Читать книгу Doom (Life Tree - Master Trooper) Band 7 - Alexa Kim - Страница 3
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ОглавлениеDoom
„Du kannst jetzt die Augen öffnen, Doom.“
Die Stimme von Doc Keller klingt ermutigend, doch ich halte die Augen weiter fest geschlossen. Seit Jahren kenne ich nur Dunkelheit – seit dem schicksalhaften Tag, an dem Fauns Gefährtin Cat mich mit einem Laserscanner geblendet hat. Dieses Zimmer auf der Krankenstation von Sektion C ist mein zu Hause geworden. Hier fühle ich mich sicher, weil ich weiß, wo alles steht – das Bett, der Schrank, der Tisch. Ich finde sogar alleine in das kleine Bad mit der Dusche. Die Ärzte und Schwestern achten darauf, dass in meinem Zimmer nichts verändert wird. Sie fürchten meine Wutausbrüche, wenn ich gegen den Tisch laufe oder über etwas stolpere. Jeder hier versucht, mir ein komfortables Gefühl zu geben, und das geht seit fast fünf Jahren so. Aber ich fühle mich nicht komfortabel – ich fühle mich wie eine ausrangierte Waffe, für die keiner mehr Verwendung hat!
„Komm schon, Doom … du musst es versuchen.“
„Was, wenn es nicht funktioniert hat?“
„Es kann sein, dass die Wärmerezeptoren Zeit brauchen, sich mit den Nervenenden deiner Augen zu vernetzen. Wenn es nicht von Anfang an funktioniert, hat das noch nichts zu bedeuten. Diese Operationsmethode ist neu. Auch die Art zu sehen, wird zunächst ungewöhnlich für dich sein. Die Bilder sind nicht klar. Du wirst nicht mehr über Fotorezeptoren sehen, sondern über die Wärmerezeptoren. Dein Gehirn braucht Zeit, sich darauf einzustellen.“
„Was, wenn es nicht funktioniert?“, wiederhole ich meine Frage und spüre, wie sich in meinem Bauch diese unerträgliche Hitze anstaut, die jedes Mal in einem Wutausbruch endet. Ich will nicht ausrasten, aber ich habe es nicht unter Kontrolle.
„Ich glaube an diese neue Operationsmethode, Doom … du wirst wieder sehen können“, bekräftigt Doc Keller.
Aus seinen Worten spricht feste Überzeugung, sodass ich es endlich wage, die Augen zu öffnen. Ich sehe … nichts!
Die Hitze in meinem Bauch explodiert, ohne dass ich es verhindern kann, und breitet sich rasend schnell in meinem Körper aus. Wut vermischt sich mit Enttäuschung, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Ich werde ein Krüppel bleiben … ich bleibe eine ausrangierte Waffe, für die niemand mehr Verwendung hat!
„Doom ...“, höre ich Doc Keller sagen, aber seine Worte erreichen mich nicht mehr. Innerhalb einer einzigen Sekunde springe ich aus dem Bett und reiße mir dabei die Infusionsnadeln aus dem Arm – ein kurzer heftiger Schmerz, dann bin ich frei.
„Um Himmels Willen … wir brauchen Stitch und Lion hier. Schnell!“
„Fasst mich an, und ich breche eure dünnen kleinen Knochen wie Strohhalme ...“, grolle ich, während ich gegen eine der Schwestern stolpere, die schreiend vor mir zurückweicht. Es ist Kristin, und ich kann riechen, dass Lion sie gekennzeichnet hat. Aus einem Instinkt heraus versuche, ich sie zu packen … ihr Geruch verstärkt meine Aggression nur noch. Seit Jahren hatte ich keine Frau, weil ich es mir selbst verboten habe… ein Krüppel hat nicht das Recht, eine Frau zu fordern! Wie sollte ich sie vor Übergriffen durch Rivalen verteidigen … wie meinen Anspruch rechtfertigen? Trotzdem überwältigt mich einen Moment lang das Verlangen nach Sex. Ich versuche Kristin zu folgen, greife nach ihr und knurre, weil meine Hände sie nicht zu fassen bekommen ...
