Читать книгу Dantes Inferno I - Akron Frey - Страница 32
Die Stacheln im Hirn
ОглавлениеDie Welt begann sich vor meinem inneren Auge zu drehen, und plötzlich war mir, als ob sich die Realität vor meinem Blick auflöste. Ich fühlte mich durch mein eigenes Sehen hindurchgezogen, aber irgendwie erkannte ich die Relativität der Bilder, die mich umringten und mich über ihre Auflösung zu neuen Perspektiven führten. Mir schien, als ob sich die Sichtweise zu einem glühenden Film auf meinem Auge transformierte, wodurch sich Wirklichkeit manifestierte, ein gesampeltes Knäuel aus leuchtenden Fasern, das sich aus einer spiralförmigen Galaxie auf mich herabsenkte. Alles zog sich zusammen, die Wände veränderten ihre Form und zerfielen in Falten, der Boden begann sich unter meinen Füßen zu drehen, und plötzlich ging ein trichterartiges mysteriöses Loch vor mir auf, das alles in sich hineinsaugte. Dann verließen mich die Kräfte. Ich stürzte durch meine Weltvorstellung hindurch und fühlte, wie ich immer winziger wurde. Alles zog sich zusammen, und nach ein paar Herzschlägen war ich nur noch so groß wie eine Erbse. Doch bevor ich durch die Bodenritze fiel, fing mich Akron auf und hielt mich lächelnd vors Gesicht. «Was ist passiert?» japste ich.
Behutsam öffnete er die Lippen und sagte: «Du bist durch deine Weltvorstellung hindurchgefallen, und ich habe dich hier aufgefangen, bevor du dich in den Falten des Universums verlieren konntest. Siehst du den Riß?»
Ich wollte ihm sagen, daß ich keinen Riß sah, aber da tippte er mich mit dem Zeigefinger an der Schulter sanft an und wirbelte mich herum: «Hier brauchst du dein Unverständnis nicht mehr durch ein subjektives Denken zu kompensieren, damit du deine Emotionen durch dieses hindurchfiltern und damit für dein eigenes, unmittelbares Erkennen entschärfen kannst, denn du wurdest auf das Energiepotential deiner inneren Vorstellungskraft reduziert.» Dann fügte er schelmisch hinzu, ich sei das folgerichtige Ergebnis einer langen Kausalitätskette, die sich in meinem lächerlichen Ego manifestiere, das Bücher schriebe und von sich glaube, neue Denkinhalte zu kreieren, und darüber nicht nur nachdenke, sondern auch über sein eigenes Nachdenken reflektiere und sich letzten Endes genau an jener Stelle positioniere, in der es glaube, sich erkennen zu können. Ich solle mir aber nicht ans Bein pinkeln, denn bevor ich wie eine Erbse durch die Bodenritze falle und auf Nimmerwiedersehen im Unergründlichen versacke, würde er mich sicher und liebevoll auffangen.
Dann hielt er mich plötzlich fest und sah mir väterlich in die Augen: «Denn hier bist du nicht nur der Energie deiner menschlichen Vorstellung begegnet, sondern du hast soeben ihre Grenzen physisch überschritten. Deshalb bist du auf das Bild deiner inneren Vorstellung geschrumpft.»
Anschließend ließ er mich auf seiner Handfläche mehrmals um die eigene Achse drehen, und bei der vierten oder fünften Umdrehung glaubte ich eine weitere Öffnung vor mir zu entdecken. Ich erkannte so etwas wie einen Riß in der dreidimensionalen Realität, der vor mir aufschimmerte, und dahinter eine regenbogenfarbene Iridule durchglimmen.
«Du stehst hier am Durchbruch zu neuen Dimensionen», sprach er, «der das alte Weltbild vom Leben abfaulen läßt. Die dreidimensionale Realität entspricht dem Unvermögen, Verstand und Vernunft loszulassen und danach zu fragen, was jenseits der Ratio liegt.» Gleichzeitig nahm ich links und rechts von mir eine Unzahl von Bewegungen wahr. Kleine leuchtende Kugeln schwebten wie schimmernde Raumschiffe in mein Blickfeld. Akrons Gesicht schien von unzähligen Lichtpunkten übersät: «Du brauchst dir aber keine Sorgen zu machen», sagte er, «es sind auch wiederum nur Gedanken, wenn auch gefangene. Sie haben sich in ihrem eigenen Schöpfergeist eingesperrt.»
«Eingesperrt?» Eine seltsame Grimmigkeit lag in den seltsamen Blasen. Sie rührte von einer fühlbaren Aggression her, die ich hinter ihren Durchmessern verspürte. «Was sind das nur für unangenehme Gebilde?»
