Читать книгу La San Felice Band 12 - Александр Дюма - Страница 2
Zwölfter Theil
Zweites Capitel.
Die Vorposten
ОглавлениеEhe noch Salvato und Luisa Zeit gehabt hatten, ein Wort aneinander zu richten, trat Michele wieder ein.
»Luisa,« sagte er, »sei ruhig, Alles was für die Backer ein Geheimniß war, wird bald für sie aufgeklärt sein und sie werden wissen, wer derjenige ist, dem sie als ihrem Angeber fluchen müssen. Es kann mir nichts Aergeres begegnen, als daß ich gehängt werde. Wohlan, dann werde ich, ehe ich gehängt werde, wenigstens gebeichtet haben.«
Die beiden Liebenden betrachteten Michele mit Erstaunen.
Er fuhr fort:
»Wir haben keine Zeit mit langen Erklärungen zu verlieren. Die Nacht rückt vor und Sie wissen, was wir noch zu thun haben.«
»Ja, Du hast Recht,« antwortete Salvato. »Bist Du bereit, Luisa?«
»Ich habe für elf Uhr einen Wagen bestellt,« sagte Luisa. »Er muß an der Thür sein.«
»Ja, er ist da,« sagte Michele. »Ich habe ihn gesehen.«
»Dann ists gut, Michele. Laß die wenigen Effecten hineintragen, deren ich während meines Verweilens in dem Castello Nuovo bedürfen werde. Sie sind in einem Koffer eingeschlossen. Ich werde mittlerweile Giovannina einige Befehle ertheilen.«
Luisa zog, indem sie dies sagte, die Klingel, aber vergebens; die Dienerin erschien nicht.
Luisa klingelte zum zweiten Male, vergebens aber heftete ihr Blick sich auf die Thür, durch welche die Dienerin eintreten sollte. Die Thür öffnete sich nicht.
Luisa erhob sich und ging selbst nach Giovannina’s Kammer, in der Meinung, die Dienerin sei vielleicht eingeschlafen.
Das Licht stand brennend aus dem Tisch. Neben dem Leuchter lag ein versiegelter Brief an Luisa adressirt.
Dieser Brief war von Giovanninas Hand. Luisa ergriff und öffnete ihn. Er lautete:
»Signora!
»Wenn Sie Neapel verlassen hätten, so wäre ich Ihnen überall hin gefolgt, in der Voraussetzung daß Sie meiner Dienste bedürften.
»Sie bleiben aber in Neapel, wo Sie, von Personen, von denen Sie geliebt werden, umgeben, meiner nicht mehr bedürfen.
»Unter den Ereignissen, welche die nächste Zukunft bringen wird, wage ich nicht allein im Hause zu bleiben, und da nichts, selbst nicht eine Anhänglichkeit, deren Sie nicht bedürfen, mich zwingt, mich in eine Festung einzuschließen, wo ich in meinem Thun und Handeln nicht frei wäre, so kehre ich zu meinen Aeltern zurück. Uebrigens haben Sie schon heute Morgen die Güte gehabt, meine Rechnung auszugleichen, und unter den Umständen, in welchen wir uns befinden, habe ich diese Ausgleichung als einen Abschied zu betrachten gehabt.
»Ich verlasse Sie daher, Signora, erfüllt von Dankbarkeit für die Güte, welche Sie mir erwiesen, und so betrübt über diese Trennung, daß ich mir den Schmerz auflege, Ihnen nicht Lebewohl zu sagen, aus Furcht vor dem noch größeren Schmerz, den ich empfinden würde, wenn ich es thäte. Ich bin«, Signora, Ihre dankbare Dienerin
»Giovannina.«
Luisa schauderte, als sie diesen Brief las. Es lag trotz der darin enthaltenen Betheuerungen von Anhänglichkeit und Treue dennoch auch zugleich ein seltsamer Ausdruck von Kälte und Haß darin. Man sah denselben allerdings nicht mit den Augen, aber man gewahrte ihn mit dem Verstande, man fühlte ihn mit dem Herzen.
Luisa kehrte in das Speisezimmer zurück, in welchem Salvato geblieben war, und überreichte ihm den Brief.
Er las ihn zuckte die Achseln und murmelte das Wort: »Natter!«
In diesem Augenblick trat Michele wieder ein. Er hatte den Wagen nicht mehr an der Thür gefunden und fragte, ob er einen andern holen sollte.
