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Kapitel 1 - Die Ankunft

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Ruhig ist die See. Sanft und mild weht der Wind über die Veste Nordermeer. Das Banner des Hauses Badoz flattert an den eigens aufgestellten Masten. Es ziert die alten Mauern der Küstenfestung von Conreba bereits seit Jahrhunderten. Der weiße Dreizack auf türkisen Grund lässt es einen jeden Gast Wissen der die Insel erreicht. Dies ist die Veste und das Heim des Fürsten Emor Badoz. Patron und Herrscher der kleinen Insel Conreba inmitten der Donnersee vor dem Festland.

Emor Badoz ist ein beeindruckender Mann und Politiker. Er ist bei seinen Untertanen mehr als nur beliebt. Doch ist er nur einer seines Blutes in einer langen Reihe von Regenten die aus seiner Familie stammen und über diese Insel herrschten. Seit über 300 Jahren bestimmt das Haus seiner Familie die Geschicke des kleinen Fürstentums. Emor genießt einen ausgezeichneten Ruf in der Welt. Sowohl als Krieger, als auch als Diplomat und geschickter Politiker.

Der Fürst hat seine Festung über Wochen herausputzen- und auf Vordermann bringen lassen. Denn heute steht hoher Besuch an. Es ist allgemeinhin ein geheimes Treffen. Doch gleichwohl ist es das vielleicht wichtigste politische Zusammentreffen der letzten zehn Jahre. Ein Abgesandter wird erwartet. Er kommt von weit weg, vom Festland. Sein Name lautet Maris DoRina. Fürst Emor kennt lediglich seinen schillernden Namen. Begegnet ist er ihm bisweilen noch nicht.

Lord Maris DoRina ist ein ausgezeichneter Diplomat, zumindest auf dieser Reise wird er das mal wieder sein. Seine Befehle und Weisungen kommen von oberster Stelle des Reiches . DoRina handelt im Namen des Kaisers, im Namen Artos, im Namen des Imperiums. Das Imperium ist auf der Höhe seiner Macht angekommen. Vor fast genau drei Jahren dehnten sich die Grenzen des riesigen Reiches das letzte Mal aus. Als die “Jupitanische Revolution” das Königreich Maros, auf der Insel Tauros, in zwei Hälften spaltete.

Doch das Imperium ist jederzeit bereit und willig sich auch die letzten freien Reiche der Welt einzuverleiben. Wenn es sein muss mit Waffengewalt. Doch die Union der freien Königreiche ist ebenso gewillt eben dies zu verhindern. Kaiser Varlon II. wurde von seinem Volk für die Revolution und den Anschluss der Provinz Jupita gefeiert. So wie es schon immer war. Und die Union, vor allem die Königin von Maros - Atolla, gab Varlon II. die Schuld an der Revolution. Er habe den Aufstand herbeigeführt und für die Spaltung gesorgt heißt es. Gewiss ist Atolla nicht die einzige die das glaubt.

Die Annektierung Jupitas hingegen verlief fast gänzlich ohne Blutvergießen. Außer kleineren Scharmützeln unter den Marosinern gab es keine Schlachten. Was äußerst bemerkenswert ist, denn nennt man Varlon II. auch den Blut-Kaiser. In der Tat verbrachte das Imperium während seiner 33 jährigen Regentschaft lediglich nur 6 Jahre in Frieden. Und dennoch bezeichnet sich Varlon II. als Erbauer und nicht als Kriegskaiser oder Eroberer.

Das heutige Treffen wird sicherlich mit darüber entscheiden ob das Imperium die nächsten Jahre wieder im Krieg verbringen wird oder nicht. Die Entschlossenheit und das Verhandlungsgeschick von Emor Badoz sind dabei von größter Bedeutung. Doch der Erfolg seiner Bemühungen ist fest verwoben mit den Bestrebungen und Absichten von Lord Maris DoRina. Seinem Gegenspieler im Kampf um die Vorherrschaft auf Tauros.

