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1. Das Herz eines Barbaren

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Ladla

Ich bin stark! Das war ich schon immer … nie war ich eine von diesen verhätschelten Frauen, die sich vor ihrer Hochzeitsnacht fürchten oder hinter vorgehaltener Hand über Dinge mit ihren Freundinnen tuscheln, die sie für skandalös halten. Ich habe mein Schicksal angenommen – egal, wie unglücklich es mir auch erschien. Meine Schwester Neyla war der Liebling unseres Vaters … immer stand sie im Mittelpunkt, jede Aufmerksamkeit gehörte ihr, jede Zuwendung, jeder noch so winzige Funken Glück schien ihr zuzufliegen, wie er mich mied.

Ich habe mich nie darüber beschwert. Ich wusste ja, dass ich anders bin … anders als Neyla … und anders als andere Frauen. Mein Lebensglück habe ich mir heimlich gesucht … beim Reiten oder Üben mit dem Langbogen. Mein Vater ließ mich tun, wonach mir war. Es gab keine Rolle für mich in seinem Spiel der Macht. Neyla war die Tochter, die ihm seine Allianz mit Darjans Vater sichern sollte.

Doch als meine Schwester vor ihrer Hochzeit mit Prinz Darjan entführt wurde, änderte sich alles. Nun sollte ich Darjan heiraten. Spätestens da wurde mir klar, dass mein Vater meine Schwester ebenso wenig liebte, wie er mich liebt. Sie hatte nur einen größeren Wert für ihn. Als man Neyla verschleppte, war mein Vater bereit, seine Lieblingstochter bis ans Ende ihres Lebens bei den Wüstenbarbaren verrotten zu lassen.

Nach dieser Entscheidung kam er zu mir – der Tochter, der er bisher kaum Beachtung geschenkt hatte. „Ladla … du wirst Darjan heiraten. Die Allianz mit dem Prinzen und seinem Vater ist wichtig für mich. Heute Abend kommt eine Elegen-Priesterin in deine Räume und bereitet dich vor. Einen Brautzug in den Tempel wird es nicht geben. Ich kann es mir nicht leisten, dass diese Wüstenrebellen mir noch eine Tochter verschleppen.“

Ich konnte kaum glauben, was ich hörte. Und vor allem konnte ich nicht glauben, dass Darjan zugestimmt hatte, mich zu heiraten. Ich bin keine Frau, die Männer begehren oder heiraten wollen. Das war ich noch nie.

Aber Darjan stimmte tatsächlich zu. Er war nicht besonders begeistert – kein Vergleich zu der winselnden Aufmerksamkeit, mit der er Neyla hinterher gelaufen war. Doch auch sein Vater wollte die Allianz mit Tigman … Darjan wurde von seinem Vater genauso hin- und hergeschoben, wie ich oder Neyla von unserem Vater. Allerdings stellte Darjan eine Bedingung, bevor er der Hochzeit mit mir zustimmte.

„Ich habe schon lange genug auf deine Tochter Neyla gewartet. Ärgerlich genug, dass ich sie nun nicht bekommen werde. Ich werde deine andere Tochter Ladla heiraten. Aber ich warte nicht noch einmal so lange auf meine Hochzeitsnacht.“

Mein Vater stimmte ohne große Hemmungen zu. Ihm war wichtig, dass er die Allianz bekam, wegen der die Heirat überhaupt geschlossen werden sollte. „Die Hochzeit kann erst in drei Wochen stattfinden. Dann kann ich Neyla verstoßen. Aber du kannst Ladla vorher auf deinem Lager haben, so oft du willst. Schließlich ist es ja nur noch eine Formalität, bis ihr verheiratet seid.“

Darjan machte Gebrauch von seinem Recht … obwohl er wenig Freude an mir hatte und ich noch weniger Freunde an ihm. In der ersten Nacht lag ich unter ihm wie ein Brett. Weder tat er mir weh, noch erregte er mich. Darjan spürte das … und schon in der zweiten Nacht machte er sich nicht mehr die Mühe, mich zu erregen. Er benutzte einfach ein wenig Öl, um meine fehlende Lust auszugleichen.