«Das sind implodierte Gedanken», über mir schwebte Akrons vertrautes, lächelndes Gesicht, «man nennt sie auch die Stacheln im Hirn.»
«Weshalb Stacheln im Hirn?» fragte ich, obwohl mir der Name gefiel. Er paßte jedenfalls zu meinem negativen Gespür.
«Weil in ihnen ein tückisches Ich regiert, das abgeschnitten von einem emotionalen Hintergrund in einer aggressiven, isolierten Denkwelt operiert, in der hinter all ihren Zielen nur die unzubefriedigende Lust an der ewigen Durchsetzung steht. Einst fühlten sie sich in Situationen wohl, in denen schnelle Entscheidungen verlangt wurden, ohne sich an zementierte Standpunkte zu klammern, sie konzentrierten sich auf das augenblickliche Handeln und suchten sich ihr Weltbild aus den unterschiedlichsten Sichtweisen zusammen», sagte er mit plötzlicher Eindringlichkeit, wobei sein Lächeln merklich schrumpfte: «Doch eines Tages verspürten sie den Wunsch, über sich selbst hinauszuwachsen, denn sie hatten das Denken als Grundlage allen Wesens entdeckt und glaubten nun selbst in die Schöpfung eingreifen zu müssen. Sie lehnten sich über ihr Weltbild hinaus und behaupteten, alles bestünde nur aus Gedanken und die ganze Welt sei ihre Schöpfung. Sie schufen sich ihren eigenen Gott und nannten ihn Erkenntnis. Doch dieser selbsterkürte Gott, der sich auch Wissensanspruch nannte, mußte ständig mit neuen Einsichten gefüttert werden. Die Gedanken hielten das Universum ein paar Jahrhunderte mit immer wieder neuen Entwicklungsvarianten zusammen. Irgendwann aber fehlte ihnen die Energie, um den aus sich selbst hervorgebrachten Gott weiter zu nähren, der immer neue Perspektiven und Sichtweisen einforderte. Sie erlahmten, der Gegendruck fiel weg, und dann wurden sie in einem riesigen Knall von ihrem eigenen Dämon aufgesaugt und mit ihnen das ganze Universum in ihrem Kopf. Sie implodierten in ihrem eigenen Denken und sind seit jenem Tag in ihrem eigenen Erkennen eingesperrt, aus dem es kein Entrinnen gibt.»
«Warum können sie nicht entrinnen?»
«Weil sie ja nicht wissen, daß sie eingesperrt sind.»
«Wieso wissen sie das nicht?» fragte ich und runzelte argwöhnisch die Stirn.
«Woher sollten sie die Einsicht nehmen?» erwiderte Akron achselzuckend. «Der Grund, warum sie nicht herauskönnen, ist doch gerade der, weil sie nicht wissen, wo sie sind.»
«Versteh ich das richtig: Sie sind nur aus dem Grund gefangen, weil sie nicht merken, daß sie gefangen sind …?!»
«Genau», erwiderte Akron, «es gibt für sie kein Entrinnen, solange sie die Aggressivität ihres Denkens nicht erkennen. Deshalb stürzen sie sich auch wie die Harpyien auf jeden Neuankömmling, der ihnen Nahrung bietet, und saugen ihm die prallen Bilder seiner Vorstellungen aus.»
«Aber ich dachte, sie sind in diesen Blasen eingesperrt?»
«Das sind sie auch.»
«Aber wie können sie dann heraus?»
«Wieso raus? Sie müssen doch nicht raus», entgegnete Akron und grinste sanft: «Wir sind doch drin!»
Plötzlich schienen die Blasen wie weggefegt und die Lichtpunkte hatten sich in blutsaugende Monster verwandelt, riesige Mückenschwärme, die drohend über meinem Haupte schwirrten. Ich konnte die unterschiedlichsten Sichtweisen und Perspektiven gleichzeitig erkennen: die höllischen Biester, die im Begriff waren, mich anzugreifen, der Monitor vor mir auf dem Tisch, in den ich meine Gedanken hineinhämmerte sowie die Worte, die mir als betrachtendem Prüfer seiner Erinnerungen entgegenflimmerten: «Jetzt gibt’s kein Entrinnen mehr», zirpten sie. «Zuerst verschlingen wir dich und dann lösen wir dich in den Horrorinszenarien deiner paranoiden Ängste auf, zumindest solange du nicht merkst, wer wir sind: ein steckengebliebenes, traumatisiertes Bild in deinem Hirn.»