Emor Badoz steht auf den Mauern seiner Veste. Neben ihm steht seine Familie fest an seiner Seite. Seine Frau Rena, seine drei Töchter Lyra, Sora, Penja und sein Sohn Timur. Stück für Stück versinkt die Sonne langsam hinter dem Horizont und ihre letzten goldenen Strahlen küssen das Himmelszelt. Gebannt wartet der Fürst von Conreba auf seine Gäste. Und nach Einbruch der Nacht ist es schließlich soweit. Eine kleine Flotte kampf tüchtiger Schiffe passiert den Horizont. Die Männer des Imperators reisen anonym, nicht unter den Flaggen des Reiches. Die Flagge des Kaisers genießt keinen sonderlichen Schutz in der Donnersee. Besonders die Piratenvölker der Klaueninsel haben es auf sie abgesehen.

Ihre brennenden Fackeln kündigen die Ankunft von Lord Maris DoRina an. Es sind bange Momente für Emor Badoz. Er ist auf alles gefasst. Auf ausgelassene, aufgeschlossene Gespräche, ebenso wie auf heftiges Säbelrasseln seitens des Imperiums oder gar auf einen Überraschungsangriff durch die kaiserliche Armada. Diese wurde erst kürzlich von Fischern vor der Küste Torangas gesichtet. Doch zu einem solchen Angriff kommt es heute zumindest nicht mehr. Das wird dem Fürsten jedoch erst klar als das Hauptschiff am Pier der Silberbucht vor seiner Küstenfestung anlegt und Lord Maris DoRina tatsächlich von Bord geht. DoRina ist von unscheinbarer Art. Er ist klein und hat schwarz-graue Haare. Genau wie Fürst Badoz gehört er einer in die Jahre kommenden Generation an.

Freundlich und förmlich, mit allen Ehren und nach allen Statuten empfängt der Fürst seinen Kontrahenten. Lord Maris DoRina erwidert die diplomatischen Gepflogenheiten und spricht der Fürstenfamilie seinen tiefen Dank aus. Er verteilt anmutige Handküsse an Rena Badoz und ihre liebreizenden Töchter. Der Lord aus Artos genießt einen ausgezeichneten Ruf. Er gilt gewiss nicht als Kriegstreiber. Doch gilt er als unnachgiebiger Verhandlungspartner.

DoRina wird von einigen Männern des Imperators begleitet. Von Leibwächtern und Flüsterern. Auch Huren waren mit an Bord. War die Überfahrt doch lang. Auch wenn diese nicht an den Gesprächen teilnehmen werden, so werden auch diese in Nordermeer Einkehr erhalten. Auch Emor Badoz ist nicht alleine. Ihm stehen Männer der Union zur Seite. Interessenvertreter der einzelnen Reiche, Berater und Boten.

Fürstin Rena hat vier Bedienstete für Lord Maris DoRina und seine Entourage abgestellt. Sie werden sich um die Belange Ihrer Gäste kümmern. Zunächst werden die Männer und Huren in einem Gästeflügel untergebracht. Lord Maris DoRina wird die Annehmlichkeiten innerhalb des Haupthauses genießen.

Lord DoRina, Ihr werdet im Haupthaus wohnen”. “Wird meine Leibgarde dies auch tun Fürst Emor”. “Gewiss nicht, Eure Leibgarde wird nicht einmal Waffen tragen in meinem Haus”. “Macht das eine Leibgarde nicht irgendwie gänzlich überflüssig Lord Badoz”? “Eure Männer sind hier in der Tat überflüssig. Hätt ich Euch töten wollen, hätte ich das auf See getan, zehn Meilen vor unserer Küste. Und wollte ich euch jetzt töten, so würden Eure Männer das kaum verhindern können. Doch ich verspreche Euch, beim Leben meiner Kinder, von mir habt Ihr nichts zu befürchten solange Ihr nicht als erster die Klinge zückt”. “Nun denn Fürst Badoz, auf gute Gespräche”. “Wir erwarten Euch im Speisesaal Lord DoRina”.

