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Fünfter Theil
Zweites Capitel.
Die Engelsburg spricht

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Als der König, um den Pincioberg zu besteigen, den Volksplatz passierte, sah er jenen interessanten, aus Frauen und Kindern zusammengesetzten Theil der Bevölkerung um einen Scheiterhaufen herumtanzen, welcher in der Mitte des Platzes loderte. Beim Anblicke des Königs machten die Tänzer Halt, um aus vollem Halse zu schreien: »Es lebe der König Ferdinand! Es lebe Pius der Sechste!«

Der König machte Halt und fragte, was diese wackern Leute hier machten und was dies für ein Feuer sei, an welchem sie sich wärmten.

Man antwortete ihm, daß dieser Scheiterhaufen von dem Holze des Freiheitsbaumes aufgebaut worden, den vor achtzehn Monaten die Consuln der römischen Republik gepflanzt.

Diese Anhänglichkeit an die guten Grundsätze rührte Ferdinand. Er zog daher eine Handvoll Münzen aller Art aus der Tasche, warf sie mitten unter die Volksmenge hinein und rief:

»Bravo, meine Freunde, amüsiert Euch!«

Die Weiber und die Kinder stürzten sich auf die Ducaten und Piaster des Königs Ferdinand. Es fand ein furchtbares Handgemenge statt; die Weiber schlugen auf die Kinder los, die Kinder kratzten die Weiber und es ward wie toll durch einander geschrieen und geheult, obschon die Beschädigungen alle nur unbedeutend waren.

Auf dem Platze Navone sah er einen zweiten Scheiterhaufen.

Er that dieselbe Frage, und erhielt dieselbe Antwort.

Der König griff nun nicht mehr in seine Tasche, sondern in die des Herzogs von Ascoli, nahm eine zweite Handvoll Geld heraus und warf sie, da hier das Volk aus Männern und Frauen bestand, unter die Tänzer und Tänzerinnen hinein.

Diesmal waren es, wie wir soeben sagten, nicht blos Weiber und Kinder, sondern es waren auch Männer darunter. Das starke Geschlecht glaubte größeres Recht auf das Geld zu haben als das schwache; die Liebhaber und die Männer der geschlagenen Frauen zogen ihre Messer, einer der Tänzer ward verwundet und ins Hospital getragen.

Auf dem Platze Colonna fand derselbe Vorgang statt. Diesmal jedoch endete er zum Ruhm der öffentlichen Moral. In dem Augenblicke nämlich, wo die Messer ihre Rolle spielen sollten, ging ein Bürger, den Hut über die Augen herabgezogen und in einen großen Mantel gehüllt vorüber.

Ein Hund bellte ihn an.

Ein Knabe schrie: »Jakobiner!«

Der Ruf des Knaben und das Gebell des Hundes lenkten die Aufmerksamkeit der Streitenden auf den Bürger in dem Mantel und mit dem herabgezogenen Hute und ohne auf seine Worte zu hören, stieß man ihn ohne Weiteres in den Scheiterhaufen, wo er unter dem Freudengeheule des Pöbels jämmerlich umkam.

Plötzlich kam einer dieser Wahnsinnigen auf einen anderweiten herrlichen Gedanken. Diese Freiheitsbäume, welche man umhieb und in Kohlen und Asche verwandelte, waren nicht von selbst hier gewachsen, man hatte sie gepflanzt.

Diejenigen, welche sie gepflanzt hatten, waren natürlich strafbarer, als die armen Bäume, welche sich, und vielleicht nur höchst ungern, hatten pflanzen lassen.

Es galt daher, strenge Gerechtigkeit zu üben und sich an die Pflanzer und nicht an die Bäume zu halten.

Wer hatte aber diese gepflanzt?

»Es waren, wie wir schon oben einmal bemerkt, die beiden Consulen der römischen Republik, Mattei von Valmontone und Zaccalone von Piperno gewesen.

Diese beiden Namen, waren seit einem Jahre gesegnet und geehrt von der Bevölkerung, welcher diese beiden wahrhaft freisinnigen Beamten ihre Intelligenz und ihr Vermögen gewidmet hatten.

