Читать книгу Wolf Breed - Amon (Band 2) - Alexa Kim - Страница 3
1.
ОглавлениеFiona
Die dünne Schneedecke, die kaum noch meine Schritte dämpfte, konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Winter langsam seine Kraft verlor. Zwar lag der Teutoburger Wald noch im Winterschlaf, doch in der Luft konnte ich bereits den ersten Hauch von Frühling wahrnehmen – ein Mensch hätte das natürlich nicht gekonnt, aber meine Nase war empfindlich; vor allem, wenn ich in meiner Wolfsgestalt unterwegs war. Das war ich in letzter Zeit oft; ein Gefühl von Freiheit, das ich nie gekannt hatte, lockte mich zu langen intensiven Streifzügen durch das Revier meiner Familie … den Wolfstann. Kein Oliver mehr, dem ich mich unterwerfen musste, keine vergiftete Stimmung – sogar Mona verhielt sich ungewöhnlich zahm, seit sie den Omega Platz im Rudel innehatte. Vince war der neue Alpha-Wolf unseres Rudels. Er hatte seine Gefährtin Eveline, und sie erwarteten ihr erstes Kind. Ich war frei! Frei !!! …
Das Wort hallte in meinem Kopf nach, während ich über die knirschenden Schneereste lief, die Nase dicht über dem Boden, eine Spur verfolgend. Ich konnte nicht zuordnen, zu was sie gehörte … sie hatte etwas Aufregendes und Elektrisierendes, kitzelte in der Nase und brachte mich dazu, immer schneller zu laufen. Etwas Ähnliches hatte ich noch nie wahrgenommen. Der Geruch war nicht menschlich, schien aber auch nicht zu einem Tier zu gehören. Ich musste einfach wissen, was es war, obwohl mein Alarmsystem mir seit einer halben Stunde sagte, dass ich mich schon viel zu weit aus unserem Revier entfernt hatte. Aber Tatsache war, dass, was immer sich hinter der Spur verbarg, bis an die Grenzen unseres Reviers herangekommen war … es schien sich dort entlanggeschlichen zu haben, darauf bedacht, sie nicht zu übertreten. Also war es vielleicht doch ein Wolf? Ein Mensch wäre kaum in der Lage, wahrzunehmen, wo unser Revier beginnt und wo es endet … Zuerst hatte ich befürchtet, Oliver sei zurückgekehrt, aber ich hätte seinen Geruch unter tausend anderen wiedererkannt … er war mir zuwider und manchmal träumte ich nachts von Oliver. Wenn ich dann wach wurde, ging ich sofort duschen, weil ich das Gefühl hatte, sein Geruch würde an meiner Haut kleben.
Zwar hatten wir Oliver nicht mehr gesehen, seit er versucht hatte, Eveline umzubringen … und das war fast drei Monate her …, aber noch immer wachte ich schweißgebadet auf, wenn ich von ihm träumte.
Ich blieb abrupt stehen und hielt meine Nase in die Luft. Die fremde Spur schien plötzlich überall um mich herum zu sein. Meine Beine fingen an zu zittern und ich war froh, dass ich in diesem Moment vier davon hatte, sonst wäre ich wahrscheinlich einfach umgekippt.
Wie war es möglich, dass ein Duft mich derart aus der Fassung brachte? Ich hätte sofort umkehren sollen und Vince Bescheid geben, aber meine Neugierde war viel zu groß. Vor mir lag ein bewaldeter Hügel, und ich war mir sicher, dass ich die Quelle der Duftspur hinter diesem Hügel finden würde. Ich musste nur die paar Schritte den Hügel hinauf laufen, um einen vorsichtigen Blick zu riskieren …
Langsam schlich ich vorwärts, darauf bedacht, keinen Lärm zu machen. Noch immer zitterten meine Beine, und ich verspürte eine Aufregung, die mich irritierte.
Mit zögerlichen Schritten lief ich über die Kuppe des Hügels, arbeitete mich zum Rand vor und blieb dann stehen.