Maris DoRina richtet sich zunächst ein. Er bezieht sein Zimmer im Ost-Turm der Veste. Kaum hat er seine Sachen verstaut, lässt er sich eine der Huren bringen die ihn begleitet haben. Lord DoRina zieht es vor, sich vor einer Auseinandersetzung zu verlustieren. Ganz gleich ob es ein Kampf auf dem Schlachtfeld oder am Tisch ist. Eine Liebelei löst die Spannungen pflegt er zu sagen.

Der Fürst muss indes seine Gattin besänftigen. Während sie sich in Ihren Gemächern für das offizielle Essen herausputzen, diskutieren sie sehr angespannt. “Ich mag diesen Mann nicht Emor. Er ist verschlagen und unehrlich. Und ich mag es nicht das seine Männer in unserer Veste schlafen”. “Sei unbesorgt Rena, sie schlafen im Gästeflügel an der Ostmauer. Und die Waffen mussten sie bereits abgeben. Und was Lord DoRina betrifft, alle Diplomaten sind unehrlich”. “Was wirst du mit diesem Mann aushandeln”? “Wenn ich das nur wüsste meine Liebste. Die Union will Jupita zurück. Wir können es nicht dulden das sich Provinzen abspalten und zum Imperium überlaufen”. “Denkst du das Imperium wird sich darauf einlassen”?

Emor Badoz blickt mit besorgter und ernster Miene zu seiner Frau. “Nein, wird es sicher nicht. DoRina ist nicht hier um über Jupita zu verhandeln. Das ist nur Schein. Er ist hier weil der Kaiser wissen möchte ob die Union zum Krieg bereit ist meine Liebste”. “Dann schicke den Kopf dieses Mannes zurück nach Artos, damit der Kaiser seine Antwort bekommt”.

Emor Badoz packt seine Frau an ihren Schultern und dreht sie zu sich herum. “Sei nicht töricht Rena! Würde ich seinen Kopf zurückschicken, was glaubst du wie lange es dauern würde bis seine Armada hier wäre? Seine Flotte treibt sich vor Toranga herum, ich halte das gewiss nicht für einen Zufall meine Teuerste. Wir kämpfen wenn wir kämpfen müssen! Aber wir werden diesen Krieg gewiss nicht nach Conreba tragen wenn es nicht nötig ist. Nicht zu dir und nicht zu unseren Kindern”! “Dann glaubst du nicht das wir gewinnen können mein Fürst”? “Ich glaube, egal wie heldenhaft wir kämpfen würden, Conreba wäre zerstört ehe die restliche Union ihre Truppen in gang setzen würde”.

Der Fürst und seine Familie finden sich des Abends im großen Speisesaal ein. Ebenso wie ihre Gäste vom Festland. Nachdem der Hausherr und seine Gäste sich in der großen Halle von Nordermeer an Wein, Fleisch und Fisch gelabt haben, beginnt der ernste Teil des Besuches. Emor Badoz und Lord Maris DoRina ziehen sich in das private Arbeitszimmer des Fürsten zurück um erste Gespräche zu führen. Ihre Diskussionen könnten sich über Tage hinziehen. Jedoch nicht ohne das die Kämpfer des Imperiums das Zimmer vorher ausgekundschaftet und für sicher befunden haben. Fürst Badoz und Lord DoRina nehmen über dem Seeauge, in der Mitte des Raumes Platz.

Das Auge ist eine große Runde Öffnung im Boden des Raumes. Gut fünf Meter im Durchmesser. Darunter befindet sich das Meer. Über diesem Loch im Grund liegt eine große durchsichtige Kristallplatte. Dieser Kristall ist so klar und rein wie es der Diplomat noch nie gesehen hat. Lord DoRina ist fasziniert und skeptisch zugleich. “Ich habe soetwas noch nie gesehen” - merkt er an. “Seid unbesorgt Lord DoRina. Man kann an manchen Tagen zwar die Haie sehen. Doch Ihr seid gewiss sicher hier. Dieser Kristall hält für die Ewigkeit. Ein Andenken aus Aeris”.

