Читать книгу La San Felice Band 10 - Александр Дюма - Страница 4

Zehnter Theil
Viertes Capitel.
Die Apotheose

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Als Luisa wieder zu sich kam, sah sie sich in einer Art Café, welches die Ecke der Strada del Malo und der Calata San Marco bildet.

Hierher hatte Michele sie durch die Menge hindurchgetragen, welche sich an der Thür angesammelt und nun bemüht war, durch die geschlossenen Fenster und die offenstehenden Thüren hineinzuschauen.

Diese Menschenmasse wiederholte die Worte des Gefangenen und sagte, indem sie mit dem Finger auf Luisa zeigte:

»Sie ist es, die sie verrathen hat.«

Als Luisa die Augen wieder aufschlug, hatte sie anfangs Alles wieder vergessen. Allmälig aber, als sie sich umschaute, als sie sah, wo sie war und die um das Haus herum versammelte Menge erblickte, fiel ihr Alles wieder ein, was geschehen war. Sie stieß einen lauten Schrei aus und bedeckte sich das Gesicht mit den Händen.

»Einen Wagen, im Namen des Himmels, mein lieber Michele, schaffe einen Wagen, damit ich nach Hause zurückkehren kann.«

Luisa‘s Wunsch war nicht schwer zu erfüllen. Es gab damals ebenso wie noch heute zwischen dem Theater San Carlo und dem Theater Fondo einen Droschkenplatz zur Bequemlichkeit der Kunstfreunde, welche zu jener Zeit der Darstellung der Meisterwerke eines Cimarosa und Paesiello beiwohnten und welche gegenwärtig die Opera eines Bellini, eines Rossini oder Verdi besuchen.

Michele ging hinaus, rief einen geschlossenen Wagen herbei, ließ ihn dicht an die auf die Strada del Molo gehende Thür heranfahren, Luisa mitten unter dem Beifallsgeschrei oder Murren der Zuschauer, welche, jenachdem sie Patrioten oder Bourbonisten waren, ihr wegen ihres angeblichen Verraths Dank wußten oder grollten, hineinsteigen, folgte ihr selbst nach und schloß den Schlag, indem er dem Kutscher zurief:

»Nach Mergellina!«

Die Menge theilte sich, der Wagen fuhr fort, passirte den Largo Castello, bog dann in die Strada Chiaja ein und machte nach Verlauf einer Viertelstunde an dem Palmbaumhause Halt.

Michele riß kräftig an der Klingel. Giovannina kam, um zu öffnen.

Ihren Mund umspielte jener schadenfrohe Ausdruck böswilliger Diener, welche eine schlimme Nachricht mitzutheilen haben.

»Na,« sagte sie, zuerst das Wort ergreifend, »es sind in Ihrer Abwesenheit schöne Dinge hier vorgegangen, Signora.«

»Hier?« fragte Luisa.

»Ja hier, Signora.«

»Hier? Meinst Du im Hause oder überhaupt in Neapel?«

»Ich meine hier im Hause.«

»Was ist denn geschehen?«

»Sie hätten mir für den Fall, daß man mich über Signor André Backer befragte, sagen sollen, was ich antworten sollte, Signora.«

»Wie, man hat Dich über Signor Adré Backer befragt?«

»Das wollte ich meinen! Man kam hierher, nahm mich fest, führte mich auf die Polizei und drohte mir mit Gefängniß, wenn ich nicht sogleich sagte, wer in der vergangenen Nacht bei Ihnen gewesen wäre, Signora. Daß Jemand dagewesen war, wußte man, aber nur nicht wer.«

»Und Du hast Signor Backer genannt?«

»Ich mußte wohl. Ins Gefängniß zu spazieren, verspürte ich durchaus keine Lust und meinetwegen war Signor Backer nicht hier.«

»Unglückliche, was hast Du gethan!« rief Luisa, indem sie auf einen Stuhl niedersank und sich das Gesicht mit den Händen bedeckte.