Auf die Rückkehr des ersten Wagens konnte man nicht warten, denn es war augenscheinlich daß Giovannina sich desselben bedient hatte.
Michele konnte deshalb nichts Besseres thun, als bis nach Bin di Giotto laufen; wo gewöhnlich Miethwagen standen, und einen andern mitbringen.
»Mein Freund,« sagte Luisa zu Salvato, daß mich diese wenigen Augenblicke Verzögerung, welche uns der Zufall aufnöthigte, draußen um einen letzten Besuch bei der Herzogin von Fusco und ihr zum letzten Mal den Vorschlag machen, mit mir zugleich in dem Castello Nuovo Schutz zu suchen. Bleibt sie dennoch, so will ich ihr wenigstens mein Haus empfehlen, weil dieses dann gänzlich verlassen steht.«
»Geh mein liebes Kind,« sagte Salvato, indem er Luisa auf die Stirn küßte wie ein Vater seine Tochter.
Luisa ging hinauf auf den Corridor, öffnete die Verbindungsthür und trat in den Solon der Herzogin.
Dieser war wie immer, mit allen republikanischen Notabilitäten gefüllt.
Trotz der drohenden Gefahr, trotz der heranziehenden Ereignisse waren die Gesichter ruhig. Man fühlte, daß alle diese Männer des Fortschrittes, welche den gefahrvollen Weg aus Überzeugung betreten, entschlossen waren, ihn bis ans Ende zu verfolgen, und gleich den alten Senatoren der römischen Republik den Tod auf ihren carulischen Stühlen zu erwarten.
Luisa machte auch heute durch ihre Schönheit und ihr interessantes Wesen die gewohnte Sensation.
Man gruppierte sich um sie. Jeder hatte in diesem äußersten Augenblick einen Entschluß für sich gefaßt, und fragte nun die Anderen, wozu sie sich entschlossen hätten, denn er hoffte vielleicht, daß dieser Entschluß der Anderen besser wäre als der seine.
Die Herzogin hatte sich vorgenommen, in ihrem Hause zu bleiben und hier die Ereignisse abzuwarten. Sie hielt dabei aber das Costüm einer Frau aus dem Volke bereit, unter welchem sie im Falle drohender Gefahr zu fliehen gedachte. Die Pächterin eines ihrer Landgüter hielt ihr für diesen Fall ein Asyl bereit.
Luisa bat sie, ihr Haus bis zur dem-Augenblick zu überwachen, wo sie selbst das ihrige verlassen würde, und meldete ihr, daß Salvato, weil er nicht wisse, ob er während des Kampfes im Stande sein würde, für ihre Sicherheit zu sorgen, für sie ein Zimmer ins dem Castell Nuovo habe einrichten lassen, wo sie unter der Obhut des Gouverneurs Massa, eines Freundes von Salvato, bleiben würde.
Es war dies übrigens der Ort, wohin sich die Patrioten alle im äußersten Falle flüchten mußten, denn Niemand traute der Gastfreundschaft Mejean’s, der, wie man wußte, fünfhunderttausend Franks verlangt hatte, um Neapel zu schützen und der für fünfhundertundfünfzigtausend Franks bereit war, es zu vernichten.
Man sagte sogar – was aber, beiläufig gesagt, nicht begründet war – er habe mit dem Cardinal Ruffo unterhandelt.
Luisa suchte mit den Augen Eleonora Pimentel, für welche sie große Bewunderung hegte; Eleonora aber hatte einen Augenblick vor Luisa’s Eintritt den Solon verlassen, um sich in ihre Druckerei zu begeben.
Nicolino kam aus sie zu, um sie zu begrüßen. Er war ganz stolz aus seine schöne Uniform als Husarenoberst, welches den nächstfolgenden Tag von den Säbeln der Feinde zerfetzt werden sollte. Cirillo, welcher, wie wir bereits bemerkt, zur gesetzgebenden Versammlung gehörte, als dieselbe sich permanent erklärt hatte, kam auf Luisa zu und umarmte sie.
Er wünschte ihr nicht alles mögliche Glück – in der Lage, in welcher man sich befand, stand sehr wenig Glück zu hoffen – wohl aber, daß sie unversehrt und mit dem Leben davonkommen möchte. Dann legte er seine Hand auf ihr Haupt und ertheilte ihr mit leiser Stimme seinen Segen.