Nichts hält für die Ewigkeit Fürst Emor”. “Gilt das auch für das Imperium” - fragte der Fürst mit einem verschmitzten Lächeln. “Ihr werdet Eurem Ruf wahrlich gerecht. Ich wurde gewarnt vor Eurer Schlagfertigkeit. Und vor Eurer scharfen Zunge. Doch scharfe Zungen gewinnen keine Kriege Fürst Emor”. Die Worte die Emor Badoz spricht sind stets überlegt und gespickt mit Ehre und Wahrhaftigkeit. So antwortete er - “Ich möchte keinen Krieg gewinnen. Ich will einen Krieg verhindern Eure Lordschaft”. Maris DoRina lächelt den Fürsten verschlagen zu und stößt mit ihm auf ein Glas Wein an.

Das Vorgeplänkel hat längst begonnen. Und die beiden Beauftragten tasten sich gegenseitig ab. Sie klopfen- und prüfen jede Möglichkeit ab der Gegenseite ein Zugeständnis abzuringen. Doch die Fronten sind nicht nur klar, ebenso sind sie verhärtet. Die Union der freien Königreiche will den Anschluss Jupitas an das Imperium, seit fast drei Jahren nicht akzeptieren. Doch in Lord DoRinas Augen war dies eine freie Entscheidung des Insel Volkes. Und ein heldenhafter Kampf um Selbstbestimmung und Freiheit.

Ohnehin zweifelt der Fürst an den Worten und Absichten von Lord DoRina. Er geht davon aus das es seinem Kontrahenten nicht darum geht einen diplomatischen Konflikt am Ende der Welt zu lösen. Emor Badoz ist der festen Überzeugung das Lord DoRina die Kampfeslust und Entschlossenheit der Union prüfen soll. Der Kaiser möchte lediglich wissen wie weit er gehen kann ohne einen bewaffneten Krieg auszulösen.

Doch ob heldenhafte Revolution im Willen des Volkes, oder ein angezettelter Aufstand, ganz gleich was es war. Das Imperium ist erneut gewachsen und der Rest der Welt wird kleiner und kleiner. Die Union fühlt sich zunehmend bedroht und in die Enge getrieben. Man will und kann es sich nicht leisten Gebiete oder ganze Souveräne Reiche an Artos zu verlieren und schon gar nicht wortlos abzutreten.

Artos, die große, die mächtige. Sie ist nicht nur die größte Stadt der Welt. Sie ist sowohl geographisch als auch in allen anderen Punkten der Mittelpunkt allen Seins und Schaffens. Laut den uralten Schriften der Gelehrten Männern besteht diese Stadt seit Anbeginn der Zeit. Sie ist es die alles überstrahlt. Selbst Varlons II. Familiengeschlecht hat sich stets vor dieser Stadt verneigt und ihre Ehre hinter der der Hauptstadt gestellt. Sie ist das Epizentrum aller Künste und Belange. In einem alten Heldenepos über Orannis Laarus der das Imperium einst begründete heißt es - “sie ist der Götterfunken die den Himmel erleuchtet und der Welt die Zeit geschenkt hat”.

Vielleicht sind diese alten Schriften wahr. Vielleicht sind sie auch nur ein Märchen die Varlons II. Familie den Völkern bei der Gründung des Imperiums erzählt hat um ihre Stellung zu sichern. Die Gründung des Imperiums war ihrerzeit so bedeutend das sie die neue Zeitrechnung markiert. Das Jahr Null, indem das freie Reich - der Greif von Darcos fiel und sich Orannis Laarus, König von Artos zum Imperator krönte und Artos so zum Kaiserreich erhob.

Der Reichtum Artos beruht auf Edelsteinen und Edelmetallen. Das Kerngebiet des Imperiums ist gespickt mit Bergen und ergiebigen Minen. Solange die Menschen denken können wurde hier schon immer Gold abgebaut. Noch ergiebiger als die Goldminen sind die Silberminen. Und noch ergiebiger der Edelsteinabbau. Es ist kein Zufall das die Krone des Kaiser fast gänzlich aus rotem Rubin besteht.