„Doom … beruhige dich!“
Ich kann hören, dass Kristin aus dem Zimmer flieht. Normalerweise hätte sie keine Chance gehabt, mir zu entkommen. Zumindest in meinem früheren Leben …
Aber jetzt stolpere ich hilflos im Zimmer herum, zertrümmere in meiner Wut alles, was ich zu fassen bekomme und brülle meine Frustration heraus. Die Dunkelheit hat mich verschlungen … vollkommen und unwiderruflich! Das Tier in mir befreit sich, wann immer es will. Mir ist klar, warum die Schwestern vorzugsweise in Begleitung von gut sozialisierten Troopern wie Stitch und Lion mein Zimmer betreten. Die beiden sind seit fast drei Jahren meine Bewacher. Sie fesseln mich ans Bett, wenn ich ausraste, und schirmen die Schwestern ab. Letztens konnte ich den Geruch einer der Schwestern an Stitch ausmachen. Stitch und Lion sind beliebt bei den Frauen … im Gegensatz zu mir.
Das Leben um mich herum geht weiter, nur ich kann daran nicht teilhaben … seit diesem verdammten Tag in Sektion B ...
Plötzlich nehme ich den Geruch anderer Trooper im Zimmer wahr und weiß, dass meine Bewacher gekommen sind. Ich knurre und balle die Hände zu Fäusten – ich hasse es, wenn sie mich packen und an das verschissene Bett fesseln. Wie oft habe ich mir geschworen, Stitch und Lion in den Erdboden zu prügeln, wenn ich endlich mein Augenlicht wieder habe. Ich war immer einer der Stärksten und Größten … allein mein Anblick hat die meisten meiner Waffenbrüder davon abgehalten, sich mit mir anzulegen; und jetzt komme ich nicht einmal mehr gegen zwei überzivilisierte halb gare Nachwuchstrooper an.
„Bindet ihn ans Bett … er wollte Kristin angreifen ...“, ruft Doc Keller. Die Panik in seiner Stimme zeigt, dass ich dieses Mal selbst für einen geduldigen Menschen wie ihn zu weit gegangen bin.
Ich versuche, Lion zu packen, als ich seinen Geruch dicht neben mir wahrnehme, aber er ist schneller … weil er sehen kann ...
Im nächsten Moment werden meine Arme gepackt. Die beiden fesseln mich an das verhasste Bett, und ich kann Lions Stimme zischen hören: „Du wirst Kristin nie wieder anfassen, oder ich bringe dich um! Sie gehört mir!“
Dann landet seine Faust krachend in meinem Gesicht. Ich sehe Sterne, reiße an den Fesseln und versuche mich zu befreien. Ich will Lion töten … in diesem Moment ist das mein einziger Gedanke, der klar und nicht diffus ist ...
„Aufhören … verdammt, ruft Verstärkung, sonst bringt Lion ihn noch um!“
„Ich rufe nach der Wacheinheit ...“, antwortet ein anderer Arzt und stürmt aus dem Zimmer.
Ein zweiter Faustschlag trifft mich gegen die Schläfe. Ich hätte nicht gedacht, dass die Dunkelheit noch finsterer werden könnte, aber werde eines Besseren belehrt. Mein Verstand verabschiedet sich in die Bewusstlosigkeit.
Malory
Ich sitze mit Sira in der Gemeinschaftskantine von Sektion C und trinke meinen Kaffee. Sira hat darauf bestanden, dass wir uns einmal in der Woche hier treffen. Sie macht sich Sorgen um mich … weil ich keine Freunde habe und auch keine Kontakte aufbaue, seit ich nach Sektion C gewechselt bin. Natürlich ist sie darüber informiert, was ich in Sektion A getan habe … Crow und Leslie haben sie und Kryo ausführlich über mein Privatleben aufgeklärt.
