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Vorwort
ОглавлениеAleksandra Konarzewska
„Immer ist etwas da, das dem Menschen den Menschen stiehlt.“
Stanisław Brzozowski – Marxismus als Philosophie der Kultur und Entfremdung
Obgleich er nur das junge Alter von dreiunddreißig Jahren erreichte, ist es ihm gelungen ein Werk zu hinterlassen, das bis heute zu den wichtigsten Kulturphänomenen der Jahrhundertwende in Ost- und Mitteleuropa zählt. Stanisław Leopold Leon Brzozowski (1878–1911) war ein polnischer Kulturphilosoph, revisionistischer Marxist, Literaturkritiker, Dichter und Romancier und zählte zu den ersten, die – wie später Antonio Gramsci und György Lukács – den Marxismus in erster Linie als eine Kulturphilosophie ansahen.
Das Werk Brzozowskis wird oft als ein „revisionistischer“ oder sogar „häretischer“ Marxismus rezipiert.1 Wie viele der zeitgenössischen Denker:innen (u. a. Henri Bergson) entwarf auch Brzozowski eine Philosophie der Handlungspraxis, die eine strikte Trennung von ‚Leben‘, ‚Literatur‘ und ‚Philosophie‘ ablehnte, behielt dabei jedoch eine konsequent materialistische Perspektive bei. Das ‚Leben‘ wird in seinen Werken als ein Gegenstand der philosophischen Reflexion betrachtet, die ‚Ideen‘ sollten unterdessen weniger durchdacht, als vielmehr physisch ‚durchlebt‘ werden. Anders als bei den meisten marxistischen und sozialistischen Denker:innen seiner Zeit standen die Kultur (und nicht die ökonomischen Prozesse) und das Individuum (anstelle des Kollektivs) im Zentrum von Brzozowskis Interesse. Ähnlich wie für spätere marxistische Revisionist:innen aus Ost- und Mitteleuropa (Karel Kosík, Ágnes Heller, die Mitglieder der Warschauer Schule der Ideengeschichte) bedeutete der Marxismus für Brzozowski nicht die Suche nach Lösungen, sondern das Aufwerfen neuer Fragestellungen, die er auf Grundlage seiner Lektüre von Klassikern der sozialistischen Philosophie, beispielsweise Friedrich Engels (die längere Abhandlung Anty-Engels gilt als eine der geistvollsten Schriften Brzozowskis), entwickelte.2 Wogegen er lebenslang plädierte, war die Reduktion des Marxismus auf einen Automatismus, der bei Analysen von Kultur- und Sozialphänomenen einem Satz fester Axiome folgt und zu Unrecht verspricht, Geschichte und Ökonomie begreifen zu können, ohne sie gründlich studieren zu müssen. Brzozowski fasste den dialektischen und historischen Materialismus hingegen differenzierter auf, d.h. ohne einen Verzicht auf Ironie und Paradoxa, die die Praxis (‚das Leben‘) mit sich bringt. Dank einer solchen unorthodoxen Denkart ist in Brzozowskis Werken eine Perspektive zu finden, die den heutigen, an eine intersektionale Verknüpfung von Klassen-, Rassen/Ethnien- und Genderfragen gewöhnten Leser:innen besonders nah sein kann. Sie durchzieht vor allem literarische Werke Brzozowskis, in denen die strukturelle Diskriminierung ganzer ethnischer, nationaler und religiöser Gruppen (Juden, Unierte, Ukrainer) sowie sexuelle Gewalt und Ausbeutung thematisiert werden. Die Darstellung erfolgt ohne eine Romantisierung der Unterdrückten, die die sentimentale Prosa jener Zeit oft auszeichnete, und unter Berücksichtigung der intersektionalen Dynamik sozialer Ungleichheiten, die für das multikulturelle Ost- und Mitteleuropa der Jahrhundertwende charakteristisch war.
Gleichzeitig wurde der Marxismus in Brzozowskis Augen zu einer Philosophie der modernen Entfremdung, deren Spuren in verschiedensten Kulturströmungen zu erkennen sind, inklusive des religiösen Glaubens. Eine besondere Rolle spielte der römische Katholizismus: Brzozowski war von dem katholischen Modernismus und dem Werk John Henry Newmans fasziniert, dessen An Essay in Aid of a Grammar of Assent (1870) er ins Polnische übersetzte. Der Katholizismus verdiente laut Brzozowski eine besondere Aufmerksamkeit in der Kulturanalyse, aufgrund seiner Fähigkeit die wichtigsten Denkströmungen jener Zeit kreativ, aber ohne Integritätsverlust, aufnehmen und weiterentwickeln zu können. Auch die religiöse Spiritualität an sich, so Brzozowski, sei eine Tatsache und gehöre in verschiedensten Formen zur Sphäre menschlicher Erfahrungen; sie zu ignorieren, würde die Vernachlässigung eines wesentlichen Teils der Praxis (‚des Lebens‘) bedeuten. So gesehen steht Brzozowskis Religionsphilosophie dem gegenwärtigen, postsäkularen Marxismus (Slavoj Žižek, Terry Eagleton) sehr nahe; die provokative Feststellung von Žižek, dass das Erbe des Christentums „viel zu kostbar [ist], um es irgendwelchen fundamentalistischen Freaks zu überlassen“,3 könnte auch seine Maxime gewesen sein.
Das Leben von Brzozowski war nicht nur kurz, sondern auch dramatisch. Er wurde in eine verarmte Adelsfamilie in Maziarnia (damals: Russisches Kaiserreich) hineingeboren. Während seines Studiums in Warschau kam er mit polnischen Sozialisten in Kontakt und setzte sich als freier Journalist für fortschrittliche Ideen ein; zudem war er als Autor und Übersetzer tätig (er sprach Russisch, Deutsch, Französisch, Englisch und Italienisch). Aufgrund seiner Erkrankung an Tuberkulose musste er mit seiner Familie nach Südeuropa emigrieren (dort lernte er u. a. Maxim Gorki und Anatoli Lunatscharski kennen). Als Brzozowski im Ausland lebte, wurde er Opfer einer politischen Intrige: 1908 wurde ihm öffentlich seitens der Presse vorgeworfen, ein Agent der ochrana (des Geheimdienstes im zaristischen Russland) zu sein. Obwohl diese Anschuldigung nie vollends bestätigt wurde, ruinierte sie den Ruf des Schriftstellers und beschleunigte seine Krankheitsentwicklung; Brzozowski starb nur drei Jahre später, in großer Armut, in Florenz.
Das Werk dieses unorthodoxen Marxisten fasziniert bis heute Schriftsteller:innen, Denker:innen und Aktivist:innen von allen Seiten des politischen Spektrums.4 Dies illustriert insbesondere die Rezeption seiner Werke in der Zwischenkriegszeit, als sich auf Brzozowski gleichermaßen links- wie rechtsorientierte Autor:innen (u. a. überzeugte Zionist:innen)5 beriefen. Nach dem Zweiten Weltkrieg und einer Etablierung des sowjetischen Kommunismus in Ost- und Mitteleuropa war Brzozowskis Name verpönt,6 und zwar nicht nur unter überzeugten Stalinisten: Noch im Jahr 1976 schrieb der Ex-Marxist Leszek Kołakowski über problematische „biologisch[e] Metaphern“ in Brzozowskis Werk, „die zwar keinen eindeutigen Inhalt hatten, aber mit der Zeit besonders verdächtig wurden, als radikale nationalistische Bewegungen, die man mit einer gewissen Berechtigung als faschistisch bezeichnen kann, in der Darstellung nationaler Werte gern auf die biologische Phraseologie zurückzugreifen begannen“.7 Erst in den 1960er Jahren, als eine Folge des ‚Tauwetters‘ im Ostblock, wurde Brzozowski in Polen neuentdeckt, insbesondere von Literaturkritiker:innen (eine wesentliche Rolle spielte hierbei das Buch des zukünftigen Nobelpreisträgers Czesław Miłosz).8 Im Jahr 2005 wurde die Stanisław-Brzozowski-Gesellschaft (Stowarzyszenie im. Stanisława Brzozowskiego) gegründet, die die renommierte linksliberale Zeitschrift „Krytyka Polityczna“ herausgibt.
