Читать книгу Stress-Familie Robinson - Adrian Plass - Страница 7

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Das Verheiratetsein hat manches an sich, das mir wirklich reizvoll erscheint, aber es gibt auch manche Dinge, die mich vermutlich völlig auf die Palme bringen würden. Nehmen Sie zum Beispiel diese immer gleichen Streitereien, in die Ehemänner und Ehefrauen immer wieder aufs Neue geraten, ohne je zu merken, dass ihre Wortgefechte mit der Zeit mehr oder weniger bis ins i-Tüpfelchen vorgeschrieben sind. Die Robinsons sind in dieser Hinsicht außergewöhnlich. Ich komme nicht aus dem Staunen heraus, wie sie in jede Meinungsverschiedenheit einsteigen, als sei sie eine völlig neue Erfahrung. Vermutlich ist das ein sehr liebenswerter Zug an ihnen, aber im Allgemeinen ist es eine schreckliche Zeitverschwendung.

Ein gutes Beispiel ist die große Packdebatte. Seit ich sie kenne, haben sie diesen regelmäßig stattfindenden Streit nie um mehr als ein oder zwei Worte variiert, und er endet stets auf genau dieselbe Weise. Ich habe beide sehr lieb, aber beim Streiten zeigen Mike und Kathy ein erschreckend leicht voraussagbares Verhalten.

Zum ersten Mal erlebte ich dieses besondere Stück unbewusst eingeübten Rollenspiels an einem Samstag, als die Familie vorhatte, in einen langen Urlaub über die Osterzeit zu verschwinden. Da ich wusste, dass das Packen für Amerika immer wieder hinausgeschoben worden war und nun unvorstellbarerweise noch irgendwie vor dem Mittagessen eingeschoben werden musste, erbot ich mich, nach dem Frühstück vorbeizukommen und zu sehen, ob ich helfen könnte. Als ich gegen neun an der hohen, schmalen, viktorianischen Doppelhaushälfte der Robinsons eintraf, sah ich die sechsjährige Felicity, die, hübsch von der Frühlingssonne beschienen, auf einer Ziegelsteinsäule am Gartentor saß und zu einem unsichtbaren Kreis von Bewunderern sprach.

„Ihr seid alle meine besten Freunde“, sagte sie lächelnd, als ich aus Daffodil stieg und die Tür hinter mir verschloss, „und ich liebe jeden von euch genau gleich viel. Ihr seid alle zu meiner nächsten Geburtstagsfeier eingeladen, wo wir reiten, schwimmen, sackhüpfen, kegeln und Pizza essen werden.“

„Darf ich auch kommen?“, fragte ich.

„Nein, Dip“, sagte Felicity, „du darfst zu meiner echten Feier kommen, wo Daddy Tricks vorführt, die nicht funktionieren, und Mami sauer wird, weil die Leute nicht richtig bei den Spielen mitmachen - und einen guten Tee gibt es auch“, fügte sie in dem Bestreben, absolut fair zu sein, hinzu.

„Sind Mami und Daddy schon auf?“

„Sie sitzen in der Küche und trinken Kaffee und seufzen und machen Listen. Jack hat sich den Kopfhörer aufgesetzt und ist wieder nach oben gegangen, weil Mami gesagt hat, dass sein Zimmer aussieht, als ob da etwas Trauriges und Schreckliches passiert sei.“

„Ach du meine Güte! Und Mark?“

„Mark ist stinkig geworden, weil er meint, ihm hätte niemand gesagt, dass wir heute nach Amerika fahren, und er sei mit seinen Freunden verabredet. Mami sagte, nur ein stocktauber Schwachsinniger hätte nicht wissen können, dass wir verreisen, und wenn Mark sich für seine Familie ebenso interessieren würde wie für seine dämlichen Freunde, dann hätte er vielleicht mehr Ahnung, was dort vor sich geht. Dann sagte Mark, das nächste Mal, wenn langweilige Gäste zu Besuch kommen, würde er sich nicht die Mühe machen, höflich zu ihnen zu sein, und stampfte mit nach außen gestellten Füßen davon wie eine beleidigte Ente. Und Mami sagte, sie hätte nie für möglich gehalten, dass der Hinterkopf von jemandem einen so zur Weißglut bringen könnte.“ Felicity seufzte. „Ehrlich gesagt, der Morgen lief nicht besonders gut.“

„Klingt auch nicht sehr gut“, stimmte ich zu, „aber ich bin sicher, es wird besser werden. Es ist immer schwierig, wenn man verreist. Ich bin gekommen, um ein bisschen zu helfen.“

„Da wirst du warten müssen, bis sie mit ihrem Packstreit fertig sind“, sagte Felicity ernst, „vorher wird hier nichts passieren. Später haben wir eine geheime Überraschung für dich“, fügte sie geheimnisvoll hinzu.

„Ooooh, na ja, darauf freue ich mich, ich liebe Überraschungen!“

Ich traf Mike und Kathy, über Kaffeebechern und Zetteln am Küchentisch kauernd, an. Sie sahen abgehärmt und niedergeschlagen aus, gar nicht wie Leute, die in ein paar Stunden mit der Familie in Urlaub nach Amerika fliegen wollten. Die Küche sah aus, als hätte sie am Vorabend zu viel getrunken und wäre voller Reue darüber aufgewacht.