Am Tage der Reaction aber verzeiht das Volk eher dem, der es verfolgt, als dem, der sich ihm gewidmet hat, und gewöhnlich werden seine ersten Vertheidiger auch seine ersten Märtyrer.

»Die Revolutionen sind wie Saturn,« sagt Vergniaut, »sie verschlingen ihre eigenen Kinder.«

Ein Mann, welcher Zaccalone gezwungen hatte, seinen Sohn in die Schule zu schicken, ein auf die persönliche Freiheit eifersüchtiger junger Römer, machte daher den Vorschlag, einen der Freiheitsbäume stehen zu lassen, um die beiden Consuln daran zu hängen.

Dieser Vorschlag fand natürlich einstimmig Annahme, und es galt, um ihn in Ausführung zu bringen, nun blos einen Baum als Galgen stehen zu lassen und sich der beiden Consuln zu bemächtigen.

Man dachte an die noch nicht abgehauene Pappel auf dem Platze der Rotunda und da die beiden Beamten, der eine in der Via della Maddalena, der andere in der Via Pie di Marmo wohnten, so betrachtete man diese Nähe als einen von der Vorsehung gefügten glücklichen Umstand.

Man eilte sofort nach ihren Häusern. Zum Glück aber hatten die beiden Beamten ohne Zweifel sehr richtige Begriffe von der Dankbarkeit, die man von den Völkern zu erwarten hat, zu deren Befreiung man beigetragen. Beide hatten Rom verlassen.

Ein Klempner aber, dessen Laden an Matteis Haus stieß und welchem Mattei zweihundert Thaler geliehen, um ihn vom Bankerott zu retten, und ein Kräuterhändler, welchem Zaccalone seinen eigenen Arzt geschickt, um seine Frau von einem gefährlichen Fieber zu kurieren, erklärten, sie wüßten so ziemlich genau den Ort, wohin die beiden Schuldigen sich geflüchtet, und erboten sich, sie auszuliefern.

Dieses Anerbieten ward mit Enthusiasmus angenommen, und um den Weg nicht vergebens gemacht zu haben, begann der tolle Volkshaufen die Häuser der beiden Abwesenden zu plündern und die Möbel zu den Fenstern hinauszuwerfen.

Unter diesen Möbeln befand sich bei jedem eine prachtvolle Stutzuhr von vergoldeter Bronze. Die eine stellte das Opfer Abrahams, die andere Hagar und Ismael in der Wüste umherirrend vor, und jede trug die Unterschrift, welche bewies, daß beide aus ein und derselben Quelle herrührten:

»Den Consuln der römischen Republik die dankbaren Israeliten.«

Und in der That hatten die beiden Consuln ein Decret ausfertigen lassen, kraft dessen die Juden wieder Menschen wurden wie andere, und Antheil an den Rechten des Bürgers erhielten.

Dies erinnerte an die unglücklichen Juden, an welche man nicht dachte, und an die man wahrscheinlich auch nicht gedacht haben würde, wenn sie nicht das Unrecht begangen hätten, dankbar zu sein.

Der Ruf: »Nach dem Ghetto! nach dem Ghetto!« erscholl, und man stürzte nach dem Quartier der Juden.

Seit der Proclamation des Decrets, durch welches die römische Republik die unglücklichen Juden zum Range von Bürgern erhob, hatten sie sich beeilt, die Schranken, welche sie von der übrigen Gesellschaft trennten, zu beseitigen und sie hatten sich in der Stadt ausgebreitet, wo einige von ihnen Zimmer gemiethet und Kaufläden eröffnet hatten.

Gleich nach dem Abmarsche Championnet's aber hatten sie, weil sie sich nun wieder verlassen und schutzlos fühlten, abermals in ihre Quartiere geflüchtet und die Schranken und Thore derselben wieder aufgerichtet, nicht mehr um sich von der Welt zu trennen, sondern um ihren Feinden ein Hinderniß entgegenzustellen.

Es gab daher keinen freiwilligen Widerstand gegen die Menge, sondern blos ein materielles Hinderniß gegen ihr gewaltsames Eindringen.

