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ОглавлениеIn jenem gärenden und elenden Mendrisiotto, wo die Bauern, grossenteils Analphabeten, in Pacht auf den Gütern der Herren arbeiteten, wo die Steinmetze und Maurer in die Lombardei und den Piemont auswanderten, um dort während der Saison zu arbeiten, während die Frauen sich in Haus und Feld und in der Spinnerei abrackerten, in diesem Mendrisiotto, wo jedes Jahr neunzig unehelich Geborene auf die Schwellen von Kirchen und Klöster hingelegt wurden und dort die Krätze auflasen, nur um darauf zu warten, ob jemand sie hinüberschmuggle auf die andere Seite der Grenze in ein Krankenhaus, wo sie, kaum geboren, starben, da also hatte sich Luigi Pagani, genannt Mattirolo, den Ruf eines Verteidigers der Armen erworben.
Er und sein Bruder Antonio wohnten in einem Häuschen, versteckt im Wald über Vacallo, ein Auge in Italien und eines in der Schweiz. Mit dem italienischen Auge sah Mattirolo dort unten die Papierfabriken von Maslianico längs der Breggia, und oben, auf halber Höhe, Piazza und Rovenna, die Dörfer seiner Schmuggler- und Waldarbeiterfreunde. Mit dem schweizerischen Auge sah er das weite Grün der Hügel des Mendrisiotto und das Braunrosa der Dörfer.
Auch auf der hiesigen Seite kannte er alle: Besitzer, Patrizier, Pächter, arme Hutzelweiblein, Schmarotzer, die von Dorf zu Dorf die Runde machten und die niemand haben wollte.
Genau unter seinem Kirschbaum konnte er den Kirchturm von Vacallo mit dem eisernen Fähnchen auf der Spitze sehen; er nehme es zuweilen ins Visier seines Gewehrs, hiess es. Er sah die Villa des Bürgermeisters, die Behausungen der Maurer, wie er einer war, der Spinnereiarbeiterinnen, ferner das Brücklein, das den Palast der Adeligen mit dem Garten verband, in dem an den Sommernachmittagen der Bischof von Como, der da in der Sommerfrische weilte, unter der Pergola spazieren ging, die kleine Schule, wo der Lehrer die «Erbauliche Lektüre für die Kinder vom Lande» des Abts Antonio Fontana vorlas.
Wenn er unter dem Fenster der Schule vorbeikam, konnte es passieren, dass er die Stimme eines Kindes vernahm, das Silbe für Silbe die Ermahnung an all die, welche Landbau treiben und sich beklagen, buchstabierte: «Zufolge der Sünde des Menschen wurde die Erde vom Herrn verflucht, weshalb es grosser und unablässiger Mühe bedarf, damit sie nicht unfruchtbar wird und Drangsal und Dornen hervorbringt», oder etwa den Leitsatz Nummer 24: «Der Arme, der böse ist, verdient, getadelt zu werden», oder der 25.: «Der stolze Arme ist unerträglich für alle und allen verhasst». Also musste aus Sicht jenes Abtes und all jener, die in dem von einem weissen Pferdchen gezogenen Wagen fuhren, der arme Mann für andere rackern und an pellagra erkranken und ausserdem lieb sein und Gott danken dafür, dass er auf der Welt war und nicht als Kind schon starb. Er durfte sich niemals beklagen, nie den Kopf erheben, sonst liefe er Gefahr, so zu enden wie Paoletto aus der ersten «Kleinen Geschichte» der «Erbaulichen Lektüre».
Dieser Paoletto nämlich, von seinem Vater ausgeschickt, das Vieh auf der Weide zu hüten, begab sich auf die nahe Strasse, um mit Nüssen zu spielen. Er überliess die Ochsen einfach sich selbst auf der Weide, während sein braver Bruder die Schafe im Auge behielt und gleichzeitig die abc-Fibel aus der Tasche zog, um keine Zeit zu verlieren, und ganz alleine lernte. Filippino war gewaschen, gekämmt, herausgeputzt, und in der Schule war er mäuschenstill und sass wie ein Engelchen auf dem Ehrenbänkchen, und bei den Prüfungen bekam er eine Auszeichnung. Paoletto, schmutzig und mit Haaren wie ein Dornbusch, warf den alten Leuten Steine nach, konnte weder Kirsche noch Pfirsich, weder Birne noch Nuss sehen, ohne sie zu pflücken. Er prügelte das Engelchen; anstatt zu arbeiten, fing er Eidechsen und Grillen. In der Schule bekleckste er den Kleinen Katechismus mit Tinte und liess die Bank knarren. Am Schwarzen Brett war er unter den Nachlässigen aufgeführt, er wurde aufs Schandbänklein verwiesen und musste seine Strafe mitten in der Schule und stehend verbüssen – doch alles nützte nichts: eines Tages schlug er einen seiner Kameraden zusammen und wurde von der Schule verwiesen. Ein kurzes Achselzucken bei der Strafpredigt des Vaters, zwei Brote, die er heimlich mitlaufen liess, und weg war er in der weiten Welt, ein Vagabund auf gut Glück; so liess er Filippino in Tränen zurück.
