Bruchteil einer Sekunde traten die Schmerzen auf, sie waren unerträglich, jetzt hatte er zum ersten Mal in seinem Leben selbst erfahren, was wirklich Schmerzen sind. Nach einigen Schlägen wurde er bewusstlos, trotzdem schlugen sie weiter auf ihn ein.
Zuvor hatten die Schläger von ihrem obersten Chef, einem Herrn Dr. Faschandi, ob er wirklich einen Doktortitel erworben hatte, war unklar, so stand es jedenfalls auf seinem Namensschild, und so wollte er auch immer angesprochen werden, den Auftrag erhalten, Sait nur eine heftige Lektion zu verpassen, sie sollten aber auf keinen Fall einen Märtyrer aus ihm machen, zumal er dem Herrn Professor noch etwas schuldig sei.
In der Nacht, nach einem ausgiebigen Bankett beim Herrscher bekam er plötzlich sehr starke Unterleibsschmerzen, sein Bauch wurde so hart wie ein Brett und jede Berührung löste endlose Schmerzen aus. Im Krankenhaus erklärte der Nachtdienstarzt nach einer kurzen Untersuchung, er habe einen Ileus und er müsse sofort operiert werden. Ein Teil seines Darmes hätte sich verknotet, der Darminhalt könne nicht mehr weiter fließen und die Blutgefäße in der Darmwand würden gestaut. Nach kurzer Zeit würden seine Darmzellen absterben und der Darminhalt in den Bauchraum gelangen, die Blutgefäße würden platzen, kurz darauf würde er verbluten. Eine halbe Stunde später lag er auf dem Operationstisch und der Herr Professor habe ihm das Leben gerettet, daher nochmals, keinen Märtyrer aus Sait machen.
Gegen Mitternacht schleiften sie den noch bewusstlosen Sait aus dem Polizeigebäude und warfen ihn auf die Rückbank eines Autos, fuhren einige Kilometer in eine unbelebte Straße und schleuderten Sait aus dem langsam fahrenden Auto heraus auf die Straße und fuhren weiter.
Zwei Studenten, die der Verhaftung entkommen waren, nahmen Saits Motorrad und verfolgten den Polizeiwagen mit sicherem Abstand bis zum Geheimdienstgebäude. In einem dunklen Hauseingang auf der anderen Straßenseite verharrten sie ungesehen für einige Stunden, bis sie sahen wie ein bewusstloser Mann in das Auto geworfen wurde, es war Sait.
Dort in der dunklen Seitenstraße fanden sie ihn, er war nicht bei Bewusstsein, sein Kopf lag auf der Straße, der Rest seines Körpers lag auf dem Gehweg, überall war Blut zu sehen. Seine Hände steckten in Plastiktüten die mit Klebeband verschlossen waren, durch das viele Blut waren seine Hände nicht zu erkennen.
Der braucht dringend ärztliche Hilfe, da waren sich beide einig, in ein Krankenhaus konnten sie ihn nicht bringen, die würden sofort die Polizei benachrichtigen, einen Krankenwagen konnten sie auch nicht rufen.
Was tun, wer könnte in dieser aussichtslosen Lage nur helfen?
Einer der beiden war ebenfalls ein Medizinstudent in einem unteren Semester, er kannte aber Özlem, sie war OP-Schwester in der Uni Klinik. Sie hatte eine kleine Wohnung in einer einfachen Gegend, wenn jemand helfen kann, dann nur Özlem. Beide wussten, dass sie damit Özlem in große Gefahr bringen würden. Sie platzierten Sait auf das Motorrad zwischen Fahrer und Soziussitz, hielten ihn mit den Händen fest und fuhren ohne Licht los. Zwei Seitenstraßen vor Özlems Wohnung stellten sie den Motor ab und schoben es samt Sait bis zu ihrem Hauseingang. Alles war dunkel, in keiner Wohnung brannte Licht.