Dieselbe Menge, welche stets am sinnreichen Auskunftsmitteln so erfinderisch ist, kam nun auf den Gedanken, die Thore und Schranken des Ghetto nicht einzuschlagen, sondern von dem nächsten Scheiterhaufen genommene Feuerbrände darüber hinwegzuschleudern.

Die Feuerbrände folgten rasch auf einander. Die Vervollkommner – es gibt deren überall – überzogen sie mit Pech und Terpentin. Es dauerte nicht lange, so bot der Ghetto den Anblick einer bombardierten Stadt dar und nach Verlauf einer halben Stunde hatten die Belagerer die Genugthuung, an mehreren Stellen Flammen zu sehen, welche fünf oder sechs Feuersbrünste verriethen.

Nach Verlauf einer einstündigen Belagerung stand der ganze Ghetto in Flammen.

Nun öffneten sich die Thore von selbst, und mit entsetzlichem Geschrei stürzte diese ganze unglückliche, aus dem Schlafe aufgeschreckte Bevölkerung, Männer, Frauen und Kinder, halbnackt durch das Thor, wie ein Strom, der die Dämme durchbricht, und verbreitete sich durch die Stadt oder versuchte dies vielmehr.

Dies war es eben, was der Pöbel erwartete. Jeder packte seinen Juden und machte sich ein grausames Vergnügen mit ihm. Das ganze Register der Martern ward an diesen Unglücklichen erschöpft. Die einen zwang man mit nackten Füßen auf glühenden Kohlen zu gehen und dabei ein Schwein in dem Arm zu halten. Andere wurden unter den Achselhöhlen zwischen zwei Hunden aufgehängt, welche man mit den Hinterpfoten nach oben befestigt und die toll vor Schmerz und Wuth ihre Nachbarn zerfleischten.

Ein Anderer endlich, den man bis auf den Gürtel entkleidet und dem man eine Katze auf den Rücken gebunden, ward durch die Stadt geführt und mit Ruthen gepeitscht, so daß das zugleich mit getroffene Thier den Unglücklichen mit Zähnen und Krallen zerriß. Andere, die glücklicher waren, wurden in die Tiber geworfen und einfach schlechtweg ersäuft.

Diese grausamen Belustigungen dauerten nicht blos die ganze Nacht hindurch, sondern auch während des nächstfolgenden und des dritten Tages und boten sich unter so vielen Gestalten dar, daß der König endlich fragte, wer die Menschen seien, die man auf diese Weise marterte.

Man antwortete ihm, es seien Juden, welche die Unklugheit gehabt hätten, sich, dem Dekrete der Republik gemäß, als gewöhnliche Menschen zu betrachten und die demzufolge Christen beherbergt, Eigenthum angekauft, den Ghetto verlassen, sich in die Stadt eingedrängt, Bücher verkauft, von katholischen Aerzten behandeln lassen und ihre Todten bei Fackelschein beerdigt hätten.

Der König Ferdinand konnte kaum glauben, daß alle diese Gräuel wirklich geschehen seien. Endlich aber hielt man ihm das Dekret der Republik, welches den Juden ihre Bürgerrechte zurückgab, vor die Augen und er mußte nun wohl glauben.

Er fragte, wer die von Gott verlassenen Menschen seien, die ein solches Dekret ausgefertigt, und man nannte ihm die Consuln Mattei und Zaccalone.

»Aber man sollte eher diese Menschen strafen, als die, welche von ihnen emanzipiert worden,« rief der König, der selbst in seinen Vorurtheilen noch einen gesunden Menschenverstand bewahrte.

Man antwortete ihm, man habe schon daran gedacht. Man suche auch bereits die Schuldigen und zwei Bürger hätten sich anheischig gemacht, sie auszuliefern.