„Hallo, Dip“, sagte Mike und stand auf. „Ich fürchte, mit uns ist heute Morgen nicht allzu viel los - wir sind noch nicht richtig in Gang gekommen. Setz dich, ich mache dir einen Kaffee. Ein Stück Zucker zurzeit, nicht wahr? Wir waren gerade dabei, eine Liste aufzustellen, was wir noch erledigen müssen, und dann …“

„Und dann“, unterbrach Kathy, die sich die dunklen Haare raufte, „packen wir unsere Sachen für drei Wochen, die wir schon vor einer Woche hätten packen sollen, kratzen das Fett von diesem Höllenloch …“

„Wir haben über dieser Küche gebetet, als wir einzogen, Kath“, unterbrach Mike sanft, während er mir einen Kaffee von typisch Robinsonscher Finsternis vorsetzte. „Ich finde es nicht richtig, sie ein Höllenloch zu nennen. Was meinst du, Dip?“

„Ich glaube nicht, dass …“

„Und dann“, fuhr Kathy fort, „werden wir eine lange theologische Diskussion darüber führen, wie wir vermeiden können, die Gefühle dieser geheiligten Küche zu verletzen, gefolgt von einem schwächlichen Versuch, unsere zerrüttete häusliche Situation zu verbessern. Danach werden wir das Haus sauber machen - das dürfte nur ungefähr vier Stunden dauern; dann werden wir alles erledigen, was wir zweifellos vergessen haben, und dann, vorausgesetzt, unsere lieben Söhne sind so großzügig, uns zu begleiten, werden wir mit der Absicht aufbrechen, zum Flughafen zu fahren. Doch innerlich werden wir genau wissen, dass wir in Wirklichkeit einem vorausbestimmten Ort mitten in der Pampa zusteuern, meilenweit von der nächsten Werkstatt entfernt, wo unser armseliges Vehikel liegen bleiben und den Geist aufgeben wird. Und damit ist“, schloss Kathy, ließ ihre Haare los und ließ die Fäuste mit einem dumpfen Schlag auf die Tischplatte niederfallen, „abgesehen von meiner Absicht, der tauben, schwachsinnigen Ente, falls und wenn sie zurückkommt, ernsthafte Verletzungen zuzufügen, unsere Reiseroute für heute beendet.“

„Kathy fällt es immer ein bisschen schwer, abzureisen“, sagte Mike ziemlich überflüssigerweise. „Du hast ja noch gar nichts von deinem Kaffee getrunken, Dip. Ist er in Ordnung?“

Ich zuckte nichts sagend die Achseln. „Er ist, äh … . er ist immer noch ein winziges bisschen zu stark für mich, Mike. Gut, aber etwas stark. Schaut mal, darf ich euch vielleicht helfen?“

Ich legte meine Hand auf Kathys Arm. „Ich würde wirklich gern hier bleiben, wenn ihr weg seid, und mich um die Küche und den Rest des Hauses kümmern. Ich bin gern in Häusern anderer Leute - ehrlich.“

Kathy gab ein erschöpftes, leises Wimmern von sich, während in ihr Hoffnung und Höflichkeit miteinander rangen. „Oh Dip, du brauchst nicht …“

„Abgesehen von allem anderen“, fuhr ich überzeugend fort, „gibt mir das die Chance, all eure privaten Papiere zu durchsuchen und meine Nase in Dinge zu stecken, die mich nichts angehen. Bitte bringt mich nicht um diese Gelegenheit. Die Leute in der Gemeinde würden zu gern mal ein paar blamable Geschichten über euch hören - ganz im Vertrauen und nur fürs Gebet, versteht sich.“

Kathys Stimmungswechsel haben mich schon immer an das Wetter in Melbourne erinnert, wo ich während meiner Ausbildung lebte. Plötzlich kam die Sonne zum Vorschein, als sie den Kopf zurückwarf und lauthals lachte. „Abgemacht! Aber sieh zu, dass du Mikes Pornoheftchen wieder dahin zurücklegst, wo du sie gefunden hast, ja?“

„Kath!“ Mike war fast beleidigt. „Ich nehme solche Zeitschriften niemals in die Hand - ich würde nicht im Traum daran denken, so etwas im Haus zu haben. Ich kann mich nicht erinnern, jemals auch nur einen Blick - na ja, ich glaube, wenn ich ganz ehrlich sein soll, als ich jung war …“ Mikes frische Gesichtshaut nahm eine kräftige, tiefrote Farbe an. „Vielleicht habe ich mir gelegentlich - nun ja … ein Bild angeschaut, das ein Freund bei sich hatte oder so, aber ganz bestimmt nicht mehr … jetzt. Ganz bestimmt nicht.“

„Du brauchst hier nicht das Riesenradieschen zu spielen, Mike. Dip weiß, dass ich nur Spaß gemacht habe, stimmt's, Dip?“

„Schon“, antwortete ich, „aber mir kam gerade der Gedanke, dass ich selber jede Menge Pornografie habe.“

Sie starrten mich überrascht an. „Wirklich?“, fragte Mike ganz erstaunt.

„Klar - hier oben.“ Ich tippte mir an den Kopf. „Da drin ist ein ganzer Haufen davon. Es werden nicht alle Schalter auf, Aus‘ gestellt, nur weil man die Fünfzig überschritten hat, wisst ihr. Manchmal ist es richtig lästig. Ach was, wie auch immer - der Punkt ist, ich darf hier bleiben und für euch aufräumen, ja? Dadurch habt ihr genügend Zeit, zu packen und alles andere zu erledigen, was notwendig ist.“

Mike hatte offensichtlich immer noch Schwierigkeiten mit dem Gedanken, dass allein stehende Damen mittleren Alters mit pornografischen Fantasien zu kämpfen haben könnten, aber sein Gesicht hatte schon fast wieder seine normale Farbe angenommen. „Also, wenn du dir sicher bist, Dip …“

„Ganz sicher.“

„Sie ist sich sicher“, sagte Kathy und stand entschlossen auf. „Fangen wir an zu packen.“

Auch Mike kam auf die Beine, doch als sie sich am Tisch gegenüberstanden, spürte ich, dass eine neue Spannung aufgetaucht war. Konnte es sein, dass der eigentliche Packstreit, von dem Kathy gesprochen hatte, nun bevorstand?