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Diese Anthologie präsentiert eine Auswahl von Brzozowskis Prosa, Publizistik und Literaturkritik, die die Originalität seiner Perspektive und die Vielfalt seiner Interessen illustrieren soll. Zeit seines Lebens veröffentlichte Brzozowski neben zahlreichen Presseartikeln mehrere längere Studien zur Literatur, Kultur und Philosophie: Der zeitgenössische polnische Roman (Współczesna powieść polska, 1906), Kultur und Leben. Fragen der Kunst und des Schaffens im Kampf um die Weltanschauung (Kultura i życie. Zagadnienia sztuki i twórczości w walce o światopogląd, 1907), Zeitgenössische Literaturkritik in Polen (Współczesna krytyka literacka w Polsce, 1907), Die Legende des Jungen Polens. Studien zur Struktur der kulturellen Seele (Legenda Młodej Polski. Studia o strukturze duszy kulturalnej, 1909), Ideen. Einführung in die Philosophie der geschichtlichen Reife (Idee. Wstęp do filozofii dojrzałości dziejowej,1910), Stimmen inmitten der Nacht. Studien zur romantischen Krise der europäischen Kultur (Głosy wśród nocy. Studia nad przesileniem romantycznym kultury europejskiej, 1912). Zu seinem literarischen Werk gehören auch diverse unvollendete Prosastücke: Unter Gottes Last (Pod ciężarem Boga, 1901), Wirbel (Wiry, 1904–1905), Allein unter Menschen (Sam wśród ludzi, 1911) und Ein Buch über eine alte Frau (Książka o starej kobiecie, 1911). Der einzige vollendete Roman Flammen (Płomienie, 1908) wurde in mehrere Sprachen übersetzt, inklusive Jiddisch (1925, 1928) und Hebräisch (1939).9 Noch zu Brzozowskis Lebzeiten gab es Versuche Flammen auch auf Deutsch herauszugeben, die ersten Übersetzungsentwürfe wurden jedoch als mangelhaft bewertet (entscheidend war die Meinung des Philosophen und Religionswissenschaftlers Martin Buber, dessen Onkel Rafał Buber zu Brzozowskis engsten Freunden gehörte);10 die deutsche Fassung des Romans erschien schließlich 1920 in Berlin. Ein weiteres Werk Brzozowskis, das dieser jahrelang plante, jedoch nie realisierte, wäre Karl Marx’ Philosophie gewidmet gewesen.
Schon der erste Text in diesem Band, der Programmtext DER GESCHICHTSMATERIALISMUS ALS KULTURPHILOSOPHIE (1907), zeigt, inwiefern Brzozowskis Marxismus unorthodox war und warum sein Werk in der stalinistischen Zeit (bis 1956) als eine reaktionäre Aberration angesehen wurde. Der Aufsatz erschien im gleichen Jahr auf Polnisch und auf Deutsch und wurde von der Lemberger Sozialistin, Lehrerin und Frauenrechtlerin Salomea Perlmutter-Trawiecka (1865–1936) übersetzt, mit der Brzozowski jahrelang korrespondierte und deren Meinung er sehr respektierte. In den Briefen an Perlmutter können oftmals Entwürfe seiner späteren Aufsätze zur Philosophie und Literaturkritik erkannt werden; so wurden auch die Hauptpunkte Des Geschichtsmaterialismus als Kulturphilosophie erstmals in einem Schreiben an sie festgehalten.11
Brzozowskis Text mit dem Untertitel Ein philosophisches Programm wurde tatsächlich als ein Programmartikel verfasst. „[D]er historische Materialismus ist nicht der Stein der Weisen der Alchemisten“, so die Hauptthese, „[er] ist eine Arbeitsmethode und nichts mehr“, „[eine] wissenschaftliche und kritische Betrachtung der ästhetischen, ethischen und pädagogischen Fragen“ (S. 35–38 in diesem Band, Hervorhebung im Original). Der in der sozialistischen Presse der Jahrhundertwende dominierende „trockene und lächerliche Doktrinarismus“ (S. 35) erweist sich laut Brzozowski in der Sphäre der Kulturforschung als unzureichend: Die Analysen der Kulturphänomene werden von Seiten der Publizistik vorgenommen, die die Komplexität des menschlichen Zusammenlebens stets auf die gleichen Fragen reduziert. Brzozowski weist darauf hin, dass ein so verstandener, geradliniger Materialismus zu seiner eigenen Karikatur werde, zu einem neuen, quasi-religiösen Glauben an die Existenz schwer definierbarer, außermenschlicher Kräfte, wie beispielsweise „Gesetzen der Geschichte“ (NB, im Roman Flammen erscheint der Name Marx nur in einem solchen Kontext: „Die werden daraus noch eine Religion machen. Eine neue Art von göttlicher Vorsehung“).12 Dies sei der größte Fehler von Friedrich Engels und denjenigen Denker:innen gewesen, die Kants Darlegungen in der Kritik der reinen Vernunft ignoriert haben sollen und deren Vorstellung von Metaphysik folglich naiv sei. Umso bedauerlicher sei dies, als gerade der Geschichtsmaterialismus Analysemittel anbiete, die es erlaubten, Kulturprozessen und einzelnen Werken ihre wahre Bedeutung anzusehen, d.h. sie in ihren konkreten – gleichzeitig individuellen und in Raum und Zeit spezifisch definierten – Kontexten zu betrachten. Brzozowski geht hier noch einen Schritt weiter, indem er den Geschichtsmaterialismus geradezu als eine Handlungstheorie auffasst, da er Individuen ermögliche an der Kulturwelt („Kunst und Literatur, Wissenschaft, Recht, Moral, Religion und Sozialwirtschaft“, S. 36) bewusst und verantwortlich teilzunehmen. „Der Geschichtsmaterialismus muss das bleiben, was er ist, eine Philosophie der Tat, filosofia della praxis […]. Hier baut sich der stolzeste Gedanken auf, der je existierte: die Menschheit als ihr eigenes, bewusstes Werk“ (S. 41) – schlussfolgert Brzozowski.