»Was wollen Sie? Ich fürchtete, wenn ich läugnete, trotz meines Läugnens überführt zu werden. Die bösen Zungen würden übrigens, wenn ich Signor Backer‘s Besuch bei Ihnen hätte verhehlen wollen, sofort behauptet— haben, Signor Backer wäre Ihr Geliebter, gerade so wie man von Signor Salvato zu sagen anfängt.«

»O Giovannina!« rief Michele.

Luisa erhob sich, betrachtete die Dienerin mit dem Ausdruck des Erstaunens und des Vorwurfes und sagte dann in sanftem, aber festem Tone:

»Giovannina, ich weiß nicht, welchen Grund Du hast, meine Güte durch so schwarze Undankbarkeit zu vergelten. Morgen verlässest Du mein Haus.«

»Ganz wie Ihnen beliebt, Signora,« antwortete Giovannina keck.

Und sie verließ das Zimmer, ohne sich auch nur umzusehen.

Luisa fühlte wie ihr die Thränen in die Augen traten. Sie reichte Michele die Hand und dieser kniete vor ihr nieder.

»O Michele, mein theurer Michele!« murmelte sie, in Schluchzen ausbrechend.

Michele ergriff ihre Hand und küßte dieselbe. Er war um so tiefer erschüttert, als er in seinem innersten Herzen fühlte, daß all dieses Unheil durch ihn angestiftet worden.

»Das ist ein schlimmer Abend nach einem so schönen Tage,« sagte er. »Armes Schwesterchen! Als Du von Pästum zurückkamst warst Du so glücklich.«

»Ja, ich war glücklich« überglücklich!« murmelte Luisa; »ich weiß aber nicht, welche Stimme mir in’s Ohr flüstert daß mein schönstes und ganz besonders mein reinstes Glück vorüber ist. O Michele, Michele, wie schrecklich war das, was diese Wahnsinnige sagte!«

»Ja« damit sie aber nicht auch Anderen sage, was sie soeben zu Dir gesagt, darfst Du sie nicht fortschicken. Bedenke, daß sie Alles weiß – die versuchte Ermordung Salvato‘s, das Asyl, welches wir ihm gegeben, seinen Aufenthalt im Hause, deinen vertrauten Verkehr mit ihm. Mein Gott, ich für meine Person weiß wohl, daß all diesem nichts Böses zu Grunde liegt. Die Welt dagegen wird viel Böses darin sehen, und wenn Giovannina, anstatt daß sie, wenn sie bei Dir bleibt, ein Interesse daran hat, zu schweigen, es vielmehr, wäre es auch nur aus Rache —, in ihrem Interesse findet, zu sprechen, so wird dein guter Ruf dadurch leiden.«

»Wäre es auch nur aus Rache, sagst Du? Und warum sollte Giovannina sich an mir rächen? Ich habe ihr ja niemals etwas Anderes als Gutes erzeigt.«

»Ein schöner Grund! Es gibt verderbte Gemüther, Schwesterchen, welche, je mehr man ihnen Wohlthaten erzeigt, desto falscher und undankbarer werden. Schon seit einiger Zeit habe ich zu bemerken geglaubt, daß, Giovannina zu dieser Classe gehört. Hast Du selbst nichts davon wahrgenommen?«

Luise betrachtete Michele. Allerdings hatte die Widersetzlichkeit ihrer Dienerin sie seit einiger Zeit mehr als einmal befremdet. Sie hatte sich selbst befragt, was wohl die Ursache dieser Veränderung in Giovanninas Charakter sein könne, aber sich keine Rechenschaft davon zu geben vermocht. Es war möglich, daß sie sich getäuscht hatte; von dem Augenblick an aber, wo Michele diese schlimme Gesinnung der Zofe ebenfalls erkannte, war diese schlimme Gesinnung sicherlich auch vorhanden.

Plötzlich kam ihr ein Gedanke ein. Sie warf einen unruhigen Blick ringsherum und sagte:

»Sieh einmal nach, Michele, ob man uns nicht belauscht.«

Michele näherte sich der Thür, ohne jedoch das Geräusch seiner Tritte zu dämpfen zu versuchen, so daß indem Augenblick, wo Luisas Zimmerthür sich öffnete, die von Ninas Zimmer sich schloß.

Hatte Nina gehorcht, oder war das gleichzeitige Oeffnen der einen und das Schließen der andern Thür blos eine Wirkung des Zufalls ?