Sie wissen auch alles über Beast, der sich jetzt East nennt. Das Monster, das meinen Gefährten umgebracht hat, läuft frei herum! Wenn es Gerechtigkeit gäbe, würde Beast noch immer auf der Erde in irgendeinem Gefängnis verrotten!
„Malory … du brauchst eine Beschäftigung … Freunde … eine Struktur in deinem Leben. Ich denke, dass eine Arbeit ein guter Anfang wäre.“
„Ich bin zufrieden, wie es ist. Ich störe niemanden.“
Sira sieht mich zweifelnd an. „Kryo besteht darauf, dass du einer Arbeit nachgehst. Du bist jetzt über drei Monate hier.“
„Na schön … wenn er darauf besteht, ist dieses Gespräch ohnehin überflüssig, weil er es schon entschieden hat ...“, entgegne ich stur.
„Kryo lässt dir die Wahl, was du machen willst. Es gibt viele Dinge, die du hier tun kannst, Malory … auf der Kinderstation arbeiten, in der Kantine oder der Krankenstation werden im Moment dringend Leute gesucht. Soweit ich gehört habe, suchen sie auch noch Verkäufer für den neuen Supermarkt im Westflügel.“
Ich tue so, als würde ich Sira zuhören, obwohl ich in Wahrheit nur nach einer Möglichkeit suche, ihrer ständigen Beobachtung zu entgehen. Ich habe sogar zwischendurch daran gedacht, einfach da weiterzumachen, wo ich in Sektion A aufgehört habe. Es war lange Zeit eine gute Möglichkeit, den Schmerz zu betäuben. Bevor Beast in Sektion A aufgetaucht ist, hätte ich mit hundert Männern ins Bett gehen können, ohne dass es mir etwas ausgemacht hätte … ich war innerlich tot … jedes Gefühl in mir erfroren. Aber Beast hat es geschafft die alten Wunden aufzureißen. Ich kann nicht einfach da weitermachen, wo ich aufgehört habe … und ich kann auf keinen Fall mit Kindern arbeiten. Kinder erinnern mich an all die Dinge, die Stone und ich hätten haben können … bis Beast alles zunichtegemacht hat ...
Kranke allerdings könnten eine Möglichkeit sein. Der Umstand, dass ich ihnen überlegen bin, bedeutet Sicherheit und Abstand.
„Dann eben die Krankenstation ...“, antworte ich schulterzuckend.
„Ich bespreche das mit Kryo, wenn er zurückkommt ...“, stimmt Sira zu und streicht sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. Mein eigenes Haar hat mittlerweile wieder seine blonde Naturfarbe. Das Erste, was ich getan habe, als ich in Sektion C ankam, war, mir Entfärber zu kaufen und die schwarze Farbe auszuwaschen. Ich wusste, dass ich nicht mehr die Frau mit den schwarzen Haaren und dem kräftigen Make-Up sein wollte, und verwandelte mich zumindest äußerlich in die Malory zurück, die ich früher gewesen war … die Frau, die Stone kannte. Natürlich ist es nur eine Fassade, aber das ist mein Leben ohnehin. Ich halte es für notwendig, mich meiner neuen Umgebung anzupassen und zumindest äußerlich nicht aufzufallen.
Sektion C ist viel zweckmäßiger aufgebaut als Sektion A … weniger Außenbereiche zur Freizeitgestaltung, kaum Bungalows, dafür Ein-Zimmer-Apartments im Hauptgebäude. Der Unterschied der beiden Trooper-Führer zeichnet sich deutlich in ihren Sektionen ab. Crow legt wert auf Kultur und Lebensstil, Kryos Sektion ist vor allem eine Arbeits-Sektion. Hier befindet sich der Hauptkontrollraum, über den die Energieversorgung von Terra Alpha läuft, das neue Forschungszentrum für Agrarentwicklung und der Hauptstützpunkt der verbliebenen Trooper-Einheiten mit dem Abwehrsystem, das Terra Alpha vor möglichen Angriffen schützt.