Erschrocken wich ich einen Schritt zurück. Ich kreischte und ruderte mit den Armen, doch sie fielen von allen Seiten über mich her und drangen durch Ohren, Mund und Nasenlöcher in mich ein. Während ich vom schwindelnden Drehmoment, mit dem mir die Gedanken im Kopf herumkreisten, festgehalten wurde, kam Akron zum Schluß: «Andererseits können sie dir aber auch die verborgenen Ängste offenbaren, die unter den Bildern deiner Vorstellung liegen und an die du normalerweise nicht herankommen kannst.»
«Hör auf!» schrie ich und richtete meinen Blick auf ihn: «Warum treibst du dieses Spiel mit mir? Ich halt das nicht mehr lange aus. Ich versteh das nicht, und ich weiß auch nicht, ob ich das Ganze jemals verstehen kann.»
«Das kann man nie wissen», sagte er nachdenklich und wandte sich ab. Plötzlich drehte er sich wieder um und hielt mir seinen ausgestreckten Finger an die Stirn: «Warte! Sie versuchen gerade herauszubekommen, wer du bist, und sie tun dies, indem sie die Energiemuster der Denkcodes aus dem Konzentrat deiner Hirnflüssigkeit sampeln, die sie in großen Bottichen bereithalten. In dieser Hölle ist Persönlichkeit so etwas wie Hirnkapazität.»
«Akron!» schrie ich und lauschte, wie der Name verklang, denn seine Erklärungen waren absurd; ich konnte ihn nicht verstehen, das war mir zuviel.
«Schau!» Seine Stimme klang erregt: «Sieh doch hin! In deinem Kopf passiert etwas Großartiges. Dein Verstand beginnt zu zaubern. Die Gedanken kommunizieren über die Denkkanäle miteinander. Sie zimmern sich die Viren als Träger von Daten zurecht, die in Nukleinsäureketten gespeichert sind. Das ergibt einen Sinn. Es ist das Anzeichen einer fiebrigen Infektion, die nach einer gedanklichen Verarbeitung sucht, denn sie laden die ungelösten Dateien aus der letzten Hölle zurück in dein Hirn.»
«Was?»
«Du kannst die Ängste aus der letzten Hölle durch die Gedankenmuster dieser Hölle filtern», brüllte er fröhlich.
Dann verschob sich meine Perspektive, und einen Augenblick später sah ich die rote Teufelin aus der letzten Hölle vor mir stehen. Sie sah mich mit ihren Katzenaugen tückisch an: «Mit wem suchst du notdürftig den Riß zu kitten, der sich durch deine Seele zieht?» Ein Feuerschein fiel auf ihr Gesicht, und für einen Moment erschien sie mir wie ein höllischer Vamp. Sie trug Gummistiefel, Gummihandschuhe und eine rote Gummischürze und rührte in einem Kessel mit Leichenteilen. «Sieh nur», hörte ich Akrons besonnene Stimme hinter mir, «deine innere Bildvorstellung fällt durch den Riß in die Gefühlsabteilung der Mond-Hölle zurück, ohne das analytische Verstehen der Merkur-Ebene zu verlieren. Damit werden deine alten negativen Gefühlsbilder neu belebt, und du kannst etwas über deine unbewußten Ängste in deiner Seele erfahren, was dein Verstand normalerweise niemals zulassen würde. Vielleicht kannst du deine Gefühlsblockaden sogar lösen. Laß uns hören, was sie dir zu sagen hat?»
«Komm! Jetzt wird sofort gebadet», baute sich mein verdrängtes Mutterbild vor mir auf und packte mich am Handgelenk, «du hast dir vor Angst in die Windeln gemacht!»
Zuerst sah ich sie als Gitter und als holographische Entität. Ich entspannte mich, und das Hologramm kam, ein fluoreszierendes Knäuel aus leuchtender Computergrafik, das sich aus einer spiralförmigen Galaxie auf mich herabsenkte. Ein glühender Kreis dehnte sich plötzlich vor mir aus und zog sich sofort wieder in einen winzigen Lichtpunkt zusammen. Dieser Lichtpunkt zog mich in sich hinein, jedenfalls überkam mich ein Gefühl, als ob mich das Licht auffressen würde, und es zog mich in einen weiten Raum, in dem sich sonnengroße Lichteier an den Kristallwänden reflektierten. Die Hitze hatte meinen Körper in eine energetische Flamme verwandelt, die mich von innen her erfüllte. Dann verwandelten sich die Lichteier in galaktische Sternenmeere, die die ganze Umgebung in einen multidimensionalen Lichtglanz tauchten. Plötzlich veränderte sich das Licht. Es wurde blendend scharf. Ich konnte die einzelnen Linien wahrnehmen; sie zeichneten sich außerordentlich hart ab. Und dann hatte ich mit einem Mal das Gefühl, nicht mehr nur einfach Kugeln, sondern Hologramme mehrdimensional ineinandergespiegelter Gedankenmuster zu sehen, die wie gläserne Querschnitte in Form schimmernder Kugeln vor mir schwebten. Sie begannen zu phosphoreszieren und eine Art geistiger Informationen auszuscheiden. Das Licht dehnte sich in Wellenbewegungen aus, und dabei wurde der Regenbogeneffekt immer stärker, bis er zu einer rundum glühenden Strahlung wurde, die alles überzog.