Michele schloß die Thür wieder, schob den Riegel vor, nahm wieder seinen Platz zu Luisas Füßen ein und sagte:

»Du kannst sprechen. Ich will nicht sagen: Es hat uns Niemand behorcht, wohl aber kann ich sagen: Es behorcht uns Niemand mehr.«

»Wohlan,« sagte Luisa in gedämpftem Tone und indem sie sich ans Michele herabneigte, »es ist Zweierlei, was mich in meinem Argwohn bestätigt. Als in der vergangenen Nacht der arme André Backer mich besuchte, wußte er ganz genau, was zwischen Salvato und mir geschehen ist. Heute Morgen, während ich in Salerno mit Salvato sprach, traf ein anonymer Brief ein, in welchem Salvato benachrichtigt ward, daß ein junger Mann mich in der vergangenen Nacht um zwei Uhr Morgens in meiner Wohnung erwartet und erst um drei Uhr, nachdem er eine Stunde bei mir zugebracht, mein Haus verlassen habe. Von wem kommen diese Denunciationen, wenn nicht von Giovannina, frage ich?«

»Managgia la Madonna!« murmelte Michele, »das ist eine ernsthafte Geschichte Nichtsdestoweniger aber sage ich: In dem gegenwärtigen Augenblick, und wenn Da nicht völlige Gewißheit hast, mache kein Aufsehen. Ich wurde Dir gern einen andern Rath geben, aber Du würdest ihn nicht befolgen.«

»Welchen ?«

»Ich würde sagen: Begib Dich zu deinem Gemahl, dem Chevalier, nach Palermo. Dadurch wirst Du alle schlimmen Gerüchte ans einmal abschneiden.«

Eine lebhafte Röthe überzog Luisa’s Wangen. Sie ließ den Kopf auf die Hände niedersinken und entgegnete mit halberstickter Stimme:

»Ach, dieser Rath ist gut, und kommt von einem Freunde.«

»Und, nun?«

»Gestern noch hätte ich ihn befolgen können, heute aber kann ich es nicht mehr.«

Und ein tiefer Seufzer entrang sich Luisa’s Herzen.

Michele sah Luisa an und verstand Alles. Die Traurigkeit Neapels bestätigte den Argwohn, welchen die Freude von Salerno in ihm erweckt.

In diesem Augenblicke hörte Luisa in dem Verbindungscorridor nahende Tritte. Dieselben suchten sich nicht zu verhehlen.

Luise richtete den Kopf empor und horchte mit unruhiger Miene. In der Lage, in welcher sie sich jetzt befand, war in der That Alles beunruhigend.

Es dauerte nicht lange, so ward an ihre Thür gepocht, und die Stimme der Herzogin Fusco fragte:

»Liebe Luisa, bist Du du da?«

»Ja wohl, ja wohl; komm herein!« rief Luisa.

Die Herzogin trat ein. Michele wollte aufstehen, Luisas Hand aber hielt ihn fest, wo er war.

»Was machst Du denn hier, meine schöne Luisa?« rief die Herzogin. »Du sitzest allein und beinahe im Finstern mit deinem Milchbruder hier, während man Dir bei mir einen Triumph bereitet.«

»Einen Triumph bei Dir, Theuere?« fragte Luisa ganz erstaunt. »Aus welchem Grunde denn?«

»Auf Grund dessen, was geschehen ist. Ist es denn nicht wahr, daß Du eine Verschwörung, welche uns Alle bedrohte, entdeckt und dadurch, daß Du dieselbe denuncirt, nicht blos uns Alle, sondern auch das Vaterland gerettet hast?«

»O, also auch Du, Amalie!« rief Luisa schluchzend, »auch Du hast mich einer solchen Nichtswürdigkeit schuldig glauben können.«