Wie eine geschichtsmaterialistische Kulturanalyse in der Praxis aussehen soll, illustriert der Aufsatz Brzozowskis über die polnische Literatur, in diesem Band in LITERATUR UND REVOLUTION umbenannt. Brzozowski differenziert hier zwischen der Generation der Autor:innen, die in Polen „Positivisten“ genannt wurden, und der etwas späteren, modernistischen Bewegung das „Junge Polen“ (Młoda Polska), die vor allem um die Krakauer Zeitschrift „Życie“ (1897–1900) konzentriert war. Die „Positivisten“ waren durch die Erfahrung des misslungenen Januaraufstandes (1863–1864) und seiner politischen Konsequenzen geprägt – u. a. Todesurteile und Verbannungen nach Sibirien, Enteignungen des Vermögens, die Liquidierung von Hochschulen (u. a. „Warschauer Hauptschule“, Szkoła Główna Warszawska), die erzwungene Konversion von Unierten zum orthodoxen Glauben und die Unterdrückung der polnischen Sprache und Kultur im öffentlichen Leben. Daher lehnten sie die aus der Epoche der Romantik stammende Idee eines bewaffneten Aufstandes ab und setzten sich stattdessen für eine Stärkung der Bevölkerung in der wirtschaftlichen und kulturellen Sphäre, durch Bildung, Wohlstand und Fortschritt, ein. In ihrer Publizistik und in ihren engagierten Prosawerken verbreiteten sie progressive Ideen: So thematisierten sie die Gleichberechtigung von Frauen, eine Verbesserung der Lebensbedingungen der unteren sozialen Schichten (z. B. der Bauern), die Bekämpfung des Analphabetismus, den Widerstand gegen den Antisemitismus und die Ablehnung postfeudaler Vorurteile; ohne jedoch einen revolutionären sozialen Wandel anzustreben. Obgleich viele literarische Werke der positivistischen Autor:innen aus heutiger Perspektive didaktisch naiv erscheinen mögen, gelten einige unter ihnen (wie der Roman Die Puppe von Bolesław Prus) als Meisterwerke der polnischen Prosa. Brzozowski hatte eine sehr hohe Meinung von den Positivist:innen, insbesondere den Werken von Bolesław Prus (1847–1912), Aleksander Świętochowski (1849–1938), und Eliza Orzeszkowa (1841–1910): „Etwas Edleres, als der Stoizismus, nämlich der Verzicht auf den eigenen Schmerz, die harte Hingabe an den Aufbau einer gemeinsamen Zukunft, bildet den hervorragendsten Charakterzug der edelsten Vertreter dieser Generation. […] Die polnischen Sozialisten werden mir wohl beipflichten, wenn ich sage, dass wir diesen Idealisten unseres Bürgertums unermesslich viel zu verdanken haben“ (S. 54).
Andererseits machte Brzozowski deutlich, dass angesichts der neuen gesellschaftlichen Herausforderungen die positivistischen Ansätze nicht mehr ausreichten, da eine sofortige und radikale Emanzipation der Arbeiterklasse nötig sei. Die Autor:innen des „Jungen Polens“ waren wenigstens dazu imstande das Ausmaß des Problems zu begreifen, indem sie die moderne Entfremdungs- und Entzauberungsproblematik thematisierten. Insbesondere das Werk von Stanisław Przybyszewski (1868–1927) wird von Brzozowski vor diesem Hintergrund interpretiert („Der Mensch fühlt sich dem Leben gegenüber machtlos, ist nicht imstande, sich mit ihm zu verknüpfen…“, S. 56). Mit dem einsetzenden Unbehagen im Zuge der Jahrhundertwende und dem Untergang der Adelsschicht (da der polnische Adel [szlachta] sein Machtpotential in der Kulturschöpfung verlor) ließ sich ein Aufstieg des Proletariats beobachten, der Brzozowski zufolge am besten durch den Verlauf der Revolution von 1905 illustriert wurde.
Die Revolution von 1905 bis 1907 umfasste eine Welle politischer und sozialer Unruhen (insbesondere Arbeiterstreiks) im russischen Raum, infolge derer es zu einer gewissen Liberalisierung des politischen Lebens kam (u. a. Einrichtung des Mehrparteiensystems). In den polnischen Gebieten forderten die Demonstrant:innen sowohl die Verbesserung der Arbeitsbedingungen als auch politische Freiheiten. Eines der wichtigsten Zentren der revolutionären Kämpfe war die Industriestadt Lodz (Łódź), in der im Juni 1905 ein Arbeiteraufstand ausbrach. Aus Brzozowskis Perspektive stellte diese Revolution die Kraft und die geschichtliche Reife des polnischen Proletariats unter Beweis – der einzigen polnischen Bevölkerungsschicht, die gegen das reaktionäre, von internationalem Großkapital und der Bourgeoisie unterstützte Zarentum Widerstand leisten konnte. Er betont dabei mehrfach, dass das Proletariat nicht nur über eine zielbewusste politische Orientierung und Integrität verfüge, sondern auch eine „nationale Selbstständigkeit“, weswegen es außerhalb des polnischen Proletariats „keine nationalen Formen des Denkens, Fühlens und Wollens“ (S. 49) geben könne. Eine solche Überzeugung, dass zwischen dem Streben nach einem selbstbestimmten Nationalstaat und dem Postulat des Sozialismus kein Widerspruch bestünde und die Arbeiterklasse auch in der Sphäre der Nationsbildung eine entscheidende Rolle zu spielen habe, war im damaligen Europa keine Seltenheit: In jener Zeit entstanden mehrere Bewegungen und Parteien, wie die marxistisch-zionistische Poale Zion (‚Arbeiter des Zions‘) oder die irische republikanische Sinn Féin (‚Wir selbst‘). Unter den polnischen Sozialist:innen aus dem Milieu der Polnischen Sozialistischen Partei (Polska Partia Socjalistyczna, PPS), mit der Brzozowski damals sympathisierte, spielte das Erbe der polnischen Romantik eine wichtige Rolle, insofern sie das ‚Polentum‘ eng mit der Emanzipation der unteren Schichten, der internationalen Solidarität (‚Brüderlichkeit der Völker‘, braterstwo ludów) und dem Respekt für ‚den Anderen‘ verknüpften. (Die PPS selbst wurde von fünf Personen gegründet, von denen zwei polnische Tataren waren). Ein so verstandenes, politisches ‚Polentum‘ unterschied sich diametral von jenem ‚Polentum‘, wie es von Seiten der polnischen Nationalen Demokratie (Narodowa Demokracja, ND) definiert wurde. Der ND zufolge war das ‚Polentum‘ in erster Linie kulturell-ethnisch zu begreifen, weswegen es mit anderen Ethnien und Kulturen konkurrieren musste und einer ständigen Bedrohung durch Einflüsse ‚stärkerer‘ Nationen (insbesondere der deutschen) ausgesetzt war. Die ‚Anderen‘ (Deutsche, Juden, Ukrainer, usw.) wurden insofern als Konkurrenz angesehen. Die ND verkörperte während der Revolution 1905–1907 für Brzozowski alles, wogegen er sich zu jener Zeit in seiner Publizistik wandte: einen an Zynismus grenzenden politischen Realismus, die reaktionäre Allianz zwischen dem Zarentum, dem Großkapital, dem Adel und Bürgertum und den evident chauvinistischen Nationalismus.
Vor diesem Hintergrund ist der leidenschaftliche Presseartikel DIE MENSCHHEIT UND DAS VOLK aus dem Jahre 1907 zu lesen, in dem Brzozowski das sozialistische civitas hominum und das selbstständige, „arbeitende Polen“ als sich gegenseitig ergänzende Konzepte darstellt. Die Bedingung hierfür wäre jedoch den spießigen Nationalismus der ND abzulehnen und stattdessen zu begreifen, dass von einem sozialistischen Gesamtkonzept (d. h. einer Leistung für die Menschheit insgesamt) auch Polen profitieren würde. Der Ausdruck ‚Arbeit‘ wird von Brzozowski polysem verwendet, einerseits in Bezug auf das Proletariat und die Rolle der Arbeiter:innen in der Revolution, andererseits bezogen auf die eigene, intellektuelle und geistige Entwicklung, die in der revolutionären Situation viel Mühe und innere Integrität abverlangte.