»Gut,« sagte der König, »sie mögen es thun; es soll jeder von ihnen fünfhundert Ducaten bekommen und die beiden Consuln sollen gehängt werden.«

Die Kunde von der Freigebigkeit des Königs verbreitete sich und verdoppelte den Enthusiasmus. Das Volk fragte sich, was es einem so guten Könige, der seine Wünsche so trefflich unterstützte, darbringen könnte. Man berieth sich über diesen wichtigen Punkt, und da der König sich anheischig machte, die Consuln durch einen wirklichen Henker und an wirkliche Galgen hängen zu lassen, so beschloß man den letzten Freiheitsbaum, den man in dieser Absicht noch hatte stehen lassen, umzuhauen und Scheite daraus zu spalten, damit der König das Vergnügen hätte, sich mit revolutionärem Holze einheizen zu lassen.

Man brachte ihm demzufolge ein ganzes Fuder, welches er freigebigerweise mit tausend Ducaten bezahlte.

Der Gedanke schien ihm überhaupt ein so glücklicher zu sein, daß er die zwei größten Scheite bei Seite legte und mit folgendem Briefe der Königin übersendete:

»Meine theure Gattin!

»Sie haben bereits Kenntniß von meinem glücklichen Einzuge in Rom, ohne daß ich unterwegs auf das mindeste Hinderniß gestoßen wäre. Die Franzosen sind verschwunden wie ein Rauch. Es bleiben allerdings noch die fünfhundert Jakobiner der Engelsburg; dieselben verhalten sich aber so ruhig, daß ich glaube, sie wünschen nur Eins, nämlich vergessen zu werden.

»Mack rückt morgen mit fünfundzwanzigtausend Mann aus, um die Franzosen anzugreifen. Unterwegs wird er sich mit Micheroux Armeekorps vereinigen, so daß er dann achtunddreißig bis vierzigtausend Mann zur Verfügung hat und den Franzosen den Kampf nur mit der sicheren Aussicht, sie zu zermalmen, anbieten kann.

»Wir leben hier in fortwährenden Festlichkeiten. Werden Sie wohl glauben, daß diese elenden Jakobiner die Juden emanzipiert hatten?

»Seit drei Tagen macht das römische Volk in den Straßen von Rom Jagd auf sie, gerade so, wie ich in dem Wald von Persano Jagd auf meine Damhirsche und in den Forsten von Asproni Jagd auf meine Eber machte. Wie es heißt, ist man auch den beiden Consuln der sogenannten römischen Republik auf der Spur. Ich habe auf den Kopf eines jeden einen Preis von fünfhundert Ducaten gesetzt. Ich glaube, es wird ein gutes Beispiel geben, wenn sie gehängt werden, und wenn man sie hängt, so werde ich der Besatzung von der Engelsburg die Ueberraschung bereiten, dieser Hinrichtung beizuwohnen.

»Ich schicke Ihnen zum Kaminfeuer für den Weihnachtsabend zwei große Scheite von dem Freiheitsbaume der Rotunde. Wärmen Sie sich mit allen unsern Kindern gut daran, und denken Sie dabei an Ihren Gatten und Vater, der Sie liebt.

»Morgen erlasse ich ein Edict, um unter diesen Juden wieder ein wenig Ordnung zu machen, sie in ihren Ghetto zurückzuschicken und einer angemessenen Aufsicht zu unterstellen. Ich werde Ihnen von diesem Edict, sobald es erlassen ist, eine Abschrift zustellen.

»Verkünden Sie in Neapel die Gunst, womit die göttliche Güte mich überhäuft. Laffen Sie ein Tedeum von unserm Erzbischof Capece Zurlo singen, der, wie ich glaube, schon bedeutend vom Jakobinismus angesteckt ist. Es wird dies seine Strafe sein. Ordnen Sie öffentliche Festlichkeiten an und fordern Sie Vanni auf, die Angelegenheit jenes verwünschten Nicolino Caracciolo zu beschleunigen.

»Von den Erfolgen unseres berühmten General Mack werde ich Sie in demselben Maße unterrichtet halten, wie ich selbst davon in Kenntniß gesetzt werde.