Mir ist es allerdings egal, dass Sektion C im Vergleich zu Sektion A wenig zu bieten hat, solange man mich nur in Ruhe lässt.
„Ich kann auch sofort anfangen auf der Krankenstation zu arbeiten, Sira.“
Sie sieht mich zweifelnd an. „Diese Entscheidung liegt bei Kryo.“
„Aber Kryo ist für zwei Wochen in Sektion B, um sich mit Faun zu beraten. Und er hat gesagt, dass ich frei wählen könnte, oder?“
„Schon, aber ...“
„Also … wo liegt dann das Problem? Hast du Angst vor deinem Gefährten?“, sage ich und sehe Sira fragend an. Die Reibereien zwischen Sira und Kryo sind ein wunder Punkt – soviel habe ich verstanden. Sira wehrt sich vehement gegen Kryos Kontrolle. Soweit ich gehört habe, hat sie auf der Erde als Journalistin gearbeitet und ist Kryos rechte Hand in Sektion C. Seit vor zwei Jahren ihr Sohn geboren wurde, sähe es Kryo lieber, wenn Sira sich auf seine Erziehung beschränken würde. Allerdings hat er die Rechnung ohne seine eigensinnige Gefährtin gemacht. Ich beneide Sira in gleichem Maße, wie ich sie nicht verstehe. Früher habe ich mir in meinen Tagträumen oft ausgemalt, wie es hätte sein können, wenn Stone und ich frei gewesen wären … und wenn wir Kinder gehabt hätten ...
„Wenn du meinst, dass du unbedingt von Null auf Hundert gehen musst, bitte … weder habe ich Angst vor Kryo, noch würde er mir einen Vorwurf machen. Ich wollte dir einfach die Gelegenheit lassen, dich mit dem Gedanken anzufreunden ...“
„Nicht nötig ...", antworte ich, auch wenn mir klar ist, dass die Arbeit auf der Krankenstation nichts ändern wird. Ich werde dadurch kein fröhliches Mitglied der Gesellschaft werden oder mir Freunde suchen; meine inneren Wunden werden weder verheilen noch verschwinden. Aber die Arbeit wird mir helfen, den Anschein aufrechtzuerhalten, dass es so ist. Vielleicht lässt man mich endlich in Ruhe, wenn ich einer Arbeit nachgehe.
„Dann bringe ich dich jetzt zu Doc Keller. Er ist für die Einteilung der Pfleger und Schwestern der Krankenstation zuständig.“
„Danke ...“, sage ich, stehe vom Tisch auf und folge Sira aus der Kantine. Ich vermeide es, die Menschen anzusehen, die sich angeregt unterhalten. Sie leben … im Gegensatz zu mir. Ich existiere nur noch und funktioniere mehr schlecht als recht. Sie beachten mich nicht, ich beachte sie nicht, und ich will, dass es so bleibt!
Die Krankenstation liegt im Ostflügel von Sektion C. Es ist ein Fußweg von etwa fünfzehn Minuten, bis wir vor der automatischen Glastür mit der Aufschrift Krankenstation ankommen. Im Ostflügel ist es ruhiger als im Rest des Gebäudes. Das gefällt mir – es bedeutet, dass weniger Menschen mich ansprechen werden und ich weniger Menschen Antworten geben muss. Eine der Schwestern erscheint im blauen Bodysuit und begrüßt Sira freundlich, während sie mir nur einen kurzen Blick zuwirft.
„Ist Doc Keller zu sprechen, Brit?“
„Er ist in seinem Büro. Heute Morgen ist einer unserer Patienten ausgerastet und hat eine der Schwestern angegriffen. Kristins Gefährte Lion ist durchgedreht, und es gab fast Tote.“
„Lion ist ein Trooper nehme ich an … und der Patient auch? ...“, fragt Sira seufzend, und Brit nickt. „Doc Keller musste Kristin versetzen. Lion will nicht, dass seine Gefährtin weiter hier arbeitet.“
„Dann trifft es sich vielleicht ganz gut, dass ich eine Nachfolgerin für Kristin bringe.“
Brit sieht mich zweifelnd an. „Hat sie denn schon als Schwester gearbeitet? Kennt sie sich aus?“
„Tut sie nicht, aber sie ist nicht blöd ...“, antworte ich genervt.