Seine Lordschaft Maris DoRina wird nicht müde dem Fürsten von den Errungenschaften und dem Wohlstand des Imperiums zu erzählen. Ihm davon vor-zu-schwärmen und zu berichten. Und nur allzu gerne erinnert er Fürst Emor an die Probleme die in einzelnen Königreichen der Union herrschen. Krankheit, Hunger, Tod und politische Willkür sind keine Ausnahme in den sogenannten freien Ländern. Doch für den Fürsten von Conreba zählen Freiheit und Selbstbestimmung mehr als die Annehmlichkeiten des Kaiserreiches.

Fürst Emor Badoz weiß nun sicher das Lord Maris DoRina nur aus einem einzigen Grund da ist. Er möchte die Stärke, Entschlossenheit und Überlegenheit seiner Heimat betonen. Er möchte den Fürsten von Conreba einschüchtern. Aber nicht nur das. Im Laufe der Gespräche offenbart er noch ein anderes Ziel.

Fürst Emor, Ihr habt einen Sohn. Und drei wunderschöne Töchter. Gewiss werden Eure Kinder Eure Blutlinie fortführen wenn man sie lässt. Doch welche Zukunft wollt Ihr ihnen bieten Fürst Emor? Welches Vermächtnis wollt Ihr ihnen hinterlassen? Eine Insel, in stetiger Angst überrannt zu werden? Ein ausgehungertes Stück Stein inmitten der Donnersee? Abgeschnitten von der neuen Welt, verbannt in die Bedeutungslosigkeit”? Und der Fürst antwortete - “Ich werde meinen Kindern überlassen was immer ich kann. Aber vor allem werde ich ihnen die Freiheit überlassen”.

Lord Maris DoRina kann mit dieser Aussage gar nichts anfangen. “Ihr sprecht von Freiheit und Selbstbestimmung. Doch leben viele Eurer Bürger als Sklaven. Und selbst wenn nicht, verbringen viele ihr Dasein in Armut und Dreck unter Umständen die sich von Sklaverei nicht unterscheiden. Viel zu viele wenn Ihr mich fragt. Ihr könnt Euren Leuten nicht bieten was Artos ihnen bieten kann. Wohlstand und Gerechtigkeit. Zugegeben, Eure Insel macht einen guten Eindruck Lord Badoz. Aber Ihr wisst so gut wie ich wie es den Menschen in Ryos oder Jahro geht”. “Doch keine Freiheit könnt Ihr uns bieten, Lord DoRina. Keine Freiheit. Sagt mir, seid Ihr auf einen Krieg aus? Sprecht ehrlich zu mir, Ihr seid mein Gast und genießt meinen Schutz”.

Emor Badoz blickt gebannt durch das Auge in das tiefe, rote Wasser unter dem Kristall als er seinem Gegenüber diese Frage stellt. Da beugt sich Maris DoRina zu ihm hinüber. “Ich biete Euch an die Seiten zu wechseln. Schließt Euch dem Imperium an. Entscheidet Euch für die Zukunft”. Fürst Badoz blickt weiter durch das Auge, er würdigt dem fremden Diplomaten keines Blickes. “Wir wissen beide wie das enden würde. Der Kaiser entmachtet stets die Herrscherfamilien. Wie viele hat er schon geschlachtet und durch Getreue ersetzt”?

Lord Maris DoRina zückt ein Dekret aus seinem edlen Umhang. Es ist eine Abschrift des Kaisers. “Kaiser Varlon II. lädt Euch dazu ein Conreba in das Imperium zu führen. Mit allen Ehren und Titeln. Er bietet Euch an fortan als Rhan über Conreba zu herrschen und Eure Rhanschaft zu vererben. Es ändert sich im Grunde gar nichts für Euch. Außer die Farben Eures zweiten Banners. Und das Euer Haus und Eure Familie eine Zukunft hätte”.

