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Büßende Magdalenen

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Eine ziemlich ungeordnete und regellose Lectüre hat mir das vorliegende Schriftchen, dessen tief einschneidende und geistvolle Sätze Alexander Dumas fils zuerst im »Ganlois« erscheinen ließ, in die Hände gespielt. Die reichen Anregungen, welche ich daraus empfangen, die wichtigen Probleme, die es entwickelt, weckten in mir plötzlich und ungesucht den Wunsch, zur Verbreitung des Werkes beizutragen und ließen mich die natürliche Scheu überwinden, aus dem Kreise herauszutreten, den die Sitte enger und ängstlicher, als die Sittlichkeit um uns Frauen gezogen hat. So erhabene Beispiele, wie das der Fräulein Chupin, würden ihre Wirkung zur Hälfte verleugnen, wenn sie nicht einmal im Stande wären, über die kleinen Rücksichten des täglichen Lebens, über die Pruderien der modernen Gesellschaft wegzuhelfen. Und wo will man die Emanzipation der Frau beginnen, wenn nicht bei der Arbeit des Wohlthuns, bei dem Streben, das Gute und Edle zu fördern, an welchem Orte man ihm auch begegnen mag? Nicht das physische Krankenbett allein bedarf der sorgenden Hand, des hilfreichen Waltens echter, nicht gesellschaftlich geschminkter Weiblichkeit.

Ich weiß, daß ich trotzdem der Mißdeutung, vielleicht herben Urtheilen, nicht entgehen werde. Ich wage es darauf im Bewußtsein einer guten Sache und in der Erkenntnis; des Satzes, daß es leichter und gefahrloser ist, zwanzig allgemeine bestimmte Wahrheiten auszusprechen, als eine einzige bestimmte zur Anwendung zu bringen. Nur die That selbst kann für das Wagniß der, That entschädigen.

Und deswegen führe ich meinen Entschluß ans, hoffend, daß es gewiß viele Menschen gibt, gering vorurtheilsfrei, um zu verstehen, wie man, um ein wenig Gutes zu thun, dem Kopfschütteln derer trotzen kann, die eine geheuchelte Unwissenheit dem offen eingestandenen Interesse an einer so wichtigen sozialen Frage vorziehen würden.

So bleibt mir schließlich nur übrig, Herrn Alexander Dumas für die liebenswürdige Bereitwilligkeit, mit welcher er mir das Recht der Uebersetzung Madeleines repenties zugestanden, hier meinen verbindlichsten Dank auszusprechen und diesen selbst wenigstens einen Theil des Erfolges ans deutschem Boden zu wünschen, den sie auf französischem in so überreichen Maße davongetragen.

Wien, 15. Mai 1869.

Jenny Zink.

Ohne Zweifel hat man Dir schon gesagt, werther Leser, daß ich mich einem speziellen Fache der Literatur gewidmet habe, und zwar dem der Schilderung einer gewissen Classe von Frauen, die Brantôme die Beflecktesten genannt haben würde, und daß ich mich seit langer Zeit zum Apostel des Lasters und der Prostitution gemacht habe. Einige behaupten sogar, daß ich nicht wenig zur Verbreitung der heutigen Sittenlosigkeit beigetragen habe, und daß es meine Schuld sei, wenn die Damen, die früher nur auf einer Seite des Trottoirs gehen durften, jetzt in Paris die ganze Straße beherrschen.

Die Provinz ist ans dem Grunde nicht so überschwemmt, weil die Schülerinnen, welche dort durch die Herren Commis Voyageurs und Militairs herangebildet werden, sofort nach Paris gesandt werden, welches ihnen mehr Spielraum und mehr Freiheit gewährt.

Es fällt mir nicht bei, mich gegen diese Anschuldigungen zu vertheidigen. Ich wäre sogar geneigt, mich derselben zu rühmen, da es in einer Epoche, wo Jedermann etwas sein will , eben so selten als schwierig ist, eine Spezialität zu sein. Gewiß ist, daß dieser Ruf mir hierin eine Art Autorität verschafft hat, so daß ich bei Gelegenheit als Sachverständiger zu Rathe gezogen werde.