Özlems Wohnung befand sich zur ebenen Erde, sie klopften leise an die Fensterscheiben, es dauerte eine Weile, bis sie merkte, dass etwas vor ihrem Fenster geschah, sie schob den Vorhang etwas zur Seite und erkannte sofort die Situation, Özlem wir brauchen dringend deine Hilfe, flüsterte der Medizinstudent leise, ohne eine Frage zu stellen öffnete sie geräuschlos die Tür, zu dritt trugen sie den fast leblosen Körper hinein.
Sie verschloss sofort die Tür und hängte noch zusätzlich die Türkette ein, vergewisserte sich, dass alle Fenster verschlossen waren und niemand in die Wohnung sehen konnte, erst dann machte sie das Licht an. Gemeinsam legten sie Sait auf den großen Küchentisch, mit dem Rücken nach oben, seine Arme hingen an beiden Seiten herunter.
Das erste was sie sagte war, wie kann man nur einen Menschen so zurichten, dabei hatte noch keiner von ihnen erkannt, wie schlimm sie Sait wirklich zugerichtet hatten.
Sie entfernte zuerst die mit Blut gefüllten Plastiktüten von seinen Armen und sahen zu ihrem Entsetzen, dass sie ihm von jeder Hand zwei Finger abgetrennt hatten. Özlem war nicht nur eine hervorragende OP-Schwester, sie hatte auch fast eine komplette OP-Ausrüstung in ihrer Wohnung. Die Finger waren direkt vor dem ersten Fingergelenk abgetrennt, wahrscheinlich mit einer Zigarren Guillotine, fast fachmännisch, sicherlich hatten die Schlächter dies schon öfters gemacht und waren geübt darin.
Narkose brauchte Sait keine, er war immer noch bewusstlos, da die Haut an den Schnittstellen etwas überhängend und glatt war, konnte sie mit einigen Stichen die Wunden verschließen, danach hörte die Blutung zunächst auf.
Ihr war klar, sie musste so schnell wie möglich einige Blut-konserven für ihn besorgen. Komplizierter war die Versorgung der Wunden auf seinem Rücken, die mussten mehr als zwanzigmal auf ihn eingeschlagen haben, die Wunden erstreckten sich über den gesamten Rücken und reichten hinein in den Flankenbereich, das waren keine Stockhiebe, die mussten mit Lederpeitschen gnadenlos zugeschlagen haben. Zunächst entfernte sie einige Stofffetzen aus den Wunden, dann reinigte sie den gesamten Bereich mit Alkohol und bestrich den Rücken großflächig mit einer Jodlösung. An einigen Stellen klafften die Wunden soweit auf, dass Özlem sie zunähen musste.
Am nächsten Tag stand ausführlich in allen Zeitungen ein langer Bericht, die Polizei hätte frühzeitig von einer Studenten Revolte gegen die Regierung seiner Majestät erfahren und die Aufwiegler vorläufig festgenommen.
Leider sei ihnen der Anführer entkommen, er nenne sich Sait. Als der Transportwagen an einer roten Ampel halten musste, nutzte er die Gelegenheit aus, sei von der Ladefläche herunter gesprungen und in der Menschenmenge spurlos verschwunden. Die Polizei fordere daher die Bevölkerung zur Wachsamkeit auf, der Mann sei gefährlich und unberechenbar. Wenn er irgendwo gesehen wird, soll sofort die Polizei verständigt werden, man solle nicht selbständig handeln, er sei zu gefährlich, und es sei auch eine hohe Kopfgeldprämie auf ihn ausgesetzt.
Ein vergleichbarer Bericht mit einem Foto von ihm wurde ebenfalls stündlich von allen Fernsehstationen ausgestrahlt. Da Sait nun ein Geächteter war, wurden besondere Vorsichtsmaßnahmen erforderlich, kein weiterer durfte erfahren wo er sich aufhält und die medizinische Versorgung musste unauffällig erfolgen.