Der Fürst von Conreba sitzt noch für Stunden mit Maris DoRina zusammen. Sie diskutieren und philosophieren fast die ganze Nacht über die Zukunft der Insel und der restlichen Welt. Und als die Sonne das Morgenlicht bricht, ist lediglich eines klar, das Imperium ist auf dem Vormarsch. Und es ist nicht dazu bereit sich aufhalten zu lassen. Kaiser Varlon II. will nicht weniger als die absolute Herrschaft.

Emor Badoz lässt seine Gäste des Nachts in ihre Gemächer bringen. Doch ehe er das Nachtlager mit seiner Frau teilen kann, muss er noch eine Aufgabe erledigen. Er lässt einen seiner Kämmerer nach einem Boten schicken. Der Fürst möchte dringend einen Boten entsenden. Nach wenigen Augenblicken klopft es an der Tür seines Arbeitszimmers und der Bote tritt ein. “Bring diese Abschrift auf dem schnellsten Wege nach Sparos. An den Hof von König Ravon. Segelt schnell und sicher. Reitet wie der Wind und blickt nicht zurück” - trug der Fürst seinem Boten auf. Adamir Voc gehört zu den treuesten und fähigsten Leuten in Badoz Reihen. Ohne zu zögern greift er die Nachricht seines Herren und macht sich geschwind auf den Weg nach Sparos, so wie es Ihm sein Fürst aufgetragen hatte.

Adamir Voc ist ein Meister darin unauffällig zu bleiben. Ein fähiger Mann für besondere Aufgaben. Heimlich und unbemerkt legt er mit einem kleinen Schiff ab. Richtung Ryos, dem nächstgelegenen freien Königreich. Ryos ist ein kleines und armes, aber dafür wehrhaftes Reich östlich von Toranga, einer riesigen Provinz des Imperiums. In Ryos gibt es vor allem schöne Frauen und schnelle Pferde, gewiss wird Letzteres Adamir Voc auf seinen Weg nach Sparos helfen.

Noch in derselben Nacht fragt Fürstin Rena ihren Mann neugierig nach dem Ergebnis der Gespräche. “Was hat Lord DoRina gesagt? Wird es Krieg geben Liebster”? “Davon bin ich überzeugt. Zumindest wenn alles so standhaft bleiben wie ich”. “Wie meinst du das”? “Der Kaiser hat mir angeboten überzulaufen. Er hat Conreba angeboten sich dem Imperium anzuschließen. Wir würden die Rhanschaft erhalten und weiter herrschen”. “Und was hast du dem Lord geantwortet”? “Das ich meinen Kindern die Freiheit hinterlassen werde. Niemals könnte ich mich in den Hallen meiner Ahnen blicken lassen, wenn ich dieses Angebot annehmen würde”.

Und während der Fürst und seine Frau über das Gespräch mit Maris DoRina sprechen, ist der Bote des Fürsten bereits auf dem Weg nach Sparos. Doch so sehr sich Adamir Voc auch beeilt. Die Tage und Nächte vergehen. Sein Schiff gleitet geschmeidig und rasch durch das rubinrote Wasser der Donnersee. Einen Tag und zwei Nächte dauert es bis seine Augen schließlich die Küste von Ryos erblicken.

Sein Boot legt in Bylynn an, einer kleinen beschaulichen Stadt an der Küste von Ryos. Adamir wählt oft diese Route wenn er seine Botschaften in die Lande der Union trägt. Die quirlige Hafenstadt ist der ideale Anlegepunkt für ihn. Ein Posten der Unions-Garde ist hier beheimatet. Diese gibt es in jeder größeren Stadt der freien Königreiche. Sie werden häufig von den Boten der Fürsten und Könige genutzt um eine rasche Überbringung ihrer Nachrichten zu gewährleisten. Von hier aus wird er weiter reisen. Mit einem Pferd, aber nicht irgendeinem Pferd.

Adamir sucht die Unterkunft der Unions-Garde auf. Er tut dies aus einem bestimmten Grund. Er braucht ein Pferd. Aber er braucht kein normales Pferd. Er braucht einen Lysander-Hengst. Seit jeher sind Lysander die schnellste und edelste unter den Pferderassen. Anmutig, voller Stolz und Eleganz. Sie gelten als die schlauesten Tiere der Welt und als überaus einfühlsam. Sie sind so voller Gefühl und Wahrhaftigkeit das sich sogar die Farbe ihres Fells zu ändern vermag wenn ihre Stimmung schwankt.