»Bleiben Sie immer bei guter Gesundheit und glauben Sie an die aufrichtige und ewige Zuneigung Ihres Schülers und Gatten

»Ferdinand B.«

»Nachschrift. Meine besten Grüße an Mesdames. Wenn diese guten Prinzessinnen auch ein wenig lächerlich sind, so sind sie doch deswegen nicht weniger die erhabenen Töchter des Königs Ludwig des Fünfzehnten. Sie können auch Airola ermächtigen, den sieben Corsen, welche ihnen als Leibgarde gedient haben und durch den Grafen Narbonne empfohlen worden, welcher, glaube ich, einer der letzten Minister Ihrer lieben Schwester Maria Antoinette gewesen ist, eine kleine Zahlung zu machen. Dies würde ihnen Vergnügen machen, ohne uns zu etwas zu verpflichten.«

Am nächstfolgenden Tage erließ Ferdinand wirklich, wie er seiner Gemahlin geschrieben, jenes Dekret, welches weiter nichts war, als die Wiederinkraftsetzung des von der »sogenannten« römischen Republik abgeschafften Edicts.

Unser Gewissen als Historiker gestattet uns nicht, eine Sylbe an diesem Decrete zu ändern. Uebrigens ist es das auch heutzutage noch zu Rom in Kraft bestehende Gesetz.

»Artikel 1. Kein in Rom oder in den römischen Staaten wohnhafter Israelit darf Christen beherbergen, oder beköstigen, oder in seinen Dienst nehmen, wenn er nicht in die von den päpstlichen Decreten bestimmte Strafe verfallen will.

»Artikel 2.

Sämtliche Israeliten in Rom und den päpstlichen Staaten müssen ihre bewegliche und unbewegliche Habe innerhalb drei Monaten verkaufen, außerdem wird dieselbe versteigert.

»Artikel 3. Kein Israelit darf ohne Erlaubniß der Regierung in Rom oder in irgend einer andern Stadt des Kirchenstaates wohnen. Im Uebertretungsfalle werden die Schuldigen in ihre betreffenden Ghetti zurückgeführt werden.

»Artikel 4. Kein Israelit darf die Nacht außerhalb seines Ghetto zubringen.

»Artikel 5. Kein Israelit darf freundschaftliche Beziehungen zu einem Christen unterhalten.

»Artikel 6. Die Israeliten dürfen bei Vermeidung von hundert Thaler Gefängnißstrafe und sieben Jahre Gefängniß keinen Handel mit heiligen Zierathen oder mit Büchern irgend welcher Art treiben.

»Artikel 7. Jeder katholische Arzt, der zu einem Juden gerufen wird, muß ihn vor allen Dingen zu bekehren suchen. Wenn der Kranke sich weigert, so muß er ihn ohne Hilfe lassen. Der Arzt, welcher diesem Befehle entgegenhandelt, jetzt sich der ganzen Strenge des heiligen Officiums aus.

»Artikel 8. Die Israeliten dürfen bei Beerdigung ihrer Todten keine Ceremonien veranstalten, namentlich bei Strafe der Confiscation sich keiner Fackeln bedienen.

»Vorstehendes Decret wird den Ghetti mitgetheilt und in den Synagogen publiciert werden.«

Am Tage nach dem, wo dieses Decret erlassen und angeschlagen ward, nahm der General Mack Abschied vom König, indem er fünftausend Mann zur Bewachung Roms zurückließ, und zog durch das sogenannte Volksthor, um, wie Ferdinand seiner Gemahlin geschrieben, Championnet zu verfolgen und ihn überall, wo er mit ihm zusammentreffen würde, anzugreifen.

In demselben Augenblicke, wo seine Arrieregarde sich in Marsch setzte, kam auf dem entgegengesetzten Ende von Rom, das heißt durch das Thor San Giovanni, ein Zug herein, der sich sehr originell ausnahm.

Vier berittene neapolitanische Gendarmen, die an ihren Tschakos die rothweiße Kokarde trugen, ritten zwei Männern voran, die mit den Armen an einander gebunden waren. Diese beiden Männer trugen weißbaumwollene Mützen und weite Kittel von unbestimmter Farbe, wie die Kranken in Hospitälern zu tragen pflegen.

Sie saßen auf zwei ungesattelten Eseln und jedes dieser Thiere ward von einem Manne aus dem Volke geführt, welcher, mit einem dicken Knüppel bewaffnet, die Gefangenen bedrohte und insultirte.