Und da stand sie … die Quelle dieses unwiderstehlichen Geruchs und versuchte erst gar nicht, sich zu verstecken oder mir aus dem Weg zu gehen! Sie war groß und schwarz und funkelte mich aus gelben Augen an. Ein Wolf! Irritiert reckte ich die Nase in die Luft und witterte. Ich verstand es immer noch nicht. Ich wusste, wie Wölfe rochen, ich kannte den Geruch von Menschen und von meiner Art. Menschen verbreiteten einen eher schwachen und unaufdringlichen Geruch, der an den von Beutetieren erinnerte … der Geruch meiner Art war stark und dominant … ein wenig wie frischer Regen, der auf trockenen Waldboden fällt. Und Wölfe … nun ja … sie rochen scharf und ein wenig metallisch. Aber das hier … vielleicht ein wenig von allem… wie frisches Wasser, das durch alten Fels fließt … vertraut und doch fremd.
Ich schüttelte den Kopf und witterte noch einmal … konzentrierte mich. Nein ... Das da unten roch weder wie ein Wolf, noch wie ein Mensch … verunsichert wich ich ein paar Schritte zurück, während der schwarze Wolf sich im Gegenzug daran machte, den Hügel hinauf zu laufen … direkt auf mich zu. Das ist kein normaler Wolf … er war von meiner Art!
Ich begann zu knurren und die Zähne zu fletschen. Bis hierhin und nicht weiter …
Der Fremde blieb stehen, allerdings ohne mich aus den Augen zu lassen. An seiner Körperhaltung konnte ich sehen, dass er vor allem neugierig zu sein schien. Aber plötzlich war da noch etwas anderes … sexuelles Interesse …
Meine Vorsicht ging über in offene Ablehnung. Ich hasste diesen Geruch! Er erinnerte mich an Oliver! Innerhalb einer Sekunde schaltete ich auf Abwehr … reckte mich mit gekräuselter Nase, versuchte, mich groß zu machen, zähnefletschend und mit spitz nach vorn gerichteten Ohren sandte ich die offene Drohung in Richtung des Fremden. Ich hatte Angst, weil ich wusste, dass er im Zweifelsfall stärker wäre als ich. Er konnte mich zwingen, genau, wie Oliver es getan hatte … er konnte mich verschleppen und unterwerfen. So etwas war nicht unüblich … aber ich würde mich verteidigen, auch wenn es meinen Tod bedeutete … nie wieder würde ich oder mein Körper jemandem gehören … nie wieder! Lieber nähme ich in Kauf, dass unsere Art ausstarb ...
Der Fremde hatte offenbar verstanden und blieb stehen … mit aufgestellter Rute, um seine Dominanz klarzustellen – jetzt war ich ganz sicher, dass er von meiner Art war.
Seine Absicht war eindeutig – Paarung! Zwar war die Paarungszeit vorbei, aber das bedeutete nicht, dass er kein Interesse hatte. Auf keinen Fall … rief eine wütende Stimme in meinem Innern. Ich war nicht Oliver entkommen, um jetzt von diesem Fremden unterworfen zu werden! Du bist frei …, sagte ich mir immer wieder, während ich langsam unter Drohgebärden zurückwich und dann wie von einer Horde Wespen gestochen den Hügel hinunterrannte.
Ich hetzte durch den Wald, zurück in die Richtung, wo ich mein sicheres heimatliches Revier wusste … und Vince – einen Alpha, der mich beschützte. Ich muss ihm erzählen, dass es einen Fremden gibt … vielleicht sogar ein fremdes Rudel …, ging mir durch den Kopf, während ich lief. Woher kam er, warum war er hier … was suchte er hier? Ich konnte nur hoffen, dass er mich nicht verfolgte.
Erst als ich die Grenzen unseres Reviers erreichte, blieb ich stehen und sah mich um. Meine Panik verflog langsam, als ich ihn nicht mehr riechen konnte … und sobald sein Geruch aus meiner Nase verschwunden war, funktionierte auch mein Verstand wieder klar. Was hatte ich mir dabei gedacht, ein solches Risiko einzugehen? War ich eine unerfahrene Idiotin, die mit hängender Zunge hinter einer verführerischen Spur hertrottet? Nachdem die Gefahr nicht mehr unmittelbar war, schüttelte ich verärgert den Kopf und lief in Richtung meines Verstecks, wo ich meine Kleider auf meinen Steifzügen zurückließ und die Verwandlung durchlief. Die kleine Höhle – eigentlich nicht viel mehr als ein tiefer Felsspalt – war mein geheimer Rückzugsort vor Oliver gewesen und sie erwies mir auch jetzt noch gute Dienste. Ich hatte peinlich darauf geachtet, meine Duftspur zu verwischen, wenn ich dorthin ging, um sicherzugehen, dass niemand außer mir sie kannte.