Mit Betteln und Stehlen fing er an, und zum Schluss überfiel er Reisende auf der Strasse, bis der lange Arm der Gerechtigkeit ihn auf frischer Tat ertappte und zum Tode verurteilte: aufgeknüpft an einem Baum am Strassenrand!
Doch wer nicht das Glück gehabt hatte, die Schule zu besuchen und sich dort die «Kleinen Geschichten» des Abts Fontana zu Gemüte zu führen und sich zu bemühen, dem braven Filippino nachzueifern, welcher Jahr für Jahr den ersten Preis gewann und sich mit grösstem Fleiss der Pflege der Fluren hingab und so das Land in einen Garten verwandelte – wer weder Land noch wollige Schafe noch milchtragende Kühe hatte, sondern nur die eigenen Kinder und den eigenen Hunger, wer nicht mehr wusste, wo ihm der Kopf stand, der ging, statt sein Unglück einfach hinzunehmen, zu Mattirolo, der, die Doppelflinte geschultert und die Pistole im Hüftgurt, einem der Herren der Umgebung ein Besüchlein abstattete und diesem mit angelegter Waffe befahl, einen Sack mit Mehl zu füllen.
Die Reichen liessen den Mais und das Korn fahren und schwiegen dazu, denn sonst – ein Flintenschuss des Mattirolo, und nicht einmal der Bischof von Como hätte sie davor bewahren können.
Am ersten Tag der Fastenzeit im Jahre 1847 machte sich Mattirolo auf nach Mendrisio, auf Wegen, die quer durch die noch verschlafenen Felder liefen. Es war ein heller Morgen; die Äste glänzten kahl in der Landschaft.
Er war 34 Jahre alt, trug ein Gewand aus Barchent, hatte einen raschen Schritt und den Kopf voller Aufruhr: eh die Natur erwacht, ist es am Menschen aufzuwachen, grübelte er, aufzuwachen aus seiner Tatenlosigkeit.
Tags zuvor hatten sie die Grenze geschlossen vorgefunden, er und seine Gefährten, Maurer aus Vacallo und Sagno, die in jenen Wintermonaten in der Villa des Grafen Bellinzaghi in Cernobbio arbeiteten:
«Kein Durchlass!»
«Was heisst da: Kein Durchlass?»
«Geht doch und fragt eure Regierung, die die Revoluzzer beschützt!»
«Aber es ist doch Zahltag!»
«Wir haben Order, euch zurückzuweisen.»
Die Bauleute blicken zu Mattirolo. Er ist das Haupt der Gruppe und hat vor niemandem Angst. Alle erinnern sich, dass er vor einer Woche einen uniformierten Sprenzling den Abhang hinunterrollen liess, der ihm nicht aufs Wort glaubte und ihn durchsuchen wollte, um zu schauen, ob das, was er unter dem Mantel trug, wirklich ein panettone sei. Aber hier trifft diesen Grenzwächter tatsächlich keine Schuld. Es sind die Österreicher, die es dem Kanton Tessin heimzahlen wollen, und zwar ausgerechnet in den Hungermonaten.
Mattirolo dachte, als er an jenem Morgen durch die kahlen Reben ging, an Szenen zurück, wie er sie in der Lombardei gesehen hatte: geplünderte Ladungen, vom Volk überfallene Brotbäckereien.
Nicht ein Scheffel Mais gelangte nunmehr in den Kanton Tessin, an der Grenze standen Soldaten, und die, die vorher hinübergingen, um Polenta und Reis zu kaufen, assen jetzt Kleiebrot: Die Letzten beissen immer die Hunde. Er schritt rasch aus, und jeder Schritt war ein Mann, der sich der Bande anschloss: Fasola trommelt die Männer aus Balerna und Coldrerio zusammen, Titón die aus Castello, und dann sind da noch der Schneider aus Morbio, diejenigen, welche bis Lugano hinter der Musikkapelle hergezogen sind, um die Revolution mit ihren Gewehren zu verteidigen, die, welche den Freiheitsbaum in Novazzano aufgerichtet haben und darauf über das Tal der Mulini hergefallen waren mit dem Ruf: «Es lebe die Reform!», bis unter die Fenster von Monti, dem Schwarzen aus Balerna. Es waren die, welche im Jahre 1843 mit ihm gezogen waren, um die Pfarrer des Muggiotals zu fassen …
Als er in Santa Lucia angelangt war, hielt er inne, um sich die Schluchten der Breggia näher anzuschauen. Ob man dem Schuster, der auf dem Platz von Vacallo am letzten Tag des Karnevals das Horn gespielt hatte, wohl trauen konnte?
Die Kapelle von Novazzano war bis in sein Dorf gekommen, um auf dem Kirchplatz einen Marsch, eine Mazurka, eine Polka und einen Schottisch zu spielen. Und danach einen Halben zu trinken.
