Читать книгу Ein Jahr wie kein anderes – Eine Sylt-Romanze - Alea Raboi - Страница 6

1. Kapitel

Оглавление

Joris – Dienstag

Seit Kurzem bin ich verliebt. Ja, tatsächlich! In eine südländische Schönheit. Für mich als Landwirt ist es nicht einfach, eine Frau zu finden. Die meisten Frauen wollen in die Stadt ziehen, auf das Festland, um dort ihrem knallharten Karriereplan zu folgen.

Als ich die Hoffnung bereits aufgegeben hatte, traf ich sie. Die chaotische, temperamentvolle Unbekannte. Na ja, ganz so unbekannt nicht. Besser gesagt: Ihre Familie, genauer ihr Vater und sein Geschäft, sind hier in einem Vorort von Hörnum nicht unbekannt.

Ich weiß ja nicht, was Sie für Eltern haben, aber meine waren elitär und sehr patriotisch, allen voran meine Mutter. Solchen Eltern dann mitzuteilen, in angeheitertem Zustand eine arbeitslose Griechin, die man erst kürzlich kennen gelernt hat, geschwängert zu haben, ist nicht gerade einfach, wie ich feststellen musste …

*

Ich brachte meinen roten Fendt auf Hochglanz. Die braune Brühe aus Erde und Gras sickerte in den Schacht. Kurzerhand entschloss ich mich, mit meinem Lieblingsgefährt bei meinen Eltern vorbeizuschauen, die ebenfalls in Hörnum lebten, jedoch in einer Straße mit Nachbarn, die gut verdienten. Sehr gut sogar. Das war meiner Mutter schon immer wichtig gewesen. Auf einem Hof etwas abseits lebte ich. Abgeschottet, aber glücklich. Zu meinen Eltern musste ich ohnehin, also wieso das Unausweichliche weiter hinausschieben?

Mein Leben hatte sich innerhalb weniger Wochen komplett gedreht, jetzt mussten es noch meine Eltern erfahren – und davor graute es mir.

Den Gefallen, ohne landwirtschaftliches Fahrzeug, wie sie es nannte, vor ihrem Haus zu parken, wollte ich ihr nicht tun. Meine Mutter würde ausflippen, wenn sie den Traktor auf dem Parkplatz sähe. Sie sorgte sich stets mehr um die Meinung ihres Umfelds als um ihre Familie. Mittlerweile war es mir aber gleichgültig geworden.

Ich ließ den Motor laufen und tuckerte los. Passierte die Bierstube Ledel’s, in der ich hin und wieder abends die Zeit vergaß, und gondelte an der Arche vorbei. Einige Meter folgte ich der Straße, dann bog ich links in die Quartierstraße.

In der Einfahrt stellte ich meinen Traktor ab und klingelte.

Mein Vater Palle und meine Mutter Dineke waren vor einem Jahr in das Haus gezogen. Drei großzügige Schlafzimmer, drei Nasszellen, eine offene Küche in einem modernen Rot, ein Wohn- und Essbereich mit offenem Kamin.

Mein alter Herr und ich setzten uns auf die schwarze Ledercouch, und Mutter servierte Kaffee und ließ sich neben ihrem Gatten auf das Sofa sinken. »Na, mein Junge, was gibt es denn so Dringendes?«

Ich atmete einmal tief durch und fasste all meinen Mut zusammen. Dann schoss ich heraus: »Ihr werdet Großeltern.«

»Das … das ist ja toll, Joris!«, freute sich Vater.

Meine Mutter strahlte über beide Ohren. »Und? Wer ist denn die Glückliche? Sandra? Ah, nein. Sag nichts, ich weiß es. Jule, stimmt’s? Hans-Jörgs Jule.«

Das konnte doch nicht wahr sein. Typisch Mutter. Schon seit Jahren versuchte sie, mich mit der Tochter eines Unfallchirurgen zu verkuppeln. Ich schüttelte den Kopf. Doch bevor ich überhaupt Aliki erwähnen konnte, redete sie launig weiter.