Ich war daher nicht sehr erstaunt, als eines Tages zwei Schwestern vom Orden St. Dominique bei mir erschienen und mir die Ehre erwiesen, meinen Rath und meine Unterstützung in Angelegenheiten des St. Annen Asyls, welches die eine von ihnen, Fräulein Chupin, ganz allein gegründet hatte, in Anspruch zu nehmen. Diese gottesfürchtigen Schwestern hatten ohne Zweifel von den Personen, welche sie aufgenommen, über mich sprechen gehört, und sie kamen mich zu bitten, da doch meine Werte eine der Ursachen der Verderbniß dieser Letzteren gewesen, das von mir Verschuldete möglichst wieder gut zu machen. Es ist wohl leicht zu errathen, daß dieses Asyl St. Anna (Refuge St. Anne) ein Zufluchtsort für reuige Magdalenen ist.

Die Geschichte der Gründung dieses Asyls ist höchst rührend.

»Fräulein Chupin war Aufseherin in dem zur Ausnahme der Prostititirten bestimmten Gefängnisse St. Lazare. Sie lernte darin unsägliches Elend, und was noch trauriger ist, nutzlose Reue kennen.

»Sie sah so viele dieser unglücklichen Wesen, welche, entschlossen dem Laster zu entsagen, aus dem Gefängniß gegangen waren, dahin zurückkehren, aufs Neue der Schande verfallen, weil ihnen eine Stütze, ein Asyl, das tägliche Brod, mit einem Worte, Alles gefehlt hatte, als sie versuchten, ihre guten Vorsätze auszuführen.

»Nachdem Fräulein Chupin ihre Stellung in Folge einer Verwaltungsverändernng durch welche die barmherzigen Schwestern berufen wurden, verloren, sah sie sich bald von diesen armen, verlassenen Geschöpfen umringt, denen sie die Theilnahme eines wahrhaft christlichen Herzens gezeigt hatte. Alle begehrten Hilfe und, um wieder den rechten Weg betreten zu können, anständige Arbeit und ein Obdach, gleichviel welche Arbeit, wenn sie nur ihr Brod, gleichviel welches Obdach, wenn sie in ihm nur Gott fänden. Wie aber ihnen dieses gewähren? Dazu fehlte Alles: ein Haus, Geld, Wohlthäter. Was man von ihr erflehte, war das Unmögliche, und doch gab es so viele arme Seelen zu trösten und zu retten. Es schien ihr, als ob der Gott der Barmherzigkeit die Ueberwindung eben dieser Unmöglichkeit, vor welcher sie so sehr erschrack von ihrer Liebe verlangte. Sie betete zu ihm, sie weinte, und endlich hatte die andauernde Unmöglichkeit keine Schrecken mehr für sie.

»Am 21. Jänner 1854 öffnete Fräulein Chupin ihre kleine Wohnung oder vielmehr ihr einziges Zimmer, dreien der am meisten flehenden dieser Unglücklichen: »Tretet ein, und bleibet,« sagte sie zu ihnen, »wir werden leben, wie wir eben können!«

»Ihre ganze Baarschaft bestand in 5-6 France. Gott gestattete, daß sie lebten, oder vielmehr Gott gestattete, daß sie nicht starben! Dieses war der Anfang: das Asyl St. Anna war gegründet!«

So schrieb Mr. Beuillot in einem Artikel, den er einst dem Asyle St. Anna widmete, und ich konnte nichts besseres thun, als denselben wörtlich zu copiren. Ich würde dieses auch gewiß bis zu Ende thun, hätte ich heute nicht die Frage von einem anderen Standpunkte zu betrachten – einem Standpunkte, der gewiß dem ausgezeichneten Publicisten nicht entging, den er aber in’s Licht zu stellen nicht für gut befunden.