Mattirolo hatte die Musikanten beiseite genommen, einen nach dem andern, um sie zu fragen, ob sie auf dem Laufenden seien in der Sache mit dem Korn, und um ihnen zu sagen, dass die Soldini und die Matti die ganze Ware einheimsten:
«Wenn ich euch rufe, werdet ihr kommen?»
«Wir werden sehen», hatte der Schuster zur Antwort gegeben, ohne ihm ins Gesicht zu blicken.
War also Verlass auf ihn?
«Hört mal her!», hatte er dann am Abend auf seinem Rundgang durch die Wirtschaften gesagt, «in den Häusern der Reichen fehlt es nicht an Mais. Wir gehen gemeinsam hin und holen ihn uns. Es genügt, dass man ein bisschen Haare auf den Zähnen hat.»
Mattirolo setzte seinen Weg fort. Durch die vertraute Gegend zu gehen, erhitzte ihm Körper und Geist. Die Preise zu senken, erschien ihm ebenso einfach, wie das Rebmesser zu zücken oder einen Büchsenschuss abzufeuern. Wie leicht war es doch gewesen, vor Jahren, einen protestantischen Pastor am Stadtrand von Lausanne mit Steinen zu bewerfen, als er auf der Rückreise von der Saison in Frankreich hungrig an dessen Tür geklopft und um Brot gebeten hatte: der Prediger «Wohlbekomms» hatte ihm vom Fenster aus zur Antwort gegeben, er solle arbeiten gehen, er sei ein Faulpelz!
Hinter Balerna fand er Perginate, so genannt, weil er aus Perginate in der Provinz Como stammte, der eben von den grossen Gütern kam, wo er in den Reben gearbeitet hatte.
«Wir gehen uns am Samstag Mais holen. Komm doch auch mit, wo du doch so viele Kinder hast. Es kommen auch all die Leute aus Morbio Sopra, aus Sagno, Vacallo und Castello …»
Gegen Mittag kam er auf die Piazza in Mendrisio. Vor dem Brunnen, von dem aus eine Talmulde mit noch kahlen Erlen zu sehen war, standen der Bürgermeister, der Rechtsanwalt Beroldingen, der Händler Terraneo und einige andere.
Mattirolo lud Terraneo in die «Cantine» ein. Und wie sie so auf der Strasse, die durch den Flecken führt, davongingen, sagte er zum Ladenbesitzer:
«Nun hat aber die Stunde geschlagen für die Herren von Mendrisio. Jetzt wollen wir einmal hierher kommen und selbst ein bisschen den Herrn spielen, wollen essen und trinken, und sie gehen arbeiten. Mal abwechseln, oder? Wir kommen her und schicken sie für uns die Hasen fangen, den Bauern spielen: überlassen wir es ihnen einmal, den Boden umzugraben!»
Er war wirklich ein spinniger Kerl, eben ein Mattirolo. Alle kannten sie ihn ja.
Eifrig diskutierend, gelangten sie unter die Felsen des Generoso, an dessen Fuss sich die Bacchus-Grotten öffneten.
Der Ladenbesitzer hörte den Worten des Mattirolo aufmerksam zu, weil es ihm nicht gelang herauszufinden, ob er nur im Spass redete. Er hatte ein finsteres Aussehen, der Mann da, ein Wetterleuchten blitzte in seinen Augen unter dem abgerissenen Hut.
In einem Grotto genehmigten sie sich einen Halben.
In diesem Augenblick kam ein Kärrner aus dem Muggiotal dazu, und Mattirolo sagte zu ihm:
«Halte dich bereit! Irgendwann an einem Abend kommen wir da herunter und wischen den Pollini, den Bianchi und den anderen Herrschaften von Mendrisio eins aus.»
Am Samstag um die Mittagszeit spazierte der Vize-Bürgermeister von Morbio Sopra, Carlo Fontana, Schneider und Vater von neun Kindern, auf der Piazza, als plötzlich Mattirolo auftauchte, der gerade die Dörfer diesseits der Breggia abklopfte:
«Kommst du?»
«Wohin?»
«O je, was für ein Einfaltspinsel! Weisst du denn von nichts? Wir gehen und lassen uns die Kornspeicher aufschliessen.»
«Aber – das ist doch nicht unser Brot. Gebt Acht, was ihr tut!»
«Wenn wir ihn in Händen haben, den Mais, werde ich mich darum kümmern; ich werde ihn der Regierung zurückgeben.»
«Wenn’s so ist, bin ich dabei.»
Er sagte ihm, er solle sich mit den anderen aus dem Dorf in Vacallo einfinden – und setzte seinen Rundgang fort. Er sprach mit den Maurern, den Ziegelbrennern, den Bauern: ein paar Worte genügten.
Wo in Sagno der Saumpfad zu den zugehörigen Maiensässen führte, war er ein paar Tage zuvor gewesen, um mit den jungen Leuten zu reden: Sciavatinell verwahrte zu Hause eine alte Feuersteinflinte, die dienlich sein konnte.