»Einer solchen Nichtswürdigkeit!« rief ihrerseits die Herzogin welche ihr glühender Patriotismus und ihr Haß gegen die Bourbons die Dinge in einem ganz andern Lichte erscheinen ließ, als dieselben Luisa erschienen. »Nichtswürdigkeit nennst Du eine That, welche eine Römerin zur Zeit der Republik für immer in der Geschichte berühmt gemacht hätte? Ach, warum warst Du nicht heute Abend bei uns, als jene Kunde eintraf! Du hättest dann die Begeisterung gesehen, welche dieselbe hervorrief. Monti improvisirte sofort Dir zu Ehren ein Gedicht. Cirillo und Pagano schlugen vor, Dir die Bürgerkrone zuzuerkennen. Cuoco, welcher die Geschichte unserer Revolution schreibt, behält sich vor, Dir eines der schönsten Blätter zu widmen. Cleonora Pimentel wird morgen in ihrem Moniteur die unvergeßliche Schuld verkünden, welche Neapel Dir gegenüber auf sich genommen. Die Frauen, die Herzogin von Pepoli riefen Dich, um Dich zu umarmen. Die Männer erwarteten Dich auf den Knien, um Dir die Hand zu küssen. Was mich betraf, so war ich stolz darauf, deine beste Freundin zu sein. Morgen wird Neapel sich nur mit Dir beschäftigen; Neapel wird Dir Altäre errichten, wie Athen der Göttin Minerva, der Beschützerin des Vaterlandes, errichtete.«

»Wehe! Wehe!« rief Luisa. »Ein einziger Tag ist hinreichend gewesen, um mir ein doppeltes Brandmal aufzudrücken. O siebenter Februar! Siebenter Februar! Tag des Entsetzens und des Unheils!«

Und beinahe sterbend sank sie rückwärts in die Arme der Herzogin Fusco, während Michele, jetzt erfüllt von Zweifel über die That, die er begangen, erfüllt von Reue, als er die, welche er mehr liebte als sein Leben, in diesem Zustande sah, sich mit feinen Nägeln die blutende Brust zerfleischte.

Am nächstfolgenden Tage, den 8. Februar 1799, las man in dem »Parthenopäischen Moniteur« einen großgedruckten Leitartikel, welcher folgendermaßen lautete:

»Eine bewunderungswürdige Bürgerin, Luisa Molina San Felice, hat gestern Abend Freitag die Verschwörung entdeckt, welche von einigen wahnsinnigen Bösewichtern angestiftet worden, die, auf die Anwesenheit mehrerer Schiffe des englischen Geschwaders in unseren Hafen rechnend, nach getroffener Verabredung mit denselben in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag, das heißt heute Abend, die Regierung stürzen, die guten Patrioten niedermetzeln und eine Gegenrevolution versuchen wollten.

»Die Häupter dieses verruchten Unternehmens waren die Bankiers Backer, Vater und Sohn, beide geborene Deutsche und in der Strada Medina wohnend. Noch gestern Abend sind sie festgenommen und ins Gefängniß gebracht worden. André Backer mußte als Symbol seiner Schande die weiße Fahne tragen, die man bei ihm gefunden.

»Eben so fand man bei ihm auch eine gewisse Anzahl Sicherheitskarten, welche an Diejenigen vertheilt werden sollten, die man verschonen wollte. Jeder, der nicht eine solche Karte bei sich gehabt, wäre dem Tode verfallen gewesen.

»In Folge dieser Festnahme der Haupträdelsführer haben nach verschiedene untergeordnete Verhaftungen stattgefunden und das Kloster San Francesco delle Monache ist in Anbetracht seiner günstigen Lage – es bildet bekanntlich eine Art Insel – zum Gefängniß der Angeklagten bestimmt worden. Die seither darin wohnenden Nonnen haben es demgemäß verlassen und sind in das Kloster der Donna Albina übergesiedelt.

Zur Zahl der Verhafteten gehören außer den beiden Backen Vater und Sohn, der Pfarrer von del Carmine, der Fürst von Canossa, die beiden Brüder Jorio, der seine Magistratsbeamter, der andere Bischof, und ein Richter Namens Giovanni Battista Verchione.

»Im Zollhause hat man überdies ein Depot von hundertzwanzig Musketen und andern Waffen, wie z. B. Säbel und Bajonette, aufgefunden.

»Gepriesen sei Luisa Molina San Felice! Sie hat das Vaterland gerettet!«

La San Felice Band 10

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