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I. Einführung

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»Die Gedanken sind frei« – das ist ein wunderbares Lied. Aber im Text stecken einige Illusionen. Eine davon gleich in der zweiten Zeile: »Wer kann sie erraten«; und weiter: »Kein Mensch kann sie wissen«. Leider können andere Menschen und Einrichtungen und die Geheimdienste durchaus erraten und erforschen, was wir denken. Und noch schlimmer: Es wird versucht, darauf Einfluss zu nehmen, was wir denken. Zu diesem Zweck wird geforscht, getestet und in der Praxis immer wieder und erfolgreich ausprobiert. Das Ergebnis: Unsere Gedanken sind nicht frei, sie sind manipulierbar.

Trotzdem bleiben wir bei der Grundidee: Die Gedanken sind frei. Wir müssen allerdings etwas tun, um Herr unserer Gedanken zu bleiben. Deshalb dieses Buch. Es lohnt, darüber nachzudenken, was helfen könnte, sich weiterhin und trotz aller Anfechtungen eigene Gedanken zu machen und nicht abhängig zu werden.

Es gibt eine politische Dimension der Gedankenfreiheit beziehungsweise -unfreiheit: Wenn sich eine große Mehrheit keine eigenen Gedanken mehr macht, dann ist die öffentliche Meinung steuerbar und mit ihr sind auch die davon abgeleiteten politischen Entscheidungen steuerbar. Dabei gewinnen jene, die das Steuer für die Meinungsmache in der Hand halten. Sich ihr entgegen stellen ist die politische Dimension des Anspruchs, selber zu denken. Sie ist groß.

Keine der großen Entscheidungen der letzten Jahre und Jahrzehnte ist ohne den Einfluss massiver Propaganda gefallen. Zum Beispiel: die Art der Vereinigung beider Teile Deutschlands, die Agenda 2010 und die Riester-Rente, die Sparpolitik und die Verlotterung der Infrastruktur, die Verschleuderung des sozialen Wohnungsbaus und anderer öffentlicher Unternehmen, die neue Konfrontation mit Russland und der dafür betriebene Feindbildaufbau, Aufrüstung statt der versprochenen Abrüstung, die Beteiligung Deutschlands an militärischen Interventionen – immer wieder war die Propaganda entscheidend und hat auch bestimmt, was und wie etwas geschieht. Deshalb kann man von einer lebendigen Demokratie eigentlich nicht sprechen. Sie ist am Ende, wenn nicht der sogenannte Souverän, sondern die Meinungsmacher bestimmen, wo es langgeht.

Dieses Buch geschrieben habe ich nicht nur wegen dieser politischen Seite der Gedankenfreiheit beziehungsweise der Gedankenunfreiheit. Es gibt auch eine private, den Umgang mit anderen Menschen betreffende Seite: Es tut einem selbst und dem Zusammenleben gut, wenn man auf möglichst viele Menschen trifft, die ihren Kopf immer wieder aufräumen und von äußeren Einflüssen befreien. Das tut gut, weil wohl wir alle ungern mit anderen Menschen zusammenleben und uns austauschen, wenn dieser Gedankenaustausch allzu oft damit enden muss, dass man die Nase rümpft, dass man denkt, »O Gott, was sind die vollgepackt mit Vorurteilen und Denkfehlern«. Der Umgang mit unfreien Menschen macht keinen Spaß.

Das Thema Manipulation in Kombination mit der Frage, wie wir frei davon bleiben und zu guten politischen Entscheidungen kommen, beschäftigt mich zeitlebens. Als junger Erwachsener habe ich zum ersten Mal einen Vortrag zum Thema gehalten. Damals, 1966, ging es um die Frage, wie schon die Sprache beim Manipulieren hilft. Sie ist voller Vorurteile, die mit ihrem Gebrauch weitergegeben werden. Wenn wir zum Beispiel von Wachstum sprechen und von Exportüberschüssen – wie das besonders gern Bundeskanzlerin Merkel getan hat –, dann ist in diesen Begriffen schon eine Wertung enthalten. Und diese Wertung geben wir weiter, wenn wir diese Begriffe nutzen, ohne uns dessen bewusst zu sein. Das ist das besonders perfide.