Ich musste vor seinem Lager knien, als er mich von hinten nahm. Ob er Neyla auch so genommen hätte? Ich bezweifle es. Aber seltsamerweise machte es mir nichts aus. Ich fühlte mich noch nicht einmal gedemütigt. Es war, als berühre es mich gar nicht.

Das ist es, was ich meine, wenn ich sage, dass ich anders bin als andere Frauen. Sollte ich nicht irgendetwas fühlen, wenn ein Mann mich will? Lust … Abneigung … irgendetwas? Aber tatsächlich hat mich noch nie ein Mann interessiert.

Als Neyla dann überraschend nach Tigman zurückkehrte, tat mein Vater so, als hätte es nie eine Verlobung zwischen Darjan und mir gegeben. Und Darjan hielt es genauso. Spätestens jetzt hätte ich etwas fühlen sollen. Wut, Enttäuschung, Verrat, weil meine Ehre einfach so fortgeworfen worden war. Aber alles, was ich empfinden konnte, war die Ungerechtigkeit darüber, dass Neyla mir schon wieder etwas fortzunehmen drohte.

Alles ist anders gekommen! Darjan ist tot, Neyla ist mit diesem Stammesführer geflohen - Rafai … und bin die Gefangene seines Bruders Altor - einem Riesen mit düsterem Blick, der wenig spricht. Noch nie habe ich einen so großen muskulösen Mann gesehen – Altor entspricht all dem, wie ich mir einen Wüstenbarbaren vorgestellt habe, als ich noch ein Kind war. Er trägt sein Haar lang und bindet es sich zu einem Pferdeschwanz zusammen. Sein Gesicht ist markant, seine dunklen Augen scheinen immer auf der Hut zu sein. In seiner dunklen Barbarentracht mit dem Gesichtstuch wirkt er noch bedrohlicher. Und nun treibt er mich seit fast zwei Monaten durch die verdammte Wüste - immer auf der Suche nach Stämmen, die er als Verbündete für seinen Bruder Rafai gewinnen kann. Die Düsternis, die ihn umgibt, erweckt dabei nicht gerade Vertrauen – selbst unter seinesgleichen begegnet man Altor mit Misstrauen.

Ich hätte mich längst aufgegeben. Was bleibt mir denn noch nach Darjans Tod und dem Verrat meines Vaters? Doch es gibt etwas, für das ich stark sein muss. Ich weiß es erst seit zwei Wochen. Vorher war es eine Ahnung, aber ich habe nicht gewagt, zu hoffen, weil ich weiß, dass das Glück sich mir entzieht, sobald ich versuche, danach zu greifen.

Ich bin schwanger. Es ist Darjans Kind, aber was macht das schon? Darjan ist tot! Dieses Kind wird also allein mein Kind sein … das erste Mal in meinem Leben gibt es etwas, auf das ich mich freue. Für dieses Kind will ich stark sein … es ist mein Geheimnis, das ich durch die sengende Wüste trage. In Gedanken spreche ich mit dem Kind, während ich scheinbar fügsam neben Altor reite. Ich sage ihm, dass es sich keine Sorgen machen soll, und dass ich einen Ausweg für uns finden werde.

Ich weiß, dass ich fließen muss, weil mich niemand retten wird. Immer wieder bin ich den Plan in meinem Kopf durchgegangen, bis ich davon überzeugt war, dass er funktionieren kann.

Seit Altor mich aus Tigman entführt hat, habe ich nicht zu erkennen gegeben, dass ich eine gute Reiterin bin. Er hält mich für eine verwöhnte Stadtfrau. Zwar ist mein Pferd langsamer als seines, aber dafür bin ich leichter als Altor und habe das Überraschungsmoment auf meiner Seite. Ich muss nur warten, bis wir nahe genug an einer Stadt sind. Allein in der Wüste überlebe ich nicht, das weiß ich. Aber wenn eine Stadt in der Nähe ist, kann ich es bis dahin schaffen!