Denkt ihr, dass Polen in der Adelstracht inmitten eines modernen Europas bestehen kann, dass ihm als einziger Inhalt „der Name Marias“, der Hochmut der Unwissenheit, die beschränkte Selbstsucht und das träge gewordene Sentiment genügen werden? Die nationale Kraft als Besonderheit zu züchten heißt, den polnischen Krähwinkel und die polnischen Provinznester zum Ideal zu erheben, wo jeder unter dem Schleier der häuslichen Tugenden verlebte Tag ein Mord am eigenen Gedanken, an der eigenen menschlichen Würde ist! […]
Ihr Jungen, ihr Starken, ihr Kühnen, ihr, denen die Geschichte die schönste Gabe bereitet hat: ein Leben voller Arbeit, […] glaubt nur euch selbst, nur dem eigenen Gefühl, dass der Mensch kein Sklave sein darf; kämpft, arbeitet und schafft eine Zukunft trotz alledem, trotz der Heuchelei, der Halbheit, der Gleichgültigkeit und des Skeptizismus der erkalteten Herzen. Habt den Mut, Menschen zu sein und für den Menschen in Polen zu arbeiten. (S. 76)
Trotz des pathetischen Stils unterscheidet sich Brzozowski hier kaum merklich von anderen Autor:innen der engagierten polnischen Intelligenz der Jahrhundertwende; die ‚Denkfaulheit‘ und ‚Sentimentalität‘ der polnischen Gesellschaft wurden oftmals auch in den Veröffentlichungen der ND kritisiert (allerdings aus einer anderen, nicht-sozialistischen Perspektive). Solche Ratschläge, wie Brzozowskis: „sorgt dafür, dass die polnische Sprache eine Sprache der Wissenschaft, des unabhängigen Gedankens und der sich befreienden Arbeit sei“ (S. 71), stehen insofern in der damaligen intellektuellen Tradition. Bolesław Prus schrieb in einer Kolumne im Jahre 1897:
Wer also versuchen würde, patriotische Gefühle zu wecken oder auch nur zu verstärken, wäre wie ein Mann, der versuchen würde, den Ozean mit Wasser aus einem Brunnen aufzufüllen. […] [N]ach meiner persönlichen Überzeugung – bezeichnet das Wort ‚Pole‘ eine Spezies, wie die Wörter: Kiefer, Weide, Spatz, Biene und so weiter. An einer Kiefer zu arbeiten, um sie zu einer Kiefer zu machen, oder an einem Spatz, um ihn zu einem Spatz zu machen, ist genauso unsinnig, wie z. B. aus einer Kiefer eine Tanne machen zu wollen oder einen Spatz in einen Stieglitz verwandeln zu wollen. Es erscheint hingegen sinnhaft, an einer Tanne und an einem Spatzen zu arbeiten, sodass jeder von ihnen in seiner Art die höchste Vollkommenheit erreicht. Das aber ist nicht die Sache des Patriotismus, sondern der Zivilisation...13
Obwohl der naive Patriotismus von der polnischen Intelligenz mit Skepsis betrachtet wurde, erschien die Idee eines konsequenten Kosmopolitismus nur wenigen Autor:innen und Aktivist:innen verlockend. Der sozialistische Internationalismus, postuliert von der wichtigsten Konkurrenzpartei der PPS, der Sozialdemokratie des Königreichs Polen und Litauen (Socjaldemokracja Królestwa Polskiego i Litwy, SDKPiL), wurde als ein trockener, ökonomischer Dogmatismus angesehen, der die komplizierte national-ethnisch-konfessionelle Vielfalt Ost- und Mitteleuropas ignoriere und auf Identitäten bezogene Diskriminierungsprobleme übersehe (beispielsweise die Verfolgung ethnischer Minderheiten). Die SDKPiL sollte all jene nicht-ökonomischen Faktoren missachtet haben, die für das gesellschaftliche Funktionieren wesentlich seien: regionale geschichtliche Bedingtheiten, die Bedeutung lokaler Sprachen, das Verständnis von Genderrollen.14 Brzozowski selbst warf der SDKPiL (insbesondere ihrer bekanntesten Aktivistin Rosa Luxemburg) eine Vulgarisierung des Marxismus vor; sie habe eine feine Theorie auf eine Ideologie des ökonomischen Automatismus reduziert, die sogar dazu bereit sei harte Fakten zu missachten, wenn diese ihren theoretischen Hauptannahmen widersprächen.15 Im postulierten Internationalismus der SDKPiL erkannte Brzozowski eine versteckte Form des kulturellen Imperialismus, da der Verzicht auf die nationale Frage in der Praxis eine Unterordnung unter diejenigen Kulturen bedeutete, die bereits den hegemonialen Status besaßen. Brzozowski hatte ein breiteres Verständnis von Marxismus; die wahre Emanzipation bezog sich in seinen Augen nicht nur auf die Arbeitsbedingungen, sondern auch auf die damit verbundene Komplexität sozialkultureller Bedingungen und sollte in Form einer nationalen und ethnischen Selbstbehauptung auftreten.
Bei dem letzten theoretischen Text in dieser Anthologie handelt es sich um ein Fragment aus der Legende des Jungen Polens (1909), neben Ideen (1910), dem wichtigsten theoretischen Werk Brzozowskis, in dem er viele seiner früheren Äußerungen zur Kultur der Jahrhundertwende und insbesondere zur polnischen Literatur revidiert. Eines der Hauptprobleme, die in der Legende des Jungen Polens verhandelt werden, ist die Frage nach der Authentizität, die hinsichtlich verschiedener Aspekte diskutiert wird und eine Vielzahl an Themenbereichen umfasst: Religiosität, Humor und Komik, Autonomie und das Erbe der Romantik in der polnischen Kultur. Das Fragment ROMANTIK UND MODERNE rückt eine Gegenüberstellung der Romantik und des „Jungen Polens“ (wobei als „Junges Polen“ die modernistische polnische Literatur verstanden wird) in den Mittelpunkt, bei der die kraftvolle Authentizität und Individualität der polnischen Romantik von dem Epigonentum des „Jungen Polens“ kontrastiert wird. Die polnische Romantik war ein kulturelles Phänomen, mit dem Brzozowski Zeit seines Lebens in einem ständigen Dialog blieb, indem er versuchte ihre Vielfalt und Originalität intertextuell erfahrbar zu machen: Das letzte Kapitel seines frühen Buches über Fjodor Dostojewski16 ist dem romantischen Mystiker Andrzej Towiański (1799–1878) gewidmet, in der Dialogschrift Einführung in die Philosophie (Wstęp do filozofii, 1906) tritt der romantische Philosoph August Cieszkowski (1814–1894) als Gesprächspartner auf, der Roman Flammen – die Geschichte über Revolutionär:innen im Zarenreich – beinhaltet mehrere Anspielungen auf das Werk von Adam Mickiewicz (1798–1855) und Seweryn Goszczyński (1803–1876).17 Laut Brzozowski ist es der polnischen Romantik gelungen die polnische Geschichtserfahrung samt der historischen Besonderheiten Ost- und Mitteleuropas in den Rang moderner Weltliteratur zu erheben. In Werken von Goszczyński, Mickiewicz, Juliusz Słowacki oder Antoni Malczewski stellen lokale Themen aus Belarus oder der Ukraine keine Exotik dar, sondern eine authentische Abbildung harter Lebens- und Geschichtserfahrungen, in denen sich die moderne conditio humana widerspiegelt. Die polnische Romantik thematisierte auf eigene Weise die Grundprobleme der Moderne: nicht nur jene Daseinszustände, die zukünftig als „Entzauberung der Welt“ (Max Weber) oder „transzendentale Obdachlosigkeit“ (György Lukács) bezeichnet werden,18 sondern sie warf auch die Frage nach Emanzipationsmöglichkeiten auf. Dies kennzeichnete auch die romantische Vorstellung des ‚Polentums‘ in bezeichnendem Maße und verlieh ihr eine Dimension (selbst-)ironischer Ambivalenz. Mit der Zeit aber, so Brzozowskis Diagnose, wurde die polnische Romantik in der populären Vorstellung auf einen kuriosen Nationalismus reduziert, der für eine besondere Rolle Polens in der Weltgeschichte plädiere, jedoch außer pathetischen Standardfloskeln keine Errungenschaften mit sich bringe. Stattdessen führe er intellektuelle Faulheit und Ausreden herbei, um den kulturellen und gesellschaftlichen Herausforderungen der Moderne (insbesondere der Entfremdung) entkommen zu können.