Özlem hatte Zugang zum erforderlichen Verbandsmaterial und zu fast allen Medikamenten, ausgeschlossen waren die Morphium Präparate, die befanden sich in einem Sonderschrank. Das Nötigste nahm sie täglich in kleinen Mengen an sich. Für die Blutkonserven hatte sie von Sait eine Injektionsspritze mit seinem Blut gefüllt, um damit in der Klinik seine Blutgruppe bestimmen zu können. Bei der Entwendung der Blutkonserven musste sie vorsichtig vorgehen, jede einzelne war registriert und sie musste dafür den Namen eines Patienten eintragen, den sie aus dem OP-Saal kannte und der die gleiche Blutgruppe wie Sait hatte. Zwei davon legte sie zunächst in einen Kühlschrank, verstaute sie dann in ihrem Rucksack, bevor sie die Klinik wieder verließ.
Noch in der ersten Nacht bekam Sait hohes Fieber und Schüttelfrost, sie gab ihm hohe Dosen Antibiotika und Schmerzmittel. Sie wechselte stündlich die feuchten Wadenwickel und täglich seinen Verband und rieb die Wunden mit Salben ein.
Erst nach einigen Tagen senkte sich das Fieber und Sait kam wieder zu Bewusstsein. Sait hatte drei Tage keine Nahrung zu sich genommen, Özlem hatte ihn aber Wasser und Tee über eine Magensonde eingeführt. Als er wieder ansprechbar war, bekam er von ihr, bevor sie in die Klinik fuhr und am Abend als sie wieder nach Hause kam, eine warme Suppe. Er selbst konnte keinen Löffel halten, sie steckte ihm ein Kissen hinter den Rücken, damit sich sein Kopf etwas nach vorne neigte, und führte den Löffel mit der Suppe in seinen Mund. Jeder Schluck wurde zu einer unerträglichen Qual für ihn, oft verschluckte er sich dabei, aber Özlem gab nicht auf, bevor die Schüssel leer gegessen war.
So vergingen drei, oder waren es schon vier Wochen, bis er wieder auf den eigenen Beinen stehen konnte, das gebrochene Nasenbein war etwas schief zusammen gewachsen, so wie bei manchen Boxern, die ausgeschlagenen Zähne wuchsen aber nicht mehr nach. Rasieren konnte er sich auch nicht, dafür waren seine Wunden im Gesicht noch nicht hinreichend verheilt, gegen seine Dauerschmerzen nahm er alle vier Stunden Analgetika ein.
Im gleichen Haus wohnten nur Junggesellen, die schon früh morgens zur Arbeit gingen und erst wieder am späten Nachmittag zurück kamen. Das Haus hatte vier Stockwerke und eine Dachterrasse, die nicht einsehbar war, dort konnte sich Sait für einige Stunden aufhalten, ohne gesehen zu werden. Geschlafen hatte Sait bisher in der Küche auf dem Boden, auf einer Luftmatratze von ihr.
Eines Tages meinte Özlem, in ihrem Bett sei auch genug Platz für zwei, erst wusste er nicht was er sagen sollte, schließlich war es unter Strafe verboten, dass Mann und Frau zusammen liegen, wenn sie noch nicht verheiratet waren. Es vergingen einige Tage, dann schlief Sait nicht mehr in der Küche auf dem Boden, für beide begann ein neues Leben, die Welt veränderte sich grundlegend für sie.
Einmal, nachdem sie sich geliebt hatten, fragte Özlem ihn unvermittelt, Sait bist du eigentlich religiös?
