Читать книгу Tagebuch eines angeschlagenen Chaoten - Adrian Plass - Страница 7
FEBRUAR
ОглавлениеLiebe Leute,
wer behauptet, es gäbe keine Wunder mehr in dieser säkularen Zeit, möge bitte die Tatsache zur Kenntnis nehmen, dass ich meinen Februar-Brief tatsächlich im Februar schreibe. Danke an alle, die mir während des letzten Monats geschrieben haben. Ich werde euch möglichst bald antworten.
Die Highlights dieses Monats? Nun, es gibt immer wieder Kleinigkeiten, die mich zum Lachen bringen. Neulich saß ich mit meiner Frau und einem Freund in der Eisdiele, und wir ließen uns ein „Whisky-Eis“ schmecken (Whisky mit so ziemlich allem ist etwas ganz Besonderes, Whiskymarmelade bringt mich der himmlischen Seligkeit so nahe, wie ich ihr diesseits des Grabes nur kommen kann), als die Kellnerin, eine junge Polin, an unserem Tisch vorbeikam. Geleitet von dem Drang, meinem Entzücken über das Eis Ausdruck zu geben, sagte ich: „Dieses Eis ist mal was ganz anderes!“
Eine verwirrte Miene breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Sie schaute mich an, dann das Eis, dann wieder mich. „Was denn?“, erkundigte sie sich.
Ich merkte, dass ich mich mit der Redewendung vergaloppiert hatte, und versuchte es ihr zu erklären.
„Nein, nein, es ist schon Eis, es ist nichts anderes. Ich meine – ich wollte damit nicht sagen, dass es kein Eis ist. Ich meinte nur, dass es etwas ganz Besonderes ist. Das ist so eine Redewendung, es ist …“
Mein wirrer Redeschwall versiegte, und sie zog weiter, um an anderen Tischen zu bedienen.
Es bedarf keiner Erwähnung, dass Bridget und unser Freund sich über meine Verlegenheit köstlich amüsierten.
Eigentlich hätte ich meine Lektion diesbezüglich schon vor Jahren lernen müssen. Eines Nachmittags kam Alina, die aus Aserbaidschan stammt, mit einer riesigen Teekanne in der Hand aus der Küche.
„Ah“, sagte ich, „das nenne ich mal eine Teekanne.“
Wieder diese verwirrte Miene. (Und wieder eine Redewendung für etwas ganz Besonderes!)
„Ich nenne das auch eine Teekanne …“
Ich entschuldige mich bei allen in Osteuropa – im Voraus.
Für mich war einer der ernsthaften Höhepunkte des Monats der Durchbruch zu einem Punkt, an dem ich tatsächlich anfing, Freude am Schreiben des Buches zu haben, an dem ich zur Zeit arbeite. Das Buch trägt den Titel „Der Schattendoktor“. Die Hauptfigur ist ein Mann, der in einem Haus tief in der Wildnis der Grafschaft Sussex in Südengland lebt. Seine Lebensaufgabe besteht darin, auf seine eigene, ziemlich ungewöhnliche Weise denen zu helfen, die mit Schatten in ihrem Leben zu kämpfen haben. Solche Schatten gibt es in allen möglichen Formen und Größen, darunter Erpressung, Trauerfälle, Glaubenskrisen, grauenhafte Nachbarn und der Verlust eines Haustieres. Unterstützt wird er in seiner Arbeit von Jack Merton, einem jungen Mann, der noch viel über die ungewöhnlichen und bisweilen bizarren Richtungen lernen muss, aus denen „Doc“ an die Probleme herangeht.
Jedes Erzählwerk, das ich schreibe, scheint damit zu beginnen, dass ich mich mühsam in eine Welt hineinschleppe, die ich noch nicht kenne und die bewohnt ist von Gestalten, denen ich noch nie begegnet bin. Ich würde sagen, diese Strecke des Weges besteht eher darin, nach einem Buch zu suchen als eines zu erschaffen. Es ist harte Arbeit. Inzwischen bin ich jedoch zuversichtlicher im Blick auf das, was dabei herauskommen wird, und freue mich jeden Tag darauf, mit der Arbeit anzufangen. Noch ein Wunder.
Ein weiterer Höhepunkt war, dass ich mir mit Bridget in der St. Mary‘s Catholic Secondary School in Newcastle in Nordengland eine Aufführung der West Side Story ansah. Unsere Tochter Kate war Koproduzentin der Show. Es war ein ziemlich ehrgeiziges Projekt, ein solches Stück mit Oberschülern auf die Bühne zu bringen, aber am Ende wurde es ein großer Erfolg. Manche der kleineren Jets und Sharks gaben sich alle Mühe, angemessen wild auszusehen, und es mangelte gewiss nicht an Begeisterung und Hingabe. Ein Problem, auf das Kate uns schon im Voraus hingewiesen hatte, war die schlechte Beziehung zwischen den beiden vierzehnjährigen Schülern, die das Liebespaar Tony und Maria spielten. Sie konnten sich einfach nicht ausstehen. Kate hatte uns erzählt, wie schwierig es gewesen war, sie auch nur dazu zu bringen, einander anzusehen, geschweige denn den Eindruck von zwei Menschen zu vermitteln, die sich leidenschaftlich liebten.
Irgendwie funktionierte trotzdem alles prächtig, besonders der Gesang. Es lag ein besonderer Schwung und eine mitreißende Energie darin, dass so viele Leute so unterschiedlichen Alters sich zusammentaten, um für die Schulgemeinschaft eine bedeutende Veranstaltung auf die Beine zu stellen. Mir kamen dabei sogar (diskrete) Tränen. Ich finde es wunderbar, wenn Leute das Gefühl haben, etwas gut gemacht zu haben, und wir waren natürlich besonders stolz auf die Leistung unserer Tochter.
Nächsten Monat müssen Bridget und ich wieder zurück ins Geschirr, um zu reisen und auf Veranstaltungen zu sprechen, und außerdem werden wir in unserer unmittelbaren Familie zwei Geburtstage feiern. Wenn ihr für uns beten möchtet: Unser Anliegen ist weiterhin, in den nächsten beiden Jahren ein gutes Gleichgewicht zwischen Arbeit und Freizeit zu finden und offen zu bleiben für alles Neue und Lohnende, das unseren Weg kreuzt.
Geht gut mit euch selbst um und seid stark, wenn ihr könnt.
Adrian