Die Romantik war die Bewahrung des Glaubens in der realen Qual. Heute macht man aus ihr ein um des eigenen Stolzes willen täglich erneuertes Passionsspiel; die eigene unfruchtbare Existenz. Ich kann nichts tun, trotzdem aber glaube ich, rief die Romantik. Seht nur, wie ich glaube, ich tue ja nichts, wiederholen heute ihre Epigonen. Dort war Golgatha, hier Oberammergau. Dort war das Märtyrertum, hier der Wunsch, sich durch die „Qual“ vor der Arbeit zu drücken. (S. 81)
In ROMANTIK UND MODERNE ist auch eine Anspielung auf das Dramastück Die Ungöttliche Komödie (veröffentlicht 1835) des romantischen konservativen Dichters und Denkers Zygmunt Krasiński (1812–1859) zu finden, den Brzozowski wertschätzte. Die Handlung dieses Dramas spielt in einer imaginierten Zukunft, in der es zu einer demokratisch-atheistischen Revolution gegen die christlich-konservative Aristokratie kommt. Einerseits zeichnet Krasiński das schonungslose Porträt einer im Verfall begriffenen ‚alten Welt‘, andererseits porträtiert er die Revolutionär:innen als einen primitiven, zynischen und gewaltbereiten Mob, der sogar ihr eigener Anführer tief verachtet. Manch einer (wie Czesław Miłosz) vermochte in Krasińskis Drama die Hauptannahmen der geschichtsmaterialistischen Dialektik oder sogar eine Prophezeiung der kommunistischen Revolution zu erkennen.19 Der Kampf zwischen reaktionären und revolutionären Kräften wird in Die Ungöttliche Komödie sehr abstrakt dargestellt, ohne Verweise auf ein konkretes Land oder eine bestimmte Zeitperiode. Brzozowski beruft sich auf Krasińskis Werk als Beispiel für eine aufrichtige Auseinandersetzung mit den real konkurrierenden Weltanschauungen. Mit der romantischen Bereitschaft, die unterschiedlichen Weltbilder entschlossen neu zu durchdenken, wird die jungpolnische „Ohnmacht“ kontrastiert:
Hinter den hochmütigen Worten zu den Aufgaben der [heutigen] Literatur verbirgt sich feige Huldigung für geistige Laster und Schwächen, die fast absolute Unfähigkeit, sich angesichts der historischen Aufgaben klar und männlich auszusprechen. Wo gibt es eine Antwort auf die Frage nach unserem Verhältnis zum Christentum, zum Katholizismus, zur Demokratie, zu den Problemen der Befreiung der Arbeit[?] Das Junge Polen lebt am Körper seiner Gesellschaft, die in den großen, geschichtlichen Organismus des sich wandelnden Europa eingewachsen ist, […]– und hat sich kein einziges Mal bemüht, in diesem entsetzlichen Chaos eine klare und rücksichtslose Orientierung zu finden. (S. 88)
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Der Roman Flammen. Aus den hinterlassenen Aufzeichnungen des Michael Kaniowski (Płomienie. Z papierów po Michale Kaniowskim, 1908) ist das einzige vollendete Prosastück Brzozowskis und gilt als sein meistgelesenes Werk. Die Geschichte über einen polnischen Adligen, der ein Mitglied der russischen narodniki-Bewegung wird und sich an dem Attentat auf den Zaren Alexander II. (1881) beteiligt, wurde zwar zunächst als „russophil“ kritisiert, erwarb jedoch sehr schnell einen Kultstatus, und zwar nicht nur unter radikalen polnischen Intellektuellen; Flammen gehörte beispielsweise zu den wichtigsten Generationsromanen der radikalen zionistischen Jugend vor und nach dem Zweiten Weltkrieg, in Galizien und in Palästina (Ryszard Löw erwähnt in diesem Kontext die Pfadfinderbewegung Hashomer Hatzair und die paramilitärische Gruppe Lechi).20 Der Vorwurf der Russophilie lässt sich unter anderem darauf zurückführen, dass Brzozowski eine Identifizierung des Fortschritts mit dem idealisierten ‚Westen‘ ablehnte und stattdessen Russland – von Polen zur damaligen Zeit vor allem mit der Freiheitsberaubung und Diskriminierung assoziiert – als ein alternatives Modernisierungsmodell darstellte. In Flammen zeigt er auf wie Russland, durch die Entstehung radikaler Bewegungen wie Narodnaja Wolja, an einem Geschichtsprozess teilnahm, der für die Formung einer modernen, selbstständigen Gesellschaft notwendig gewesen sei. Die einzigartige, durchdachte und opferbereite Radikalität war für ihn ein Beweis dafür, dass Russland Polen im Hinblick auf die angestrebte „geschichtliche Reife“ der sozialen und kulturellen Entwicklungen überboten habe. In diesem Sinne kann Brzozowskis Roman als ein Beitrag für die Diskussion über multiples modernities angesehen werden, indem er die Frage aufwirft, ob die Modernisierung tatsächlich immer nach „westlicher Art“ stattfinden muss.21
Für diesen Band werden vier charakteristische Fragmente des Romans ausgewählt, die nicht nur die Vielfalt der Themen illustrieren, die in Flammen vorkommen (Religion, Politik, sexuelle Gewalt, moderne Entzauberungsfrage), sondern auch Brzozowskis Verwurzelung in der russischen Kulturwelt. Flammen gehört, zusammen mit Dostojewskis Böse Geister (1873) und Joseph Conrads Under Western Eyes (1911), zu denjenigen politischen Romanen, denen es auf literarische Weise gelingt die Entstehung und Motivation radikaler, gewaltbereiter Gruppen im Zarenreich zu thematisieren und zugleich die Hauptsymptome des Unbehagens in der Moderne zu illustrieren.