Genauso war es. Mike führte den Eröffnungsschlag.

„Liebling, lass uns diesmal wirklich systematisch vorgehen. Wir haben insgesamt fünf große Koffer, das ist doch richtig, nicht wahr?“

Kathys Unterkiefer bewegte sich einen Moment lang lautlos. Ihre Finger trommelten leise auf der Tischkante herum. „Was stimmte denn nicht damit, wie wir es das letzte Mal gemacht haben?“

Mike zog sich in Richtung Fenster zurück, eine Hand erhoben, als wollte er schon die volle Aufmerksamkeit auf sich ziehen, während er sich noch seine Argumente zurechtlegte. Ich weiß nicht, ob Ihnen schon einmal Leute wie Mike begegnet sind. Wenn ja, dann wissen Sie, dass sie zwar im Allgemeinen sanftmütig und nicht auf Konfrontationen aus sind, aber bei ganz banalen Dingen plötzlich wie besessen reagieren können. Schon jetzt, ganz zu Anfang der ausbrechenden Debatte, zitterte Mike vor mühsam beherrschter Leidenschaft.

Seltsam, aber wahr.

„Nun komm schon“, sagte Kathy gereizt, „sag mir, was falsch daran war, wie wir gepackt haben, als wir nach Frankreich gefahren sind.“

Mike drehte sich zu seiner Frau um und klammerte sich mit beiden Händen hinter dem Rücken an die Kante des Spülbeckens, als hätte er Angst, wenn er losließe, könnte er, von seiner Leidenschaft aufgeblasen, langsam zur Decke aufsteigen und dort hängen bleiben wie ein Heliumballon.

„Nicht viel - nur, dass ich nicht mitmachen kann, wenn du es organisierst. Am Ende sitzen wir in einem Meer von Kleidern und Schuhen und Büchern und diesem und jenem, das die Koffer irgendwo unter sich begräbt, und ich wate mit einer kleinen Tischdecke in der Hand hindurch und frage mich, wie sie wohl in deinen Generalstabsplan passt.“

Mike geriet jetzt richtig in Bewegung, wippte in rasantem Rhythmus auf den Füßen auf und ab und klang wie jemand, der vor einer gefürchteten, unausweichlichen emotionalen Krise steht.

„Ich weiß nicht, wo irgendetwas ist!“, fuhr er wild fort. „Ich weiß nicht, wo irgendetwas hinkommt - ich weiß nicht, was vor sich geht, und ich …“

Kathy beendete den Satz ihres Mannes mit beißendem Spott. „Und du fängst an, den Kopf zu schütteln und durch die Zähne zu zischen und davon zu reden, dass es dir wegen deiner übermäßig geordneten Kindheit sehr schwer fällt, mit Chaos fertig zu werden.“

Während der kurzen Stille, die darauf folgte, sackte Kathy zurück auf ihren Stuhl, stützte die Ellbogen auf den Tisch und legte das Kinn erschöpft auf die Hände.

„Das tue ich nicht“, sagte Mike mit empört aufgerissenen Augen.

Kathy sah ihn nicht einmal an. „Du tust es ja beinahe jetzt schon, dabei haben wir noch nicht einmal angefangen.“

Mike drehte sich mit vermeintlich heldenhafter Selbstbeherrschung steif um und starrte zum Fenster hinaus. „Sieh mal, ich sage ja nur, dass wir es mal auf meine Art versuchen und sehen könnten, wie wir damit klarkommen - wir könnten es doch nur einmal versuchen, meine Güte. Mehr sage ich ja gar nicht.“

„Und worin genau besteht deine Art?“

Erfreut über die Gelegenheit, es ihr zu erklären, fuhr Mike herum und begann, in der Küche auf und ab zu marschieren und zu Kathy zu sprechen, als wäre sie eine Schulklasse voller ABC-Schützen.

„Also, wir bringen alle fünf Koffer hinaus in den Garten, ja? Und …“

„Und … legen sie hübsch ordentlich in einer Reihe hin …“ Kath schien schon zu wissen, was jetzt kommen würde.

„Wir legen sie mit offenen Deckeln in einer Reihe hin, nummerieren sie von eins bis fünf und einigen uns darauf, welche Art von Gepäck in jeden davon kommt; dann holen wir die Sachen Stück für Stück aus dem Haus und füllen damit die Koffer, bis nichts mehr im Haus ist, das in die Koffer gehört.

Abgesehen von allem anderen würde es so viel mehr Spaß machen. Du sagst zu mir:, Hier ist ein Hemd, Mike, das kommt in Nummer drei‘, und ich gehe hinaus und lege es in Nummer drei. Dann sagst du vielleicht:, Hier ist ein Paar Schuhe, Mike, die kommen in Nummer fünf‘, also lege ich sie in Nummer fünf und komme zurück, um das Nächste zu holen, und so weiter. Dann könnten wir uns abwechseln, und ich würde sagen:, Hier ist eine Bluse, Kath, die kommt in Nummer vier‘, und du gehst hinaus und legst sie in Nummer vier; dann kommst du zurück und holst die nächste Sache und so weiter.“

Kathy stöhnte, als hätte sie Schmerzen.

„Dann, wenn alles drinnen ist, machen wir die Koffer zu, und das war's. Die Packerei ist erledigt, alles ist fertig, und wir müssten uns nicht durch Wälder von Mänteln und Unterwäsche kämpfen, um auch nur den Fußboden zu finden.“

Ermutigt durch die, wie er offensichtlich meinte, überwältigende Durchschlagskraft seiner eigenen logischen Beweisführung, stellte Mike sein Auf- und Abmarschieren ein, setzte sich wieder Kathy gegenüber und appellierte an sie, sich nicht der Vernunft zu verschließen.