Brit tut so, als hätte sie meine Antwort nicht gehört, und ich würde sie am liebsten aus ihrem Bodysuit treten. Ihr überheblicher Blick sagt mir offen, was sie von mir hält. Brit kennt mich zwar nicht, hat sich aber bereits ihre Meinung gebildet.
„Wie gesagt, der Doktor ist in seinem Büro ...“, übergeht sie meine Bemerkung an Sira gewandt, bevor sie davonstolziert. Sie ist jung und hübsch, trägt ihre brünetten Haare zu einem lockeren Knoten im Nacken. Wahrscheinlich ist Brit eine von den reichen Senatorentöchtern, die über eines der Austauschprogramme nach Terra Alpha gekommen sind. Für sie ist das hier so etwas wie ein Abenteuerurlaub … Brit gehört zu einer neuen Generation von Frauen, deren Selbstbewusstsein nicht durch die Dinge erschüttert wurde, die Life Tree ihnen angetan hat.
„War das nötig, Malory?“, fragt Sira missbilligend.
„Sie ist eine arrogante Ziege ...“
„So wirst du keine Freundschaften schließen.“
Genauso soll es auch sein …, denke ich und folge Sira zum Büro des leitenden Arztes.
Doc Keller ist ein nervöser Mann in den mittleren Jahren. Sein Haar wird langsam schütter, und der Stress ist ihm im Gesicht abzulesen, ebenso wie der unerschütterliche Glaube an das Gute im Menschen … oder im Trooper … wie man es nimmt. Noch so ein ahnungsloser Idealist, der nach der Übernahme von Terra Alpha hierher gekommen ist …
„Kristins Versetzung bringt mich in Schwierigkeiten. Wir sind ohnehin unterbesetzt, und Kristin war eine hervorragende Krankenschwester.“ Er sieht mich genauso zweifelnd an wie vorhin Brit. „Haben Sie denn schon einmal als Krankenschwester gearbeitet?“
Ich bemühe mich dieses Mal, freundlicher zu bleiben. „Nein, aber ich habe in der Zeit von Life Tree oft Wunden versorgen müssen … hauptsächlich meine eigenen, aber auch die der anderen Frauen. In Sektion B war es üblich, dass wir uns selbst geholfen haben. Wir hatten zwar einen Arzt, aber der hat sich vor allem um unsere Verhütungsimplantate gekümmert. Aufgrund meiner Erfahrungen lerne ich sehr schnell.“
Doc Keller räuspert sich peinlich berührt und weicht meinem Blick aus. „Ach so … nun ja, wenn Sira der Meinung ist, dass das in Ordnung geht ...“
Sira sieht mich vorwurfsvoll an, nickt dann aber. „Malory wird das schaffen.“
„Mel ...“, antworte ich schnell. „Das können sich alle leichter merken.“
„Sehr gut … Mel … dann werde ich Ihnen die Station zeigen und überlegen, welche Aufgabenbereiche ich Ihnen zuteilen kann, während Sie eingearbeitet werden.“
„Sehr schön ...“, antwortet Sira erleichtert. „Ich denke, dann gehe ich jetzt.“
Sie nickt mir zu und verabschiedet sich von Doc Keller. Mir ist klar, dass sie froh ist, mich los zu sein. Sie hat sich für mich verantwortlich gefühlt, aber Freunde werden wir nicht – unsere Welten liegen zu weit auseinander. Der jahrelange Missbrauch durch Life Tree ist ihr erspart geblieben, weil Kryo sie davor beschützen konnte.