In der hintersten Ecke der Höhle legte ich mich auf den Boden und versuchte, zur Ruhe zu kommen. Erst als das warme Gefühl in meine Glieder floss und meine menschlichen Gedanken sich mit denen der Wölfin zu mischen begannen, schloss ich die Augen und ließ den unvermeidlichen Kontrollverlust zu, den jede Wandlung mit sich brachte.
Amon
Ich war ihr gefolgt … und ich hatte Glück. Der Wind stand günstig, sodass sie mich nicht wittern konnte, wenn ich genug Abstand hielt. Wie ich vermutet hatte, war sie zu ihrem Versteck gelaufen. Ich war sicher, dass sie vorhatte, dort die Wandlung zu durchlaufen. Aufgeregt schlich ich in die Höhle. Ich konnte mein Glück kaum fassen! Ich hatte endlich gefunden, wonach ich gesucht hatte … und wie es aussah noch viel mehr! Das Rudel, das hier lebte, musste reinblütig sein … keine Mischlinge, wie wir. Die Wölfin, die meiner Spur gefolgt war, roch so unglaublich verlockend … ich war nicht vorbereitet gewesen auf das, was sie in mir auslöste. Eigentlich hatte ich sie fortlocken wollen aus ihrem Revier, um sie notfalls gegen ihren Willen zu unterwerfen … ich brauchte eine Gefährtin … mein Rudel brauchte eine Alpha-Wölfin. Das war eine Notwendigkeit, und genau so war ich die Sache angegangen … doch plötzlich war es viel mehr als eine Notwendigkeit. Die Wölfin mit dem ungewöhnlichen Fell hatte etwas in mir ausgelöst, ein Verlangen, das vollkommen neu für mich war. Ich musste sie haben … … obwohl sie mir sehr deutlich klar gemacht hatte, dass das Interesse nicht auf Gegenseitigkeit beruhte. Ich hätte einfach meinen Plan weiterverfolgen können … sie unterwerfen und gegen ihren Willen meinem Rudel zuführen … aber das reichte mir jetzt nicht mehr. Ich wollte sie … aber ich wollte nicht, dass sie mich hasste ...
Deshalb war ich ihr bis zu der kleinen Höhle gefolgt. Ich war neugierig, welche menschliche Gestalt hinter der hübschen Wölfin steckte.
Mit meinen Wolfsaugen konnte ich in der Dunkelheit der Höhle problemlos sehen und fand sie schnell. Sie lag entspannt auf der Seite und hatte die Rückwandlung schon fast durchlaufen …
Bei ihrem Anblick hatte ich das Gefühl, mein Herz würde aufhören zu schlagen. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals eine so schöne Frau gesehen zu haben. Sie war schlank und ungewöhnlich feinknochig. Ihr hellbraunes Haar, das ihr offen über die Schultern fiel, hatte fast die Farbe ihres Wolfsfells. Ihre Augen waren geschlossen, sodass ich die Farbe nicht erkennen konnte, aber ihr Gesicht war ebenmäßig und wirkte jung und verletzlich. Obwohl ich noch immer in Wolfsgestalt unterwegs war, regte sich der menschliche Teil in mir.
Wer bist du? …, drängten sich Fragen meines menschlichen Verstandes zwischen die Begierden des Wolfes. Ich bereute es, mich noch nicht in meine menschliche Gestalt zurückverwandelt zu haben – dann hätte ich meine guten Vorsätze einfach vergessen und sie mitnehmen können zu meiner Familie. Jetzt, wo ich sie vor mir liegen sah, wünschte ich mir nichts mehr als das. Allerdings war sie kurz davor, das Bewusstsein wiederzuerlangen.
Widerwillig zog ich mich aus der Höhle zurück darauf bedacht, möglichst wenig Duftspuren zu hinterlassen. In ihrer menschlichen Gestalt wäre ihre Nase nicht gut genug, die feinen Duftspuren, die ich hinterließ, wahrzunehmen.