Luisa’s Besuch war gemacht. Sie umarmte die Herzogin von Fusco zum letzten Mal. Beide Frauen vermochten kaum ihre Thränen zurückzudrängen.
»Ach,« murmelte Luisa, »wir sehen einander vielleicht nie wieder!«
Die Herzogin warf einen Blick gegen Himmel, als ob sie sagen wollte:
»Da oben gibt es ein untrügliches Wiedersehen.»
Dann geleitete sie ihre Freundin bis an die Verbindungsthür.
Hier trennten sie sich, und zwar, wie Luisa sehr richtig prophezeit, um einander nie wiederzusehen.
Salvato erwartete Luisa. Michele hatte einen Wagen mitgebracht. Die beiden Liebenden gingen mit verschlungenen Armen und ohne daß sie ihre Ideen einander mitzutheilen brauchten, um dem »glücklichen Zimmer«, wie sie es nannten, Lebewohl zu sagen.
Dann schlossen sie die Thüren, deren Schlüssel Michele zu sich nahm.
Salvato und Luisa stiegen in den Wagen, Michele, trotz seiner schönen Uniform auf den Bock, und der Wagen rollte noch dem Castello Nuovo.
Obschon es noch nicht spät war, so waren doch alle Thüren und Fenster geschlossen und man fühlte, daß ein gewaltiger Schrecken auf der Stadt lastete.
Hier und da sah man Männer, welche von Zeit zu Zeit sich den Häusern näherten, einen Augenblick stehen blieben und dann weitereilten.
Salvato bemerkte diese Männer, und neugierig, zu wissen, was sie machten, forderte er Michele, indem er das Vorderfenster des Wagens öffnete, auf, sich wo möglich eines dieser nächtlichen Wanderer zu bemächtigen und zu ermitteln, was sie eigentlich thäten.
Als man an dem Palast Curamanico anlangte gewahrte man wieder einen dieser Männer. Michele sprang, ohne erst den Wagen Halt machen zu lassen, zur Erde herab und stürzte sich auf den Mann.
Dieser warf eben eine Rolle Stricke durch ein nahes Kellerloch.
»Wer bist Du?« fragte Michele.
»Ich bin der Fachino des Palastes.«
»Was machst Du?«
»Nun, Sie sehen es doch. Der Abmiether der ersten Etage hatte mich beauftragt, ihm fünfundzwanzig Meter Stricke zu kaufen und sie ihm heute Abend zu bringen. Ich habe mich in einem Wirthshaus auf dem Markte ein wenig verspätet, und als ich an den Palast kam fand ich Alles verschlossen. Da ich den Portier nicht erst wecken wollte, so habe ich das Paket durch das Kellerloch in den Keller des Palastes geworfen, wo man sie morgens schon finden wird.«
Michele, der in all diesem nichts Verdächtiges oder Tadelnswerthes sah hieß den Mann, welchen er am Kragen gepackt, los. Kaum sah der Mann sich frei, so rannte er schleunigst davon und in die Strada del Pace hinein, in welcher er sofort verschwand.«
Diese hastige Flucht machte Michele wieder stutzig.
Von dem Palast Caramanico bis zum Castello Nuovo längs der ganzen Chiaja und dem Riesenhügel sah er dieselbe Thatsache sich wiederholen. Zweimal versuchte er sich wieder eines dieser mit einer unbekannten Mission beauftragten nächtlichen Herumtreiber zu bemächtigt, aber sie waren auf ihrer Hut und es gelang ihm nicht.
Man langte in dem Castello Nuovo an.
Dank der Parole, welche Salvato wußte, durfte der Wagen in das Innere hineinfahren. Er passierte an dem acagonesisschen Triumphbogen vorbei und hielt dann vor der Thür des Gouvernerus.
Dieser machte eben eine Nachtrunde auf den Wällen, wovon er eine Viertelstundes nach Salvatos Ankunft zurückkam.
Beide geleiteten Luisa nach dem für sie in Stand gesetzten Zimmer. Dasselbe gehörte zu den Gemächern des Madame Massa selbst und es zeigte sich sofort, daß man für Luisa das hübscheste und bequemste reserviert hatte.