„Findest du das nicht auch vernünftig, Kath? Wie könnte es nicht vernünftig sein? Wie in aller Welt? Komm schon - sag mir, was daran unvernünftig sein könnte. Es liegt doch so nahe. Das siehst du doch bestimmt ein, nicht wahr?“

Kathy verschränkte ihre Arme, lehnte sich auf dem Stuhl zurück, sah in die beschwörenden Augen ihres Mannes und sprach mit unerbittlicher Gelassenheit.

„Michael, ich möchte dazu folgende Bemerkungen machen. Zuerst lass uns den Unterschied zwischen deiner und meiner Methode betrachten. Dein System ist vielleicht ordentlich und logisch, aber es würde ungefähr ein Jahr dauern, um auf diese Weise alles gepackt zu kriegen. Es wäre eher so etwas wie ein ständiges Hobby als eine Aufgabe, die wir hinter uns bringen müssen. Meine Methode dagegen mag dir chaotisch und undurchschaubar erscheinen und unsägliche Qualen bereiten, aber sie würde dazu führen, dass wir mit dem Packen fertig werden, bevor wir nach Amerika aufbrechen - was ein durchaus wünschenswerter Detailaspekt an meinem Ansatz ist, meinst du nicht? Zudem finde ich zwar die Vorstellung ausgesprochen rührend, dass du und ich bis ans Ende der Zeit fröhlich mit Hemden und Blusen und Schuhpaaren hin und her traben, aber ich habe nicht die Absicht, draußen im Garten, Hänsel und Gretel fahren in die Ferien‘ zu spielen, nur um deine Perfektionsneurose zu befriedigen. Du durchschaust zwar vielleicht nicht, was vor sich geht, wenn ich packe, aber ich habe den Überblick. Und da es am Ende sowieso an mir hängen bleibt, kommt es eigentlich nur darauf an, oder? Warum hilfst du nicht Dip hier in der Küche und überlässt das Packen mir, dann musst du dir überhaupt keine Gedanken darüber machen, nicht wahr? Wie findest du das?“

„Dann soll ich dir also nicht helfen?“

Etwas verriet mir, dass wir nun endlich zum eigentlichen Gegenstand der Diskussion gekommen waren.

„Natürlich möchte ich, dass du mir hilfst - wenn du es wirklich ernst meinst. Was ich nicht ausstehen kann, ist, wenn du schnaufend und schnaubend herumläufst und dich aufregst, dass du nichts tun kannst, während ich damit beschäftigt bin, es zu tun.“

„Soso …“, sagte Mike und versuchte verletzt zu klingen, jedoch ohne rechte Überzeugung. „Dann kann ich ja hier bleiben und Dip helfen, wenn du es so siehst. Übrigens, Dip, was hältst du denn von meiner Packmethode?“

Ich wollte den Robinsons eine echte Freundin sein.

„Lächerlich“, sagte ich lächelnd, „rührend, aber lächerlich. Überlass es Kathy.“

Ich fand es herrlich, wie die beiden lachten.

Später, als Mike und ich Seite an Seite die Spülgegend des „Höllenlochs“ in Angriff nahmen, unterhielt ich mich mit ihm über die Packdebatte.

„Es war fast so“, sagte ich, „als hättet ihr das Ganze durchspielen müssen, nur um an einem Punkt anzukommen, von dem ihr sowieso wusstet, dass ihr dort enden würdet. Ich glaube nicht, dass es je wirklich in Frage kam, dass du beim Packen hilfst - natürlich nicht, dass du nicht ernst gemeint hättest, was du gesagt hast, Mike, das nicht. Du hast offensichtlich sehr feste Ansichten über das Füllen von Koffern. Ich bin auf diesem Gebiet ganz unbeleckt - ich habe überhaupt keine Ansichten darüber.“

Mike schmunzelte. Er hatte seine fröhliche, unerschütterliche Gelassenheit wieder gefunden.

„Wir benehmen uns wohl manchmal ein bisschen albern. Kath macht sich Sorgen, dass wir keine von diesen perfekten christlichen Ehen führen, von denen man in Büchern liest, aber, nun ja … wir lieben uns trotzdem. Das ist doch ziemlich wichtig, oder?“ Plötzlich hüstelte er verlegen und legte den Teller hin, den er gerade polierte. „Es muss manchmal sehr schwer für dich sein, Dip - ich meine, dir muss es bis zum Hals stehen, wenn Leute sich über ihre Frauen und Männer auslassen und dergleichen, wo du doch …“

„Wo ich doch nie verheiratet war? Ja, das fällt mir wirklich hin und wieder ein bisschen schwer, aber ich bin gern mit Familien zusammen, und mir gefällt es eigentlich inzwischen gar nicht mehr so schlecht, allein stehend zu sein. Es ist keine Krankheit, nicht verheiratet zu sein, weißt du. Um ehrlich zu sein, Mike, ich weiß nicht, ob ich es nach all diesen Jahren überhaupt ertragen könnte, mein - du weißt schon - mein Innerstes mit jemand anderem zu teilen.“

Durchs Fenster konnte ich sehen, wie Felicity sich auf der gelben Plastikschaukel, die an einem der Apfelbäume hing, rasend schnell um sich selbst drehte. Plötzlich stiegen alte Kleinmädchenträume wieder in mir auf.

„Aber ich will dir etwas sagen, es kommt schon vor, dass ich mich danach sehne, dass jemand auf mich wartet, wenn ich nach Hause komme, jemand, der mich fragt, wie es auf der Arbeit war, der mir eine Tasse Tee macht - dergleichen Dinge. Und manchmal, wenn ich irgendwo bin, wo viele Menschen sind, dann wünsche ich mir … du wirst das jetzt total albern finden.“

„Nein“, sagte Mike, „erzähl weiter, es interessiert mich.“

Ich warf einen raschen Blick in sein Gesicht und fuhr fort.