Vor der Höhle schüttelte ich den Kopf, in dem hoffnungslosen Versuch, ihn klar zu bekommen. Es war unmöglich. Ich war durchdrungen von dieser Frau und meinem Verlangen nach ihr. Ich musste sie wiedersehen, aber das nächste Mal würden wir uns in unserer menschlichen Gestalt begegnen. Wenn sie keinen Gefährten hatte, würde ich sie von ihrem Rudel fordern … und wenn sie einen Gefährten hatte, würde ich ihn herausfordern und um sie kämpfen. Ich hatte nie etwas mehr begehrt, als sie! Und mein Rudel hatte nie etwas mehr gebraucht, als diese Frau …
Fiona
Ich fror erbärmlich, als ich wach wurde, und schlüpfte hastig in meine warme Winterkleidung. Selten hatte ich es eiliger gehabt, nach Hause zu kommen. Jetzt, wo mein menschlicher Verstand die Kontrolle über mein Denken übernommen hatte, war mir die Gefahr noch bewusster. Wir hatten ein Abkommen mit Hank, dem Verwalter des Wolfstann Ferienparks. Er wusste als Einziger, wer wir waren, und beobachtete uns misstrauisch. Noch hatte die Feriensaison nicht begonnen. Wir waren bereit, uns an Regeln zu halten … hielten uns von Menschen fern und zeigten uns ihnen nicht in Wolfsgestalt. Kurzum … uns lag etwas an unserem zu Hause, das wir im Teutoburger Wald gefunden hatten. Wir hatten die Natur, die der Wolf in uns brauchte und die Zivilisation, die unsere menschliche Seite bevorzugte. Wenn ein fremdes Rudel auftauchte und sich nicht an die Regeln hielt, würde Hank das vor allem uns zur Last legen. Ich musste die anderen warnen … vor allem Vince!
Als ich die Höhe verließ, hatte es zu regnen begonnen. Dicke Tropfen strichen wie Eisfinger über mein Gesicht. Ich konnte das Frühjahr kaum erwarten, zumal meine Höhle fast dreißig Minuten von unserem Haus entfernt lag … zumindest wenn ich auf zwei Beinen unterwegs war. Lange hatte ich nach einem geeigneten Unterschlupf gesucht, in dem ich die Wandlung durchlaufen konnte – weit weg von Oliver. Den langen Weg hatte ich in Kauf genommen, aber heute hatte sich das Wetter eindeutig gegen mich gewendet.
Tropfend erreichte ich nach einem Gewaltmarsch durch den kalten Regen nach einer halben Stunde endlich unser Haus. Ich war außer Atem, weil ich streckenweise gerannt war.
Eveline surfte auf meinem Laptop auf der Webseite eines großen Internet-Versandhandels, als ich in den Wohnraum gestürmt kam. Zwar war sie erst im dritten Monat, aber sie und Vince machten sich schon jetzt Gedanken über die Einrichtung des Baby-Zimmers.
„Wow … Fiona … warst du schwimmen?“, rief sie mir zu, während ich die Tür hinter mir schloss und aus meiner Jacke und den aufgeweichten Stiefeln schlüpfte.
„Wir haben ein Problem ...“, überging ich ihre nett gemeinte Begrüßung. Wir waren mittlerweile so etwas wie Freundinnen geworden, obwohl sie ein Mensch war.
Vince, der neben ihr auf dem Sofa saß, sah mich alarmiert an. „Ist Oliver zurück?“
Ich schüttelte den Kopf so heftig, dass Wassertropfen durch den gesamten Wohnraum spritzten. Im nächsten Augenblick hielt mir jemand von der Seite ein Handtuch hin, und ich wusste, ohne hinzusehen, dass es Marcel war – unserer jüngerer Bruder. Seit Olivers Verschwinden war er selbstbewusster geworden und auch körperlich stärker. Er war ruhig und würde nie ein Alpha sein, aber ich war froh, dass er nicht mehr in jeder Situation den Kopf einzog und sich wegduckte. Marcel fehlte die Dominanz und Willensstärke, sich durchzusetzen, aber er war immer da, hilfsbereit, freundlich und empathisch. Insgeheim hoffte ich, dass er irgendwann eine starke Gefährtin finden würde, die ihn genau für diese Charaktereigenschaften liebte.
