Читать книгу Kurzgeschichten für Erwachsene - Alegra Cassano - Страница 4
Dann geh ich eben zum Nachbarn
Оглавление„Entweder besorgst du es mir jetzt richtig, oder ich gehe zu unserem Nachbarn!“
Luisa war sauer. Wieder mal hatte ihr Freund Volker keinen Bock auf richtigen Sex.
„Ach nee, ich hab noch so viel für die Uni zu tun. Wenn du magst, kannst du mir ja einen blasen“, hatte er gesagt.
Da konnte er aber lange drauf warten. Was bitte hatte sie denn davon?
Den ganzen Tag hatte Luisa schon unbändige Lust auf Sex. Sie hätte es sich selbst machen können, wie so oft, aber sie hatte gehofft, dass Volker sie mal wieder so schön verwöhnen würde, wie früher. Ob er eine Andere hatte? Es war schon auffällig, wie wenig Lust er zurzeit auf Sex hatte. Jedenfalls auf Sex mit ihr.
„Hast du eine Andere?“, sprach Luisa ihre Befürchtung aus. Sie hatte sich so hübsch gemacht, trug den weißen Spitzenbody, den er ihr geschenkt hatte und dazu High Heels, weil er das sexy fand. Die Haare hatte sie sich frisch gewaschen, geföhnt und zu einer wilden Mähne gestylt. Alles wie Volker es gern hatte. Und nun diese Enttäuschung. Sie hätte heulen können, wäre sie nicht zu stolz dafür gewesen.
„Wie kommst du denn darauf?“, fragte er zurück, ohne richtig ja oder nein zu sagen.
Luisa schnaufte: „Du willst nicht mit mir poppen, also wirst du das wohl mit einer Anderen tun“, stellte sie fest. Frauenlogik.
Volker suchte nach Worten.
„Wenn du mir schon zu viel bist, werde ich mir doch nicht noch eine Andere ans Bein binden“, meinte er schließlich.
„Ich? Zu viel?“, brauste Luisa auf, „Wir machen es doch kaum noch zusammen. Immer muss ich selbst Hand anlegen. Was kann dir denn da bitte zu viel sein?“
„Ich habe echt viel Stress zurzeit. Da habe ich Anderes im Kopf. Du willst ja drei Mal am Tag. Wie soll ein Mann das denn schaffen?“
„Da gibt’s bestimmt welche, die sich darüber freuen würden“, meinte Luisa schnippisch. Sie ging zur Garderobe und zog ihren Mantel vom Bügel.
„Wo willst du denn hin?“, fragte Volker alarmiert.
„Zu unserem Nachbarn“, gab Luisa wie selbstverständlich zurück. Volker sprang auf: „Das kannst du doch nicht machen!“, rief er aufgebracht.
„Das wirst du gleich sehen, ob ich das machen kann“, entgegnete Luisa kalt. Volker gab die Tür frei. Sollte sie doch rüber gehen. Dann würde sie schon sehen, was sie davon hatte. Als wenn der Nachbar sie gleich flachlegen würde! Was dacht die sich denn?
„Bis später“, fauchte Luisa und verschwand aus der Wohnung.
„Viel Spaß!“, rief Volker ihr nach und knallte die Tür zu. Würde sie das wirklich machen? Er wusste, welchen Nachbarn sie meinte. Der hatte sie schon öfter angesprochen und auf einer Party mit ihr getanzt. Eifersucht loderte in Volker auf. Sollte er ihr hinterher laufen? Aber das wollte sie wahrscheinlich nur. Vermutlich würde sie gar nicht bei dem Nachbarn klingeln, sondern eine Runde um den Block laufen. Aber in Unterwäsche und Mantel? Und selbst wenn sie dort klingelte und rein gelassen wurde. Das hieß doch noch lange nicht, dass zwischen den beiden was laufen musste.
Volker setzte sich an den PC und rief seinen Unterlagen auf, mit denen er heute fertig werden musste. Warum konnte Luisa nicht verstehen, dass er lernen musste, um einen guten Abschluss zu machen? Leider konnte er sich jetzt überhaupt nicht auf den Text konzentrieren. Da wäre er noch schneller vorangekommen, hätte er sie kurz rangenommen. Verdammt!