Und nun ist dieser Augenblick gekommen. Die Stadt Wahai liegt keinen halben Tagesritt entfernt. Ich weiß, ich habe nur eine einzige Chance. Wenn ich die vertue, wird Altor meine Hände an den Sattel meines Pferdes fesseln, wie er es anfangs getan hat. Eine Flucht ist dann unmöglich.

Ich beobachte ihn aus den Augenwinkeln. Sein Blick ist wie immer verschlossen. Sein Pferd, ein großer Fuchshengst, ist müde vom langen Ritt. Allerdings ist mein Pferd das auch. Bald wird Altor einen Platz suchen, an dem wir den Tag über rasten … eine Oase … manchmal nur einen Felsen, an dem er Decken auslegt, auf denen wir schlafen. Ich habe mich längst daran gewöhnt, auf dem harten Boden zu schlafen.

Woran ich mich nicht gewöhnen kann, ist Altors Nähe. Nachts fesselt er meine Hände; zu allem Überfluss verbindet er meine Fesseln durch ein Seil mit seinen Handgelenken – so spürt er jede meiner Bewegungen und bemerkt sofort, falls ich versuche zu fliehen.

Wenn ich meine Freiheit zurückwill und die meines Kindes, muss ich jetzt fliehen. Falls ich noch länger darüber nachdenke, verliere ich vielleicht den Mut.

Ich gebe meinem Pferd ein für Altor unsichtbares Zeichen mit den Fersen. Sofort macht es einen Satz nach vorne und galoppiert los.

Altor neben mir ist tatsächlich überrumpelt. Zuerst glaubt er, mein Pferd hätte sich erschreckt und würde mit mir durchgehen, doch dann wird ihm klar, was ich vorhabe.

Als ich über die Schulter zurückblicke, gibt er seinem Hengst die Fersen und treibt ihn an, mir zu folgen.

„Wind und Sonne … helft mir ...“, presse ich ein Stoßgebet hervor. „Wenigstens einmal! Seid wenigstens einmal auf meiner Seite!“

Zuerst sieht es so aus, als würde mein Plan aufgehen. Der Abstand zwischen Altor und mir wird größer – doch dann holt der Fuchshengst auf. Ich recke meinen Kopf in den Wind und schreie. „Nur einmal … beim heißen Atem der Sanddämonen ... Bitte!“

Beim nächsten Blick über die Schulter hat Altor mich fast eingeholt. Ich weine unsichtbare Tränen. Ich weiß, dass ich meine Chance vertan habe, aber ich kann einfach nicht aufgeben. Ich will nicht! Ein letztes Mal treibe ich mein Pferd an.

Plötzlich trifft mich etwas hart gegen die Hüfte. Ein scharfer Schmerz fährt durch mein Bein und ich verliere das Gleichgewicht. Altor hat mir einen Tritt mit dem Fuß versetzt. Nein!, denke ich und schlage im nächsten Augenblick hart im Sand auf. Ich sehe Sterne, und mir ist schlecht. Ein scharfer Schmerz durchzuckt meinen Unterleib. Es ist nichts … es ist alles gut …, beruhige ich mich, und tatsächlich lässt der Schmerz in meinem Bauch schnell nach.

Als ich mich aufrappeln will, ist Altor schon bei mir und springt von seinem Pferd. Wie ein Wüstendämon kommt er durch den Sand auf mich zugestapft, sein Blick so wütend, wie ich ihn selten gesehen habe. Ich bin keine Frau, die schnell Angst bekommt, aber Altors Anblick versetzt selbst mich in Panik. Trotzdem bin ich viel zu stolz und zu wütend, ihm das zu zeigen. Es würde mich ohnehin nicht retten.