Nein, ich glaube nicht an Gott, Religionen sind dafür da, um Menschen zu verdummen und um sie abhängig zu machen. Nicht Gott hat die Menschen erschaffen, sondern die Menschen erschufen für sich Gott. Einst war die Natur mit ihren Gewalten für die Menschen nicht erfassbar, nur ein höheres Wesen konnte dies alles regeln und steuern, Blitze und Donner, die konnten nur von Göttern gesendet werden. Um diese höheren Wesen freundlich zu stimmen, brachten sie Opfer dar, auch Menschen. Dann führten sie die Priester ein, die hatten ja angeblich die Gabe den Göttern näher zu stehen und zu vermitteln, zwischen den Menschen und den Göttern, sie konnten belohnen oder auch bestrafen, dann hatten sie die Hölle eingeführt, mit ihr lässt sich erfolgreich drohen, die Menschen fürchten sie mehr als sie den Himmel lieben. Das Vermitteln war aber nicht selbstlos, daran hat sich nicht viel verändert, heute ist es auch immer noch so.
Sait meinte nur, ich weiß, Religionen sind wichtig, das hält zusammen, da fragt man nicht danach ob es richtig oder falsch ist, ob es sinnvoll oder ob es Unsinn ist, da muss man einfach alles glauben was einem vorgesetzt wird, auch wenn es gegen jede Logik spricht, wer Zweifel hat und den Zweifel von sich gibt, der steht dem Feuer oder dem Schwert sehr nahe.
Der Mensch wurde auch nicht am sechsten Tage erschaffen, von Gott, angeblich hatte er ihn aus Lehm geformt, nach seinem Ebenbild, dann hatte er ihm das Leben eingehaucht, so steht es jedenfalls geschrieben. Als er danach sah, dass er alles gut gemacht hatte, ruhte er sich am siebten Tag aus.
Was für ein Fehler, was er da erschaffen hatte, entwickelte sich zu einem Monster, das meist rücksichtslos handelt und nur auf seinen Vorteil bedacht ist, Menschen, die etwas anders aussehen oder anders denken, vernichtet er, immer im Namen Gottes, die Waffen hierfür werden von den Priestern noch vor der Schlacht gesegnet.
Wesentliche Unterschiede werden als unwesentlich abgetan und Unwesentliches wird zum Wesentlichen erklärt.
Auch Moses hat es sicherlich nie gegeben, nicht durch die Steintafeln wurden die zehn Gebote in die Welt gebracht, dort am Berg.
Nein, einst war ein kluger Herrscher, der König von Babylon, er trug den Titel König von Sumer und Akkad, sein Name war Hammurabi der Erste. Er hatte einen Codex erstellen erlassen, mehr als tausend Gesetze, in Steinstelen gehauen, für jeden nachlesbar, viel mehr als nur die zehn Gebote.
Dort standen nicht nur die Gesetze, sondern auch welche Strafen bei Zuwiderhandlung drohten, gleiches galt nicht für alle, nur um dir ein Beispiel aus unserem Bereich der Medizin zu nennen, war einem Arzt ein Fehler unterlaufen, dann wurde er dafür bestraft, war der Patient vom einfachen Volke, dann konnte dies mit Schekel beglichen werden, eine Maßeinheit für Gold und Silber, den Schekel gibt es heute noch, war der Patient vom hohen Stand, dann wurde dem Arzt die Hand abgeschlagen.
Wenn es den Urvater aller großen Religionen wirklich je gab, dann kannte er auch den Codex und damit auch die zehn Gebote, die hatte er dann in die Welt gebracht.
Früher hatten es sich die Herrscher sehr einfach gemacht, sie ernannten sich selbst zum Gott und wer wagt schon an der Weisheit eines Gottes zu zweifeln, auch wenn es keiner verstand.
Etwas später ließ sich das Ganze nicht mehr so überzeugend verkaufen, daher fanden die Herrscher wieder eine neue Lösung, sie nannten sich einfach Herrscher aus Gottes Gnaden, und wer kann schon gegen die Gnade Gottes verstoßen oder Zweifel erheben, heute macht man es sich noch viel einfacher, man sagt oder man schwört, so wahr wie mir Gott helfe, du siehst überall bringen sie auch heute noch Gott ins Spiel.