Um die Männer von Castello würde sich sein Freund Titón kümmern, er hatte ihn beim Einnachten benachrichtigt, als er sich gerade zur Jagd auf einen grossen Vogel aufmachte, den die Leute «Jämmerling» nannten, weil er allabendlich in die Nähe von Corteglia kam und seinen Klagevers sang. Und nie gelang es, ihn aufzubringen aus dem wilden Gestrüpp, das die Alpwiesen bis ins Tal hinunter bedeckte. Um die Leute von Balerna kümmerte sich der Schuster Fasola. Die Nachricht war im Umlauf.
Neben der kleinen Kapelle von Vigino traf er Moretto, und sogleich war alles klar zwischen ihnen: Hatte er sie nicht stets im richtigen Moment gerufen, der Mattirolo?
Nachdem er Morbio Sotto, ein Dorf von Schwarzen, links liegen gelassen hatte, trat Mattirolo den Heimweg an, denn schon hatte es zum Ave Maria geläutet.
Vor sich konnte er noch die Ebene von Chiasso erkennen, den Hügel, wo das Mädchen herkam, das er geheiratet hatte, den Monte Lompino und den Turm von Baradello, die Schmugglerwälder: Örtlichkeiten, die er kannte wie seine Hosentasche. Genau wie die Dörfer, die an den bereits violetten Hängen verstreut lagen. Er konnte sie eins ums andere ausmachen, wenn er einen Augenblick stehen blieb und seinen Blick wandern liess. Er stellte sich die Männer vor, die bereit waren, ihm zu folgen, und dachte noch einmal an die gesagten Dinge.
Die Stille der Landschaft wurde von einem Krähenschwarm durchbrochen: Dort waren zwei Schatten, neben dem Kreuz von Fontanella. Der eine war der von Eugenio Bianchi, der als Kind wenige Tage nach seiner Geburt aus dem Hospital von Como auf diese Seite herübergebracht worden war. Mit einem Freund ging er nach Maslianico, um Ölkuchen zu holen.
Als sie Mattirolo erblickten, blieben sie stehen und verfluchten die elenden Zeiten; sie hatten keinen Mais auftreiben können. Was konnte man nur tun?
Nachdem er am Abend die Herrschaften von Sagno aufgesucht hatte, klopfte Mattirolo an die Tür des Herrn Bertola, Bürgermeister von Vacallo. Und als der Richter aus dem Speisezimmer herausgekommen war, das Licht auf die Truhe im Flur gestellt und die Türflügel einen Spalt weit geöffnet hatte, schlüpfte er hinein, machte die Tür wieder dicht und liess sich die Gewehre der Gemeinde aushändigen, die schliesslich mit dem Geld der Adligen angekauft worden seien, und auch er, Luigi Pagani, Sohn des Domenico, sei ein Adliger von Vacallo; er solle nicht so viel Aufhebens machen, denn er habe heute Abend vor niemandem Angst, wolle lediglich den Vielfrassen ein bisschen auf die Pelle rücken.
Der Bürgermeister liess nicht locker: Und dann die regierungsrätliche Abordnung, die schon zu Verhandlungen in Mailand sei. Und der Mais, der niemandem verweigert werde, und sie, die allesamt mit drinhangen würden. Und hin und her … Da blitzte im trüben Schein des Flämmchens ein Dolch auf, und Mattirolo drohte Bertola, er werde ihn da an der Tür festnageln und dann weggehen. Da sagte der Bürgermeister:
«Wenn’s so steht – du weisst, wo sie sind.»
Mattirolo ergriff eine Schultervoll Gewehre und machte sich mit seinen Leuten auf zur Schenke von Grazioso, wo bereits die aus Sagno und Vacallo um die Tische herum bei einem Becher Wein und Brot für ein paar Groschen warteten, ganz aufgeregt, als wär’s ein Fest. Oder aber sie warteten im Freien, längs der kleinen Strasse, an die Mauer gelehnt, die Pfeife rauchend, währenddem Graziosos drei Töchter herunterkamen, um zuzuschauen und ein wenig zur Hand zu gehen.
Er kam mit den Waffen, einem Säcklein Bleikugeln und zwei Schüsseln Pulver, die er auf die Theke stellte. Diejenigen, die ein Gewehr hatten, luden es.
Er wollte, dass auch Grazioso ihm seines gebe, und begann zu lachen, weil der Wirt Ausflüchte machte: Aber! Wo sie doch sogar die Gewehre von den Gemeinden hätten!
Also zog Grazioso seine alte Feuersteinknarre vom Militär hervor. Und der Zug machte sich auf den Weg.
Nach dem Tag in der Ziegelbrennerei von Sant’Antonio war Quartin in den Stall eines Nachbarn gegangen, um ein wenig zu plaudern, als um die acht herum einer völlig ausser Atem hereinkam und sagte:
«Rennt, rennt! Da sind ganz viele, die Zeug holen gehen beim Marnetta!»