Token Ev ist der Hauptmann des Unions-Posten. Er begrüßt den Boten freundlich und pflichtbewusst. Beide kennen einander bereits seit Jahren, ist Adamir doch regelmäßig als Bote für Fürst Emor Badoz unterwegs. “Willkommen in Bylynn Adamir Voc. Ihr habt euch lange nicht mehr blicken lassen. Was führt Euch hierher”. “Seid gegrüßt Hauptmann Ev. Ich bringe Kunde meines Herren, Fürst Emor Badoz”. “Und wo führt Euch diese Kunde hin Adamir”. “Nach Sparos. Weißenhall um genauer zu sein. Ich habe eine Nachricht für König Ravon”. “Wohl an Herr Voc. Ich nehme an Ihr wollt uns um ein Lysander ersuchen. Ihr kennt die Gebühr und die Formalitäten. Zehn Goldtaler und eine Unterschrift. Der Stallbursche wird sich Eurem Wunsch annehmen” - sprach der Hauptmann.

Adamir begleitet den jungen Stallburschen zu den Pferdeställen. Und der junge Mann fragt ihn ohne Bedacht - “welches der Pferde möchtet ihr mein Herr”? “Ein gutes Pferd lässt sich nicht vom Reiter aussuchen. Es sucht sich seinen Reiter aus, junger Bursche. Tiere sind nicht nur schlauer als die meisten ihrer Reiter. Sie haben auch eine bessere Menschenkenntnis”. Der Stalljunge erwiderte “wohl wahr. Und für keine Rasse gilt das mehr als für Lysander. Doch in einer Schlacht würde ich auf ein Phantos setzen”. “Ein Phantos? Sprachen wir von Pferden oder von Ungeheuern” - setzte Adamir ihm entgegen.

Dabei strich er einem der Hengste lächelnd über das Maul. Und langsam färbte sich das Fell des majestätischen Tieres von einem schüchternen grau in ein freudiges Goldgelb. Auch der Stallbursche erkennt die Situation. “Wir nennen Ihn Sonnenpfeil mein Herr. Ich glaube er hat euch soeben ausgesucht”. “Nun, das glaube ich auch Bursche. Und ich denke wir werden uns prächtig verstehen” - antwortete ihm Adamir.

Während der Bote des Fürsten sich weiter seinen Weg nach Sparos bahnt bewirtet Emor Badoz immer noch seinen Gast Maris DoRina. Die Gespräche zwischen Lord DoRina und dem Fürsten von Conreba verlaufen sehr zäh und scheinen von Unterhaltung zu Unterhaltung schwieriger zu werden. Beide Männer sind darum bemüht die Interessen ihrer Partei zu wahren und durchzusetzen. Doch die Differenzen scheinen unüberbrückbar. Emor Badoz verliert zunehmend die Geduld und Lust. Hat er doch längst erkannt was DoRinas wahre Absichten sind. Dennoch muss er den Schein wahren und Unwissenheit ausstrahlen.

Doch wie dem auch sei. Emor Badoz möchte nicht das seine Insel fremdbestimmt wird. Wenngleich auch er weiß das es den meisten Provinzen innerhalb des Imperiums besser geht als so manchem der freien Reiche. Lord DoRinas Angebot macht den Fürsten sehr stutzig. Es ist eine Art Tradition Varlons II. die alten Herrschaftshäuser gewaltsam zu entmachten und geradezu abzuschlachten. Der Vorschlag des Kaisers das Badoz Familie auch weiterhin über die Insel herrschen soll erstaunt ihn über die Maßen.