Es waren schon mehr als sechs Wochen vergangen, dass Sait keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern hatte. Da er nach dieser Zeit wieder ohne Unterstützung laufen konnte, dachte er, es sei nun an der Zeit, um sie aufzusuchen.
Es war schon dunkel, die Straßenlaternen waren noch nicht an, als er vor Özlems Wohnung die Haustür langsam öffnete und sich sicherheitshalber erst nach allen Seiten umsah, bevor er den Gehsteig betrat. Es hätte ihn sowieso niemand erkannt, nicht einmal seine Freunde. Er hatte sich verkleidet, dies konnte er gut, gelernt hatte er dies schon in der Theatergruppe in der Schule, sein Spitzname war daher damals das Chamäleon.
Er ging an den Häusern entlang, bis zur übernächsten Seitenstraße, dort hatten seine beiden Kommilitonen das Motorrad mit einer Kette an einen Laternenpfahl befestigt. Gestohlen hätte das alte Ding bestimmt kein Mensch, da gab es bessere Objekte. Er wischte den Staub vom Sattel und die Maschine sprang beim ersten Startversuch an.
Seine Eltern hatten ein großes Haus in einer Gegend in der nur sehr reiche Leute wohnten, es war ein sehr sicherer Ort, eingebrochen wurde dort so gut wie nie. Die letzten zweihundert Meter fuhr er ohne Licht und stellte sein Motorrad an einem Baum vor dem elterlichen Haus ab.
Er wusste, sein Vater würde um diese Zeit zu Hause sein, er hatte die Angewohnheit, wenn er aus der Klinik kam, erst einige Runden im Schwimmbecken hinter der Terrasse zu schwimmen bevor er seinen Tee trank. Nach dem Abendessen zog er sich meist in sein Arbeitszimmer zurück und bereitete sich auf die anstehenden Operationen für den nächsten Tag vor. Sein Bücherregal war gefüllt mit Anatomie Büchern und Operationsanweisungen, einige davon hatte er selbst verfasst. Sait hatte keinen Hausschlüssel dabei und klingeln wollte er auch nicht. Er wusste, die Terrassentür war fast immer unverschlossen, so auch an diesen Abend. Er ging durch den Garten und betrat das menschenleere Wohnzimmer, er hörte aber Stimmen aus Vaters Arbeitszimmer. Er klopfe kurz an und öffnete die Tür bevor jemand antworten konnten. Sein Vater saß am Schreibtisch und seine Mutter stand neben ihm. Als er das Zimmer betrat schauten beide ihn mit offenen Mündern an, und für einige Sekunden sagte keiner ein Wort.
Dann begann sein Vater ihn laut schreiend zu beschimpfen, das erste was er sagte war, du bist an allen schuld, du hast mich ins Unglück gestürzt.
An dem Tag als du verhaftet wurdest, haben sie mich fristlos entlassen und mir verboten, jemals wieder die Universitätsklinik zu betreten, das Gehalt haben sie mir auch gestrichen, nur du allein bist schuld an dieser Schmach, wie konnten sie mir dies nach alle den Jahren antun, das kann und werde ich dir niemals verzeihen.
Seine Mutter stand ebenso wie er unbeweglich da, mit offenem Mund, sie sagte aber kein Wort. Nach einer Minute des Schweigens, drehte Sait sich um und verließ das Haus schweigend, diesmal ging er aber durch die Eingangstür, dies war das letzte Mal, dass er seine Eltern sah. Er fuhr zurück und berichte Özlem haargenau genau was geschehen war. Er erzählte ihr auch von seiner ersten Operation und wie stolz er auf seinen Vater war, dass er ihn dies erlaubte.
Dies war die Operation wo ich zögerte den ersten Schnitt zu machen, ich musste zum ersten Mal in meinen Leben einen Menschen verletzen.
