Читать книгу Blanche von Beaulieu - Александр Дюма - Страница 2
II
ОглавлениеEs ist etwas Trauriges für eine Armee um einen Nachtmarsch. Der Krieg ist schön an einem schönen Tage, wenn der Himmel das Treffen anschaut; wenn die Völker, um das Schlachtfeld sich erhebend wie auf den Stufen eines Circus, den Siegern zuklatschen; wenn die schmetternden Töne der Blechinstrumente die muthigen Fibern des Herzens schauern machen; wenn Euch der Rauch von tausend Kanonen mit einem Leichentuche bedeckt; wenn Freunde und Feinde da sind, um zu sehen, wie Ihr gut sterbt: das ist erhaben! Doch die Nacht! . . . Nicht wissen, wie man Euch angreift und wie Ihr Euch vertheidigt; fallen ohne zu sehen, wer Euch schlägt, noch woher der Streich kommt; fühlen, wie Euch diejenigen, welche noch stehen, mit dem Fuße stoßen, ohne zu wissen, wer Ihr seid, und auf Euch gehen! . . . Oh! da nimmt man nicht die Stellung eines Gladiators an, man wälzt sich, man krümmt sich, man beißt in die Erde, man zerreißt sie mit den Nägeln; das ist gräßlich!
Darum marschirte diese Armee traurig und stillschweigend: sie wußte, daß sich auf jeder Seite der Straße hohe Hecken, ganze Felder von Stechgenster hinzogen, und daß am Ende dieses Weges ein Kampf, ein Kampf bei Nacht stattfinden sollte.
Sie marschirte seit einer halben Stunde; von Zeit zu Zeit drang, wie gesagt, ein Mondstrahl zwischen zwei Wolken durch und ließ an der Spitze der Colonne den Bauern erscheinen, der als Führer diente, das Ohr aufmerksam aus das geringste Geräusch, und immer bewacht von den zwei Soldaten, welche an seiner Seite gingen. Zuweilen hörte man auf den Flanken ein Rauschen von Blättern; die Spitze der Colonne machte plötzlich Halt; mehrere Stimmen riefen: Wer da? . . . Nichts antwortete, und der Bauer sagte lachend: »Es ist ein Hase, der sein Lager verläßt!« Oesters glaubten die zwei Soldaten vor sich etwas sich bewegen zu sehen, was sie nicht unterscheiden konnten; sie sagten zu einander: »Schau doch!..« und der Vendéer erwiederte: »Es ist Euer Schatten, laßt uns weiter gehen.« Plötzlich, bei der Biegung der Straße, sahen sie zwei Männer vor ihnen aufstehen: sie wollten rufen: Einer von den Soldaten fiel, ohne daß er Zeit gehabt, ein Wort hervorzubringen; der Andere wankte eine Secunde und hatte nur noch Zeit, zu sagen: »Herbei!«
Zwanzig Flintenschüsse gingen auf der Stelle los. Beim Scheine dieses Blitzes konnte man drei Männer unterscheiden, welche flohen; der Eine von ihnen wankte und schleppte sich einen Augenblick längs der Böschung fort, in der Hoffnung, die andere Seite der Hecke zu erreichen. Man lief auf ihn zu: es war nicht der Führer; man befragte ihn, er antwortete nicht! ein Soldat stieß ihm das Bajonnet durch den Arm, um zu sehen, ob er todt sei: er war es.
Nun wurde Marceau der Führer. Das Studium, das er über die Oertlichkeiten gemacht, ließ ihn hoffen, er werde sich nicht verirren. Nachdem man noch eine Viertelstunde marschirt war, erblickte man wirklich die schwarze Masse des Waldes. Hier sollten sich
nach der Kunde, welche die Republicaner erhalten, um eine Messe zu hören, die Einwohner einiger Dörfer, die Trümmer mehrerer Heere, ungefähr achtzehnhundert Mann versammeln.
Die zwei Generale trennten ihre Truppe in mehrere Colonnen, mit dem Befehle, den Wald einzuschließen und ihre Richtung auf allen Wegen zu verfolgen, welche nach dem Mittelpunkte gingen. Eine Colonne machte Halt auf dem Wege, der sich vor ihr fand; die anderen dehnten sich im Kreise auf den Flügeln aus; man hörte noch einen Augenblick das abgemessene Geräusch ihrer Schritte, das immer schwächer wurde; endlich erlosch es ganz, und es trat eine völlige, Stille ein. Die halbe Stunde, welche einem Kampfe vorhergeht, verläuft rasch. Der Soldat hat kaum Zeit, nachzuschauen, ob sein Gewehr gut mit Zündkraut versehen ist, und zu seinem Kameraden zu sagen: »Ich habe zwanzig bis dreißig Franken in der Ecke meines Sackes; sterbe ich, so schicke sie meiner Mutter!«
Das Wort Vorwärts! erscholl, und Jeder bebte, als ob er nicht darauf gefaßt gewesen wäre.