Im ersten Kapitel wird einerseits ein idealisiertes Bild von einer lokalen Gemeinschaft entworfen und andererseits, auf geistreiche und emotional ergreifende Weise, ein sexueller Missbrauch mitsamt seiner schwerwiegenden Konsequenzen geschildert (Kapitel KATJA). Brzozowski, dessen Verständnis von der Rolle der Arbeiterbewegung durch Georges Sorels Philosophie geprägt wurde, porträtiert französische Arbeiter:innen als eine „echte Elite von Menschen, le pur sang der modernen Gesellschaft“ (S. 94). Sie sind nicht nur selbstbestimmte politische Kämpfer:innen, sondern auch gebildet, tolerant, empathisch und – last but not least – frei von jeglicher Verbitterung und Ressentiments, was ihnen erlaubt ein wahrhaft glückseliges Leben zu führen. Die Idylle endet mit dem Ausbruch eines Skandals: Es wird bekannt, dass im lokalen Kloster Kinder missbraucht wurden. Die Empörung auf Seiten der Dorfbewohner:innen führt zu einem Ausbruch von Gewalt und zur Plünderung des Klosters unter der Führung von Katja Moroschkin, einer Exilantin, die vor ihrem sadistischen Mann aus Russland geflohen war. Die Problematik des Kindes- und Frauenmissbrauchs erlaubt Brzozowski mehrere Anspielungen auf Fjodor Dostojewskis Werke anzubringen, insbesondere auf die Romane Böse Geister (1873) und Die Brüder Karamazow (1880). In dem kurzen Fragment werden die Fragen angesprochen, die an den Großinquisitor oder Stawrogins Beichte denken lassen: Kindesmissbrauch und das Leid Unschuldiger als Argumente für den Atheismus sowie das akute menschliche Bedürfnis nach Wundern („Bringt euren Jesus heraus, er soll unsere Kinder wieder gesund machen. Wenn er es nicht kann, dann ist alles Lüge!“, S. 97). Den Text dominiert ein längerer Monolog von Katja (NB, lange Monologen sind für Brzozowskis Prosa charakteristisch), in dem sie die verübte sexuelle Gewalt mit einem Mordfall in Verbindung bringt. So wird die Situation von Frauen im Zarenreich, in dem Roman Flammen, vielschichtig thematisiert. In dem ausgewählten Fragment konzentriert sich Brzozowski insbesondere auf das lebenslange Trauma und die psychosomatischen Folgen einer Vergewaltigung:
„Euch Männern wagt niemand so etwas anzutun: man kann euer Leben nicht so vollkommen, so bis in die tiefen Wurzeln hinein vergiften. Es ist, als verwandelte sich jeder Tropfen Blut zu Gift, als wäre jede Seelenfaser zertreten und in den Kot gezerrt. […] [W]erde ich jemals diese Erinnerung aus mir herausreißen können? Vergessen kann man das, was man selbst getan, nie aber das, was man mit uns gemacht hat, was in uns hineingewachsen ist. Das ist doch eine Erinnerung, das ist kein Gedanke, nicht etwas, was ich von mir werfen kann, das ist mein Blut, mein Ich.“ (S. 101)
Im Roman Flammen tritt als größter Befürworter der Frauenrechte eine authentische Person auf, der anarchistische Ideologe und Revolutionär Sergei Netschajew (1847–1882). Netschajew, ein Vertreter des Nihilismus, war in Russland nicht nur wegen seines Plädoyers für eine amoralische Rücksichtslosigkeit im Namen des revolutionären Kampfes bekannt,22 sondern auch für den brutalen Mord, den seine Anhänger begingen. Jenes Ereignis wurde zum Schlusspunkt des Romans Böse Geister, in dem Netschajew von Dostojewski als abstoßender Pjotr Werchowenski porträtiert wird. Brzozowski polemisiert in Flammen gegen Dostojewskis literarischer Darstellung, indem er aufzeigt, dass Netschajews Hass und konsequenter Immoralismus aus einer Empörung über die sozialpolitischen Missstände in Russland resultierten und sich bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen lassen. In dem Fragment SPARTAKUS UND SIMON DER SÄULENHEILIGE stehen Studierende im Mittelpunkt, die in Petersburg einen progressiven Bildungskreis leiten, illegal Flugblätter veröffentlichen und sich mit Netschajew ideologisch auseinandersetzen. Dieser erhebt gegenüber den jungen Enthusiasten den Vorwurf, dass ihr sozialer Hintergrund es ihnen nicht erlaube das Ausmaß der Grausamkeiten in Russland zu begreifen („Ihr lebt in einer privilegierten Welt. Ihr habt Zutritt zur Wissenschaft, zum Licht, euere Frauen sind rein, euere Herzen sind nicht vergiftet vom Ekel gegen euch selbst“, S. 114). Brzozowski folgt hier dem Gedanken Georges Sorels, dass einem revolutionären Engagement der oberen Schichten (Bourgeoisie, Adel, Intelligenz) mit Misstrauen begegnet werden müsse, da ihre Motivation nicht aus unmittelbarer Erfahrung resultiere und daher nur bedingt vorhanden sei (unter polnischen Denkern vertrat der Intelligenz-Kritiker Jan Wacław Machajski, 1866–1926, eine ähnliche Position). Brzozowskis Netschajew hebt beispielsweise hervor, dass eine Romantisierung des Proletariats (und des Volkes im Allgemeinen) von Naivität zeuge, die die Lebensverhältnisse in Russland und ihre Konsequenzen, die Verrohung der Gesellschaft, ausblende:
„Wisst ihr denn überhaupt, was Russland ist? Wisst ihr auch, dass hier ein Mensch, eine Idee nichts, gar nichts gilt? Dass wir alle Sklaven sind? […] Und wisst ihr, wie viele Tausende von Menschen Hungers sterben, wisst ihr, wie viele man zu Nikolaus‘ Zeiten totgeprügelt, wie viele man in Schlüsselburg lebendig eingemauert hat? […] Hier herrscht blinde Gewalt, Angst, Finsternis. Wenn man euch hängen wird, wird der Mob schreien, man soll euch vierteilen, wie er unter Obrutschews Galgen geschrien hat. Ihr wollt um Menschenrechte kämpfen für Tiere, und diese Tiere wird man auf euch hetzen, und sie werden euch in Stücke reißen.“ (S. 113)
Als Illustration dieses Grauens schildert Netschajew die Situation der Frauen:
„Ich komme aus der Welt der Verdammten. Dort leben die, die eure Welt zerstampft hat. Dort verkaufen Frauen ihren Leib und werden geschlagen. Hört ihr’s? Hört ihr’s? Frauen werden geschlagen. Es könnte doch eure eigene Schwester so geschlagen werden. Für einen lumpigen halben Rubel schleppt so ein besoffenes Tier sie in das Hinterzimmer einer Kneipe und schlägt auf sie los mit allem, was ihm nur in die Hand gerät, mit dem Stock, mit der Faust, mit dem Stiefelabsatz. Und ihr wisst, dass so eine geschändete, angespiene, grün und blau geschlagene Frau irgendwo, in einem verfaulten, stinkenden Winkel ein Kind haben kann? Und ihr wollt leben, wollt lernen, wollt denken? Solange auch nur ein Mensch in der Welt zugrunde geht, solange auch nur ein Menschenleben so in den Dreck gezerrt wird, solange verlohnt es sich nicht, zu leben. Nur ein Leben gibt es: den Kampf! Überall fließt Blut, überall Menschenblut. Mit rotem Blut sind die Bücher eurer Gelehrten geschrieben, und eure Gesetze mit den Tränen hungernder Kinder. Eure Tugend hat ihr Gewand vom Blut nicht reinwaschen können. Von Aas lebt eure Welt. Ihr wundert euch, dass ich so zu euch rede, dass ich keine glatten, feinen Worte habe. Nein, ich gehöre nicht zu euren Kreisen. Ich will nicht lernen, ich will mich nicht vervollkommnen, ich kenne nichts, nur den Kampf.“ (S. 114-115)
Netschajew thematisiert in Brzozowskis Roman die sexuelle Ausbeutung und den Missbrauch von Frauen und prangert die Prostitution als eine Form der in Russland noch de facto existierenden Leibeigenschaft an. In seinen Augen fehlte eine solche ernsthafte Wahrnehmung der geschilderten Problematik linksliberalen Denker:innen, wie Alexander Herzen (1812-1870):
„Die Seele eines Plantagenbesitzers hat dieser Mensch gehabt, wenn er schreiben konnte, eine Lorette [Prostituierte] habe mit Kalbskoteletten das gemeinsam, dass man sich an beiden ergötzen könne, aber nicht von ihnen reden dürfe. Eine Lorette war für ihn kein Mensch mehr, das war schon ein anderer, gefallener Mensch. Und da wollt ihr mir noch sagen, die seien nicht in Leibeigenen-Harems aufgewachsen? Einen Menschen mit Koteletten zu vergleichen!“ (S. 119)
Obwohl Netschajew nur eine Nebenfigur ist, echoen seine Diagnosen durch den gesamten Roman, wenn auch zumeist auf subtilere Weise. Flammen schildert die Entwicklung eines Mitglieds der illegalen politischen Zirkel zu einem entschlossenen revolutionären Terroristen; im Verlauf des Romans mündet diese Radikalisierung in einer Rechtfertigung von Gewalt. Ein ganzes Kapitel (ORCIO –eine erneute Anspielung auf Krasiński; in der Ungöttlichen Komödie trägt der Sohn des Protagonisten diesen Namen) ist in der spezifischen Form einer Meditation des Haupthelden verfasst, die seine Empörung über die unerträglichen Lebensbedingungen in Russland und seine Enttäuschung über den ‚liberalen‘ (gewaltfreien) Weg zum Ausdruck bringt und mit dem Gefühl des modernen Unbehagens verknüpft wird. Seine umfassende Enttäuschung drängt den Protagonisten zu einer neuen Sinnsuche und weckt in ihm die Bereitschaf einen Terrorattentat zu verüben.