Özlem antworte nur mit ruhiger Stimme, ich weiß es, ich war dabei gewesen, ich habe dir das Skalpell gereicht, du hast mir aber nicht in das Gesicht gesehen.
Ich hätte da eine neue Familie für dich, die Bruderschaft, es seien zwar alle sehr gläubige Menschen, wollen aber genauso wie du, nämlich Rache nehmen an dem Herrscher und seinen Lakaien die dir das alles angetan haben. Sie wollen eine neue Ordnung schaffen.
Ein Ajatollah sei in Frankreich im Exil und dort laufen alle Fäden zusammen. Sait war immer noch ein Geächteter und sein Fahndungsfoto hing noch überall herum, exmatrikuliert war er nun auch. Bisher hatte er nur Transparente beschrieben und diese ausgerollt, manchmal auch kleine Reden gehalten, vor einigen Studenten, durch die Bruderschaft konnte er vielleicht mehr erreichen. Sie nahmen ihn mit offenen Armen auf und meinten nur, du solltest deinen Vornamen verändern, wir nennen dich ab heute nur Mohamed und wir werden zusammen etwas Neues schaffen, einen Gottesstaat aufbauen.
Die Unruhen und Demonstrationen nahmen zu, jetzt waren es nicht mehr nur die Studenten, die Lebensmittel wurden immer knapper und die Preise schienen täglich nach oben zu schießen, obwohl das Land nur so auf dem Öl schwimmt, wurde der Treibstoff knapp und mancher Taxifahrer verbrachte die meiste Zeit am Tag vor irgendwelchen Tankstellen und dort bekam er auch nicht, was er wirklich für den Rest des Tages benötigte, um seine Familie ernähren zu können.
Nachts wurden Parolen an Hauswände geschrieben, selbst der Palast des Herrschers blieb nicht mehr verschont, bis er endlich aufgab und das Land verließ.
Eine neue Zeit brach an, von nun an wurde wieder gesäubert, Menschen verschwanden einfach oder wurden öffentlich hingerichtet, die Einführung der neuen Ordnung hatte viel Menschenleben gekostet, so ist es nun einmal, wenn eine neue Gerechtigkeit eingeführt wird, das kostet eben immer große Opfer.
Sait störte sich nicht daran, er war wie besessen von seinen Rachegedanken den er jetzt umsetzen wollte und hierfür hatte er eine Idee.
Zuerst mussten der Herrscher und sein Klan zur Rechenschaft gezogen werden, danach wollte er sich an seinen Peinigern rächen.
Özlem ging weiterhin jeden Tag in die Klink, ein neuer Chef wurde von der Bruderschaft ernannt, der fast alles auf den Kopf stellte aber selbst fast keine chirurgische Erfahrung hatte.
Weißt du was Özlem, ich habe eine Idee wie wir den Herrscher zurück bekommen können, nicht durch eine Entführung wie das die Israelis vor einigen Jahren mit Eichmann gemacht hatten, dazu sind wir nicht fähig.
Die haben aber hier eine Botschaft, in der sich meist mehr als fünfzig Personen befinden, wenn wir die Botschaft besetzen und das Personal in Geiselhaft nehmen und drohen, wir würden täglich einen von ihnen erschießen, dann müssen sie den Herrscher früher oder später im Gegenzug ausliefern.
So ein Vorhaben musste aber sorgfältig geplant und organisiert werden, wichtig war vor allem die Zustimmung durch die Bruderschaft und dem obersten Ajatollah. Nachdem Sait seinen Plan dem Rat vorgetragen hatte, vergingen drei Wochen bevor er grünes Licht hierfür bekam, alle hatten ihn für gut befunden und waren davon überzeugt, dass Sait hierfür der richtige Mann ist.