Als Altor meinen Arm packt und mich auf die Beine zieht, funkele ich ihn wütend an.

„Du willst wohl wieder an dein Pferd gefesselt werden. Das kannst du haben!“ Seine Stimme ist dunkel und grollend.

Obwohl sie mir durch Mark und Bein geht, recke ich ihm das Kinn entgegen. „Und wenn schon … das war es mir wert!“

Wir starren uns an, und einen Augenblick kommt es mir so vor, als würden wir unsere Kräfte messen, obwohl das lächerlich ist. Ich bin seine Gefangene, daran besteht kein Zweifel.

Als er mir mit einem Lederband die Handgelenke fesselt, tut Altor es gründlich und nimmt sich Zeit dafür. Ich habe den Eindruck, dass es ihn tief in seinem schwarzen Herzen gefällt, mich zu fesseln. Dieses unzivilisierte Tier!

„Mal schauen, wie weit du jetzt noch kommst“, knurrt er und betrachtet zufrieden sein Werk.

Ich starre ihn an, herausfordernd … wütend. Wenigstens mein Blick soll ihm zeigen, dass ich jederzeit wieder versuchen würde, zu fliehen, wenn ich die Chance dazu bekomme.

Altor kneift die Augen zusammen … er fühlt sich von mir provoziert. Dann packt er mich und hebt mich auf mein Pferd. Als er meine Handgelenke an den Sattel fesselt, habe ich das Gefühl, dass er mir dabei mit voller Absicht immer wieder zwischen die Beine greift.

„Ich hoffe, es ist bequem genug für dich Prinzesschen“, sagt er, als er fertig ist.

„Was kümmert es dich“, zische ich kalt, und das erste Mal, seit Altor mich verschleppt hat, zeichnet sich so etwas wie ein Grinsen auf seinem Gesicht ab. „Da hast du recht … es kümmert mich nicht im Geringsten.“

Ich sage nichts mehr … etwas in seinem Blick warnt mich. Ich kann nicht sagen, was es ist … und ich will es auch gar nicht wissen. Aber ich habe plötzlich das ungute Gefühl, dass es hinter der verschlossenen Miene dieses Wüstenbarbaren etwas gibt, das er aus gutem Grund verbirgt.

Altor

Verdammt, das war knapp! Fast ist mir dieses kleine Biest entwischt. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie reiten kann … vor allem nicht so. Frauen aus Städten können nicht reiten. Ladla aber kann reiten; und die ganze Zeit hat sie so getan, als wäre sie fügsam. Heute habe ich in ihren Augen gesehen, dass sie alles andere als eine ängstliche Fürstenstochter ist. Und ich habe etwas gefühlt, das ich nicht fühlen darf … nicht fühlen will.

Ich hoffe, dass sie nicht noch einmal versucht zu fliehen oder mich zu provozieren. Sie weiß nicht, was sie tut. Wie sollte sie das auch wissen? Ich verberge alles, was mit meiner dunklen Seite zu tun hat … und ich halte es unter Kontrolle. In einem Lager, wo Rafai und Jiadir um mich herum sind, geht das gut. Aber hier in der Wüste sind wir allein … und mir kommen Gedanken, die ich nicht haben will. Da reicht allein ein Blick, meine Selbstbeherrschung ins Wanken zu bringen.

Während Ladla neben mir reitet, beobachte ich sie heimlich von der Seite. Bisher hatte sie wenig Interessantes für mich, aber nun sehe ich sie mir genauer an … ihre Arme, ihre Beine … Ladla ist muskulöser als andere Frauen … so, als wäre sie viel geritten … und ihre Arme sind nicht kraftlos wie die anderer Frauen … als hätte sie mit Waffen geübt. Sie ist schlank und stark … eine Frau mit harten Zügen … zumindest äußerlich. Stark genug für mich? Ich versuche, andere Gedanken in meinen Kopf zu bekommen, aber mein Schwanz ist schon zur Hälfte in meiner Hose hart geworden.

