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Wir haben zwei Lebenund das Zweite beginnt, wenn du erkennst,dass du nur eins hast.

(Mario Raùl de Morais Andrade)

Vorwort

Fabrizio de André ist schwer zu fassen. Er hat musikalisch betrachtet – kein systematisch – zumindest klar – einzuordnendes „Werk“ hinterlassen. Auch in philosophischer Hinsicht sind seine Ansichten nicht einfach und systematisch einzuordnen, zumal seine intellektuelle Aufmerksamkeit nicht nur gesellschaftlichen Probleme galt; er widmete sich vielmehr auch allgemeineren Themen – wie etwa dem Thema der Liebe, der Freiheit oder der Gerechtigkeit. Er sah sich auch nicht als Lyriker, obwohl seine Texte in Italien unstreitig als literarisch hochwertig gelten.

In einem Interview sagte er – lächelnd – zu seinem künstlerischen Wirken: „Benedetto Croce meinte, dass jeder von uns bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr Gedichte schreibt und dass es nach diesem Zeitpunkt nur noch zwei Kategorien von Autoren gibt: Wahre Dichter und Idioten. Daher habe ich vorsorglich entschieden, mich der Musik zu widmen und ein Cantautore zu werden, da es sich um eine gemischte Form der Kunst handelt, so dass ich mir Ausflüchte erlauben kann, falls meine Kreativität doch nicht ausreichen sollte“ (in: La Storia siamo noi, RAI UNO, 1987).

Politisch zählte er sich zu den Anarchisten, auch wenn er jede Radikalität dieser Bewegung ablehnte. Er sympathisierte mit den Linken, wehrte sich jedoch gegen jede Form marxistischen Dogmatismus. Rückblickend bezeichnete er sich einmal als „anarchistischen Individualisten“. Doch nichts widerstrebte ihm mehr als Gewalt und Krieg als angebliche Mittel zum Frieden. Mit anderen Worten: Er war ein fanatischer Pazifist – vielleicht die einzige Doktrin, die er gnadenlos bis zu seinem Lebensende vertrat. Kein Wunder, dass Fabrizio de André in Italien vor allem wegen seiner Antikriegslieder bekannt geworden und in Erinnerung geblieben ist. La guerra di Piero, La ballata dell’eroe und Fiume Sand Creek sind Meisterstücke des durch die Musik verbreiteten Pazifismus und haben heute noch – nunmehr einundzwanzig Jahre nach seinem Tod – nichts an ihrer ursprünglichen Aussage- und Symbolkraft eingebüßt.

Die Rezeption seiner Lieder, Texte und Interviews ist derzeit – gerade in der italienischsprachigen Musikkritik – vielgestaltig und lebhafter denn je. Kaum ein Werk behandelt jedoch die eigentliche Philosophie im engeren Sinne dieses unerschütterlichen und streitbaren Intellektuellen.

Das vorliegende Werk soll daher eine Lücke schließen und gleichzeitig eine deutschsprachige Einführung in die vielfältige und durch Geistesblitze geprägte, aber unsystematische Ideenwelt des Genueser sein. Es erhebt keinen Anspruch auf systematische Vollständigkeit, sondern möchte dem Leser den geistigen Reichtum dieses Cantautore – ital. für einen politisch engagierten Liedermacher – näherbringen.

Ohne den Inhalt dieses Buches vorwegnehmen zu wollen, kann an dieser Stelle schon festgestellt werden, dass Fabrizio de André einer gesamten Generation, der 68er Generation, eine neue Sprache verliehen hat: Als so genannter Innovatore unter den Cantautori benutzte er nämlich Wörter in seinen Texten, die als revolutionär galten, unter anderem auch moralisch verwerfliche bzw. politisch unkorrekte Wörter, die aber weit in der – auch dialektalen – Umgangssprache verwurzelt waren.

Obwohl man Bücher selbst schreiben muss, schuldet auch dieses Buch vieles den Anregungen anderer. Ich danke insbesondere Aurelio Marrelli, den Vorsitzenden des AMITALIA e. V., für seine intensiven – und anspruchsvollen – Gespräche, dem Liedermacher Carlo Ghirardato für seine unvergleichliche Stimme und die zahlreichen Hinweise bezüglich des Lebens von „Fabrizio“, dem Mailänder Sänger Mario Sampaolo und dem Mannheimer „singenden Philosophen“ Antonio Siena. Schließlich gilt ein besonderer Dank den Mitarbeitern der Stiftung de André (Fondazione de André – www.fabriziodeandre.it), die mir die Möglichkeit eröffnet haben, die im Buch enthaltenen Fotos von Fabrizio zu veröffentlichen und Paolo Dabbrescia, der mir das Coverfoto zur Verfügung gestellt hat.

Fabrizio de André wäre dieses Jahr 80 Jahre alt geworden: Dass seine Stimme fehlt, gilt nicht nur im musikalischen, sondern auch im gesellschaftlichen Sinne. Denn gerade in der jetzigen politischen Situation Italiens, in welcher populistische Bewegungen wie die Partei Lega von Matteo Salvini die Macht erstreben und auf Grund der – sicherlich größtenteils berechtigten – Corona-Maßnahmen die Freiheit von Bürgern erheblich eingeschränkt wird, wäre seine Stellungnahme als Intellektueller besonders wichtig gewesen.

Fabrizios Stimme wird insbesondere von allen denjenigen vermisst, die keine Stimme haben und für die de André sein künstlerisches Leben gewidmet hat, den „armen Seelen der Straßen “ – wie er sie nannte.

Fabrizio de André - die Essenz der Freiheit

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