Als erstes musste er eine zuverlässige Mannschaft aus dem alten Studentenstamm zusammenstellen und das Geschehen innerhalb und in die Umgebung vor dem Botschaftsbereich erkunden.
In den nächsten Tagen fuhr er und Özlem einige male mit seinem Motorrad die Straße entlang und fotografierten alle Häuser im Umkreis der Botschaft.
Die Schikanen in der Klinik und die Inkompetenz des neuen Chefs waren ihr zu viel geworden, sie hatte ihre Kündigung eingereicht und wollte sich nur noch für unser großes Ziel einsetzten. Vor jeder Fahrt hatte sich Sait wieder als Verwandlungskünstler erwiesen, für sich und für Özlem. Bei der Auswertung der Fotos fiel ihnen das Haus gegenüber der Botschaft besonders auf, an der Außenwand befanden sich in den Fugen einige dunkle Knöpfe, die bei Vergrößerung wie optische Linsen aussahen.
Das Haus, das als Lagerhaus deklariert war, reichte rückwärts bis zur nächsten Seitenstraße, hatte aber dort weder Fenster noch eine Eingangstür. Mit Erlaubnis des Rates schafften seine Leute einen Zugang mit einer verschließbaren Sicherheitstür. Hierfür wurde die Hauswand tagsüber durchbrochen, damit der Straßenlärm den Lärm der Presslufthämmer verschluckte und in der Botschaft kein Verdacht entstand. In diesen Tagen hatte auch kaum jemand die Botschaft verlassen oder sie betreten, so verlief die Operation unentdeckt.
Als sie zum ersten Mal in den dunklen Raum eintraten, sahen sie, dass vor der Wand zur Botschaft hin, mehrere Kabel von der Decke herunterhingen, die alle in einem gemeinsamen Kasten endeten. Schnell wurde klar was dies zu bedeuten hatte, sie brauchten nur die Kabel in ihre eigene Anlage zu stecken und so wurden sie die Herren über die gesamte Videoanlage, jetzt konnten sie ungesehen die Botschaft und die gesamte Straße überwachen.
Nach weiterem Durchsuchen fanden sie auch einen mit altem Möbel vollgestellten Kellerraum, hinter einigen Schränken und Stühlen verborgen befand sich eine mächtige Stahltür, die offensichtlich einen Geheimgang verschloss, der sicherlich zur Botschaft auf der anderen Straßenseite führt. Als kleine Besonderheit ließ Sait die Tür nicht zumauern, sondern eine weitere, noch stärkere Stahltür dahinter anbringen, die nur von der Lagerhausseite aus geöffnet werden konnte.
Bei der Durchsicht der Videoaufnahmen viel Sait ein Mann auf, er war etwa 30-35 Jahre alt, mit schwarzen Haaren und einer großen Hakennase, und energischen Gesichtsausdruck, er sah anders aus als die anderen, der gehörte sicherlich nicht zum Wachpersonal und ein Botschaftsmitglied war er sicherlich auch nicht. Dieser Mann war suspekt und Sait nannte ihn nur den Spion, den wollte er später einmal genauer unter die Lupe nehmen.
Für die Besetzung der Botschaft war der vierte November vorgesehen. Einige Tage nach der Besetzung ließ Sait sich die Fotos aller Personen vorlegen die sich am Tag nach der Besetzung in der Botschaft befanden, das Gesicht seines Spions erkannte er sofort, nach den Unterlagen sollte er angeblich Jim Miller heißen, ein verdächtiger jedermanns Name. Einen Tag später ließ er in der Botschaft nach seinem Spion suchen, vergeblich, er war nicht aufzufinden, wie konnte er nur aus der Botschaft entkommen?
Auch die Videoaufzeichnungen ergaben keinen eindeutigen Hinweis wie er entkommen konnte. Er ließ das Foto an alle Bahnstationen, den Flughafenschaltern und an allen Grenzübergängen verteilen, aber er blieb wie vom Erdboden verschwunden.