Ladla sollte lieber nicht mein Interesse wecken. Alle Frauen, denen es gelungen ist, haben es später bereut. Keiner von ihnen hat gefallen, was sie bekommen hat. Deshalb nehme ich nur noch selten eine Frau mit in mein Zelt. Ich weiß, wie das ausgeht. Weder für sie noch für mich ist es befriedigend. Meine Hand ist der beste Freund meines Schwanzes geworden. Ich weiß, dass es besser so ist.

Wir sind nahe der Stadt Wahai … obwohl mein Stamm selten in den südlichen Gegenden von Antaror unterwegs ist, kennt jeder Wüstenkrieger die freien Wasserstellen in ganz Antaror. Das ist überlebenswichtig für uns. Deshalb weiß ich, dass wir heute Nacht in einer Höhle schlafen werden, in der es Wasser gibt. Ich werde Ladla fesseln müssen. Der Gedanke lässt meinen Schwanz zucken, obwohl ich versuche, es zu unterdrücken. Bisher habe ich Ladla einfach gefesselt … aber jetzt wird es anders sein … ab jetzt werden mich dabei Gedanken begleiten, die ich nicht haben darf.

Bei Washuu und Bawaa, reiß dich zusammen … du sollst sie nur bewachen und von Tigman fernhalten. Rafai wird dich umbringen, wenn du …

Ich zwinge mich, tief durchzuatmen und mich auf etwas anderes zu konzentrieren. Wir sind an unserem Lagerplatz angekommen. Vor uns liegt ein Felsen, hinter dem der Eingang der Höhle ist.

„Wir bleiben den Tag über hier“, lasse ich Ladla wissen und steige vom Rücken meines Fuchshengstes Rajim. Ich vermeide es, Ladla anzusehen, als ich sie vom Sattel ihres Pferdes losbinde. Aber ich weiß, dass ich sie fesseln muss, während ich die Pferde versorge. Ich kann ihr nicht trauen … jetzt nicht mehr. Wahai liegt nicht weit entfernt, und sie würde noch einmal versuchen zu fliehen. Denk nicht mal daran …, ermahne ich mich noch einmal und führe Ladla in die Höhle.

„Hinsetzen ...“, weise ich sie an, nachdem ich eine Decke auf den Boden gelegt habe.

Sie gehorcht schweigend, aber in ihren Augen kann ich ihren Widerwillen und ihre Rebellion sehen. Allein ihre Blicke haben etwas ungemein Provozierendes … Ich kann mich nicht zurückhalten, ihre Handfesseln noch etwas fester zu ziehen. Das Ende des Seiles binde ich um einen großen Felsen, den Ladla hinter sich herziehen müsste, sollte sie versuchen zu fliehen. „Bequem, Prinzesschen?“, frage ich und versuche erst gar nicht, mein zufriedenes Grinsen zu unterdrücken.

Ladlas Augen sprühen wütende Funken. „Meinetwegen kannst du Sand fressen … Barbar!“

Ich kneife die Augen zusammen und starre sie an. Spätestens jetzt würde jede andere Frau den Blick senken. Nicht Ladla! Ich bin sicher, dass sie Angst vor mir hat, aber sie zeigt es nicht. Sie ist eine seltsame Frau … hart, aber auf eine unerklärliche Art anziehend – wie ein Pferd das man nach langem Kräftemessen zu Fall bringt und dessen Muskeln sich noch immer aufzulehnen versuchen, während man ihm die Läufe zusammenbindet. Man spürt seine Kraft und den Stolz, es sich gefügig gemacht zu haben.

Ich schüttele den Kopf. Was sind denn das für absurde Gedanken? Ohne Ladla weiter Beachtung zu schenken, mache ich mich daran, die Pferde zu versorgen. Die Quelle in der Höhle gibt nicht viel Wasser her und ist nicht viel mehr ein Rinnsaal, das in ein natürliches Becken tropft. Für zwei Tage haben wir genug Wasser, aber dann muss sich das Becken erneut füllen. Wir müssen also trotz allem sparsam sein.