So war denn ein Zufluchtsort gegründet – er existierte, schwach, hilflos, wie ein zur Welt gekommenes Kindlein eine Minute nach der Entbindung. – Nun handelte es sich nur darum, es am Leben zu erhalten!

Welche Schwierigkeiten, welche Hindernisse – welche Vorurtheile stellten sich dem Fräulein Chupin entgegen bei ihrem Bestreben, dies zu erreichen!

Dank ihrer Ausdauer, Dank ihrer Aufopferung sah Fräulein Chupin endlich, zwar von mancher Seite mit schweren Beleidigungen abgewiesen – denn es ist keine leichte Aufgabe, für solche Schützlinge Almosen zu erbitten – das erste Lächeln, vernahm sie das erste Lallen des Kindes!

Zur Zeit als Herr Beuillot dem Asyle St. Anna den Artikel widmete, welchem ich die obigen Zeilen entlehnte, zählte dasselbe bereits 62 Pensionärinnen.

Freilich war inzwischen Fräulein Chupin in den Orden der Dominikanerinnen eingetreten, und hatte dadurch dem Staate und den gottesfürchtigen Gewissen die Garantie des offiziellen Gottes gegeben, da nun einmal die Garantie des allbarmherzigen Gottes nicht genügend war! —

Heute ist das Asyl ein Kloster, aber ein Kloster, dessen Pforte stets eben so wohl dem Eintritte als dem Austritte geöffnet bleibt.

Sollte der Zufall diese Blätter Dir vor die Augen führen und Du, angezogen von dem Titel, dieselben kaufen, so wisse unglückliches Wesen, das Du mit geschminkten Wangen, mit herausforderndem Blicke – mit halbgeöffneten Lippen – und wahrscheinlich mit leerem Magen die dunklen Straßen wandelst bis zur Ecke der hellerleuchteten Boulevards, die Du betreten darfst, um den Vorübergehenden zu winken,

Oculis venantem

Viros —

und die Du, wie Phädra sagt, mit Deinen Augen Jagd auf die Männer machst – wisse, daß wenn Du müde bist des schmählichen Gewerbes, zu welchem Dich die Rohheit der Männer getrieben, – in dem Dich die Unwissenheit zurückhält, an das Dich die Gewohnheit fesselt, die Verachtung kettet, wisse, daß es ein einsames, stilles, wohlthätiges Haus gibt, an dessen Pforte Du nur zu klopfen brauchst, damit sie Dir geöffnet werde, wie es die heilige Schrift verspricht.

Ein Haus, in dem man von Dir Nichts verlangt – nicht einmal die augenblickliche Reue – Nichts als den Abscheu vor einem Leben dem Du ja in einer Minute entsagen kannst.

Man wird Dir dort weder Buße noch Fasten, weder Geißelung noch Kasteiung auferlegen, nicht einmal Heuchelei von Dir fordern —; diejenige, die Dich dort empfängt, verdankt ihre Erkenntniß Gottes dem Elende und den Verirrungen Anderer – sie wird Dir sein Bild weder furchterregend noch verworren darstellen. Es ist der liebe Gott der kleinen Kinder, der Dich an der Schwelle empfängt – denn Du – unglückliches Wesen, bist ja selbst ein Kind, – ein Kind, dem viel verziehen werden muß, weil Du noch nie geliebt hast!

Um Dich zu bekehren und reuig zu machen, zählt matt dort nicht auf klösterliche Strenge, nicht auf die donnernden Reden der Kanzel, nicht auf das eindringliche Murmeln des Beichtstuhles – man baut dort zuerst auf den Einfluß der freien Luft, auf das Schauspiel der heiteren Natur, des weiten Horizontes, des allbedeckenden Himmels, und mehr noch als auf alles dieses, auf die Freude, welche Du bei Deinem ersten Erwachen darüber empfinden wirst, daß Du deinen Körper wieder errungen hast, daß Du Dir allein angehörst, und daß in diesem Deinen Körper durch dieselben Wunden, durch welche Du Deine Seele entschlüpfen ließest, sie – die deiner geharrt – wieder rückkehren kann!

Büßende Magdalenen

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