«Warte», wie eine schwimmende Lichtwelle drang ein Leuchten durch Akrons flammende Augen und weckte in mir Erinnerungen an eine schillernde Fruchtblase, die plötzlich aufbrach und mir ihre Geheimnisse offenbarte, «wir versuchen, ob wir den Geist dieser Hölle nicht hervorlocken können.» Er zerschlug eine der glühenden Blasen, so wie man eine Mücke zerquetscht, öffnete die Hände und ließ die fluoreszierende Flüssigkeit, die sich aus der Blase ergoß, in seine Hände tropfen: «Vielleicht vermag er dir etwas zu sagen?» Dann rieb er die Handflächen heftig einander, bis die Flüssigkeit zwischen seinen Händen verdampfte.
Im nächsten Moment erhellte eine intensive Flamme den Raum, ein Licht, so hell, daß mir die Augen schmerzten. «Pst! Sei still! Er ist schon da!» Akrons Gesicht begann zu leuchten. Das Feuer entzündete den Geist, und in den züngelnden Flammen knisterte plötzlich eine Stimme: «Du hast mich gerufen?»
Ich war sehr verblüfft und schaute mich nach Akron um: «Was jetzt?»
«Versuch ihm das Mysterium zu entreißen», antwortete er, «und frag ihn, ob er ein Hirnstachel ohne Erlösung ist oder warum er die Seelen sonst in seinem Geist festhält?»
«Wer bist du?» fragte ich die leuchtende Gestalt. Helle Funken liefen die Farblinien um die Blase entlang, helle digitale Funken.
«Ich bin es, der dich spürt und der dich mich fühlen sieht, du Narr, denn ich bin der Chip, der deine Gehirnzellen manipuliert, das Kurzwellensignal, das deine Gefühle irritiert oder das Hirngewitter, das in deiner Zahnplombe explodiert», sagte er und eine rhythmische Bewegung huschte durch die Glut, «denn ich bin der Mastermind, und das ist meine Show. Die Welt, die dir erscheint, ist meine Projektion in deinem Kopf, die ich mir selbst geschaffen habe, um mit mir selbst in Berührung zu kommen. Deshalb kannst du in diesem Moment auch meine Gedanken fühlen, denn sicher kannst du spüren, daß deine Gedanken in diesem Augenblick einen eigenen Willen haben, eine Art aktives Unterbewußtsein im Gegensatz zum rationalen Denkvermögen, das dich normalerweise auszeichnet.»
«Und was bedeutet der Riß?» fragte ich und schaute in den leeren Spalt.
«Der Riß ist der Spalt im menschlichen Hirn, durch den die Gedanken ständig hindurchpurzeln, die sich unbemerkt selbst austricksen», projizierte sich die Stimme in den Raum, «dabei überholt sich das Ego ständig selbst, weil es nicht merkt, daß es in seiner selbsterkennenden Ich-Durchsetzung vor sich selbst davonläuft, weil hinter allen Zielen nur das eigene Suchen steht.»
«Das versteh ich nicht!» Ich visierte die gespenstische Projektion an, die wie ein Wirbel von regenbogenfarbenem Licht am Himmel tanzte.
«Das Hirn denkt und hält sich durch immer neue Gedanken in Bewegung. Diese werden laufend im Kopf verarbeitet und fließen in einem zu nach außen ab. Doch je mehr das Hirn erkennt, desto weniger kann es ständig neue Erkenntnisse liefern, und so muß es seinen Hunger mit immer merkwürdigeren Einfällen stillen und zu immer ungewöhnlicheren Erkenntnissen Zuflucht nehmen. Irgendwann ist aber der Punkt erreicht, an dem es nichts mehr zu erkennen gibt außer der einzigen und letzten Erkenntnis, daß Erkenntnis sich immer nur selbst wahrnimmt, und das ist dann die Situation, wo das Innere des Hirns für die Verschmelzung der Gedankenkerne mehr Energie fordert, als es sich an Erkenntnismaterial selbst liefern kann. Damit fällt der Druck aus der inneren Erwartung zusammen. Die Folge ist der Riß. Das Hirn implodiert und fällt durch den aus sich selbst erzeugten Spalt, in dem die Atomkerne und Elektronen so dicht gepackt sind, daß dort ganze Universen in der Größe von Seifenblasen erscheinen. Es ist das menschliche Denken, daß dir dort in sich selbst erscheint.»