„Ich bin heute einem von uns begegnet. Es war nicht Oliver … ich hätte seinen Geruch erkannt. Diesen Geruch habe ich noch nie wahrgenommen. Es muss ein Rudel in der Nähe geben.“
Mit einem Mal sahen mich alle aufmerksam an.
„Bist du sicher?“ Vinces Stimme wurde eine Nuance tiefer – was immer dann passierte, wenn der Alpha in ihm zum Vorschein kam.
Ich nickte. „Ganz sicher … ein großer schwarzer Wolf, wahrscheinlich ein Alpha. Ich bin ihm entkommen, er war an einer Paarung interessiert. Ich habe seine Spur nah an der Grenze unseres Reviers wahrgenommen. Er hat sie nicht überschritten ... er weiß, dass wir hier sind. Wahrscheinlich will er abklären, wie stark wir sind.“
Vince stand auf und ging ein paar Schritte auf und ab. „Er war an dir interessiert?“
„Ich bin ziemlich sicher, dass er das war.“
„Das ist ein Angriff auf unser Rudel ...“, knurrte Vince.
„Wir müssen herausfinden, wer sie sind und wie viele ... wo sie herkommen, was sie wollen … und wir müssen dafür sorgen, dass sie uns keinen Ärger machen ...“, stellte ich klar.
Bevor Vince etwas sagen konnte, hörte ich Monas Schritte auf der Treppe. „Konkurrenz im Revier?“ Das Funkeln ihrer Augen bedeutete nichts Gutes. Mona wusste, dass Vince ihr nur Aufschub bis zum Frühjahr gewährt hatte. Er wollte, dass sie das Rudel verließ, und Mona sah hier eine Chance, sich dem neuen Rudel anzuschließen. Eigentlich wäre dagegen nichts einzuwenden gewesen, aber leider war eine schwarze Mamba vertrauenswürdiger als Mona. Meine Schwester war ehrgeizig, und obwohl sie sich scheinbar mit ihrer Omega-Stellung im Rudel abgefunden hatte, war nicht zu übersehen, dass sie Eveline nicht mochte, weil sie ein Mensch war und die Stellung der Alpha-Wölfin in der Familie übernommen hatte. Das allein waren zwei Dinge, die Mona nicht akzeptieren konnte; aber Eveline trug außerdem das Kind im Bauch, das sie selbst hatte austragen wollen … dabei wäre es Mona egal gewesen, ob es Olivers Nachwuchs oder der von Vince gewesen wäre; solange der Vater nur der Alpha des Rudels war. In diesem Sinne bedeutete ein neues Rudel für Mona eine Chance, doch noch die Stellung einer Alpha-Wölfin zu bekommen – sogar eine sehr reelle, falls unsere Sippen nicht miteinander verwandt waren. Ich gönnte Mona ihren Traum, auch wenn ihr Ehrgeiz anstrengend war … aber ich war mir nicht sicher, ob meine Schwester Eveline und Vince ihr Glück gönnte. Sie hätte versuchen können, das andere Rudel gegen uns aufzubringen … aus Rache und Wut. Ich kannte meine Schwester gut. Mona war in der Lage, so etwas zu tun.
„Das ist nichts, was dich interessieren sollte, Mona ...“, stellte Vince in ihre Richtung gewandt klar. „Du hast doch sicher irgendetwas zu tun.“
Mona funkelte Vince an. Er hatte ihr soeben klargemacht, dass er sie duldete, aber nicht mehr. In solchen Momenten tat Mona mir ehrlich leid, und ich fragte mich, ob Vince mit seiner Haltung Mona nicht gerade dazu trieb, sich gegen uns zu wenden. Andererseits war auch die Wut meines Bruders verständlich … Oliver hätte Eveline fast umgebracht, und Mona war nicht unschuldig daran. Vince war nicht nur ein Alpha, der seine Familie beschützte, er war auch Evelines Gefährte und werdender Vater. Allein Mona in Evelines Nähe zu ertragen, musste ihm Einiges an Beherrschung abverlangen.
„Na dann … fröhliches Familientreffen ...“, grollte Mona, drehte sich um und verschwand in ihrem Zimmer.
„Vielleicht sollten wir sie nicht ausschließen ...“, wagte ich zu sagen, was Vince einen Augenblick die Kontrolle verlieren und in meine Richtung schnappen ließ.
„Vince ...“, rief Eveline leise, und er beruhigte sich sofort. Eveline hatte Einfluss auf meinen Bruder, wie ich immer wieder anerkennend feststellte.