Wenig später war ich dann als Redenschreiber des damaligen Bundeswirtschaftsministers Karl Schiller, der selbst ein großer Redner und Meister der Meinungsbeeinflussung mithilfe der Sprache war, daran beteiligt, Strategien zu entwickeln, wie man andere Menschen überzeugen kann. Ab 1969 war ich immer wieder an Wahlkämpfen beteiligt und für einige verantwortlich. In dieser Funktion ist man ständig damit beschäftigt, die Zugriffe des Konkurrenten auf die Freiheit des Denkens der Bürgerinnen und Bürger abzuwehren und sich eigene Strategien der Beeinflussung auszudenken.

Der Kampf um die Meinungen wird mit harten Bandagen geführt. Im Oktober 2000 beispielsweise hat ein großer Industrieverband, die Arbeitgeber der Metall- und Elektroindustrie, für die nächsten fünf Jahre 100 Millionen D-Mark für die Organisation Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft bereitgestellt, damit diese Organisation neoliberale Glaubenssätze verbreite. Diese INSM war und ist sehr erfolgreich. Für mich war das damals der zündende Funke für das Projekt NachDenkSeiten. www.nachdenkseiten.de hat als Parole, was auch die Unterzeile des Titels dieses Buches sein könnte: Für alle, die sich noch eigene Gedanken machen.

In diesem Buch ist für jene Menschen, die sich noch eigene Gedanken machen wollen, niedergeschrieben, was hilft, sich die Gedankenfreiheit zu bewahren und Meinungsmache zu durchschauen:

Man sollte die Methoden der Manipulation studieren.

Man sollte möglichst viele Fälle versuchter und gelungener Meinungsmache und die dahintersteckenden Strategien kennen lernen. Ich greife zu diesem Zweck auf aktuelle und vergangene Fälle zurück. Dieses Kapitel mit seinen vielen beispielhaften großen und kleinen Manipulationen ist damit auch historisch interessant. Es kommt ein Blickwinkel zur Sprache, der normalerweise weder in Texten der zeitgenössischen Journalisten noch in jenen der Historiker vorkommt.

Man sollte sich die Personen, vor allem in den Medien, merken, von denen wir mit markanten Täuschungen versorgt werden.

Es hilft, wenn man sich mit anderen zusammentut, also sich mit anderen Menschen über das Phänomen Meinungsmache und Manipulation austauscht. Viele Augen sehen mehr als zwei.

Ich gebe zu, dass ich Sie gerne davon überzeugen würde, sich das Selberdenken zu erhalten und dafür auch ein bisschen etwas zu investieren. Nicht viel. Aufmerksamkeit und die Kenntnis der Tricks der Meinungsbeeinflussung reichen. Wenn viele diesen kleinen Aufwand leisten, wird es viele und immer mehr Menschen geben, deren Gedanken wirklich frei sind. Dann haben wir alle die Chance, immer wieder auf Gleichgesinnte zu treffen. Das Ziel ist, ein großes, breites Milieu zu schaffen, in dem Aufklärung – und damit auch wir alle – zu Hause und gut aufgehoben ist.

Ob das in der verrückten Welt, in der wir leben, noch möglich ist? Das wird ein Stück weit auch von Ihnen und Ihrer Kraft als Lautsprecher der Vernunft und Aufklärung abhängen.

Zum Schluss dieser Einführung noch eine Anmerkung für jene Leserinnen und Leser, die in der DDR aufgewachsen sind: Ein größerer Teil der Fälle von Meinungsmache, die hier beschrieben und analysiert werden, spielen im Westen. Das folgt aus der Herkunft des Autors. Aber Sie werden sehen, dass das Geschehen auch für Sie nicht fremd ist und die Titelbotschaft sowieso nicht: Glaube wenig. Hinterfrage alles. Denke selbst.

Glaube wenig, hinterfrage alles, denke selbst

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