«Und was passiert dann?» fragte ich, während ich die regenbogenfarbige Iridule mißtrauisch beäugte.
«Besitzt deine Denkkapazität genügend Kraft, kann die Anziehungskraft deines Hirns so mächtig werden, daß selbst die Materie deines Körpers ihr nicht entfliehen kann. Dann wirst du in dein eigenes Erkennen hineingesaugt wie die Blasen, denen du begegnet bist. Es sind die im Erkennen eingefrorenen Gedanken, die in dich eingedrungen sind.»
«In mich?» brüllte ich entsetzt: «Wieso in mich? Ich gehöre doch nicht hierher!»
«Du wirst überrascht sein», entgegnete mir grinsend die Bit-Folge aus der Software dieser Hölle, «wieviel Spaß es machen kann, die Gedankenbits in deinem Kopf herumzuwirbeln.»
Mein Kopf zersprang in tausend Stücke, und in den Gedankenbruchstücken erkannte ich die Hexe. Ein Feuerstrahl von regenbogenfarbenen Licht fiel auf ihr Gesicht, und einen Augenblick erschien sie mir wie das Aufbrechen eines alten Erinnerungsmusters. Zu einer reissenden Bestie geworden, rührte sie in einem Bottich mit Leichenteilen. «Endlich konnte ich dich in den Abgründen deiner Ängste überwinden», erklärte sie mir triumphierend, «jetzt wirst du in den kochenden Wassern der Urmütter gebadet!»
Die Welt begann sich vor meinem inneren Auge zu drehen, und plötzlich war mir, als ob sich die Realität vor meinem Blick auflöste. Alles zog sich zusammen, die Wände veränderten ihre Form und zerfielen in Falten, der Boden begann sich unter meinen Füßen zu drehen, und mit einem Mal ging ein riesiges trichterartiges Loch vor mir auf, das alles in sich hineinsaugte. Ich fühlte mich durch mein eigenes Sehen hindurchgezogen, aber irgendwie erkannte ich die Relativität der Bilder, die mich umringten und mich über ihre Auflösung zu neuen Perspektiven führten. Das also waren die Träume der Mütter, in denen sich die Leiber in Föten zurückverwandelten, die bebend in der embryonalen Ursuppe warteten, um vom Rachen des Ungeheuers wieder in die Welt gespuckt zu werden, dachte ich noch, bevor mich meine Kräfte verließen und ich immer kleiner wurde. Nach wenigen Sekunden hatte ich die Größe einer Erbse.
Bevor ich jedoch durch die Parkettritze fiel, fing mich Akron auf und hielt mich lächelnd vors Gesicht: «Nur keine Angst! Du bist ins Mahlwerk deiner verdrängten Erinnerungen geraten und dabei auf die Größe der inneren Erwartungen geschrumpft.»
«Was ist passiert?» fragte ich nach Luft japsend.
Behutsam öffnete er die Lippen und sagte: «Du bist durch deine Weltvorstellung hindurchgefallen, und ich habe dich schnell aufgefangen, bevor du dich in den Rockfalten der Mütter verlieren konntest. Versuch jetzt, die Herrschaft über deinen Geist zurückzugewinnen!»
«Wie soll mir das gelingen?» Ich versuchte, meine wachsende Panik unter Kontrolle zu halten, denn ich war unfähig, mit der Ungeheuerlichkeit dessen, was da vorging, fertigzuwerden.
«Nur Mut! Du mußt die Datenpakete in deinem Hirn entrollen und die verborgenen Ängste freilegen, die dich in dieser Hölle festhalten.»
«Aber wie?»
«Ganz einfach», sagte Akron und sah mich an: «Durch das gedankliche Zulassen irrationaler Einsichten löst du die Ängste in deinem Hirn.»
Ich öffnete mich selbst, trat aus der Vorstellung heraus und erkannte, daß das Überwinden einer Vorstellung immer eine neue Vorstellung mit sich bringt, in der die eine in der anderen verschwindet und die andere in der einen sich gebärt, und wenn ich das erkenne, verschwinden sie in mir, und ich werde ewig, nicht in der Vorstellung, sondern mit der Vorstellung – in mir!