„Na ja, dann wünsche ich mir, ich könnte quer durch den Raum den Blick von jemandem auffangen, über die Köpfe der anderen hinweg - nur für einen Moment -, einen jener kleinen, lächelnden Blicke, die einem sagen, dass da jemand genau versteht, was man gerade denkt. Und dann unterhält man sich weiter oder was immer man gerade getan hat, aber man weiß, dass man nicht allein ist. Etwas Besonderes für jemanden zu sein, die Nummer eins in seinem Leben - ich weiß, es ist albern, aber hin und wieder sehne ich mich immer noch schrecklich danach.“

Ein paar Augenblicke lang war in der Küche der Robinsons nichts zu hören außer dem Tropfen des Wasserhahns und dem Geklapper des Geschirrs, aber es war keine peinliche Stille.

„Immerhin“, sagte Mike endlich, „wenigstens musst du keine wirren Debatten durchexerzieren, bevor du zu etwas kommst, so wie wir es gerade getan haben.“

„Das nicht, aber …“ Ich hielt inne, weil ich mich plötzlich ein wenig fürchtete. Das war sehr harte Währung, die ich hier über den Tresen unserer immer noch im Entstehen begriffenen Freundschaft reichte. Nicht die Sorte, die man je wieder würde zurücknehmen können. „Nein, aber wir Singles spielen unsere eigenen albernen Spielchen, weißt du. Zumindest tue ich das.“

„Zum Beispiel?“

Ich schälte mir die Gummihandschuhe von den Händen und warf sie in das Spülbecken.

„Trockene Geschirrtücher?“

„In der Schublade unter den Stabschrecken. Hektarweise Geschirrtücher. Wir sind sehr reichlich ausgestattet mit trockenen Geschirrtüchern. Erzähl mir mehr von deinen Spielchen.“

„Manchmal“, sagte ich, während ich nach einer Hand voll nasser Besteckteile griff, „verliere ich das Zutrauen zu den Leuten.“ Ich berichtigte mich. „Das heißt, das ist nicht ganz fair. Ich schätze, was ich wirklich meine, ist, dass ich das Zutrauen zu mir selbst verliere. Da ist vielleicht eine Familie - wie eure - und ich bin schon oft zu Besuch gekommen, und alles scheint in bester Ordnung zu sein. Doch dann kriege ich ganz plötzlich so ein kaltes Gefühl im Bauch, und ich denke, was ist, wenn die mich die ganze Zeit nur mühsam erduldet haben? Was ist, wenn sie nur nett zu mir waren? Dann gerate ich in Panik. Und dann fangen die Spielchen an.“

Draußen hatte Felicity ihre Schaukel verlassen und hockte nun neben dem kleinen Blumenbeet, das ihr ganz allein gehörte, und stocherte mit einem Stöckchen in der Erde herum. Da sie zufällig in diesem Moment aufsah, fing sie meinen Blick auf und grinste. Warum rief Felicitys Lächeln in mir manchmal diese kleinen Krämpfe aufsteigender Tränen hervor?

„Dann tauche ich wieder wie ein verängstigtes Kaninchen in meinem kleinen Haus unter, mache die Tür hinter mir zu - verschließe sie, verriegele sie, verbarrikadiere sie mit einem Stuhl -, tue alles, um mir die Welt vom Leib zu halten, damit sie nicht sieht, wie peinlich es mir ist, eine lästige alte Langweilerin zu sein, die sich aufdrängt, wo sie nicht erwünscht ist. Und dann laufe ich vielleicht ein bisschen mit geballten Fäusten im Haus umher und überschütte mich selbst mit Flüchen und so.“

Der arme Mike musste natürlich etwas sagen. „Aber Dip, du glaubst doch nicht wirklich …“

„Ich rede nicht davon, was ich glaube, Mike. Ich rede davon, was ich fühle. An solchen Tagen fühle ich mich wie ein formloses Stück Abfall und bin sicher, dass niemand mich wirklich mag. Sie tun alle nur so, und ich will keinen von ihnen je wiedersehen.“

„Und das Spielchen …?“

„Das Spielchen - oh, ich komme mir vor wie ein Idiot, Mike! Das Spielchen - eines der Spielchen - besteht darin, dass ich tagelang oder sogar wochenlang mit niemandem Kontakt aufnehme, nur um zu sehen, wie lange es dauern wird, bevor ihnen endlich einfällt, dass ich existiere und sie mir schreiben oder mich anrufen oder irgendetwas. Ich weiß, es ist kindisch und albern, aber - ich schätze, manchmal bin ich eben ganz unten und verwandle mich in einen Jammerlappen.“

„Du hast dieses letzte Messer fünfmal abgetrocknet, Dip. Funktioniert das?“

„Funktioniert was? Die Kontaktsperre, meinst du? Nein, eigentlich nicht. Eine Weile lang drücke ich eine Ladung brennenden Groll an mich, aber dann fange ich an, die Leute zu vermissen; also gehe ich sie besuchen, und sie freuen sich meistens so sehr, mich zu sehen, und ich freue mich so sehr, sie zu sehen, dass ich ganz vergesse, tief verletzt zu sein, und alles wird wieder normal.“ Ich lachte. „Einmal ging der Schuss voll nach hinten los. Da war so ein Pärchen in meiner früheren Gemeinde, die meinten, sie hätten einen, Dienst unter Alleinstehenden‘ zu verrichten, und sie wurden ziemlich fuchtig, als ich eine Weile nicht zu ihnen kam. Eines Abends standen sie bei mir auf der Matte, mit Mündern, die aussahen wie ausgefranste Schnurstücke, und sagten mir, weil ich nicht an ihren Versammlungen teilgenommen hätte - ach Mike, lebendig begraben zu werden hätte mir mehr Spaß gemacht -, fühlten sie sich geführt, sich für eine Zeit von mir zurückzuziehen. Dann marschierten sie ab, und ich fühlte mich sehr erleichtert und ein bisschen schuldig - aber nur ein bisschen.“

Mike warf den Flaschenöffner an seinen Platz und schloss die Besteckschublade mit einem triumphierenden Knall.