Diese Gefangenen waren die beiden Consuln der römischen Republik, Mattei und Zaccalone, und die beiden Männer aus dem Volke, welche die Esel führten, waren der Klempner und der Kräuterhändler, welche versprochen hatten, sie auszuliefern.

Sie hatten Wort gehalten, wie man sieht.

Die beiden unglücklichen Flüchtlinge, die in einem Hospitale, welches Mattei in Valmontone, seiner Vaterstadt, gegründet, in Sicherheit zu sein glaubten, hatten sich dorthin geflüchtet und, um sich besser zu verbergen, das Kostüm der Kranken angelegt. Von einem Krankenwärter, welcher Mattei eine Anstellung verdankte, verrathen, waren sie hier ergriffen worden und man führte sie nun nach Rom, damit ihnen hier das Urtheit gesprochen würde.

Kaum hatten sie das Thor San Giovanni passiert, und waren erkannt, als das Volk mit jenem unheilvollen Instinkte, der es treibt, das, was es selbst erhoben und geehrt, wieder in den Staub zu treten und zu schänden, die Gefangenen zu insultiren begann, indem es sie mit Koth, dann mit Steinen warf, dann: »Nieder mit ihnen!« und: »Schlagt sie todt!« schrie und dann seine Drohungen in Ausführung zu bringen suchte.

Die vier neapolitanischen Gendarmen mußten dieser Menge auf das Bestimmteste versichern, daß man die Consuln nur in der Absicht nach Rom zurückbrächte, um sie zu hängen, und daß dies den nächstfolgenden Tag vor den Augen des Königs Ferdinand durch die Hand des Henkers auf dem Platze vor der Engelsburg, dem gewöhnlichen Orte der Hinrichtungen, und zwar zur größeren Schmach der französischen Besatzung geschehen würde.

Dieses Versprechen beschwichtigte die Menge, welche, da sie sich dem Könige Ferdinand nicht unangenehm machen wollte, sich dazu verstand, bis zu den nächstfolgenden Tag zu warten, sich aber für diese Verzögerung dadurch entschädigte, daß es die beiden Consuln immer noch mit Geheul und Hohngeschrei verfolgte, während es sie ununterbrochen mit Koth und Steinen warf.

Die Gefangenen warteten ergebungsvoll, stumm, traurig, aber ruhig und indem sie den Tod weder zu beschleunigen noch abzuwehren suchten. Sie sahen ein, daß für die Alles aus war und daß sie, wenn sie den Klauen des Volkslöwen entrannen, dann nur in die des königlichen Tigers fielen. Sie senkten daher das Haupt und warteten.

Ein Gelegenheitsdichter – dergleichen Dichten mangeln nie, weder bei Triumphen noch bei Niederlagen – hatte die folgenden vier Verse improvisiert und sofort unter das Volk ausgeheilt, welches dieselben nach einer ebenfalls improvisierten Melodie sang:

»Largo, o romano popolo! All' asinino ingresso

Qual fecero non Cesare, non Scipione istesso.

Di questo democratico ed augusto onore è degno

Chi rose un di da console d'impi tiranni il regno.«

In bescheidene Prosa übersetzt, bedeuten diese Verse Folgendes:

»Platz, o römisches Volk, bei dem Eseleinzuge.

wie er weder Cäsar noch Scipio beschieden war.

Dieser erhabenen und demokratischen Ehre war nur der würdig,

welcher einmal als Consul das Reich gottloser Tyrannen regierte.« [Der Verfasser hat in dem Augenblicke, wo er diese Zeilen schreibt, einen Kupferstich aus jener Zeit vor sich liegen, welcher den Einzug jener Unglücklichen darstellt. Wir brauchen nicht erst zu sagen, daß wir uns in den vier oder fünf letzten Capiteln nicht einen einzigen Augenblick von der Geschichte entfernt haben.]

So mußten die Gefangenen drei Viertheile Roms durchziehen, und wurden dann nach dem sogenannten neuen Gefängnisse gebracht.