Soll Ladla ruhig vor sich hin grollen, während ich mich um die Pferde kümmere. Ich glaube es ist gut, wenn wir beide eine Weile für uns allein sind, um auf andere Gedanken zu kommen.

Ladla

Ich starre die Wände der Höhle an. Das war es also! Mein einziger Versuch zu fliehen, ist gescheitert. Noch einmal wird Altor mich nicht unterschätzen. Du hast einfach kein Glück … verhöhnt mich eine innere Stimme. Selbst den Göttern bist du egal … nicht einmal jetzt wollten sie dir zur Hilfe kommen …

Meine Hüfte schmerzt von dem Tritt, den Altor mir verpasst hat. Ich schätze, dass er nicht härter hätte zutreten können, wäre ich ein Mann gewesen. Altor ist ein Barbar … grob und gefühllos. Von den Wüstenbarbaren, die ich bisher kennengelernt habe, ist Altor bei Weitem der Schlimmste. Doch ich habe mir angewöhnt, vom Leben nicht viel zu erwarten. In dem Sinne kann auch Altor mich nicht allzu sehr erschrecken. Ich weiß, dass er mich nicht töten wird. Sein Bruder Rafai würde es nicht erlauben. Immerhin bin ich die Schwester seiner Frau – wie wenig das auch in seinen Augen bedeuten mag.

Immerhin hat er mir die Hände nicht auf den Rücken gefesselt. Ein paarmal versuche ich, an dem Seil zu ziehen, das Altor um den Felsen gebunden hat – keine Chance. Wenn ich das Seil nicht wie eine Ratte mit den Zähnen durchnagen will, komme ich hier nicht weg. Und ich bezweifle ohnehin, dass ich genug Zeit dafür hätte, bevor Altor zurückkommt.

Ich versuche, eine einigermaßen bequeme Stellung auf der Decke zu finden. Als ich mich zur Seite drehe, rast ein kurzer Schmerz durch meinen Bauch. Ich halte die Luft an und warte. Er vergeht so schnell, wie er gekommen ist.

Langsam atme ich ein und wieder aus, um mich zu beruhigen. Seit Altor mich durch diese verdammte Wüste schleppt, habe ich mir angewöhnt, auf diese Art zur Ruhe zu kommen. Das war vor allem in den ersten Nächten wichtig, sonst hätte ich neben Altor kein Auge zugetan.

Ich muss nicht lange darauf warten, dass meine Lider schwer werden. Jeder Tag in der Wüste ist anstrengend und kräftezehrend. Nach kurzer Zeit bin ich eingeschlafen.

Ein scharfer Schmerz lässt mich aufwachen. Irritiert öffne ich die Augen. Wie lange habe ich geschlafen? Ein Blick zum Eingang der Höhle zeigt mir, dass die Sonne noch immer hoch steht. Es muss früher Nachmittag sein. Ich bin durchgeschwitzt … meine mittlerweile an vielen Stellen eingerissene Hose und das Hemd sind nass. Wenigstens konnte ich beides zwischendurch waschen, als wir in einer Oase gerastet haben. Aber bald hängt meine Kleidung nur noch in Fetzen von meinem Körper.

Als ich versuche, mich aufzusetzen, schießt die nächste Schmerzwelle durch meinen Unterleib. Sie fühlt sich an wie ein glühend heißer Dolch.

Ich erschrecke, als ich den Kopf anhebe und den Blutfleck sehe, der sich auf dem Stoff meiner Hose ausgebreitet hat. Zuerst bin ich zu erschrocken, um zu denken, dann jedoch wird mir klar, was passiert ist. Mein Kind …, ist der einzige Gedanke, der mir durch den Kopf rast; dann schreie ich. Ich habe noch nie so geschrien in meinem Leben … ich kann noch nicht einmal aufhören, als Altor mit finsterer Miene in die Höhle gestürmt kommt.