»Joris, ich freue mich ja so sehr. Ach, Gottchen. Die Jule. Aber ehrlich gesagt, das wurde endlich mal Zeit. In deinem Alter …«

Ja, ja. In meinem Alter.

»Ich habe schon gar nicht mehr daran geglaubt, Oma zu werden.«

»Es ist nicht Jule, Mama.«

»Ach, nicht? Na, jetzt bin ich aber gespannt. Wer ist es denn?«

»Ihr kennt sie nicht. Sie heißt Aliki. Aliki Angelopoulos.«

Die Blicke meiner Eltern trafen sich mit ernstem Gesichtsausdruck. Dann starrten sie mich an.

»Wie heißt sie?«, schossen sie unisono heraus.

»Aliki Angelopoulos. Sie … ist Griechin.«

»Griechin«, murmelte mein Vater trocken.

Mutter schnaubte laut durch, um dann mit ruhiger Stimme auf mich einzureden. »Eine Griechin also.« Sie räusperte sich und sprach weiter, nicht mehr ganz so ruhig. »Joris, du musst aufpassen. Bei denen weiß man nie. Das ist ein südländisches Volk. Hinzu kommt, dass das Land hoch verschuldet ist. Die hat sich doch nur schwängern lassen, damit du sie heiratest und sie dann leichter an einen deutschen Pass kommt.«

»Was? Ach, Mama, bitte. Das ist doch Schwachsinn. Sie ist ganz anders. Und ihre Eltern, die sind so herzlich.«

»Ihre Eltern«, brummte mein Vater. »Du hast ihre Eltern bereits kennengelernt?«

»Ja. Und sie sind supernett. Ihnen gehört der Hellas-Imbiss.«

»Oh, nein, nicht das Hellas. Doch nicht etwa die Familie«, maunzte Mutter. »Der Chef dort läuft ständig im gerippten Unterhemd herum. Also, nicht, dass ich jemals dort gewesen wäre. Aber das erzählt man sich eben. Der hat wohl noch nie etwas von Anstand gehört.«

Ich lachte auf. »Ja, das ist Costa. Costa der Zweite. Alikis Vater.«

Einige Sekunden schwebte eine eisige Stille über uns.

»In Ordnung«, unterbrach meine Mutter die Ruhe. »Wir sind eine Familie, und wir stehen das gemeinsam durch.«

Sie blickte kurz zu Vater, dann wieder zu mir. Wow! Das waren ja ganz neue Töne aus ihrem Mund.

»Dein Vater und ich zeigen uns hilfsbereit, und wir werden dieser Frau den Abort bezahlen.«

»Das kommt nicht infrage!«, polterte ich zurück.

Doch nicht ganz neue Töne.

»Und übrigens: Ich liebe sie. Es war Liebe auf den ersten Blick.«

Mein Vater meldete sich wieder zu Wort: »Also, bei einem kann sich diese Frau sicher sein: Deine Mutter und ich werden nicht auf das Baby schauen. Wir haben unser eigenes Leben. Und ich will nicht, dass diese Frau unser Haus betritt. Und ebenso wenig will ich, dass du konvertierst. Diese Leute sind orthodox, Junge! Die sind nicht so wie wir.«

Das war ja wohl die Höhe. Ich musste mich zusammenreißen, um nicht ausfällig zu werden. »Es besteht kein Grund zur Sorge, Papa«, beruhigte ich ihn und stand auf. »Ihre Eltern lassen übrigens ausrichten, dass sie euch sehr gerne kennenlernen würden.«

Meine Mutter rollte daraufhin die Augen, sagte aber nichts. Niedergeschlagen verließ ich die Wohnung. Mir war durchaus bewusst gewesen, dass meine Eltern kein Freudentänzchen aufführen würden. Aber auf so großen Widerstand zu treffen, damit hatte ich nicht gerechnet.

Ein Jahr wie kein anderes – Eine Sylt-Romanze

Подняться наверх