So sehr verlogen ist der moderne Mensch, dass er sogar die eigene Freiheit nur durch Verrat erkaufen mag. Wir sehen es ganz klar, dass diese liberale Weltanschauung, die sich insgeheim den eigenen Triumph einzureden versucht, wenn die Gewalt unter unseren Schlägen erzittert, dass sie uns hetzen, verfolgen würde wie eine Meute Hunde, dass sie unsere Körper in gehässiger Weise zerfleischen würde. Knechte ihrer eigenen Feigheit, verhüllten sie ihr eigenes Elend mit Bastionen von Sophismen vor sich selbst. Sittlichkeit, Ablehnung von Gewalt, gleich immer in welcher Form, das alles sollte zur Entschuldigung dienen. Als gäbe es hier noch irgendetwas zu retten. (S. 142)
Das Kapitel endet mit einem längeren, pathetischen und philosophisch-dichterischen Stück, einem Beispiel für Brzozowskis charakteristischen „poetischen Kommentar“ (komentarz poetycki, eine Bezeichnung von Marta Wyka),23 der davon zeugt, wie weit Brzozowskis Stil durch die Ästhetik des „Jungen Polens“ und des Fin de Siècle geprägt war.
Das letzte Fragment aus Flammen, das in diesem Band in dem Kapitel LEICHEN zu finden ist, spielt in der Zeit kurz nach der Ermordung von Alexander II. Der Protagonist des Romans besucht die Vorlesung eines angesehenen Religionsphilosophen, der gegen eine Todesstrafe für die Attentäter:innen plädiert, und wird Zeuge der späteren Auseinandersetzung dieses Philosophen mit dem Oberprokurator des Heiligsten regierenden Synods, dem die Orthodoxe Kirche in Russland untergeordnet war. Brzozowski porträtiert in diesem Kapitel zwei historische Personen: den Philosophen, Dichter und Mystiker Wladimir S. Solowjow (1853–1900), im Roman in ‚Worobjew‘ umbenannt, und Konstantin P. Pobedonoszew (1827-1907), der seit 1880 als Oberprokurator des Synods tätig war. Solowjow gehört zu den wichtigsten russischen Philosophen des 19. Jahrhunderts und gilt als ein Vordenker der christlichen Ökumene. Er plädierte für eine Annäherung des Orthodoxen Christentums und des römischen Katholizismus (zu seinen Korrespondenten zählte u. a. der kroatische katholische Theologe und Humanist Josip Juraj Strossmayer, 1815–1905) und für eine utopische „freie Theokratie“, in der die Macht der Kirche und des Staates nicht durch Gewalt und Obskurantismus, sondern durch Freiheit und Liebe garantiert werden sollte. In dem Zeitraum 1878–1880 hielt Solowjow eine Reihe religionsphilosophischer Vorträge, die u. a. Fjodor Dostojewski inspirierten und gesammelt unter dem Titel Vorlesungen über das Gottmenschentum herausgegeben wurden. Solowjows Denken bleibt aufgrund seiner Originalität und seines irenischen Geistes bis heute ein wichtiger Referenzpunkt in religionsphilosophischen Debatten.
Pobedonoszew hingegen war für seine erzkonservative Weltanschauung und Politik bekannt, so heißt es bei Andrzej Walicki: His name will always be associated with the oppressive, all-encompassing triumph of reaction in Russia during the reign of Alexander III. [...] In this post he encouraged anti-Semitism, persecuted Old Believers and Sectarians, and pursued a policy of Russification that systematically restricted the religious rights of national minorities.24 Geffen Bryn und Theofanis G. Stavrou fügen hinzu: He was earnest, hard-working, incorruptible, unrepentantly cynical, and misanthropic. Despised by the radical and not-so-radical intelligentsia, he survived at least five attempts on his life. For Pobedonostsev, Orthodox Christianity was a conservative ideology opposed to change and new ideas.25 Auf diese Weise wird Pobedonoszew auch von Brzozowski porträtiert: „Ich habe niemals einen Menschen gesehen, bei dem die Bezeichnung schrecklich so angebracht gewesen wäre wie bei ihm. Von ihm ging eine Furcht aus, wie von Etwas dem menschlichen Dasein vollkommen Fremden“ (S. 171). Im Weiteren gibt Brzozowski die Diskussion zwischen Solowjow und Pobedonoszew wieder, deren Ausgangspunkt eine eventuelle Begnadigung der Zarenmörder:innen bildet. So entsteht ein Dialog, in dem nicht nur Verweise auf Solowjows und Pobedonoszews, sondern auch auf Dostojewskis Werke (Böse Geister, Brüder Karamazow) zu finden sind:
„Der Zar hat das Urteil bereits unterschrieben“, sagte Pobedonoszew. […]
„Glauben Sie wirklich, dass die Sache damit beendet ist?“ fragte Worobjew. „Blut erzeugt Blut.“
„Jenes, das auf eure Köpfe fallen wird“, sagte Pobedonoszew mit giftiger Stimme. „Ihr seid schuld daran, denn ihr verkündet Wahrheiten, wiederholt Papageienworte, redet von Verstand, Freiheit, Liebe, Wissenschaft. Russland muss seine eigene Wissenschaft, seinen eigenen Verstand haben, der Gott gehorcht und schweigt. Und so wird es sein, so wird es bleiben. Ich nehme die Verantwortung auf mich. Man wird mich hassen. Ich weiß, was Russland will. Wer hat in den russischen Seelen Aufruhr gesät? Die Belinskis, Tschernyschewskis, ihr alle. Der Verstand. Der Verstand soll nur ein Vollstrecker sein, soll dienen…“
„Wem?“
„Dem großen und mächtigen Russland.“
„Und Russland?“
„So darf man nicht fragen. Wagen Sie es nicht! Russland ist ein Wahnsinn Gottes. Das ist es. Die Welt wird sagen: Russland, das Reich Gottes. Gottes, nicht des Menschen, ja.“ (S. 174–175)
Das Kapitel Leichen ist vor diesem Hintergrund umso bemerkenswerter, da es deutlich vor Augen führt, dass sich ein tiefgründiges Interesse an Religion (und ein religionsbedingtes Verständnis von Politik) durch das gesamte Werk Brzozowskis zieht.
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Dieser Band verfolgt die Absicht, die Vielfalt und Originalität von Brzozowskis Denken zu veranschaulichen und gleichzeitig eine Einführung in sein Werk darzustellen. Darüber hinaus verfasste Schriften des heterodoxen Marxisten warten noch auf eine Übersetzung aus dem Polnischen.
München, im Frühling 2021
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1.:Stanisław Brzozowski (1900)
2.:Rosa Luxemburg (1918)
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2 In: Brzozowski, Stanisław: Idee. Wstęp do filozofii dojrzałości dziejowej. Księgarnia Polska B. Połonieckiego: Lwów 1910.