Ich folge Doc Keller aus seinem Büro, und er erklärt mir im Vorbeigehen die Station … das Schwesternzimmer auf der linken Seite, in dem tagsüber zwei Schwestern und nachts eine Schwester Bereitschaft haben, die zwanzig Patientenzimmer, die zur Zeit voll belegt sind. Ein Trooper mit einem gebrochenen Bein, der aber nicht lange bleiben wird, weil Trooper-Knochen viel schneller heilen, als menschliche Knochen. Die beiden schwangeren Frauen, eine mit dem Kind eines Troopers … ein Kind mit einer Vergiftung, weil es eine wilde Pflanze gegessen hat, drei Trooper mit leichten Verletzungen von Außeneinsätzen oder Kämpfen mit den Crawlern, zu denen die Schwestern nicht alleine ins Zimmer gehen. Die Halbwilden sind nicht gut in die Gesellschaft von Terra Alpha eingegliedert. Sie werden gebraucht und gleichzeitig als Sicherheitsrisiko für die sich immer stärker zivilisierende Gesellschaft angesehen. Als wir am letzten Zimmer auf der linken Seite ankommen, bleibt Doc Keller stehen und seufzt. „Und in diesem Zimmer liegt unser langjähriger Problemfall. Ein blinder Trooper, der seit Jahren hier ist. Er ist der Grund, weshalb es heute Morgen Probleme gab. Seine Augenoperation ist nicht so verlaufen, wie er es sich vorgestellt hat. Wenn seine Fesseln gelöst sind, dürfen Sie das Zimmer nur in Begleitung einer Schutzwache betreten.“ Er weist auf ein rundes Drehschild am Türknauf. „Grün bedeutet, es ist sicher, wenn die rote Seite des Schildes nach oben zeigt, dürfen Sie das Zimmer nicht betreten. Doom ist zwar blind und nicht auf die Art gefährlich, wie die Halbwilden, aber er neigt dazu, die Kontrolle über sich zu verlieren.“
Ich spüre, wie die Zeit plötzlich zusammenschrumpft und meine Vergangenheit mich einholt. Es gab einen Trooper mit dem Namen Doom in Sektion B, der von Fauns Gefährtin Cat geblendet wurde – ein großer düsterer Typ. Ich kannte ihn nur vom Sehen, obwohl er in Stones Einheit war. Doom ist mir vor allem deshalb in Erinnerung geblieben, weil er einer der Wenigen war, die mich nie angefasst haben – selbst zu dem Zeitpunkt, als Stone noch nicht die Kontrolle darüber hatte, seine Waffenbrüder von mir fernzuhalten. Vielleicht hat er gewusst, was Stone für mich empfindet … vielleicht war ich auch einfach nicht sein Typ. Auf jeden Fall war er damals alles andere als unzurechenbar. Aber was immer in der Zwischenzeit passiert ist - es liegt in der Vergangenheit, und ich habe nicht vor, darin herumzuwühlen.
„Ich bräuchte heute Nacht dringend jemanden für den Nachtdienst. Eigentlich sollte Kristen heute Nachtdienst haben, und Brit hat keine Zeit einzuspringen. Es ist keine ideale Lösung, aber wir haben keine schwierigen Fälle auf der Station, und Sie können mich bei Problemen sofort rufen lassen. Würden Sie sich das zutrauen, Mel? Sie müssten das Abendessen verteilen und einigen Patienten ihre Medikamente bringen. Es gibt eine Liste im Schwesternzimmer, auf der die Medikamentenabgabe geregelt ist und Brit wird alles vorbereiten.“
Ich nicke. Die Aussicht darauf, heute Abend hier allein und ungestört zu sein, gefällt mir. „Das hört sich nicht nach einer unüberwindbaren Aufgabe an.“
Dr. Keller lacht – das erste Mal, seit ich ihm vorgestellt wurde. „Ich glaube, Sie werden sich hier schnell zurechtfinden. Schwestern wie Sie brauche ich.“
Ich lache auch, lasse den guten Doc in dem Glauben, dass ich das hier aus reiner Selbstlosigkeit tue und nicht, um mich vor der Welt zu verstecken.