„Der Abwasch ist erledigt. Jetzt nehmen wir uns den Fußboden vor. Gehen wir syst- … ich meine, du fegst, Dip, und ich stelle die Stühle hoch, weil ich weiß, wie man sie am besten anordnet, und dann kannst du mir vom Flur aus weiter erzählen, während ich feucht wische. Okay?“

Als ich ein paar Minuten später mit verschränkten Armen im Türrahmen lehnte und Mike beobachtete, wie er sich langsam und methodisch mit dem Schrubber rückwärts auf mich zuarbeitete, empfand ich ein leises Unbehagen. Eine Frage formte sich in dem konzentrierten Rhythmus seiner Bewegungen. Hätte ich nicht gewusst, dass durch den bevorstehenden Urlaub sowieso eine Lücke entstehen würde, so hätte ich vielleicht an Ort und Stelle meine Kaninchennummer abgezogen. Welchen Preis würde ich dafür bezahlen müssen, dass ich mich so entblößt hatte?

„Darf ich dich etwas fragen, Dip?“

„Nein.“

„Komm schon - darf ich?“

Ich seufzte. „Ja.“

„Also - warum hast du mir das alles erzählt? Ich meine, du hast deine ganze Tarnung platzen lassen, nicht wahr? Wie kannst du dich jetzt noch dünnemachen und dein Spielchen mit der Kontaktsperre spielen, wenn wir doch genau wissen, was mit dir los ist, und mit riesigen Blumensträußen und Schwüren ewiger Freundschaft bei dir auf der Matte stehen werden, sobald wir dich einmal länger als einen oder zwei Tage nicht sehen? Verstehst du, was ich meine?“

Ich war entschlossen, nicht zu weinen. Ich holte tief Luft.

„Die Sache ist die, Mike, ich habe keine Lust, mit dir und Kathy und den anderen Spielchen zu spielen. Ich bin fast einundfünfzig Jahre alt, und ich glaube nicht, dass noch die Chance besteht, dass mir jemand Besonderes über den Weg läuft - nicht, wenn ich realistisch denke. Ich habe es ernst gemeint, als ich gerade sagte, dass ich mir heute nicht mehr vorstellen kann, jemandem auf diese Weise so nahe zu kommen. Aber in letzter Zeit habe ich angefangen …“

Mike, der spürte, dass ich ein Zeichen seiner Aufmerksamkeit brauchte, drehte sich um, stützte sich auf seinen Schrubber und nickte mir zu. „Weiter, ich höre zu.“

„In letzter Zeit habe ich angefangen, mich auf eine neue Art und Weise einsam zu fühlen - es steckt eine Art Panik mit darin, eine Furcht, dass ich alt werden könnte, ohne etwas …“, ich rang einen Augenblick lang nach Worten, „ohne mich an jemanden zu verschenken, ohne die Spielchen und die unnötige Zurückhaltung und die ruhige und zuverlässige Fassade und all das. Ich möchte niemandem ein Klotz am Bein sein, aber ich würde gern irgendwo hingehören.“ Ich starrte den Wäschetrockner an. „Du und Kathy und die Kinder, ihr habt - wie soll ich es beschreiben? -, ihr habt mich in alles mit hineingenommen, was bei euch los ist, ohne eure christliche Fassade in Ordnung zu bringen, bevor ich sie zu sehen bekomme. Ihr habt mich dahin gelassen, wo ihr wirklich seid, und, nun ja, ich habe bisher nie gewusst, was für ein Gefühl das ist. Ich möchte, dass das so bleibt. Das wünsche ich mir sehr. Habe ich dich in Verlegenheit gebracht?“

Mike verlagerte sein Gewicht auf dem Schrubberstiel. „Gestern Abend, als alle weg waren“, sagte er langsam und ernst, „lagen Kath und ich im Bett und führten ein ziemlich altbekanntes Abendgespräch. Es läuft fast immer gleich ab. Sie verzweifelt an ihrer miserablen Mutterschaft und ihrem Aussehen und dem Verfall ihrer schriftstellerischen Begabung und ihrer Undankbarkeit gegen Gott für das, was er ihr in all diesen Bereichen geschenkt hat, und ich sage Sachen wie:, Nun komm schon, Kath, du weißt doch, dass es in Wirklichkeit gar nicht so schlimm ist.‘ Dann sagt sie mir, was mit mir nicht stimmt, und ich höre zu, sage aber nichts - früher ja, aber jetzt nicht mehr -, bis sie gesagt hat, was immer sie auf dem Herzen hat; dann weint sie meistens, und wir kuscheln uns aneinander, und alles ist mehr oder weniger wieder in Ordnung. Na ja, wir haben das alles durchexerziert, und dann, als wir gerade schlafen wollten, sagte Kath plötzlich:, Mike, ich wünschte, Dip würde zu uns ziehen und mit uns zusammenleben. Ich fühle mich sicher und geborgen, wenn sie hier ist.‘ Das waren ihre Worte -, sicher und geborgen‘.“

Er zögerte einen Moment; er wollte mir zu verstehen geben, wie ernst es ihm war.