Als er in Gorla anlangte, sah Quartin vor Angiolinas Wirtshaus einen grossen Auflauf. Es waren wohl um die zweihundert gewesen, einige mit geschultertem Gewehr, andere mit einem Stock oder einer Hacke, dazu ein paar Neugierige, die hergekommen waren, um zu schauen, was zum Teufel da gespielt werden sollte.
Er erkannte Matto aus Vigino, bei dem während des Nachtessens der jüngere Mattirolo plötzlich den Kopf in die Küche gestreckt hatte, um ihn zu fragen, ob er einen Halben mit ihm trinken komme; zahlen werde er. Da war auch Ventura, dem der Scherer eben den Bart rasiert hatte, weil’s Samstag war, ferner Cavallasca, der in einem solchen Durcheinander nie fehlte, und Rossinelli aus Coldrerio mit einer Knarre, geladen mit Amselschrot.
Er sah auch Legría und Giacinto, die nach der Arbeit in der Ziegelbrennerei die Brüder Dones getroffen hatten. Sie waren bewaffnet und hatten sich ihnen angeschlossen bis Balerna, wo der Friedensrichter vergeblich gerufen hatte: «Zurück, zurück! Das ist euer Abend nicht! Geht nach Hause!» Er erkannte Giuseppe, der seine Geliebte in Gorla hatte und voll Bange war um sie; er traf Marco Solcà, den man später dabei beobachtete, wie er sich schleunigst davonmachte zum Hause des Pächters des Herrn Matti aus Chiasso, um ihm zu berichten von dem, was sich gerade ereignete. Und alle grüssten sich, klopften sich mit der Hand auf die Schulter, es war ein grosser Rummel.
In der Wirtschaft, die von einer Laterne und dem Kaminfeuer erhellt war, ass jemand Kuttelsuppe, andere unterhielten sich und tranken dazu einen Becher Wein, wieder andere schliesslich waren verlegen oder aufgeregt.
Der Wirt hatte viel zu tun und ging hin und her mit dem fiasco und den Bechern. Mit einem Ohr hörte er den Gesprächen der Männer zu, die, wie es schien, die Revolution machen wollten. Er war es gewesen, der den Spion Solcà benachrichtigt hatte, welch letzterer nach einer gewissen Zeit wieder auftauchte und sich von neuem der Gesellschaft anschloss, als sei nichts gewesen.
Überall hatte es welche, im Hof des Wirtshauses, unterm Vordach, draussen auf der Strasse; sie lehnten sich gegen den Stall und sassen auf den Mäuerchen. Weitere stiessen noch zu ihnen, andere verschwanden, tauchten wieder auf.
Einer schwang eine Axt und rief dabei:
«Gehen wir die Türen der Weinkellerei von Capolago einschlagen, um zu trinken!»
Nun waren es an die dreihundert.
Mattirolo feuerte einen Schuss ab in die Luft, in der Hoffnung, die Gefährten Waldarbeiter würden es hören, ebenso die Kärrner aus dem Muggiotal, die sich zu dieser Stunde gewiss schon in die Ställe eingeschlossen hatten, um sich etwas aufzuwärmen, zu plaudern und zu dösen, während ihre Frauen Hanf und Leinen spannen.
Dann fragte er die Bande, wo man hingehen wolle: Marnetta, den wollten sie lieber in Ruhe lassen; er war nur ein Einzelner und ausserdem war auch er ein armer Teufel mit Frau und Kindern, die erschrecken würden. (Doch Marnetta war schon nach Mendrisio gegangen, um Gewehre zu holen, und er hatte seine Männer rings ums Haus aufgestellt, nachdem er die Säcke in die Meierei und in die Kirche von Villa hatte bringen lassen.)
Nach Chiasso? Lohnte sich gar nicht, davon zu reden.
Da griff Moscianella in die Debatte ein. Er hatte den lieben langen Tag Wagen voll Ware nach Capolago geschafft. Und Mattirolo: «Hört, liebe Freunde! Gehen wir nach Capolago, wo es so viele Herren hat, die wir ausplündern können, solche, die den Mais auf dem Boot wegführen lassen, aus dem Bezirk hinaus.»
Die Menge setzte sich in Bewegung.
Der Anführer versuchte zusammen mit seinen Helfern ein bisschen Ordnung ins Ganze zu bringen: «In Vor- und Nachhut die mit einem Gewehr, die mit den Stöcken in die Mitte! Und wehe dem, der irgendwem etwas zuleide tut oder in irgendeinen Laden in Mendrisio eindringen will – ich brenne ihm eins auf den Pelz! Wir müssen leise durch den Ort gehen. Pfeifen aus und Maul zu! Besser immer zwei und zwei auf dem Weg!»
Ein hinkender Papiermacher aus Vacallo bildete das Schlusslicht.
Auch Kinder waren dabei; sie liefen im Dunkeln hin und her. Als der Schuster seinen Buben unter ihnen fand, versetzte er ihm zwei Tritte in den Hintern, nahm ihn bei der Hand und schleppte ihn nach Hause. Das war kein Abend für Kinder, dieser nicht.