Volker griff sich seine Jacke und verließ kurzentschlossen die Wohnung.
An der Tür des Nachbarhauses klingelt er Sturm. Wenn Luisa jetzt wirklich hier war, wusste er nicht, was er tun würde. Es dauerte eine Weile, bis geöffnet wurde. Der Nachbar spähte durch den kleinen Spalt, den er die Tür geöffnet hatte. Volker sah, dass er nur ein Handtuch umgebunden hatte.
„Was gibt’s denn so Dringendes?“, fragte der halbnackte Mann. Volker sah Rot. Er stürmte so heftig gegen die Tür, dass sein Gegenüber nach hinten stolperte.
„Wo ist sie?!“, schrie er. Der Nachbar starrte ihn ängstlich an. Volker wartete nicht auf eine Antwort und stürmte ins Schlafzimmer. Da die Wohnungen alle gleich geschnitten waren, wusste er, wo das war. Eine Gestalt hatte sich unter der Bettdecke versteckt. Volker zerrte an der Decke, bis ihn jemand von hinten packte.
„Bist du vollkommen bescheuert?!“, schrie der Nachbar ihn an.
„Du treibst es mit meiner Freundin und ich soll bescheuert sein?!“, schrie Volker zurück. Dann hatte er endlich die Gestalt auf dem Bett enthüllt. Seine Vermieterin starrte ihn genauso entgeistert an, wie er sie.
„Verschwinde!“, fauchte der Nachbar und zerrte ihn aus dem Schlafzimmer. Volker war noch so perplex, dass er nicht reagierte. Erst an der Wohnungstür stotterte er eine Entschuldigung.
Wo war Luisa? Volker schüttelte sich bei dem Gedanken an die nackte Frau, die er gerade vor sich gehabt hatte. Wie konnte der Nachbar nur mit dieser alten Vettel in die Kiste steigen? Vielleicht hatte Luisa ja bei ihm geklingelt und er war da schon beschäftigt gewesen. Er musste sie finden, bevor sie noch weitere Dummheiten machte. Wo konnte sie nur hingegangen sein?
Stunden später kam Volker nach einer ergebnislosen Suche zurück nach Hause. Er hatte seine Freundin nirgendwo finden können, und war völlig verzweifelt. Mit hängenden Schultern betrat er die Wohnung.
„Wo kommst du denn her?!“, wurde er angefahren.
„Luisa!“, rief er erfreut und ging auf sie zu.
„Du hast gesagt, du hast keine Zeit und dann treibst du dich stundenlang in der Gegend herum!“, warf sie ihm vor, „wenn du bei der Anderen warst, dann sag es jetzt und wir machen Schluss!“
Volker war wie vor den Kopf geschlagen. Was glaubte Luisa denn eigentlich von ihm?
„Ich habe dich gesucht!“, schrie er.
„Ich war die ganze Zeit hier!“, rief sie zurück.
Das konnte doch nicht wahr sein!
„Ich habe gesehen, wie du weggegangen bist“, blieb Volker stur.
„Und ich habe gesehen, wie du weggegangen bist!“, hielt Luisa dagegen. Das verstand er nicht.
„Ich bin dich suchen gegangen“, erklärte er schließlich mit zusammengebissenen Zähnen.
„Ist doch klar, dass du das jetzt behauptest“, gab sie zurück. Es war zwecklos. Mit dieser Frau konnte man einfach nicht diskutieren. Sie hatte immer das letzte Wort. Angriffslustig blitzte sie ihn von der Couch her an. Sie trug immer noch die Dessous und sah zum Anbeißen aus.
Volker entschied sich zum Angriff überzugehen. Jedes weitere Wort war verschwendet. Sie standen sich gegenüber, wütend und aufgebracht. Dann griff Volker in Luisas langes Haar, zog ihren Kopf zu sich heran und küsste sie so leidenschaftlich wie lange nicht mehr. Sofort merkte er, wie sie weicher wurde, ihre starre Haltung aufgab. Während sie sich küssten, als wäre es das letzte Mal, begann Luisa ihn auszuziehen. Lachend und albernd landeten sie auf der Couch.
„Es ist so schön mit dir zu streiten“, hauchte Luisa ihrem Freund ins Ohr, bevor sie ihn zärtlich ins Ohrläppchen biss.