Es schlug Mitternacht und es war folglich hohe Zeit sich zu trennen.
Luisa nahm Abschied von Michele und dann von Salvato, welche Beide mit demselben Wagen der sie hierher gebracht, wieder bis nach dem Malo zurückfuhren.
Hier fanden sie den Calabresen mit den Pferden welchen sie bestell, schwangen sich in den Sattel und ritten nachdem sie Strada del Piliere, die Rhede, die sogenannte neue Marine und die Marinella passiert, über die Magdalenenbrücke und dann auf der nach Portici führenden Straße im Galopp weiter.
Die Straße war mit republikanischen Truppen besetzt, die abtheilungsweise von der Magdalenenbrücke, dem ersten äußeren Posten, bis zum Granatello, dem Posten, welcher die Feinde am nächsten war, und wie wir schon bemerkt, von Schipani commandirt ward.
Ueberall war Alles wach. An sämtlichen Hauptwachen machte Salvato Halt, stieg vom Pferde, erkundigte sich und ertheilte Instructionen.
Die erste Station, die er machte, war in dem Fort Vigliana.
Dieses kleine Fort steht am Rande des Meeres, rechts von dem Wege, der von Neapel nach Portici führt, und vertheidigt den Zugang zu der Magdalenenbrücke.
Salvato ward mit lautem Beifallsruf empfangen. Das Fort Vigliana ward von hundertfünfzig seiner Calabresen unter dem Commando eines Priesters Namens Tascano vertheidigt.
Es war augenscheinlich, daß auf dieses kleine Fort, welches den Zugang zu der Stadt vertheidigte, alle Anstrengungen der Sanfedisten gerichtet sein würden, deshalb war die Vertheidigung desselben auch auserwählten Leuten anvertraut worden.
Toscano zeigte Salvato alle seine Vertheidigungsanstalten. Er gedachte, wenn er forcirt würde, seine Pulvervorräthe anzuzünden und sich mit seinen Leuten in die Luft zu sprengen.
Uebrigens war es nicht Toskanos Absicht, dies ohne Vorwissen seiner Leute zu thun. Alle waren davon unterrichtet, alle hatten ihre Zustimmung zu diesem äußersten Opfer für das Vaterland gegeben, und die Fahne, welche über dem Thore flatterte, trug die Inschrift:
»Rache! Sieg oder Tod!«
Salvato umarmte den würdigen Geistlichen, stieg unter dem Rufe: »Es lebe die Republik!« wieder zu Pferde und setzte seinen Weg weiter fort.
In Portici gaben die Republikaner große Unruhe und Befürchtungen zu erkennen. Sie hatten es hier mit Bevölkerungen zu thun, welche durch ihre Interessen vorwiegend royalistisch gemacht worden waren. König Ferdinand hatte in Portici einen Palast, in welchem er den Herbst zubrachte, und beinahe den ganzen Sommer hindurch bewohnte der Herzog von Calabrien den Palast neben der Favorita.
Die Republikaner konnten sich hier Niemanden anvertrauen, sondern fühlten sich von Verrath und Schlingen umgeben. Wie in den Tagen des Erdbebens schien der Boden unter ihren Füßen zu wanken.
Salvato langte in Granatello an.
Schipani lag mit seiner gewohnten Zuversicht oder vielmehr mit seiner gewohnten Unklugheit in tiefem-Schlafe. Salvato ließ ihn wecken und fragte ihn, was er in Bezug auf den Feind gehört habe.
Schipani antwortete ihm, er rechne darauf, den nächstfolgenden Tag von dem Feinde angegriffen zu werden und suche sich eben zu stärken, um ihn mit Nachdruck zu empfangen.
Salvato fragte ihn, ob er von den Spionen, die er doch jedenfalls ausgeschickt, keine genaueren Mittheilungen erhalten habe.
Der republikanische General gestand ihm, daß er keinen Spion ausgeschickt habe und daß diese unredlichen Mittel, den Krieg zu führen, ihm widerstrebten.
Salvato fragte weiter, ob er die Straße von Stola habe besetzen lassen, wo der Cardinal sei und von wo er über die Abhänge des Vesuv Truppen gegen Portici und gegen Resina entsenden könnte, um ihm den Rückzug abzuschneiden.