«Und die Wagen? Die Säcke?»
«Wir werden die Säcke schon aufstöbern. Wir wollen einzig die Ware beschlagnahmen, dann werden wir sie durch die Regierung an die Bedürftigen verteilen lassen.» Um die Wankelmütigen zu überzeugen, zog Mattirolo ein Papier aus der Tasche und erklärte, dies sei der Befehl des Kommissärs. Der grösste Teil konnte ohnehin weder lesen noch schreiben und vertraute ihm.
Während in der Wirtschaft «Del Giardino» zu Mendrisio das samstägliche Kartenspiel tresette zwischen dem Spezereihändler, dem Kaufmann, dem Anwalt und den Brüdern Beroldingen in vollem Gang war, platzte im Eilschritt der Amtsdiener des Regierungskommissärs herein und schlug Alarm: ein Schreiben aus Chiasso sei eingetroffen, das von Unruhen spreche, und Marnetta sei aus Villa gekommen, um Hilfe zu erbitten. Die Honoratioren verharrten im ersten Augenblick völlig sprachlos mit ihren Karten in den Händen, dann fassten sie sich und trafen ihre Vorkehrungen.
Beroldingen übernahm am Tor des Fleckens das Kommando über die Landjäger. Dort hatten sich auch der Bürgermeister Soldini eingefunden, der Hufschmied Pedroni mit der Trommel, der Kaufmann Terraneo, ferner zwei oder drei junge Leute, alle bewaffnet. Die anderen, die gegen Villa weiterziehen wollten, vernahmen nach einem kurzen Wegstück Stimmengewirr und das Getrampel von zoccoli und Schuhen in der Nacht. Und dann sahen sie sie:
«Sie kommen, sie kommen!», riefen die Brüder Boffi. Einer von beiden, der Gemeinderat, war den ganzen Nachmittag im Weinkeller gewesen und liess betrunken seinen Säbel sausen, trat vor und rief:
«Wer da?»
«Gute Freunde.»
«Wer sind diese guten Freunde?»
Einer trat vor: Sie wollten lediglich durchziehen durch Mendrisio. Doch der Gemeinderat beharrte darauf, dass man da nicht durchziehe: «Ich lasse euch einlochen, Hundesöhne!» Die drei drohten damit, alles in Brand zu stecken, und kehrten zu ihren Kameraden zurück.
Da feuerte ein Bursche vom Tor her den ersten Schuss ab, der Metzgergeselle legte das Gewehr an und schoss ebenfalls, doch blieb ihm keine Zeit mehr, neu zu laden, denn ein Schuss aus der Pistole von Mattirolo, der genau in dem Augenblick von der Mauer eines Guts an der Strasse heruntergesprungen war, durchlöcherte die Krempe seines Hutes.
Die Glocken begannen Sturm zu läuten, und der Hufschmied schlug auf seine Trommel, so heftig er nur konnte. Und nun war auch schon der ganze Ort auf den Beinen: schreiende Kinder, Köpfe, die gegen die Fensterläden pressten, um etwas zu erspähen, Männer, die aufrecht und mit gespitzten Ohren im Bett sassen.
«Wir sind Bürger wie ihr. Wir wollen nur durchziehen!»
«Wir wollen Brot!»
«Wir wollen polenta!»
«Wir haben Hunger!»
«Wenn wir sterben müssen, dann sollen die Herrschaften auch sterben!» Und von der anderen Seite:
«Schickt einen vor, dann wollen wir miteinander reden!»
Einer aus Coldrerio näherte sich, doch vom Tor her wurden Rufe laut, man solle den schon einmal festnehmen. Und tatsächlich ergriffen sie ihn.
Darauf vernahm man aus der entfesselten Menge:
«Herrgott! Vorwärts, marsch!»
«Vorwärts, marsch, ihr Hundsfotte, sonst bring ich euch alle um!»
Das war Fasola. Völlig ausser sich liess er seinen Stock sausen gegen die, welche, verängstigt von der Trommel, den Schüssen und dem Ruf «Erste Landjägerabteilung – Vorwärts marsch!», der plötzlich ertönte, sich zu verdrücken versuchten, indem sie in die dunklen Felder auf beiden Seiten der Strasse liefen oder zurückwichen. Einem Teil gelang es, in das Dorf einzudringen und einige der Verteidiger zu entwaffnen.
Sie setzten ihren Weg durch die engen Gassen zur Innenstadt hin fort. Unterwegs versuchten Terraneo und Borometta, sie zu beruhigen, und stellten Geld in Aussicht: Sie sollten sich nicht gegenseitig Schaden zufügen, sie seien doch Brüder; so senkte Boffi, der schon zum Schuss angesetzt hatte, weil er zwei oder drei der Seinen unter den Aufständischen erblickte, sein Gewehr.
Die Bande formierte sich auf dem Platz im Karree und gab Acht auf die Fenster, und der Bürgermeister, der beim Brunnen stand, rief:
«Mattirolo, Mattirolo. Was willst du?»