Eine unzählige Volksmenge sammelte sich an dem Thor des Gefängnisses und man mußte ihr, damit sie dieses nicht einschlüge, versprechen, daß den nächstfolgenden Tag Mittags die Hinrichtung auf dem Platze vor der Engelsburg stattfinden würde und daß man zum Beweise schon den nächstfolgenden Morgen bei Tagesanbruch den Henker und seine Gehilfen das Schaffot aufschlagen sehen könne.

Zwei Stunden später verkündeten an allen Straßenecken angeschlagene Bekanntmachungen die Hinrichtung für den folgenden Tag Mittag.

Dieses Versprechen bereitete den Römern eine angenehme Nacht. Schon um sieben Uhr Morgens ward in der That das Schaffot auf dem Platze der Engelsburg zwischen dem Triumphbogen Gratians und der Tiber aufgeschlagen.

Es war dies, wie wir gesagt haben, der gewöhnliche Hinrichtungsplatz, und um größerer Bequemlichkeit willen stand das Haus des Henkers nur wenige Schritte davon entfernt auf dem Quai, dem alten Gefängnisse Tordinone gegenüber.

Hier stand es noch im Jahre 1848, wo es, als Rom die Republik proclamierte, welche noch nicht einmal so lange dauern sollte, als die von 1798, demoliert ward.

Während die Zimmerleute des Todes das Schaffot bauten und Galgen aufschlugen – mitten unter den unfeinen Scherzen des Volkes, welches bei dergleichen Gelegenheiten allemal viel Witz entwickelt – schmückte man einen Balcon mit kostbaren Draperien, welche Arbeit sich mit der des Schaffots in die Aufmerksamkeit der Menge theilte. Dieser Balcon war nämlich die Loge, von wo aus der König dem Schauspiele beiwohnen wollte.

Eine ungeheure Volksmenge strömte von allen Richtungen her auf den Platz vor der Engelsburg, der bald so gedrängt voll war, daß man Wachen um das Schaffot herum aufstellen mußte, damit die Zimmerleute ihre Arbeit fortsetzen konnten.

Nur das rechte Tiberufer, auf welchem das Grabmal Hadrians steht, war leer. Die furchtbare Burg, welche in Rom das ist, was die Bastille in Paris war und was das Castell San Elmo in Neapel ist, flößte, obschon stumm und anscheinend unbewohnt, so große Furcht ein, daß Niemand sich auf die Brücke wagte, welche hinüberführt, und sich eben so wenig getraute, am Fuße einer Mauern vorüber zu gehen.

In der That schien die dreifarbige Fahne, die von der Spitze dieser Festung flatterte, diesem ganzen, von blutigen Orgien berauschten Volke zu sagen: »Bedenke wohl, was Du thust! Frankreich ist da!«

Da aber kein französischer Soldat sich auf den Wällen zeigte, da die Ausgänge der Festung sorgfältig geschlossen waren, so gewöhnte man sich allmälig an diese stumme Drohung, gerade so, wie Kinder sich an die Gegenwart eines schlafenden Löwen gewöhnen.

Um elf Uhr führte man die beiden Verurtheilten aus ihrem Gefängnisse heraus und ließ sie wieder ihre Esel besteigen. Man warf ihnen einen Strick um den Hals und die beiden Gehilfen des Henkers faßten jeder ein Ende des Strickes, während der Henker selbst voranschritt.

Begleitet waren sie von jener Brüderschaft von Büßern, welche die Delinquenten auf das Schaffot zu geleiten pflegten, während eine ungeheure Volksmasse hintendrein folgte.

So wurden sie immer noch in ihrer Hospitaltracht nach der Kirche San Giovanni geführt, vor deren Façade man sie von ihren Eseln herabsteigen ließ und auf deren Stufen sie barfuß und knieend Abbitte leisteten.

Der König passierte, indem er sich von dem Palaste Farnese nach dem Hinrichtungsplatze begab, die Via Julia in dem Augenblicke, wo die Gehilfen des Henkers die beiden Verurtheilten, indem sie dieselben an den Stricken zerrten, zum Niederknien zwangen. Früher war unter solchen Umständen die königliche Gegenwart die Rettung des Verurtheilten. Jetzt aber war Alles anders und die königliche Gegenwart machte im Gegentheile die Hinrichtung nur um so sicherer.