„Was ist jetzt schon wieder? Drückt ein Stein in deinen hochwohlgeborenen Hintern?“

Er verstummt, als er den Blutfleck auf meiner Hose sieht. Ohne Eile kommt er zu mir, geht in die Hocke und schneidet meine Handfesseln durch. „Wann wolltest du mir davon erzählen?“ Seine Stimme klingt ruhig … zu ruhig, aber das ist mir in diesem Moment egal.

Es ist seine Schuld! „Hättest du mich einfach entkommen lassen, hätte ich mein Kind nicht verloren!“

Er presst die Kiefer zusammen. „Es wäre nicht passiert, wenn du mir davon erzählt hättest.“

Ich funkele ihn an. „Als ob das etwas geändert hätte.“

„Es hätte etwas geändert … ich bin kein Frauenschänder“, presst er wütend hervor. Fast kommt es mir vor, als hätte Altor das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen.

„Wer war der Vater?“

Ich denke gar nicht daran, ihm zu antworten. Altor packt mein Kinn und zwingt mich, ihn anzusehen. „Der Vater!“, fordert er zu wissen.

„Darjan ...“, fauche ich unwillig.

Er sieht mich mit einem Ausdruck im Gesicht an, als könne er kaum glauben, dass Darjan mich auch nur angerührt hätte. „Schwache Väter zeugen schwache Kinder.“

Er lässt mein Kinn los und greift stattdessen unter meinen Arm. Überraschend sanft hilft er mir auf. „Zieh die Sachen aus.“

Ich starre ihn an. Dieser Barbar erwartet doch nicht wirklich, dass ich mich vor ihm ausziehe?

Altor verzieht ungeduldig die Mundwinkel. „Du kannst dich in die Decke wickeln und deine Sachen nach draußen werfen.“ Ohne meine Antwort abzuwarten, lässt er mich allein in der Höhle.

Altor

Das darf nicht wahr sein! Was für Überraschungen werde ich mit dieser Fürstentochter noch erleben? Zuerst versucht sie zu fliehen und dann das! Hätte ich bemerken müssen, dass sie schwanger ist? Wahrscheinlich schon, aber ich kümmere mich nicht um die Belange von Frauen. Warum auch? Ich habe keine Frau.

Aber ganz sicher hätte ich Ladla nicht vom Pferd getreten, wenn ich es gewusst hätte! Sie hält mich für einen Barbaren und bringt mich auch noch dazu, mich vor ihr zu rechtfertigen. Aber die Wahrheit ist, dass Ladla nicht die erste Frau ist, die so über mich denkt. Wenn auch aus anderen Gründen.

Ich lehne neben der Höhle im Schatten an einem Felsen. Zuerst glaube ich, dass Ladla sich weigert, ihre Sachen auszuziehen. Es dauert eine Weile, bis zuerst ihr Hemd und dann die Hose aus dem Eingang der Höhle geflogen kommen. Ich schnappe mir die Sachen und stelle fest, dass sie nicht nur blutig und durchgeschwitzt, sondern auch zerfetzt sind.

Kurzerhand suche ich meine Feuersteine und Brennmaterial aus meinen Satteltaschen. Der Geruch des Blutes in der Kleidung könnte wilde Tiere anlocken. Außerdem lohnt es sich nicht, diese Flicken zu waschen, und wir sollten zwei oder drei Tage hierbleiben, bis Ladla sich erholt hat – wobei ich schätze, dass sich mehr ihr Gemüt beruhigen muss als ihr Körper. Sie dürfte noch nicht lange gewusst haben, dass sie schwanger ist.

Zufrieden sehe ich zu, wie die blutigen Sachen verbrennen. Erst Ladlas empörter Aufschrei holt mich aus meinen Gedanken.