Schipani antwortete, es sei Sache des Commandanten von Resina und Portici diese Vorkehrungen zu treffen. Was ihn beträfe, so würde er, wenn er Sanfedisten auf seinem Wege träfe, ohne Weiteres auf sie losgehen.
Diese Art und Weise Krieg zuführen und über-das Leben seiner Leute zu verfügen, bewog den geschickten Strategen den Zögling aus der-Schule eines Championnet und Macdonald, die Achseln zu zucken. Er begriff, daß mit einem Manne wie Schipani keine Verabredung zu treffen sei und daß man Alles dem rettenden Genius der Völker anheimgeben müsse.
Sehen wir jetzt ein wenig, was der Cardinal, welcher geschickter zu Werke ging, als Schipani, während dieser Zeit machte.
Um Mitternacht; das heißt zu der Stunde, wo wir Salvato das Castello Nuovo verlassen sahen, empfing der Cardinal Ruffo, in dem größten Zimmer dies erzbischöflichen Palastes zu Nola vor einem Tische sitzend und mit seinem Secretär Sacchinelli und dem Marquis Malaspina, seinem Adjutanten, in der Reihe, die eingehenden Meldungen und ertheilte seine Befehle,«
Die Couriere folgten aufeinander mit einer Schnelligkeit, welche die Rührigkeit beweies, womit der improvisierte General seine Correspondenzen zu organisieren verstanden.
Er selbst entsiegelte alle Briefe von woher dieselben auch kommen mochten; und dictirte die Antworten bald Sacchinelli, bald Malaspina.
Nur selten schrieb er die Antwort selbst, ausgenommen auf die geheimen Briefe, denn ein nervöses Zittern der Hand erschwerte ihm das Schreiben.
In dem Augenblick, wo wir in das Zimmer treten und wo der Cardinal die Boten erwartet, hat er schon von dem Erzbischof Ludovici die Nachricht empfangen, daß Panedigrano und seine tausend Sträflinge am Morgen des 12. Juni in Bosco angelangt sein müßten.
In der Hand heilt er einen Brief von dem Marquis von Curtis, der ihm meldet, daß der Oberst Tschudi, um sein Verhalten bei Capua vergessen zu machen, mit vierhundert Mann Grenadieren und dreihundert Manns Linie, die eine Art Fremdenlegion bilden, in Sorento gelandet sey um das Fort von Castellamare zu Lande anzugreifen, während die Linienschiffe »Seahorse« und »Minerva« es von der Seeseite angreifen sollen.
Nachdem der Cardinal diesen Brief gelesen, erhob er sich und zog eine auf einem andern Tische ausgebreitet liegende Landkarte zu Rathe. Dann diktierte er stehend und sich mit der Hand auf den Tisch stützend Sacchinelli die folgenden-Befehle:
»Der Oberst Tschudi wird den Angriff auf das Fort von Castellamare, wenn derselbe schon begonnen hat, einstellen und sich sofort mit Sciarpa und Panedigrano in Einvernehmen setzen, um am 13. Morgens die Armee Schipanis anzugreifen. Tschudi und Sciarpa werden den Angriff von vorn beginnen, während Panedigrano sich auf den Flancen halten und längs der Lava des Vesuvs hinbewegen wird, so daß er den Weg beherrschen kann, auf welchem Schipani seinen Rückzug zu bewirken suchen wird.
»Ueberdies, da es möglich ist, daß der republikanische General, wenn er die Ankunft des Cardinals in Nola erfährt, sich aus Furcht, daß ihm der Rückzug abgeschnitten werde, auf Neapel zurückzuziehen wünscht, so werden Sie ihn kräftig vor sich hertreiben. In der Favorita wird der republikanische General auf den Cardinal Ruffo stoßen, der bis dahin den Vesuv umgangen haben wird. Von allen Seiten eingeschlossen, wird Schipani genöthigt sein, sich niederhauen zu lassen, oder sich zu ergeben.«
Der Cardinal ließ von dieser Order eine dreifache Abschrift machen, unterzeichnete jede derselben und sendete sie durch drei Boten an Die ab, an welche sie gerichtet waren.
Kaum waren die Befehle abgesendet, als der Cardinal, eine jener tausend Combinationen voraussehend, welche die best angelegten Pläne scheitern machen, Cesare rufen ließ.