Die Menge öffnete sich, um den König passieren zu lassen. Er warf einen unruhigen Seitenblick nach der Engelsburg, machte beim Anblicke der dreifarbigen Fahne eine ungeduldige Geberde, stieg unter dem Beifallsrufe des Volkes aus dem Wagen, erschien auf dem Balcone und begrüßte die Menge.

Einen Augenblick später verkündete lautes Geschrei die Annäherung der Gefangenen.

Voran und hinterher kam ein Detachement neapolitanicher Gendarmen zu Pferde, welche, indem sie sich denen, welche schon auf dem Platze warteten, anschlossen, das Volk zurückdrängten und einen freien Raum machten, auf welchem der Henker und seine Gehilfen ruhig arbeiten konnten.

Die Stille und Einsamkeit der Engelsburg hatte alle Welt beruhigt, so daß man gar nicht mehr an sie dachte.

Einige Römer, die muthiger waren als die andern, wagten sich bis auf die verlassene Brücke und insultierten sogar die Festung auf dieselbe Weise, wie die Neapolitaner den Vesuv insultiren. König Ferdinand lachte nicht wenig darüber, denn es erinnerte ihn an seine guten Lazzaroni vom Molo und bewies ihm, daß die Römer beinahe eben so viel Witz besaßen.

Fünf Minuten vor zwölf Uhr Mittag langte der unheimliche Zug auf dem kleinen Platze an. Die Verurtheilten schienen von Anstrengung und Qualen gänzlich erschöpft, dabei aber ruhig und ergeben zu sein.

Am Fuße des Schaffots ließ man sie von ihren Eseln steigen. Dann löste man ihnen den Strick vom Halse und befestigte ihn am Galgen. Die Büßenden drängten sich näher an die beiden Verurtheilten, ermahnten sie zum Tode und ließen sie das Crucifix küssen.

Mattei sagte, indem er dies that:

»O Christus, Du weißt, daß ich unschuldig und wie Du für das Wohl und die Freiheit der Menschen sterbe.«

Zaccalone sagte:

»O Christus, Du bist mein Zeuge, daß ich diesem Volke verzeihe, wie Du deinen Henkern verziehst!«

Die den Verurtheilten am nächsten befindlichen Zuschauer hörten diese Worte und beantworteten dieselben mit Hohngeschrei.

Dann ließ eine starke Stimme sich vernehmen, welche sagte:

»Betet für die Seelen der Sterbenden!«

Es war die Stimme des Anführers der Büßenden.

Alle knieten nieder, um ein Ave Maria zu beten, selbst der König auf seinem Balcon, selbst der Henker und seine Knechte auf dem Schaffot.

Einen Augenblick lang herrschte feierliches, tiefes Schweigen.

Plötzlich krachte ein Kanonenschuß. Das zerschmetterte Schaffot brach unter dem Henker und seinen Knechten zusammen. Das Thor der Engelsburg öffnete sich und hundert Grenadiere rückten unter Trommelschlag im Sturmschritte über die Brücke und bemächtigten sich, mitten unter dem Schreckensruf der Menge, der wilden Flucht der Gendarmen, des Erstaunens und Entsetzens Aller, der beiden Verurheilten, welche sie in die Engelsburg hineinschleppten, deren Thor sich hinter ihnen schloß, ehe noch Volk, Henker, Büßer, Gendarmen und König sich von ihrer Bestürzung erholt hatten.

Die Engelsburg hatte nur ein Wort gesprochen. Aber, wie man sieht, sie hatte es gut gesprochen und es hatte seine Wirkung geäußert.

Die Römer sahen sich gezwungen, diesen Tag auf das Hängen zu verzichten und sich wieder auf die Juden zu werfen.

König Ferdinand kehrte sehr schlecht gelaunt in den Palast Farnese zurück. Es war die erste Täuschung, die er seit Beginn des Feldzuges erfuhr, und unglücklicherweise für ihn sollte es nicht die letzte sein.

La San Felice Band 5

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