Er näherte sich ihm und nahm ihn unter freundschaftlichem Getue beiseite, hielt ihm eine Predigt: Was sind denn das nur für Sachen! Die gehören sich doch nicht – in der Nacht durch die Dörfer zu ziehen mit so viel bewaffneten Leuten!
Mattirolo sagte, es gebe nichts zu essen; es sei ihre Absicht, ruhig durch den Ort zu ziehen, um den Mais zu beschlagnahmen. Doch seien am Tor Schüsse gefallen. Der Anwalt versuchte ihm zu erklären, dass es zu dieser Stunde und bei so viel Leuten unmöglich sei, Essen zu finden.
«Verfluchte Reiche! Dann will ich dreissigtausend Lire!»
«Das ist zu viel. Wo soll ich sie denn hernehmen?»
«Dann rücke fünfzehntausend Lire heraus, damit man diesen Männern etwas zu essen geben kann!»
«Wo soll ich denn um diese Zeit eine solche Summe finden?»
«Wenigstens hundert Goldzechinen!»
«Unmöglich!»
Und als der Bürgermeister sich ihm am Arm einhängte, stürzten sich die Aufständischen auf ihn, weil sie meinten, er wolle ihn festnehmen. Statt dessen gingen die beiden zum Beinhaus und diskutierten. Bis der Amtsträger schliesslich die Hand in seine Rocktasche steckte und eine Handvoll Münzen herausholte. Er gab sie ihm und fügte bei, er werde auf den Zeitpunkt ihrer Rückkehr aus Capolago ein schönes Geschenk bereithalten.
Mattirolo steckte die Münzen weg, ohne einen Blick darauf zu werfen. Sie reichten nicht einmal aus für den Schnaps.
Als sie sahen, dass es krumm lief, schlugen viele im Dunkel den Weg nach Torre ein, andere erreichten ihr Dorf auf abgelegenen Pfaden, voll Hunger und Gedanken: So war es also nicht wahr, dass auch die von Mendrisio hätten mitkommen sollen und dass sie es verstehen würden? Oder hatten sie nur eben keinen Mut gehabt, die Schlafmützen? Jemand hatte sogar gerufen: «Vorwärts, brave Kerle, zieht nur durch! Vorwärts, das sind die Unsrigen!» Und man hatte Mattirolo dem Hund von einem Borometta zurufen hören, auch er habe ihn verraten. Weil Mattirolo immer schon an Bewegungen, die der Unterstützung der liberalen Regierung dienten, beteiligt war, hatte er, noch eh sie zu diesem Unternehmen aufgebrochen waren, gesagt, er habe Befehl von den Oberen.
Stand er am Ende nicht unter dem Schutz der Grossen? Der Bürgermeister hatte sich doch vorhin bei ihm eingehängt …
Die Verbliebenen setzten ihren Weg fort nach Capolago. Eingangs Dorf machten sie bei einer Wirtschaft Marschhalt, aber wie sie auch klopften und riefen – nichts. Sie setzten sich am Strassenrand nieder.
Mittlerweile waren Mattirolo und zwei andere zu den Lagerräumen gegangen, um nachzusehen: da war nichts mehr. Die Säcke mit Korn waren bereits mit Booten in Sicherheit gebracht worden. So hatte man das Nachsehen und konnte nur noch Amen dazu sagen.
Da wurden plötzlich Fanfarenstösse laut in der Nacht. Die Fenster öffneten sich da und dort, und die Leute kamen auf die Strasse herunter mit ihren Lichtern und machten sich auf, dem Seeufer entlang: Es waren die Luganeser Truppen, die Musik in Galamontur mit Hahnenfedern auf dem Zweispitz wie für die Karfreitagsprozession. Unter den Klängen eines Militärmarsches setzte sich die Truppe in Bewegung Richtung Mendrisio.
Mattirolo erkannte Maraini, das erste Kornett, wieder und den Hornisten Sirena, die am Marsch von Locarno teilgenommen hatten und später an der Besetzung von Morbio Sotto im Jahre 1843, und er rief ihnen zu, dass sie höllisch falsch spielten: Mochten sie sich für die besten Musikanten des Kantons halten, sie seien halt doch nur lebendige Leichname; es wäre besser, sie würden zurückkehren mit ihrer Trommel, deren Fell allzu schlaff geworden sei und den Marsch der Sieben Makkabäer zu schlagen scheine!
Und weg war er.
Von der Sennhütte bei der Birke war es leicht für einen, der flinke Beine hatte wie Mattirolo, die Fuchs- und Schmugglerpfade zu nehmen: den Weg der Madonnina, den der Höhle, der zu Tre Crocette führt, und danach hinauf über die Höhen gegen den Bisbino. Das war sein Boden. Er konnte sich entlang der Grenze verstecken oder sich bis San Fedele vorwagen, ins Haus des Patrioten Andrea Brenta: Niemand würde ihn verjagen.