3 Žižek, Slavoj: Das fragile Absolute. Warum es sich lohnt, das christliche Erbe zu verteidigen. Verlag Volk & Welt: Berlin 2000, S. 6.
4 Fiołek, Krzysztof: „Kłopotliwa obecność Stanisława Brzozowskiego w kilku przygodach ideologicznych inteligencji polskiej“. Ruch Literacki 46(4-5) 2005, S. 383– 392.
5 Löw, Ryszard: „Brzozowski wśród lektur syjonistycznych. Pamięci Michała M. Borwicza, ‚Brzozowszczyka‘“. Teksty drugie (5–6) 2003, S. 157–166.
6 Fiołek 2005.
7 Kołakowski, Leszek: Die Hauptströmungen des Marxismus. Enstehung – Entwicklung – Zerfall. (2: Entwicklung). Piper: München/Zürich 1978, S. 269.
8 Urbanowski, Maciej: „Brzozowski i powojenna krytyka literacka. (uwagi wstępne)“. Dekada Literacka 230(4) 2008, S. 24–37; Miłosz, Czesław: Człowiek wśród skorpionów. Studium o Stanisławie Brzozowskim. Instytut Literacki: Paryż 1962.
9 Brzozowski, Stanisław: Flamen. Loyt di papirn fun Mihal Kaniovski. Sh. Yatshkovski: Varshe 1925; Brzozowski, Stanisław: Flamen. H. Bzshoza: Varshe 1928; Brzozowski, Stanisław: Lehavot. Hotsaʼat ha-ḳibuts ha-artsi ha-shomer ha-tsaʻir: Tel Aviv 1939.
10 Siehe den Brief von Brzozowski und die Fußnoten von Mieczysław Sroka: Brzozowski, Stanisław: „Do Rafała Bubera. Ossol., 6133a/II, S. 353–354. Na kartce pocztowej“. In: Sroka, Mieczysław (Hrsg.): Listy. Wydawnictwo Literackie: Kraków 1970, S. 155–157.
11 Brzozowski, Stanisław: „Do Salomei Perlmutter. Ossol., 6135 II, S. 125-130“. In: Sroka, Mieczysław (Hrsg.): Listy. Wydawnictwo Literackie: Kraków 1970, S. 289–302.
12 Brzozowski, Stanisław: Flammen. Aus den hinterlassenen Aufzeichnungen des Michael Kaniowski. R. Bong: Berlin/Leipzig 1920, S. 307.
13 Übersetzung von mir – AK. Im Original: Kto by zatem chciał wywoływać czy tylko umacniać uczucia patriotyzmu, byłby podobny do człowieka, który usiłował by dopełnić oceanu wodą ze studni. […] Słowem – według mojego osobistego przekonania – wyraz „Polak” oznacza gatunek, jak wyrazy: sosna, wierzba, wróbel, pszczoła itd. Pracować nad sosną, żeby była sosną, albo nad wróblem, ażeby pozostał wróblem, jest to taka sama niedorzeczność jak np. chcieć ze sosny zrobić jodłę albo wróbla przemienić na szczygła. Lecz zupełnie inny sens ma pracą nad sosną i nad wróblem, żeby każdy z nich w swoim gatunku dosięgło najwyższej doskonałości. Tym jednak nie zajmuje się patriotyzm, lecz cywilizacja… Dopiero pod wpływem ogólnie ludzkiej i wysokiej kultury wszelki patriotyzm nie tylko pozbywa się cech ostrych, a nawet dzikich, ale jeszcze na tle powszechnego życia staje się oryginalnością piękną i użyteczną. – Prus, Bolesław: „Kronika tygodniowa. Patriotyzm – cywilizacja“. In: Fita, Stanisław (Hrsg.): Publicystyka okresu pozytywizmu 1860–1900. Antologia. Instytut Badań Literackich PAN: Warszawa 2002, S. 202.
14 Darauf wies u. a. der wichtigste Theoretiker der PPS, der marxistische Soziologe Kazimierz Kelles-Krauz (1872-1905) hin: Luśnia, Michał [Kelles-Krauz, Kazimierz]: „Niepodległość Polski a materialistyczne pojmowanie dziejów“. Krytyka 7(1) 1905, S. 269–282; 400–412. Siehe auch: Politt, Holger: Stanisław Brzozowski. Hoffnung wider die dunkle Zeit. Harrassowitz: Wiesbaden 1996, S. 68–77; Snyder, Timothy: Nationalism, Marxism, and Modern Central Europe. A Biography of Kazimierz Kelles-Krauz, 1872–1905. Oxford University Press: [s.l.] 2018.
15 Siehe zum Beispiel: Brzozowski, Stanisław: „Opętane zegary“. In: Sutowski, Michał/Mencwel, Andrzej (Hrsg.): Pisma polityczne. Wybór. Wydawnictwo Krytyki Politycznej: Warszawa 2011, S. 251–252. Luxemburg, so Andrzej Mencwel, diskreditierte Brzozowski später unter den deutschsprachigen Sozialist:innen, und zwar sehr effektiv: Zeit seines Lebens erschienen nur zwei seiner Aufsätze auf Deutsch. Mencwel, Andrzej: Stanisław Brzozowski. Postawa krytyczna. Wiek XX. Wydawnictwo Krytyki Politycznej: Warszawa 2014, S. 521–522.
16 Brzozowski, Stanisław: Teodor Dostojewski. Z mroków duszy rosyjskiej. H. Altenberg: Lwów 1906.
17 Dies verrät schon der Untertitel von Brzozowskis Roman, Aus den hinterlassenen Aufzeichnungen des Michael Kaniowski, der auf das bekannteste Werk Goszczyńskis Zamek kaniowski (Der Schloss in Kaniów, 1828) anspielt.
18 Weber, Max: „Wissenschaft als Beruf“. In: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. Mohr: Tübingen 1922; Lukács, Georg: Die Theorie des Romans. Ein geschichtsphilosophischer Versuch über die Formen der großen Epik. Luchterhand: Neuwied 1965.
19 Miłosz, Czesław: Geschichte der polnischen Literatur. Verlag Wissenschaft und Politik: Köln 1981. Das Vokabular in Krasińskis Drama weist jedoch eindeutig auf eine bürgerliche Revolution hin (nicht der Kapitalismus, sondern die feudale Ordnung dient als ancien régime).
20 Löw, Ryszard: „Brzozowski w świecie hebrajskim“. Lithuania (1) 2005, S. 68–79; Löw 2003.
21 Eisenstadt, Shmuel N.: „Multiple Modernities“. Daedalus 129 (1) 2000, S. 1–29.
22 [Netschajew, Sergei]: „Anhang [Der Revolutionäre Katechismus]“. In: „Gewalt für den Körper – Verrat für die Seele?“. Kramer: Berlin 1980, S. 117–123.
23 Brzozowski, Stanisław: Komentarze poetyckie, Wyka, Marta/Urbanowski, Maciej (Hrsg.). Wydawnictwo Literackie: Kraków 2001.
24 Walicki, Andrzej: Flow of Ideas. Russian Thought from the Enlightenment to the Religious-Philosophical Renaissance. Peter Lang: Frankfurt am Main 2015, S. 345.
25 Stavrou, Theofanis G./Geffert, Bryn: „32.3 Pobedonostsev on Democracy and Education (1896)“. In: Geffert, Bryn/Stavrou, Theofanis G. (Hrsg.): Eastern Orthodox Christianity. The Supplemental Texts. (A Companion to "Eastern Orthodox Christianity The Essential Texts"). Yale University Press: New Haven, CT 2016, S. 1051.