Und der Fürst muss an die Worte denken die seine Frau in der Nacht zuvor zu ihm sprach. “Wenn der Kaiser Euch ein Angebot gemacht hat, dann wird es auch den anderen freien Reichen und deren Königen gemacht haben. Vielleicht hat er die Absicht seine Kriegskosten so gering wie möglich zu halten. Doch du kennst den Blut-Kaiser. Derartige Details interessieren ihn nicht”. “Und was denkst du Rena”? “Ich denke, eine Union die sich spalten lässt, ist keine Union”. “Du bist schlauer als all meine Berater zusammen”. “Deshalb bin ich deine Fürstin und nicht deine Beraterin Emor”. “Wohl war”.

Conreba ist eine sehr schöne Insel. Und gewiss verdammt schwer einzunehmen. Doch den Kaiser hat soetwas noch nie gehindert. Aus welchem Grund erhalte ich dieses großzügige Angebot”? “Der Kaiser ist bereits 63. Vielleicht ist es einfach die einsetzende Altermilde” - lässt Lord DoRina den Fürsten wissen. Doch dieser traut dem Braten nicht. Er glaubt eher den Überlegungen seiner Frau. Es wäre nicht das erste Mal das der Kaiser einen Kontrahenten überlistet und in eine tödliche Falle lockt. Aber ganz gleich ob Emor Badoz tatsächlich die Rhanschaft erhalten würde oder nicht. Der Kaiser würde die Union mit einer derartigen Abspaltung tief ins Mark treffen.

Doch wie dem auch sei. Heute wird die Entscheidung nicht fallen. 21 Tage hat Emor Badoz, Fürst von Conreba Zeit dem Imperium seine Entscheidung mitzuteilen. Bis zum nächsten Blutmond. Dreimal im Jahr ereignet sich die kosmische Konstellation bei der wiederkehrende Sterne des Nachts das Mondlicht brechen. Immer dann spiegelt sich das rubinrote Meerwasser im Antlitz des Himmelskörpers.

Der Fürst braucht keinen einzigen Tag um seine Entscheidung zu fällen. Doch er nutzt diese Frist gerne um sich und der Union Zeit zu verschaffen. Und diese werden sie auch brauchen. Denn so schnell Adamir Voc auf dem Lysander-Hengst Sonnenpfeil auch reitet, der Weg zum Palast des Königs von Sparos zieht sich.

Tag und Nacht reitet Adamir Voc auf Sonnenpfeil durch die Gefilde. Zuerst überquert er die Grenze von Ryos nach Sparos. Sein Weg führt ihn über weite grüne Felder, saftige Wiesen und sanfte Hügel. Dann reiten Adamir und Sonnenpfeil immer tiefer in den Süden. Vorbei an mächtigen grünen Bergen und durch tiefe Schluchten. Durch dichte Wälder und auf schwindelerregenden Höhen. Sparos ist ein schönes Fleck Erde. Mit klaren Gewässern und einer außerordentlich schönen Pflanzenwelt. Doch allzu viel bekommt Adamir davon nicht mit. Dafür ist er nicht hier. Schnell wie der Wind reitet er dem Palast des Königs entgegen. Doch erst nach sieben Tagen und sieben Nächten erreicht der Bote auf seinem Lysander die Pforten des prachtvollen Palastes.

Ravons Burg liegt hoch auf einem mächtigen Berg. Am Fuße des Berges erstreckt sich die Hauptstadt von Sparos, Weißenberg. Die Mauern die den Palast und die pulsierende Stadt umschließen sind gewaltig. Hoch- wie dick, aus hartem weißem Stein der im Sonnenlicht leuchtet und die angrenzenden Wälder erhellt. Das Tor ist schwarz wie Pech. Und überall prangern die Banner des Hauses Olixander. Ein weißes Ritterkreuz auf bronzefarbenen Grund. Adamir Voc hat sein Ziel endlich erreicht. Nun ist er dazu aufgerufen dem König von Sparos über die Gespräche auf Conreba zu informieren.

Danke dass du mir so treue Dienste geleistet hast. Und das du den beschwerlichen Weg mit mir gegangen bist Sonnenpfeil”. Adamir Voc streichelt Sonnenpfeil und führt seinen Begleiter mit in die große Stadt.

Das Lied des Krieges

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