„Ich vertraue ihr nicht ...“
„Das tut keiner von uns ...“, mischte sich nun auch Marcel ein. „Aber Fiona hat recht … wenn wir Mona ausschließen, kommt sie erst recht auf dumme Gedanken.“
„Ich denke über eure Worte nach ...“, war das einzige Zugeständnis, das wir Vince entlocken konnten. „Wir werden dieses Rudel suchen und ihrem Alpha sagen, dass es hier keinen Platz für sie gibt.“
Ich erinnerte mich an die selbstbewusste Haltung des schwarzen Wolfes und bezweifelte, dass es so einfach werden würde.
„Wie willst du das anstellen?“ Eveline sah Vince besorgt an. Mir war klar, dass sie die Antwort kannte.
„Ich werde ihn suchen … gleich morgen früh. Wir verlieren besser keine Zeit, ehe Hank etwas mitbekommt. Er würde die Neuigkeit nicht gut auffassen … vor allem nicht so kurz vor Beginn der Feriensaison.“
Evelines Blicke sprachen Bände. Sie hatte ihr Leben für Vince aufgegeben … ihre Wohnung in der Stadt, ihren Job – auch wenn es kein besonders glückliches Leben gewesen war. Eveline hatte bereits ein Kind verloren und einen Gefährten. Das Kind war noch vor der Geburt gestorben, und der Gefährte hatte sie verlassen. Vince zu verlieren würde ihr einmal mehr den Boden unter den Füßen wegziehen. Andererseits war Vince jetzt der Alpha der Familie, und diese Stellung brachte erfahrungsgemäß Risiken mit sich.
„Ich gehe mit ihm ...“, versuchte ich Eveline zu beruhigen.
Vince schüttelte den Kopf. „Das halte ich für keine gute Idee … wenn dieser Alpha wirklich an dir interessiert ist, bist du hier besser aufgehoben … in unser Revier wird er sich nicht wagen.“
„Aber wir wissen nicht, wie groß ihr Rudel ist … du kannst nicht alleine gehen ...“
Eveline nickte. „Sie hat recht … was, wenn es zu viele sind?“
Ich teilte Evelines Besorgnis. Wenn Vince von dem fremden Alpha besiegt wurde, gehörten wir alle ihm … sogar Eveline und ihr ungeborenes Kind. Und wenn dieser fremde Alpha Menschen nicht akzeptierte … ich mochte gar nicht an diese Möglichkeit denken!
„Ich komme auch mit. Ich bin zwar, wenn es zum Kampf kommt, keine große Hilfe, aber das wissen die ja nicht ...“, erklärte Marcel.
„Ja, wir sollten Präsenz zeigen, Vince ...“, bekräftigte ich, und schließlich gab er nach. „Ich lasse Eveline nicht mit Mona allein. Wenn, müssen wir Mona mitnehmen.“ Er legte in einer ebenso beschützenden wie besitzergreifenden Geste den Arm um seine Gefährtin.
Ich verspürte ein warmes Gefühl, als ich sah, wie Eveline sich an meinen Bruder schmiegte. Es musste schön sein, dieses Vertrauen und diese Nähe zu teilen. Ich kannte nur Olivers Besitzanspruch auf meinen Körper.
Müde rieb ich mir über die Schläfen, weil mein Kopf zu schmerzen anfing. „Dann machen wir es eben so, Vince. Wir nehmen Mona mit, und ich behalte sie im Auge … ich bin ein großes Mädchen und kann auf mich aufpassen.“ Zwar fühlte ich mich nicht wirklich wohl dabei, aber mit Vince und Marcel an meiner Seite schon tausendmal besser als alleine. „Ich gehe duschen und dann schlafen. Ich bin noch immer ganz durchgefroren.“
Das stimmte, aber in Wahrheit wollte ich einfach nur eine Weile allein sein. Es gab Momente, in denen ich das Gefühl hatte, das mein Leben zum Stillstand gekommen war. Ich konnte nicht vor und nicht zurück – vor mir lag das Unbekannte – und hinter mir wartete Oliver, zu dem ich nicht zurückwollte. Irgendwie steckte mein Leben in einer Sackgasse … daran änderte auch der Umstand nichts, dass Oliver fort war.