Die Kastanien, die Eichen und Buchen liessen zu, dass sein Blick tief zwischen die Stämme und das kahle Geäst eindrang und so die Uniformen der Soldaten sichtete, die gerne wähnen durften, die fünfhundert Lire Kopfgeld zu verdienen …
Er und seine Freunde hatten den bewaffneten Kräften wie der Regierung sagen lassen, dass sie nur kommen sollten, dass sie auf sie warteten. Und der Major Sala hatte sich am Tag nach dem Unternehmen herausgeputzt und war losgezogen an der Spitze einer verstärkten Kolonne.
An der Weggabelung zwischen San Simone und Vacallo hatte ein Schrei Verwirrung unter seinen Leuten gestiftet. Darauf hatte der Major, wie er das völlig verrammelte Wirtshaus des Grazioso sah, aber auch bemerkte, dass ein Fensterladen im ersten Stock aufgehen wollte, Befehl gegeben, auf die Fenster zu feuern. Grazioso, der eben vor dem Stall sein Pferd besorgte, hatte zwar Schritte, Stimmen, die Schüsse und den Lärm von zersplitternden Scheiben gehört, doch galt sein erster Gedanke gleich Mattirolo, der mit ein paar weiteren aus dem Dorf bei ihm aufgetaucht sein mochte, die Doppellaufflinte auf der Schulter, zur Stunde des Katechismus, nur eben so lange, wie’s braucht, ein Glas zu kippen, und um gleich wieder hinaufzusteigen in die schwer zugänglichen Höhen.
Die Soldaten hatten die schönen prallen Mieder von Graziolos Töchter wohlgefällig betrachtet, hatten eine Doppelflinte requiriert und eine mit aufgepflanztem Bajonett, ferner zwei Säbel, ein Gewehr, eine Tasche für die Kugeln mit Messingverschluss und waren dann weitergezogen.
Nachdem Major Sala die Leute aus Vacallo, die den Mund nicht auftaten, befragt und ein paar Häuser durchsucht hatte, ohne irgendetwas zu finden, war er beim Hereinbrechen der Schatten von diesen gefährlichen Örtlichkeiten abgezogen und nach Mendrisio hinuntergestiegen, um seinen Rapport abzufassen.
Wer kannte jene Wälder, jene Höhlen und jene Leute besser als Mattirolo?
Auch die Madonna vom Bisbino war bereit, ihn unter den Mantel zu ziehen, wenn die Häscher kamen, oder ihm mit einem mütterlichen Hinweis ihrer himmelblauen Augen die Nische zu bedeuten, wo er Schutz finden konnte. Oder gar das Wunder vom Feuer zu vollbringen: Kommt der Bandit in einer stürmischen Nordwindnacht in seinen Stoffschuhen auf den Gipfel des Berges, stirbt fast vor Kälte, schichtet neben der Kapelle ein wenig Holz auf; doch er hat nur drei Streichhölzer, und die geben keinen Funken her. Da fällt er vor seinem «Altchen» in die Knie, bittet sie inständig, und – siehe da! – die Flamme entfacht sich, das Feuer wärmt ihn und rettet ihn.
So mögen denn die Soldaten der Bürgerwehr ruhig weiter in den Heustöcken herumstochern mit ihren langen Spiessen, und Lavizzari soll ruhig seine Miteinwohner von Vacallo auch in Zukunft ausfragen, und die Grossräte mögen Reden halten über jene entsetzliche Katastrophe, jenes äusserst schwerwiegende Verbrechen, das den privaten Besitz gefährde und einen Makel setze auf Name und Ehre des Standes Tessin, und das von allen rechtdenkenden Menschen verabscheut werde, weil es von einer Horde von Übeltätern begangen worden sei, von Leuten, die einzig von den Ideen des Kommunismus beherrscht würden. Möge der ehrwürdige Motta ruhig fortfahren damit, der Regierung vorzuschlagen, man solle die Rädelsführer erschiessen oder aufhängen auf der Stelle und ohne Prozess – er, Mattirolo, ist in Sicherheit, und in seinem Versteck denkt er an jene grossen Worte, die ausgesprochen worden sind wegen einer Schar von Verzweifelten, die ein bisschen Mais haben wollten – Anlass genug, den Herrschaften und Anwälten zu nahe zu treten: schon speien sie Feuer und Flammen, drohen mit Zwangsarbeit und Pranger. So war es nicht, als ich vor fünf Jahren den Schwarzrock von einem Pfaffen aus dem Muggiotal umgebracht habe … Dann taucht er seine Feder ins Tintenfass und, während die Gefährten vom Mais nach und nach verhaftet werden und im Gefängnis von Mendrisio ein Papier mit unsicherer Handschrift unterschreiben oder ein Kreuz neben den Namen setzen, schreibt er mit schöner Schrift an die Behörden, er sei bereit, sich der Justiz zu stellen, wenn es sich um acht oder neun Tage handele. Doch da offensichtlich der Cholera morbus den Grossen Rat gepackt hat, zieht er es vor, auf Distanz zu bleiben.