Nach Verlauf von fünf Minuten trat der junge Brigadier bewaffnet und gestiefelt ein. Die fieberhafte Thätigkeit des Cardinals wirkte ansteckend auf seine ganze Umgebung.
»Bravo, mein Prinz,« sagte Ruffo, der zuweilen im Scherz dem jungen Mann noch diesen Titel gab. »Sind Sie bereit?«
»Stets, Eminenz,« antwortete Cesare.
»Dann nehmen Sie vier Bataillone Linieninfanterie, vier Stück Feldgeschütz, zehn Compagnien calabresische Jäger und eine Schwadron Cavallerie. Bewegen Sie sich die nördliche Flanke des Vesuvs entlang, nämlich die, von welcher man die Aussicht auf die Madonna del Arco hat, und langen Sie wo möglich des Nachts in Resina an. Die Einwohner erwarten Sie, denn dieselben sind bereits von mir benachrichtigt und vollkommen bereit, sich zu unseren Gunsten zu erheben.
Dann wendete er sich zu dem Marquis und sagte zu diesem:
Malaspina, geben Sie dem Brigadier diese schriftliche Ordre und unterzeichnen Sie dieselbe in meinem Namen.«
In diesem Augenblick trat der Caplan des Cardinals in das Zimmer, näherte sich ihm und sagte leise:
»Eminenz, der Capitän Scipio Lamarra ist so eben von Neapel eingetroffen und erwartet im Nebenzimmer Ihre Befehle.«
»Ha, endlich!« sagte der Cardinal, indem er freier aufathmete, als er bis jetzt gethan. »Ich fürchtete schon, es sei ihm ein Unglück zugestoßen, diesem armen Capitän. Sagen Sie ihm, daß ich sofort bei ihm sein werde, und leisten Sie ihm mittlerweile Gesellschaft.«
Der Cardinal zog einen Ring vom Finger und drückte ihn auf die Ordre, die in seinem Namen ausgefertigt wurde.
Dieser Scipio Lamarra, dessen Ankunft der Cardinal mit so großer Ungeduld zu erwarten schien, war jener selbe Bote, durch welchen die Königin dem Cardinal ihre Fahne übersendet und welchen sie ihm als zu Allem verwendbar empfohlen.
Er kam von Neapel, wohin er durch den Cardinal geschickt worden. Der Zweck dieser Mission war, sich mit einem der Hauptmitschuldigen an der Verschwörung der Backers, Namens Gennaro Tansano, zu besprechen.
Dieser Gennaro Tansano spielte den Patrioten und stand in den Registern aller republikanischen Clubs obenan, aber blos um stets von ihren Maßnahmen und Beschlüssen Unterrichtetet zu sein, von Welchen er dann den Cardinal Ruffo, mit dem er in Briefwechsel stand, in Kenntniß setzte.
Ein Theil der Waffen, welche beim Ausbruch der Verschwörung der Backers in Gebrauch genommen werden sollten, war bei ihm deponiert. Die Lazzaroni von Chiaja, von Pie di Grotta, von Pozzuole und den nahegelegenen Stadttheilen standen zu seiner Verfügung.
Der Cardinal erwartete auch, wie man gesehen, seine Antwort mit Ungeduld.
Er trat in das Cabinet, in welchem Lamarres, als republikanischer Nationalgardist umkleiden ihn erwartete.
»Nun?« fragte er eintretend.
»Nun, Eminenz, es geht Alles nach Wunsch. Tansano gilt immer noch für einen der besten Patrioten von Neapel und Niemanden fällst es ein, Argwohn gegen ihn zu hegen.«
»Aber hat er gethan, was ich gesagt habe?«
»Ja, das hat er gethan, Eminenz.«
»Das heißt er hat Stricke in die Kellerlöcher der Häuser der hervorragendsten Patrioten werfen lassen?»
»Ja. Er wollte gern wissen, zu welchem Zweck dies geschehe, da ich es aber selbst nicht wußte, so konnte ich ihm hierüber keinen Aufschluß geben. Doch gleichviel, da der Befehl von Ihnen kam, Eminenz, so ist er pünktlich ausgeführt worden.«
»Wissen Sie das gewiß?«
»Ich habe die Lazzaroni bei der Arbeit gesehen.«
»Hat er Ihnen nicht ein Paket für mich mitgegeben?«
»Allerdings, Eminenz. Hier ist es. Es ist in Wachsleinwand gewickelt.«
»Geben Sie her.«
Der Cardinal zerschnitt mit seinem Federmesser die Umschnürung des Pakets und zog dann ein großes Banner hervor, auf welchem er vor dem heiligen Antonius kniend und zu diesem betend dargestellt war, während der Heiland ihm seine beiden mit Stricken gefüllten Hände zeigte.