So wie sie vorrückten, schien es ihnen, der Kreuzweg, der den Mittelpunkt des Waldes bildete, sei erleuchtet; als sie näher kamen, gewahrten sie flammende Fackeln; bald wurden die Gegenstände deutlicher, und ein Schauspiel, von welchem keiner von ihnen eine Idee gehabt, bot sich ihren Blicken.
An einem plump durch ein paar aufgehäufte Steine repräsentirten Altar las der Pfarrer von Sainte-Marie-de-Rhe eine Messe; Greise umgaben eine Fackel in der Hand haltend den Altar, und rings umher beteten Weiber und Kinder auf den Knieen. Zwischen den Republicanern und dieser Gruppe stand eine Mauer von Männern und bot auf einer schmäleren Fronte denselben Schlachtplan für die Vertheidigung wie für den Angriff. Es wurde klar, daß sie unterrichtet worden, selbst wenn man nicht im ersten Gliede den Führer, welcher entflohen war, erkannt hätte; nun war es ein vendeeischer Soldat mit seinem vollständigen Costume, auf der linken Seite der Brust das Herz von rothem Stoffe, das als Erkennungszeichen diente, und am Hute das weiße Sacktuch, das den Helmbusch ersetzte, tragend.
Die Vendéer warteten nicht, bis man sie angriff; sie hatten Tirailleurs im Walde verbreitet, und sie begannen das Feuer; die Republicaner rückten das Gewehr im Arm vor, ohne einen Schuß zu thun, ohne auf das wiederholte Feuer ihrer Feinde zu antworten, ohne andere Worte nach jeder Salve von sich zu geben, als die: »Schließet die Glieder! schließet die Glieder!«
Der Priester hatte seine Messe nicht vollendet, und er setzte sie fort; sein Auditorium schien dem, was vorging, fremd zu sein, und blieb auf den Knieen. Die republicanischen Soldaten rückten immer weiter vor. Als sie nur noch dreißig Schritte von ihren Feinden entfernt waren, kniete das erste Glied nieder, drei Linien Gewehre senkten sich wie Aehren, die der Wind beugt. Das Feuer brach los: man sah die Reihen der Vendéer sich lichten, und, durchgehend, tödteten einige Kugeln Weiber und Kinder am Fuße des Altars. Es herrschten einen Augenblick in dieser Menge Geschrei und Tumult. Der Priester hob die geweihte Hostie in die Höhe, die Köpfe beugten sich bis zur Erde, und Alles wurde wieder still.
Die Republicaner gaben eine zweite Salve aus zehn Schritte, mit eben so viel Ruhe, als bei einer Revue, mit eben so viel Präcision als nach einer Scheibe. Die Vendéer erwiederten das Feuer; alsdann hatten weder die Einen, noch die Andern Zeit, ihre Gewehre wieder zu laden; es kam die Reihe an das Bajonnet, und hier war der Vortheil ganz auf der Seite der regelmäßig bewaffneten Republicaner. Der Priester las die Messe immer weiter.
Die Vendéer wichen zurück, ganze Glieder fielen, ohne daß man ein anderes Geräusch als Flüche hörte.. Der Priester bemerkte es; er machte ein Zeichen: die Fackeln erloschen, der Kampf kehrte in die Finsterniß zurück. Dann war es nur noch eine Scene der Verwirrung und des Gemetzels, wobei Jeder mit Wuth schlug, ohne zu sehen, und starb, ohne Gnade zu verlangen, Gnade, die man kaum bewilligt, wenn man sie in derselben Sprache von einander fordert.
Es wurden indessen doch die Worte: »Gnade! Gnade!« von einer herzzerreißenden Stimme zu den Füßen von Marceau, der eben einen Streich führen wollte, ausgesprochen.
Es war ein junger Vendéer, ein Knabe ohne Waffen, der aus diesem entsetzlichen Gemenge hinauszukommen suchte.
»Gnade! Gnade,« sagte er, retten Sie mich! im Namen des Himmels, im Namen Ihrer Mutter!«
Der General schleppte ihn ein paar Schritte vom Schlachtfelde fort, um ihn den Blicken seiner Soldaten zu entziehen, bald sah er sich aber genöthigt, anzuhalten: der junge Mann war ohnmächtig geworden. Dieses Uebermaß von Angst setzte ihn von Seiten eines Soldaten in Erstaunen; nichtsdestoweniger beeiferte er sich, ihm Hilfe zu leisten; er öffnete seinen Rock, um ihm Luft zu geben: es war ein Weib,
Man durfte keinen Augenblick verlieren; die Befehle des Convents waren sehr bestimmt; jeder Vendéer, den man mit den Waffen in der Hand oder zu einer Zusammenschaarung gehörend ergriff, was auch sein Alter und sein Geschlecht sein mochte, sollte auf dem Schaffot sterben. Er legte die junge Person an den Fuß eines Baumes und eilte nach dem Schlachtfelde. Unter den Todten erblickte er einen jungen republicanischen Officier, dessen Wuchs ihm ungefähr der der Unbekannten zu sein schien; er nahm ihm rasch seine Uniform und seinen Hut ab, und kehrte zu ihr zurück. Die Kühle der Nacht erweckte sie bald aus ihrer Ohnmacht.