„Dip, wir sind eine chaotische Familie - das brauche ich dir nicht zu sagen. Wir verbringen offenbar schrecklich viel Zeit damit, so zu tun, als wären wir besser organisiert oder heiliger oder enger miteinander verbunden, als wir es wirklich sind. Zeitverschwendung, sicher, aber ich fürchte, so sind wir nun einmal. Du bist die erste Person, bei der es uns nicht stört, dass sie uns einfach so sieht, wie wir sind.“ Er lächelte. „Ob es dir gefällt oder nicht, Elizabeth Reynolds, du hast eine Wärme und Herzlichkeit an dir, die Kath und ich einfach - nun - einfach lieben. Neulich haben wir beide genau dasselbe gesagt. Wenn du zur Haustür hereinkommst, wird alles ein bisschen heller.“

Er drehte sich abrupt um und begann, den Fußboden noch heftiger als zuvor zu attackieren.

„Dies ist ein großes, altes Haus, Dip“, sagte er über die Schulter hinweg. „Reichlich Platz für ein Wohn- und Schlafzimmer im Obergeschoss. Denk darüber nach, während wir in Amerika sind, ja?“

„Aber Kathy …“

„Gerade eben hast du gesagt, du möchtest gern für jemanden die Nummer eins in seinem Leben sein, stimmt's? Also, das kann ich dir zwar nicht garantieren, aber ich kann dir sagen, dass du bei Kath leicht auf den sechsten Platz kommst - ich würde sogar sagen, wie die Dinge mit Mark im Moment stehen, bist du auf den fünften Platz aufgestiegen. Denk darüber nach, während wir weg sind, ja? Versprochen?“

„Ich verspreche es.“

Die Küchenuhr zeigte genau zwei Uhr fünfundzwanzig, als Kathy, Mike, Jack, Felicity und ich uns an den Tisch setzten, um ein spätes Mittagessen mit Fisch und Chips zu uns zu nehmen, das Jack aus der High Street besorgt hatte. Sein Zimmer sah jetzt (nach den Worten seiner Mutter) aus, als wäre etwas Trauriges und Schreckliches notdürftig verborgen worden. Von Mark war immer noch nichts zu sehen.

Kathys Methode musste ziemlich gut funktioniert haben, denn es war alles gepackt, aber sie sah sehr müde und verdrießlich aus.

„Wir halten uns nicht lange mit Tellern und dergleichen auf“, sagte Mike leicht nervös, während er das Essen auspackte. „Hat ja keinen Sinn, alles abzuspülen und dann wieder zu benutzen. Wir können genauso gut mit den Fingern vom Packpapier essen; dann brauchen wir nur noch das Papier wegzuwerfen und uns die Hände zu waschen, stimmt's?“

„Ich weiß gar nicht, wieso wir überhaupt jemals Teller benutzen“, bemerkte Jack, „die machen doch nur das Leben komplizierter, oder nicht? Meiner Meinung nach ist Essen nur Brennstoff. Man steckt es hinein, und es bringt den Motor zum Laufen.“

Er steckte ein großes Stück gebratenen Brennstoff in seinen Mund und kaute es mit sichtlichem Genuss.

„Ich esse gern mit den Fingern“, sagte Felicity fröhlich. „Warum sprechen wir eigentlich kein Tischgebet, wenn wir unter uns sind? Wir sprechen nie ein Tischgebet, wenn nicht jemand hier ist - ein Gast.“ Das letzte Wort sprach sie aus, als verberge sich dahinter eine gefährliche Krankheit.

„Aber Dip ist doch hier, Felicity“, sagte Mike, „zählt sie denn nicht?“

„Natürlich nicht“, erwiderte Felicity verächtlich, „Dip gehört doch zu uns. Mami, warum beten wir nicht, wenn wir unter uns sind? Glaubst du, Gott möchte, dass wir ihm nur dann für unser Essen danken, wenn jemand Wichtiges zum Essen kommt? Bei Emily zu Hause beten sie vor dem Frühstück und vor dem Tee und vor allem, selbst wenn nur Emily und ihre Mami und ich da sind. Bei Emily zu Hause …“

„Felicity, hör schon auf mit Emily s Zuhause“, unterbrach Kathy gereizt. „Mir ist völlig egal, wie es dort zugeht. Offenbar sind bei Emily zu Hause viel tollere Menschen als bei Felicity zu Hause, aber ich fürchte, dir bleibt nichts übrig, als hier mit deiner eigenen nichtsnutzigen Mutter zu wohnen, also iss deinen Fisch, und sei still!“

In der darauf folgenden Stille traten zwei riesige Tränen in Felicitys Augen und rannen langsam an ihrem Gesicht herab. Mike hatte aufgehört zu essen und starrte Kathy an. Vielleicht wartete er darauf, dass sie den angerichteten Schaden wieder gutmachen würde, bevor jemand anderes es tun musste. Schließlich brach Jack das Schweigen. Er würde niemals den Prozess der Brennstoffaufnahme für irgendetwas unterbrechen, aber immerhin fand er zwischen zwei Bissen Zeit, seine Ansicht zu äußern.

„Das ist ein bisschen unfair, Mum. Flitty hat nur darauf hingewiesen, wie heuchlerisch es ist, vor manchen Leuten eine Show abzuziehen, während man sich bei anderen die Mühe spart.“

Eine riesige Fuhre Fisch und Chips unterbrach Jacks im Entstehen begriffene Verteidigungsrede für seine kleine Schwester, aber er hätte sowieso keine Gelegenheit gehabt, noch mehr zu sagen. Was immer sich gerade in Kathy aufheizte, kam in diesem Moment zum Kochen. Sie beugte sich über den Tisch, hob einen steifen Zeigefinger und stach damit in die Richtung ihres ältesten Sohnes.