»So ist es recht,« sagte der Cardinal hocherfreut. »Nun brauche ich noch einen Mann, welcher das Gerücht von dem Wunder in Neapel verbreiten kann.«
Einen Augenblick lang blieb er in Gedanken versunken und fragte sich, wer der Mann sei, der ihm diesen Dienst leisten könne.
Plötzlich schlug er sich auf die Stirn.
»Man schicke Fra Pacifico zu mir,« sagte er.
Fra Pacifico ward gerufen und trat in das Cabinet, in welchem er eine halbe Stunde lang mit dem Cardinal eine Unterredung unter vier Augen hatte.
Hierauf sah man ihn in den Stall gehen, seinen Esel Giacobino herausziehen und mit ihm den Weg nach Neapel einschlagen.
Was den Cardinal betraf, so kehrte er in den Salon zurück, expedirte noch einige Befehle und warf sich, angekleidet auf das Bett, nachdem er noch angeordnet, daß man ihn mit Tagesanbruch wecke.
Mit Tagesanbruch ward der Cardinal geweckt. Während dar Nacht war mitten in dem außerhalb Nola aufgeschlagenen sanfedistischen Lager ein Altar errichtet worden. Der mit dem Purpur bekleidete Cardinal las die Messe zu Gunsten des heiligen Antonius, welchem er den Schutz der Stadt an der Stelle des heiligen Januarius zu übertragen gedachte, der weil er zweimal sein Wunder zu Gunsten der Franzosen verrichtet, für einen Jacobiner erklärt und von dem König seines Titels als Generalcommandant der neapolitanischen Truppen wieder beraubt worden war.
Der Cardinal hatte nach Degradierung des heiligen Januarius lange nachgedacht, wer zu seinem Nachfolger ernannt werden sollte, und seine Wahl war endlich auf den heiligen Antonius von Padua gefallen.
Warum nicht auf den heiligen Antonius den Großen, der wenn man sein Leben in’s Auge faßt, diese Ehre sicherlich weit mehr verdiente als der heilige Antonius von Padua? Ohne Zweifel aber fürchtete der Cardinal, daß die Sage seiner von Callot volksthümlich gemachten Versuchungen in Verbindung mit dem eigenthümlichen Begleiter, den er sich gewählt, seiner Würde Eintrag thun könnte.
Der heilige Antonius von Padua erhielt, obschon er moderner war als sein tausendjähriger Namensvetter, was nun auch der Grund sein mochte, den Vorzug und er war es, welchem im Augenblicke des Kampfes der Cardinal es gerathen fand die heilige Sache in die Hände zu geben.
Nachdem der Cardinal die Messe gelesen, stieg er in seinem Purpurgewand zu Pferde und stellte sich an die Spitze des Hauptcorps.
Die sanfedistische Armee war in drei Divisionen getheilt. Die eine marschierte über Capodichino, um die Porta Capuana anzugreifen.
Die andere umgingt auf dem nördlichen Abhange den Fuß des Vesuvs.
Die dritte that dasselbe auf der Südseite.
Mittlerweile griffen Tschudi; Sciarpa und Panedigrano den General Schipani von vorn an oder sollten ihn angreifen.
Am 13. Juni gegen acht Uhr Morgens sah man von der Höhe des Fort San Elmo die sanfedistische Armee in einer ungeheuern Staubwolke zum Vorschein kommen und sich nähern.
Es wurden sofort an dem Castello Nuovo die drei Alarmschüsse abgefeuert und die Straßen von Neapel wurden augenblicklich so einsam wie die von Theben so stumm wie die von Pompeji.
Der entscheidende Augenblick war da, ein feierlicher und furchtbarer Augenblick, wenn es sich um die Existenz eines Menschen handelt, aber noch weit feierlicher und furchtbarer, wenn es das Leben oder den Tod einer Stadt gilt.