„Bist du vollkommen wahnsinnig?“ Sie steht im Eingang der Höhle, in die Decke gewickelt, die ich ihr vorhin auf dem Boden ausgebreitet habe, und starrt auf die Reste ihrer kokelnden Kleidung. Der Rauch muss sie alarmiert haben.

„Das Blut könnte Raubtiere anlocken. Wir haben hier kein Wasser, um die Sachen zu waschen. Außerdem waren es ohnehin nur noch Fetzen.“

„Und was soll ich jetzt anziehen?“, faucht sie wie ein wild gewordener Wüstendämon.

„Ich lasse mir etwas einfallen.“ Warum sind Frauen immer so kompliziert?

Ladlas Blicke verraten, was sie am liebsten mit mir tun würde.

So lebendig … so kämpferisch …, geht es mir durch den Kopf und ich spüre ein angenehmes Ziehen zwischen den Beinen.

Dann senkt Ladla plötzlich den Blick. „Das war mein Kind … du hättest die Sachen wenigstens im Wüstensand begraben können, anstatt sie einfach zu verbrennen.“ Sie dreht sich um verschwindet wieder in der Höhle. Ich fluche leise vor mich hin. Schon wieder stehe ich da wie ein Barbar. Es stimmt … ich bin nicht gerade das, was man einen Frauenversteher nennen kann. Vielleicht hätte ich wirklich nachdenken sollen, bevor ich die Sachen verbrenne …

Gleichzeitig stiehlt sich ein Gedanke im mein Herz, der so egoistisch ist, dass ich mich dafür schäme. Die Idee, dass Ladla nun ohne Kleidung in der Höhle festsitzt – auf mich angewiesen – löst einen tief sitzenden Reiz in mir aus. Und ein Teil von mir ist sogar froh darüber, dass sie kein Kind von diesem Schlappschwanz haben wird. Überhaupt ist mir rätselhaft, dass Ladla sich so einem Idioten gegeben hat. Wenn ich ehrlich bin, ärgert es mich. Eine Frau wie Ladla braucht einen Mann und keinen Prinzen in bestickten Hosen. Ah … so einen wie dich, ja?, verhöhnt mich eine innere Stimme. Hör endlich auf, dir etwas vorzumachen … sie hasst dich; und sie hat auch allen Grund dazu.

Ladla

Als ich meine Kleidung verbrennen sah, bin ich innerlich zusammengefallen, wie ein Gebilde aus Sand. Mein Kind wird nicht geboren werden. Eine furchtbare Leere beginnt, sich in mir auszubreiten. Ich habe das Letzte verloren, an das ich mich geklammert habe. Langsam sickert die Erkenntnis über den Verlust durch meinen Verstand direkt in mein Herz.

Die Schmerzen sind verschwunden … ich habe kaum etwas gespürt. Es war noch so früh … viel zu früh.

Ich fühle mich, als hätte ich alle Kraft verloren. Langsam gehe ich zurück zu dem Platz, an dem Altor mich vorhin festgebunden hat. Ich bin so müde und will nur noch schlafen.

Als Altor kurze Zeit später in die Höhle kommt und mich anspricht, tue ich so, als würde ich ihn gar nicht hören. Er starrt eine Weile auf mich herunter und lässt mich dann in Ruhe. Auch als er am Abend mit einem Stück Brot und den letzten Früchten, die wir vor zwei Tagen in einer Oase gepflückt haben, zu mir kommt, ignoriere ich ihn.

„Du musst etwas essen“, sagt er, doch ich habe keinen Hunger. Ich will einfach nur, dass er verschwindet. Wegen ihm ist mein Kind nicht mehr da!

Altor tut mir den Gefallen, nachdem er mich gezwungen hat, etwas Wasser zu trinken. Ich verbringe die Nacht wie in einem Kokon – eingehüllt in meinen Schmerz und mein Selbstmitleid.

Desert Winds - Die Gefangene der Wüste

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