»Mein Vater! mein Vater!« waren ihre ersten Worte; dann stand sie auf und drückte ihre Hände an ihre Stirne, als wollte sie ihre Gedanken darin befestigen. »Oh! das ist gräßlich; ich war mit ihm, ich habe ihn verlassen. Mein Vater, mein Vater! er wird todt sein!«
»Unsere junge Gebieterin, Fräulein Blanche,« sagte ein Kopf, der plötzlich hinter dem Baume erschien, »der Marquis von Beaulieu lebt, er ist gerettet. Es lebe der König! es lebe die gute Sache!«
Derjenige, welcher diese Worte gesprochen, verschwand wie ein Schatten; jedoch nicht schnell genug, daß Marceau nicht Zeit gehabt hätte, den Bauern von Saint-Crepin zu erkennen.
»Tinguy! Tinguy!« rief das Mädchen seine Arme gegen den Mann ausstreckend.
»Stille! ein Wort verräth Sie: ich könnte Sie nicht retten, und ich will Sie retten! Ziehen Sie diesen Rock an, setzen Sie diesen Hut auf, und erwarten Sie mich hier.«
Er kehrte auf das Schlachtfeld zurück, gab den Soldaten den Befehl, sich gegen Chollet zurückzuziehen, überließ seinem Collegen das Commando über die Truppe, und kam wieder zu der jungen Vendéerin.
Er fand sie bereit, ihm zu folgen. Beide wandten sich nach einem Orte der Landstraße, welche die Romagne durchzieht, wo der Bediente von Marceau mit Handpferden wartete, die nicht in das Innere der Landschaft eindringen konnten, da hier die Wege nur Schluchten und Morastlöcher sind. Nun verdoppelte sich seine Verlegenheit; er befürchtete, seine junge Gefährtin könne nicht reiten und habe nicht die Kraft, zu Fuße zu gehen; doch sie hatte ihn bald beruhigt, da sie ihr Pferd mit weniger Kraft, aber mit ebenso viel Anmuth als der beste Reiter führte.1 Sie sah das Erstaunen von Marceau und lächelte.
»Sie werden weniger erstaunt sein, wenn Sie mich kennen. Sie werden erfahren, durch welche Reihenfolge von Umständen ich mit den Uebungen der Männer vertraut geworden bin; Sie sehen so gut aus, daß ich Ihnen alle Ereignisse meines so jungen und schon so gemarterten Lebens sagen will.«
»Ia, ja, doch später,« erwiederte Marceau; »wir werden Zeit dazu haben, denn Sie sind meine Gefangene, und um Ihretwillen werde ich Ihnen nicht die Freiheit geben. Was wir nun zu thun haben ist, daß wir Chollet so rasch als möglich erreichen. Befestigen Sie sich also auf Ihrem Sattel, und im Galopp, mein Cavalier!«
»Im Galopp!« wiederholte die Vendéerin; und nach drei Viertelstunden ritten sie in Chollet ein. Der Obergeneral war auf der Manie. Marceau ließ seine Gesungene und seinen Bedienten vor der Thüre und ging hinauf. Er erstattete mit ein paar Worten Bericht über seine Mission, kam zurück und suchte mit seiner kleinen Escorte ein Lager im Gasthause zu den Sansculottes, eine Inschrift, welche auf dem Schilde die Worte: Zum großen heiligen Nicolaus ersetzt hatte.
Marceau nahm zwei Zimmer: er führte die junge Gefangene in eines derselben und lud sie ein, sich ganz angekleidet auf das Bett zu werfen, um hier einige Augenblicke eine Ruhe zu genießen, die sie nach der gräßlichen Nacht, welche sie zugebracht, sehr nöthig haben müßte, und er schloß sich in das seine ein, denn nun hatte er die Verantwortlichkeit für eine Existenz, und er mußte aus Mittel, sie zu erhalten, bedacht sein.
Blanche ihrerseits hatte auch zu träumen, von ihrem Vater vor Allem, sodann von dem jungen republicanischen General mit dem sanften Gesichte und der milden Stimme. Alles das dünkte ihr ein Traum. Sie ging, um sich zu versichern, daß sie wirklich wach war, sie blieb vor einem Spiegel stehen, um sich zu überzeugen, daß wirklich sie
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Selbst wenn das, was folgt, diese bei uns bei einer Frau seltene Gewohnheit nicht erklären würde, müßte sie der Gebrauch des Landes rechtfertigen. Die Damen der Schlösser reiten buchstäblich wie ein Fashionable von Longchamps; nur tragen sie unter ihren Röcken, die der Sattel aufhebt, Beinkleider denen ähnlich, welche man den Kindern anzieht Die Weiber aus dem Volke gebrauchen nicht einmal diese Vorsicht, obschon mich die Farbe ihrer Haut das Gegentheil glauben A. D.