„Von dir lasse ich mir keine Vorträge über das Thema Heuchelei halten. Ich bin eine Expertin auf diesem Gebiet, nachdem ich das letzte Jahr mit dir erlebt habe. Du sitzt da, stopfst dir Chips ins Gesicht und erzählst mir, dass Teller das Leben komplizierter machen - also, dann darf ich deinem unergründlichen Wissensschatz vielleicht hinzufügen, dass Milchflaschen das Leben ebenfalls komplizierter machen; besonders wenn ich fünf davon in diesem Loch da oben finde, das du dein Zimmer nennst, von denen jede noch einen Achtelliter vergammelte Milch enthält, deren Gestank das ganze Haus verpestet. Wenn du irgendwann einmal anfängst, dein eigenes Chaos in Ordnung zu bringen, und aufhörst, unser Geld zu verschleudern, dann bin ich vielleicht bereit, mir deine Meinung darüber anzuhören, wie wir unser geistliches Leben gestalten und unsere anderen Kinder erziehen!“

Es entstand ein bedrücktes Schweigen. Jack legte seinen Arm, der gerade nicht mit der Brennstoffzuführung beschäftigt war, um Felicity, die immer noch schniefte, und Mike machte den Mund auf, um etwas zu sagen. Der Sturm drehte sich in seine Richtung.

„Falls du mir jetzt erzählen willst, dass ich ein Stück Fisch oder sonst was auf deinen schönen, sauberen, verfluchten Küchenfußboden habe fallen lassen, Mike, dann werde ich aus diesem Haus flüchten - ich glaube wirklich, das werde ich. Offenbar bin ich umgeben von Neurotikern und Idioten, die nicht genug Verstand haben, sich um irgendetwas selbst zu kümmern, und ich habe genug davon!“

Kathy legte die Hände flach vors Gesicht und begann mit vor Erregung zitterndem Oberkörper lautlos zu schluchzen. Felicity starrte ihre Mutter aus geröteten Augen verwirrt an.

„Daddy“, sagte sie mit leiser, heiserer Stimme, „warum weint denn Mami? Ist sie wütend oder traurig?“

Mike breitete verwirrt und unglücklich die Arme aus. „Ich weiß es nicht genau, Liebling. Aber mach dir keine Gedanken. Mami wollte nicht so … sie hat es nicht so gemeint. Sie hat sich nur ein bisschen aufgeregt.“

„Es waren nur vier Milchflaschen“, warf Jack unsicher und vielleicht etwas gedankenlos ein, als meinte er, das würde die Situation in ein völlig anderes Licht stellen.

Sie taten mir alle schrecklich Leid, doch gleichzeitig sang in meinem Kopf die Erinnerung an etwas, das Felicity gesagt hatte, wie ein Vögelchen - immer die gleiche Melodie: „Dip gehört doch zu uns, Dip gehört doch zu uns, Dip gehört doch zu uns …“ Ich war in diesem Augenblick bestimmt die glücklichste Person in der Küche der Robinsons. Ich sehnte mich danach zu helfen.

Etwas an Kathys Verhalten erinnerte mich an all die Gelegenheiten in der Vergangenheit, meistens an den Abenden, wenn eine Welle panischer Einsamkeit auf mich einstürzte und das bisschen inneren Frieden, das ich hatte, überspülte, sodass ich nach Luft ringend zurückblieb und aus demselben Grund weinte wie ein Baby, aus schierer Bedürftigkeit. Über so etwas sprach man niemals. Nein, man wartete, bis die Tränen versiegt waren, dann ging man nach oben, wusch sich das Gesicht und bürstete sich die Haare, und wenn man wieder einigermaßen passabel aussah, ging man wieder hinunter, setzte sich neben das Telefon und ging in Gedanken eine Liste der Leute durch, die man kannte. Wenn man es endlich geschafft hatte, jemanden zu erreichen, klang man heiter und ungezwungen. Man sagte, man werde vielleicht später kurz vorbeischauen (weil man sowieso in der Gegend sein werde), um etwas zu besprechen oder irgendein Arrangement zu treffen oder etwas abzuholen, was man dort hatte liegen lassen. Nichts Wichtiges, nein, nein. Es konnte warten - nur so ein Gedanke …

Wenn sie dann sagten, das sei eine gute Idee, dann spitzte man die Ohren, um herauszuhören, ob sie einen wirklich haben wollten. Wollten sie es - oder taten sie überzeugend genug so, als ob sie es wollten -, dann ging man hin. Wenn man hinkam, wurde man gefragt, wie es gehe, und man sagte prima und lachte ein wenig, doch innerlich schrie man stumm danach, dass sie einen in die Arme nahmen und lieb hatten und sich um einen kümmerten.

Ich bin sicher, andere Leute kommen viel besser mit dem Alleinleben zurecht als ich früher. Aber solche Erfahrungen, wie ich sie gemacht habe, machen einen sehr hellhörig für die Möglichkeit, dass Leute etwas meinen könnten, das sie nicht aussprechen. Ich wusste, dass Kathys Problem nichts mit irgendjemandem zu tun hatte, der jetzt in der Küche saß. Ich beugte mich hinüber und zog sanft eine Hand von ihrem Gesicht.

„Es ist Mark, nicht wahr?“

In diesem Moment hörten wir alle, wie jemand die Haustür öffnete. Die Tatsache, dass darauf nicht das entsprechende Geräusch der sich schließenden Haustür folgte, deutete darauf hin, dass Mark endlich nach Hause gekommen war. Zwei Sekunden später trat er in die Küche und starrte das Essen auf dem Tisch an.

„Ihr konntet wohl nicht auf mich warten, was?“, sagte er empört.

Stress-Familie Robinson

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